„Asymmetrische Demobilisierung“ – Versionsunterschied

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Als '''asymmetrische Demobilisierung''' wird in der [[Politikwissenschaft]] eine [[Wahlkampf]]strategie bezeichnet, bei der durch das Vermeiden einer Stellungnahme zu kontroversen Themen vermieden wird, die potenziellen Wähler des politischen Gegners an der Wahlurne zu mobilisieren. Wenn nicht unbeabsichtigt gleichzeitig die eigenen Wähler demobilisiert werden, steigt der Stimmenanteil der Partei, die die Strategie praktiziert. Das Sinken der [[Wahlbeteiligung]] wird bei Anwendung der ''asymmetrischen Demobilisierung'' billigend in Kauf genommen.
Als '''asymmetrische Demobilisierung''' wird in der [[Politikwissenschaft]] eine [[Wahlkampf]]strategie bezeichnet, die darauf abzielt, durch das Vermeiden von Stellungnahmen zu kontroversen Themen, die potenziellen Wähler des politischen Gegners soweit zu demotivieren, dass sie vom Wahlgang absehen. Wenn nicht unbeabsichtigt gleichzeitig die eigenen Wähler demobilisiert werden, steigt der Stimmenanteil der Partei, die die Strategie praktiziert. Das Sinken der [[Wahlbeteiligung]] wird bei Anwendung der ''asymmetrischen Demobilisierung'' billigend in Kauf genommen.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Matthias Jung, Yvonne Schroth, Andrea Wolf |Titel=Regierungswechsel ohne Wechselstimmung |Hrsg= |Sammelwerk=Aus Politik und Zeitgeschichte |Band= |Nummer=51 |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2009 |Seiten=12-19 |ISBN=}}</ref>


== Begriffsgeschichte ==
Erstmals Anwendung fand der Begriff bei den [[Parlamentswahl in Katalonien 2006|Parlamentswahlen 2006 in Katalonien]]. Nachdem die Koalition aus [[Partit dels Socialistes de Catalunya|PSC]], [[Esquerra Republicana de Catalunya|ERC]] und der grün-alternativen [[Iniciativa per Catalunya Verds|ICV]]-[[Esquerra Unida i Alternativa|EUiA]] aufgrund eines Streits über das neue [[Autonomiestatut von Katalonien]] zerbrach, hielt sich die [[Convergència i Unió|CiU]] mit Inhalten deutlich zurück. Während die Regierungsparteien deutliche Verluste hinnehmen mussten, ging die CiU als gestärkte, stimmenstärkste Fraktion aus der Wahl hervor.
Erstmals Anwendung fand der Begriff bei den [[Parlamentswahl in Katalonien 2006|Parlamentswahlen 2006 in Katalonien]]. Nachdem die Koalition aus [[Partit dels Socialistes de Catalunya|PSC]], [[Esquerra Republicana de Catalunya|ERC]] und der grün-alternativen [[Iniciativa per Catalunya Verds|ICV]]-[[Esquerra Unida i Alternativa|EUiA]] aufgrund eines Streits über das neue [[Autonomiestatut von Katalonien]] zerbrach, hielt sich die [[Convergència i Unió|CiU]] mit Inhalten deutlich zurück. Während die Regierungsparteien deutliche Verluste hinnehmen mussten, ging die CiU als gestärkte, stimmenstärkste Fraktion aus der Wahl hervor.<ref>{{Literatur |Autor=Ignacio Lago, José Ramón Montero, Mariano Torcal |Titel=The 2006 Regional Election in Catalonia: Exit, Voice, and Electoral Market Failures |Sammelwerk=South European Society and Politics |Band=12 |Nummer=2 |Datum=2007-06-01 |Seiten=221–235 |ISSN=1360-8746 |DOI=10.1080/13608740701306607 |Online=https://doi.org/10.1080/13608740701306607 |Abruf=2017-12-12}}</ref>


