„Entscheidung unter Risiko“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K erg
Quellen und Cleanup
Zeile 1: Zeile 1:
{{Belege fehlen|2=Dieser Artikel|1=Bitte insbesondere Aussagen belegen, die strittig sein könnten. z.B. "Dies bildet ... die empirisch beobachtbare Tatsache ab". Wer hat das empirisch beobachtet und interpretiert? Die Wikipedia-Autoren? Auch gibt es einige Unklarheiten in diesem Artikel, [[Diskussion:Entscheidung_unter_Risiko#Angaben_zu_risikofreudig_und_risikoscheu_vertauscht|siehe Diskussion]].}}

Von einer '''Entscheidung unter Risiko''' spricht man im Rahmen der [[Entscheidungstheorie]] dann, wenn der Entscheidungsträger die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der möglichen Umweltzustände kennt. Diese Wahrscheinlichkeiten können sowohl objektiv bekannt sein ([[Lotto]], [[Roulette (Glücksspiel)|Roulette]]) oder auf subjektiven Schätzungen (z. B. aufgrund von Erfahrungswerten) beruhen.
Von einer '''Entscheidung unter Risiko''' spricht man im Rahmen der [[Entscheidungstheorie]] dann, wenn der Entscheidungsträger die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der möglichen Umweltzustände kennt. Diese Wahrscheinlichkeiten können sowohl objektiv bekannt sein ([[Lotto]], [[Roulette (Glücksspiel)|Roulette]]) oder auf subjektiven Schätzungen (z. B. aufgrund von Erfahrungswerten) beruhen.


Zeile 9: Zeile 7:
Bei Entscheidungen unter Risiko liegt eine Ergebnismatrix vor, die das Entscheidungsproblem darstellt: Der Entscheider hat die Wahl zwischen verschiedenen Alternativen <math> a_i </math>, die abhängig von den möglichen Umweltzuständen <math> s_j </math> verschiedene Ergebnisse <math> e_{ij} </math> zur Folge haben. Die Wahrscheinlichkeiten <math> w_j </math> der verschiedenen Umweltzustände sind bekannt, wobei gilt: <math>0 \le w_j \le 1</math> und <math>\sum_{j}w_j = 1</math>.
Bei Entscheidungen unter Risiko liegt eine Ergebnismatrix vor, die das Entscheidungsproblem darstellt: Der Entscheider hat die Wahl zwischen verschiedenen Alternativen <math> a_i </math>, die abhängig von den möglichen Umweltzuständen <math> s_j </math> verschiedene Ergebnisse <math> e_{ij} </math> zur Folge haben. Die Wahrscheinlichkeiten <math> w_j </math> der verschiedenen Umweltzustände sind bekannt, wobei gilt: <math>0 \le w_j \le 1</math> und <math>\sum_{j}w_j = 1</math>.


'''Beispiel'''
* '''Beispiel:''' 100 € sollen für ein Jahr angelegt werden. Zur Wahl stehen: eine Aktie (<math> a_1 </math>) oder der Sparstrumpf, der keine Zinsen abwirft (<math> a_2 </math>). Die möglichen Umweltzustände sind: Der Aktienkurs steigt (<math> s_1 </math>), er sinkt (<math> s_2 </math>) oder er bleibt gleich (<math> s_3 </math>).


100 € sollen für ein Jahr angelegt werden. Zur Wahl stehen: eine Aktie (<math> a_1 </math>) oder der Sparstrumpf, der keine Zinsen abwirft (<math> a_2 </math>). Die möglichen Umweltzustände sind: Der Aktienkurs steigt (<math> s_1 </math>), er sinkt (<math> s_2 </math>) oder er bleibt gleich (<math> s_3 </math>).
: Die Ergebnismatrix sieht dann zum Beispiel wie folgt aus:


Die Ergebnismatrix sieht dann zum Beispiel wie folgt aus:
{| border="0"