Im Rahmen des Wahlkampfes zur [[Bundestagswahl 2009]] bezeichnete die [[Forschungsgruppe Wahlen]] die Wahlkampfstrategie von [[Angela Merkel]] und der [[CDU]] als „asymmetrische Demobilisierung“. [[Matthias Jung (Wahlforscher)|Matthias Jung]], der Chef der Forschungsgruppe Wahlen, sagte zum Wahlergebnis 2009, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Wahlkampfstrategie der CDU kaum zu verbessern war. Hauptziel sei es gewesen, dass enttäuschte SPD-Anhänger zu Hause blieben.
Im Rahmen des Wahlkampfes zur [[Bundestagswahl 2009]] bezeichnete die [[Forschungsgruppe Wahlen]] die Wahlkampfstrategie von [[Angela Merkel]] und der [[CDU]] als „asymmetrische Demobilisierung“.<ref>{{Literatur |Autor=Forschungsgruppe Wahlen |Titel=Bundestagswahl 2009. Eine Analyse der Wahl vom 27. September 2009 |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Institut für Wahlanalysen und Gesellschaftsbeobachtung |Ort=Mannheim |Datum=2009 |Seiten= |ISBN=}}</ref> [[Matthias Jung (Wahlforscher)|Matthias Jung]], der Chef der Forschungsgruppe Wahlen, sagte zum Wahlergebnis 2009, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Wahlkampfstrategie der CDU kaum zu verbessern war. Hauptziel sei es gewesen, dass enttäuschte SPD-Anhänger zu Hause blieben.<ref>{{Internetquelle |autor=Matthias Jung |url=https://www.cicero.de/innenpolitik/merkels-riskante-operation/40248 |titel=Merkels riskante Option |werk=Cicero |hrsg= |datum=2009 |zugriff=2017-12-11 |sprache=de}}</ref><ref name=":0" />


Der Politikwissenschaftler Andreas Blättle fügte den Begriff in eine [[Rational Choice (Wahlforschung)|Rational-Choice -]]Theorie der kalkulierten Wahlkampfsstrategie ein: Die CDU wählte im Wahlkampf 2009 einen „restringierten Wahlkampfstil", während die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] einen „polarisierenden Wahlkampfstil" wählte. Für beide Parteien war dies in Anbetracht der Kandidatenauswahl die nutzenmaximierende Strategie. So ergab sich, als Kombination beider Wahkampfstrategien, bei der Bundestagswahl 2009 ein „asymmetrisch-polarisierter Parteienwettbewerb", der sich zugunsten der CDU richtete.<ref>{{Literatur |Autor=Andreas Blätte |Titel=Reduzierter Parteienwettbewerb durch kalkulierte Demobilisierung |Sammelwerk=Die Bundestagswahl 2009 |Verlag=VS Verlag für Sozialwissenschaften |Datum=2010 |Seiten=273–297 |ISBN=9783531174761 |DOI=10.1007/978-3-531-92494-6_14 |Online=https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-92494-6_14 |Abruf=2017-12-12}}</ref>
== Literatur ==
* Lago, I., J.R. Montero, M. Torcal: ''The 2006 Regional Election in Catalonia: Exit, Voice, and Electoral Market Failures''. In: South European Society & Politics. Vol. 12, No. 2: 221–235


Seitdem findet der Begriff weitere Verwendung in journalistischen Beiträgen zur Kommentierung der Bundestagswahl 2013<ref>{{Internetquelle |autor=Matthias Kamann |url=https://www.welt.de/politik/deutschland/article115865239/Angela-Merkels-asymmetrische-Demobilisierung.html |titel=Angela Merkels asymmetrische Demobilisierung |werk=WELT |hrsg= |datum=3.5.2013 |zugriff=12.12.2017 |sprache=de}}</ref> und 2017<ref>{{Internetquelle |autor=Detlef Esslinger |url=http://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagswahlkampf-angela-die-asymmetrische-1.3561620 |titel=Angela, die Asymmetrische |werk=Süddeutsche Zeitung |hrsg= |datum=28.6.2017 |zugriff=12.12.2017 |sprache=de}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Anja Maier |url=http://www.taz.de/!5431224/ |titel=Treffen sich Drei |werk=Tageszeitung taz |hrsg= |datum=17.7.2017 |zugriff=12.12.2017 |sprache=de}}</ref>.
== Weblinks ==
* [http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/erster-termin-2010-merkel-kaempft-gegen-die-alte-cdu;2510909 ''Merkel kämpft gegen die alte CDU''], in: ''[[Handelsblatt]] Online'' vom 11. Januar 2010
* [http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2010/april/zehn-jahre-merkel-und-das-dilemma-der-cdu ''Zehn Jahre Merkel und das Dilemma der CDU''], in: ''[[Blätter für deutsche und internationale Politik]]'', April 2010


== Belege ==
[[Kategorie:Christlich Demokratische Union]]
[[Kategorie:Christlich Demokratische Union]]
[[Kategorie:Politik 2009]]
[[Kategorie:Politik 2009]]

Version vom 12. Dezember 2017, 22:56 Uhr

Als asymmetrische Demobilisierung wird in der Politikwissenschaft eine Wahlkampfstrategie bezeichnet, die darauf abzielt, durch das Vermeiden von Stellungnahmen zu kontroversen Themen, die potenziellen Wähler des politischen Gegners soweit zu demotivieren, dass sie vom Wahlgang absehen. Wenn nicht unbeabsichtigt gleichzeitig die eigenen Wähler demobilisiert werden, steigt der Stimmenanteil der Partei, die die Strategie praktiziert. Das Sinken der Wahlbeteiligung wird bei Anwendung der asymmetrischen Demobilisierung billigend in Kauf genommen.[1]

Begriffsgeschichte

Erstmals Anwendung fand der Begriff bei den Parlamentswahlen 2006 in Katalonien. Nachdem die Koalition aus PSC, ERC und der grün-alternativen ICV-EUiA aufgrund eines Streits über das neue Autonomiestatut von Katalonien zerbrach, hielt sich die CiU mit Inhalten deutlich zurück. Während die Regierungsparteien deutliche Verluste hinnehmen mussten, ging die CiU als gestärkte, stimmenstärkste Fraktion aus der Wahl hervor.[2]

Im Rahmen des Wahlkampfes zur Bundestagswahl 2009 bezeichnete die Forschungsgruppe Wahlen die Wahlkampfstrategie von Angela Merkel und der CDU als „asymmetrische Demobilisierung“.[3] Matthias Jung, der Chef der Forschungsgruppe Wahlen, sagte zum Wahlergebnis 2009, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Wahlkampfstrategie der CDU kaum zu verbessern war. Hauptziel sei es gewesen, dass enttäuschte SPD-Anhänger zu Hause blieben.[4][1]

Der Politikwissenschaftler Andreas Blättle fügte den Begriff in eine Rational-Choice -Theorie der kalkulierten Wahlkampfsstrategie ein: Die CDU wählte im Wahlkampf 2009 einen „restringierten Wahlkampfstil", während die SPD einen „polarisierenden Wahlkampfstil" wählte. Für beide Parteien war dies in Anbetracht der Kandidatenauswahl die nutzenmaximierende Strategie. So ergab sich, als Kombination beider Wahkampfstrategien, bei der Bundestagswahl 2009 ein „asymmetrisch-polarisierter Parteienwettbewerb", der sich zugunsten der CDU richtete.[5]

Seitdem findet der Begriff weitere Verwendung in journalistischen Beiträgen zur Kommentierung der Bundestagswahl 2013[6] und 2017[7][8].

Belege

  1. a b Matthias Jung, Yvonne Schroth, Andrea Wolf: Regierungswechsel ohne Wechselstimmung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Nr. 51, 2009, S. 12–19.
  2. Ignacio Lago, José Ramón Montero, Mariano Torcal: The 2006 Regional Election in Catalonia: Exit, Voice, and Electoral Market Failures. In: South European Society and Politics. Band 12, Nr. 2, 1. Juni 2007, ISSN 1360-8746, S. 221–235, doi:10.1080/13608740701306607 (doi.org [abgerufen am 12. Dezember 2017]).
  3. Forschungsgruppe Wahlen: Bundestagswahl 2009. Eine Analyse der Wahl vom 27. September 2009. Institut für Wahlanalysen und Gesellschaftsbeobachtung, Mannheim 2009.
  4. Matthias Jung: Merkels riskante Option. In: Cicero. 2009, abgerufen am 11. Dezember 2017.
  5. Andreas Blätte: Reduzierter Parteienwettbewerb durch kalkulierte Demobilisierung. In: Die Bundestagswahl 2009. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010, ISBN 978-3-531-17476-1, S. 273–297, doi:10.1007/978-3-531-92494-6_14 (springer.com [abgerufen am 12. Dezember 2017]).
  6. Matthias Kamann: Angela Merkels asymmetrische Demobilisierung. In: WELT. 3. Mai 2013, abgerufen am 12. Dezember 2017.
  7. Detlef Esslinger: Angela, die Asymmetrische. In: Süddeutsche Zeitung. 28. Juni 2017, abgerufen am 12. Dezember 2017.
  8. Anja Maier: Treffen sich Drei. In: Tageszeitung taz. 17. Juli 2017, abgerufen am 12. Dezember 2017.