{|class="wikitable"
!width="5%"|
!width="5%"|
!width="10%" align="Right"|<math>s_1</math>
!width="20%" align="Right"|<math>s_1</math>
!width="10%" align="Right"|<math>s_2</math>
!width="20%" align="Right"|<math>s_2</math>
!width="10%" align="Right"|<math>s_3</math>
!width="20%" align="Right"|<math>s_3</math>
|-
|-
! <math>a_1</math>
! <math>a_1</math>
| align="Right"| 120
| align="Right"| <math>e_{11} = </math> 120
| align="Right"| 80
| align="Right"| <math>e_{12} = </math> 80
| align="Right"| 100
| align="Right"| <math>e_{13} = </math> 100
|-
|-
! <math>a_2</math>
! <math>a_2</math>
| align="Right"| 100
| align="Right"| <math>e_{21} = </math> 100
| align="Right"| 100
| align="Right"| <math>e_{22} = </math> 100
| align="Right"| 100
| align="Right"| <math>e_{23} = </math> 100
|-
|-
! <math>p</math>
! <math>p</math>
| align="Right"| 1/3
| align="Right"| <math>w_{1} = </math> 1/3
| align="Right"| 1/3
| align="Right"| <math>w_{2} = </math> 1/3
| align="Right"| 1/3
| align="Right"| <math>w_{3} = </math> 1/3
|}
|}
: Der Entscheider rechnet mit einer Wahrscheinlichkeit von <math> w_1 </math> damit, dass der Aktienkurs steigt, mit einer Wahrscheinlichkeit von <math> w_2 </math> rechnet er mit einem Sinken des Aktienkurses und mit einer Wahrscheinlichkeit von <math> w_3 </math> bleibt der Kurs unverändert.
Der Entscheider rechnet mit einer Wahrscheinlichkeit von <math> w_1 </math> damit, dass der Aktienkurs steigt, mit einer Wahrscheinlichkeit von <math> w_2 </math> rechnet er mit einem Sinken des Aktienkurses und mit einer Wahrscheinlichkeit von <math> w_3 </math> bleibt der Kurs unverändert.


== Entscheidungsregeln ==
== Entscheidungsregeln ==
Zeile 48: Zeile 48:
Da nur der Erwartungswert der jeweiligen Alternative <math> a_i </math> bewertet wird, ist der Entscheider risikoneutral, er ist beispielsweise indifferent hinsichtlich der Teilnahme an einer Lotterie per Münzwurf, in der er mit 50 % Wahrscheinlichkeit 1 € gewinnt und mit 50 % Wahrscheinlichkeit 1 € verliert. Im obigen Beispiel ist der dann indifferent, wenn gilt: <math>e_{11}</math>*<math>w_1</math> + <math>e_{12}</math>*<math>w_2</math> + <math>e_{13}</math>*<math>w_3</math> = 100 (da unabhängig von den Wahrscheinlichkeiten <math>w_j</math> eine sichere "Auszahlung"), hier also: 120*<math>w_1</math> + 80*<math>w_2</math> + 100*<math>w_3</math>. Indifferenz würde z.&nbsp;B. vorliegen bei Gleichverteilung, wenn also gilt: <math>w_1</math> = <math>w_2</math> = <math>w_3</math> = <math>\frac{1}{3}</math>.
Da nur der Erwartungswert der jeweiligen Alternative <math> a_i </math> bewertet wird, ist der Entscheider risikoneutral, er ist beispielsweise indifferent hinsichtlich der Teilnahme an einer Lotterie per Münzwurf, in der er mit 50 % Wahrscheinlichkeit 1 € gewinnt und mit 50 % Wahrscheinlichkeit 1 € verliert. Im obigen Beispiel ist der dann indifferent, wenn gilt: <math>e_{11}</math>*<math>w_1</math> + <math>e_{12}</math>*<math>w_2</math> + <math>e_{13}</math>*<math>w_3</math> = 100 (da unabhängig von den Wahrscheinlichkeiten <math>w_j</math> eine sichere "Auszahlung"), hier also: 120*<math>w_1</math> + 80*<math>w_2</math> + 100*<math>w_3</math>. Indifferenz würde z.&nbsp;B. vorliegen bei Gleichverteilung, wenn also gilt: <math>w_1</math> = <math>w_2</math> = <math>w_3</math> = <math>\frac{1}{3}</math>.


Ist Gleichwahrscheinlichkeit gegeben, liegt ein Spezialfall der Bayes-Regel vor, die [[Laplace-Regel]]. Die Bayes-Regel an sich kann man wiederum als Spezialfall der ''μ-σ-Regel'' betrachten (für α = 0, siehe unten).
Ist Gleichwahrscheinlichkeit gegeben, liegt ein Spezialfall der Bayes-Regel vor, die [[Laplace-Regel]].


=== Probleme bei Erwartungswerten ===
==== Bewertung ====


Das '''Beispiel''' des [[Sankt-Petersburg-Paradoxon|Petersburger Paradoxon]]s zeigt, dass die Berücksichtigung von Erwartungswerten nicht dem Entscheidungsverhalten von Menschen in der Realität entspricht:
Das Beispiel des [[Sankt-Petersburg-Paradoxon|Petersburger Paradoxon]]s zeigt, dass die Berücksichtigung von Erwartungswerten nicht in allen Fällen dem Entscheidungsverhalten von Menschen in der Realität entspricht. Bei der Sankt-Petersburg-Lotterie wird eine faire Münze (d.&nbsp;h. Kopf und Zahl erscheinen jeweils mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 %) geworfen. Der Spieler erhält als Auszahlung:
* <math>2</math> €, wenn bereits beim ersten Wurf Kopf erscheint

* <math>4</math> €, wenn erst beim zweiten Wurf Kopf erscheint
* Eine faire Münze (d.&nbsp;h. Kopf und Zahl erscheinen jeweils mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 %) wird geworfen.
* Der Spieler erhält als Auszahlung:
** 2 €, wenn bereits beim ersten Wurf Kopf erscheint
** 4 €, wenn erst beim zweiten Wurf Kopf erscheint
** ...
** <math>2^n</math> €, wenn erst beim n-ten Wurf Kopf erscheint
* Der Preis der Lotterie soll ein fairer Preis sein, d.&nbsp;h. dem Erwartungswert entsprechen.

Ein Entscheider, der nur nach dem Erwartungswert entscheidet, wäre jetzt also bereit, für die Teilnahme an dieser Lotterie diesen fairen Preis, also den Erwartungswert zu zahlen (er wäre dann genau indifferent zwischen der Teilnahme und der Nicht-Teilnahme):

Der Erwartungswert ermittelt sich wie folgt:
* Die Wahrscheinlichkeit, dass beim ersten Wurf Kopf erscheint, ist genau <math>{1 \over2}</math>, die Auszahlung ist 2.
* Die Wahrscheinlichkeit, dass beim zweiten Wurf Kopf erscheint, ist genau <math>{1 \over4}</math>, die Auszahlung ist 4.
* ...
* ...
* Die Wahrscheinlichkeit, dass beim n-ten Wurf Kopf erscheint, ist genau <math>\frac{1}{2^n}</math>, die Auszahlung ist <math>2^n</math>.
* <math>2^n</math>, wenn erst beim <math>n</math>-ten Wurf Kopf erscheint
Der Erwartungswert entspricht hierbei <math>\mathbb{E}(X) = \frac{1}{2}\cdot 1+\frac{1}{4}\cdot 2 + \frac{1}{8}\cdot 4 + \dotsb =\sum_{k=1}^\infty \frac{1}{2^k}\cdot 2^{k-1} = \sum_{k=1}^\infty {1 \over 2} = \infty.</math>

Also ist <math>\mathbb{E}(X) ={1 \over2} \cdot 2 + {1 \over4} \cdot 4 + \dotsb + \frac{1}{2^n} \cdot 2^n + \dotsb = 1 + 1 + \dotsb + 1 + \dotsb</math>, also unendlich.


Gemäß der Bayes-Regel wäre ein Entscheider bereit, jeden noch so hohen Betrag – also sein gesamtes Vermögen – für die Teilnahme an der Lotterie zu bezahlen, da der erwartete Gewinn unendlich groß ist. In der Realität ist jedoch kaum jemand bereit, sein gesamtes Vermögen gegen die Teilnahme an der Sankt-Petersburg-Lotterie zu tauschen.<ref name=":0">Laux (2014), S. 105 f.</ref>
In der Realität ist jedoch niemand bereit, unendlich viel Geld für die Teilnahme an der Lotterie zu zahlen.


=== Die μ-σ-Regel ===
=== Die μ-σ-Regel ===
Zeile 98: Zeile 85:
* und schließlich eine [[lineare Funktion]] für eine ''risikoneutrale'' Haltung.
* und schließlich eine [[lineare Funktion]] für eine ''risikoneutrale'' Haltung.


Es ist allerdings auch möglich, dass die Risikonutzenfunktion sowohl konkave als auch konvexe Bereiche aufweist. Dies bildet zum Beispiel die [[Empirie|empirisch]] beobachtbare Tatsache ab, dass Menschen sowohl [[Lotto]] spielen (Risikofreude), als auch [[Versicherung (Kollektiv)|Versicherungen]] abschließen (Risikoaversion).
Es ist allerdings auch möglich, dass die Risikonutzenfunktion sowohl konkave als auch konvexe Bereiche aufweist. Dies bildet zum Beispiel die [[Empirie|empirisch]] beobachtbare Tatsache ab, dass Menschen sowohl [[Lotto]] spielen (Risikofreude), als auch [[Versicherung (Kollektiv)|Versicherungen]] abschließen (Risikoaversion).<ref name=":0" />


Maximiert wird dabei der Erwartungswert der Risikonutzenfunktion.
Maximiert wird dabei der Erwartungswert der Risikonutzenfunktion.
Zeile 111: Zeile 98:
*[[Erwartungsnutzentheorie]]
*[[Erwartungsnutzentheorie]]


== Literatur ==<!-- Hinweis beim Ändern der Literatur: Einzelnachweise beziehen sich teilweise auf die Literaturangaben! -->
* {{Literatur|Autor = Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes|Titel = Entscheidungstheorie|Auflage = 9|Verlag = Springer Gabler|Jahr = 2014|DOI = 10.1007/978-3-642-55258-8}}


== Einzelnachweise ==
<references />
[[Kategorie:Entscheidungstheorie]]
[[Kategorie:Entscheidungstheorie]]
[[Kategorie:Risikomanagement]]
[[Kategorie:Risikomanagement]]

Version vom 3. Februar 2016, 23:18 Uhr

Von einer Entscheidung unter Risiko spricht man im Rahmen der Entscheidungstheorie dann, wenn der Entscheidungsträger die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der möglichen Umweltzustände kennt. Diese Wahrscheinlichkeiten können sowohl objektiv bekannt sein (Lotto, Roulette) oder auf subjektiven Schätzungen (z. B. aufgrund von Erfahrungswerten) beruhen.

Allgemeines

Entscheidung unter Risiko ist nach dem üblichen Sprachgebrauch ein Unterfall von Entscheidung unter Unsicherheit. Während man bei Kenntnis von Eintrittswahrscheinlichkeiten der Umweltzustände von Risiko spricht, liegt eine Entscheidung unter Ungewissheit vor, wenn man zwar die möglichen Umweltzustände kennt, jedoch keine Eintrittswahrscheinlichkeiten angeben kann.

Bei Entscheidungen unter Risiko liegt eine Ergebnismatrix vor, die das Entscheidungsproblem darstellt: Der Entscheider hat die Wahl zwischen verschiedenen Alternativen , die abhängig von den möglichen Umweltzuständen verschiedene Ergebnisse zur Folge haben. Die Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Umweltzustände sind bekannt, wobei gilt: und .

Beispiel

100 € sollen für ein Jahr angelegt werden. Zur Wahl stehen: eine Aktie () oder der Sparstrumpf, der keine Zinsen abwirft (). Die möglichen Umweltzustände sind: Der Aktienkurs steigt (), er sinkt () oder er bleibt gleich ().

Die Ergebnismatrix sieht dann zum Beispiel wie folgt aus:

120 80 100
100 100 100
1/3 1/3 1/3

Der Entscheider rechnet mit einer Wahrscheinlichkeit von damit, dass der Aktienkurs steigt, mit einer Wahrscheinlichkeit von rechnet er mit einem Sinken des Aktienkurses und mit einer Wahrscheinlichkeit von bleibt der Kurs unverändert.

Entscheidungsregeln

Bei Entscheidungen unter Risiko können folgende Entscheidungsregeln Anwendung finden:

Die Bayes-Regel

Die Bayes-Regel wird auch μ-Regel genannt. Hierbei orientiert sich der Entscheider nur nach den Erwartungswerten.

Da nur der Erwartungswert der jeweiligen Alternative bewertet wird, ist der Entscheider risikoneutral, er ist beispielsweise indifferent hinsichtlich der Teilnahme an einer Lotterie per Münzwurf, in der er mit 50 % Wahrscheinlichkeit 1 € gewinnt und mit 50 % Wahrscheinlichkeit 1 € verliert. Im obigen Beispiel ist der dann indifferent, wenn gilt: * + * + * = 100 (da unabhängig von den Wahrscheinlichkeiten eine sichere "Auszahlung"), hier also: 120* + 80* + 100*. Indifferenz würde z. B. vorliegen bei Gleichverteilung, wenn also gilt: = = = .

Ist Gleichwahrscheinlichkeit gegeben, liegt ein Spezialfall der Bayes-Regel vor, die Laplace-Regel.

Bewertung

Das Beispiel des Petersburger Paradoxons zeigt, dass die Berücksichtigung von Erwartungswerten nicht in allen Fällen dem Entscheidungsverhalten von Menschen in der Realität entspricht. Bei der Sankt-Petersburg-Lotterie wird eine faire Münze (d. h. Kopf und Zahl erscheinen jeweils mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 %) geworfen. Der Spieler erhält als Auszahlung:

  • €, wenn bereits beim ersten Wurf Kopf erscheint
  • €, wenn erst beim zweiten Wurf Kopf erscheint
  • ...
  • €, wenn erst beim -ten Wurf Kopf erscheint

Der Erwartungswert entspricht hierbei

Gemäß der Bayes-Regel wäre ein Entscheider bereit, jeden noch so hohen Betrag – also sein gesamtes Vermögen – für die Teilnahme an der Lotterie zu bezahlen, da der erwartete Gewinn unendlich groß ist. In der Realität ist jedoch kaum jemand bereit, sein gesamtes Vermögen gegen die Teilnahme an der Sankt-Petersburg-Lotterie zu tauschen.[1]

Die μ-σ-Regel

In der μ-σ-Regel oder Erwartungswert-Varianz-Prinzip und deshalb eigentlich μ-σ²-Regel, findet die Risikoeinstellung des Entscheiders dadurch Berücksichtigung, dass auch die Standardabweichung berücksichtigt wird. Bei risikoneutralen Entscheidern entspricht sie der Bayes-Regel, bei risikoaversen (risikoscheuen) Entscheidern sinkt die Attraktivität einer Alternative mit zunehmender Standardabweichung. Bei risikofreudigen Entscheidern steigt die Attraktivität hingegen.

Eine mögliche Form der μ-σ-Regel ist zum Beispiel:

  • Für α > 0 gilt: Der Entscheider ist risikofreudig, eine Alternative mit einem höheren σ wird einer Alternative mit gleichem Erwartungswert μ aber niedrigerem σ vorgezogen.
  • Für α < 0 gilt: Der Entscheider ist risikoavers, eine Alternative mit niedrigerem σ wird einer Alternative mit gleichem Erwartungswert, aber höherem σ vorgezogen.
  • Für α = 0 entspricht die Regel der Bayes-Regel, der Entscheider ist risikoneutral, die Standardabweichung σ hat keinen Einfluss auf die Bewertung der Alternativen.

Als Voraussetzung für die Anwendung der μ-σ-Regel gelten im Allgemeinen normalverteilte zukünftige Renditen oder eine quadratische Nutzenfunktion.

Das Bernoulli-Prinzip

Bei der Anwendung des Bernoulli-Prinzips müssen die Ergebnisse erst mit Hilfe einer Risikonutzenfunktion in Nutzenwerte umgewandelt werden. Die individuelle Risikonutzenfunktion spiegelt dabei die Risikoeinstellung des Entscheiders wider.

  • Dabei steht eine konkave Funktion für einen risikoaversen Entscheider (z. B. Wurzelfunktion im 1. Quadranten),
  • eine konvexe Funktion für einen risikofreudigen Entscheider (z. B. Quadratfunktion im 1. Quadranten)
  • und schließlich eine lineare Funktion für eine risikoneutrale Haltung.

Es ist allerdings auch möglich, dass die Risikonutzenfunktion sowohl konkave als auch konvexe Bereiche aufweist. Dies bildet zum Beispiel die empirisch beobachtbare Tatsache ab, dass Menschen sowohl Lotto spielen (Risikofreude), als auch Versicherungen abschließen (Risikoaversion).[1]

Maximiert wird dabei der Erwartungswert der Risikonutzenfunktion.

Das Bernoulli-Prinzip ist im eigentlichen Sinne keine Entscheidungsregel, sondern nur ein Entscheidungsprinzip, da unter Umständen eine eindeutige Festlegung der Entscheidung nicht möglich ist.

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Laux, Robert M. Gillenkirch, Heike Y. Schenk-Mathes: Entscheidungstheorie. 9. Auflage. Springer Gabler, 2014, doi:10.1007/978-3-642-55258-8.

Einzelnachweise

  1. a b Laux (2014), S. 105 f.