„Flechtmaschine“ – Versionsunterschied

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Anpassung des Textes in wissenschaftlich und technisch genauerer Form anhand bestehender Kenntnisse (mehrjährige Lehrtätigkeit sowie Lehrunterlagen der Technischen Universität Dresden, Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik) von Dipl.-Ing. Johannes Wendler, Weitere Quellen: Literatur Lepperhoff: Die Flechterei, Cherif: Textile Werkstoffe für den Leichtbau; Kyosev: Recent Developments in Braiding and Narrow Weaving.
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[[Bild:Flechtmaschine.jpg|mini|Flechtmaschine von 1925]]
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Die '''Flechtmaschine''' ist eine Apparatur, mit der automatisch früher [[Litze (Geflecht)|Litzen]] oder [[Kordel (Textilie)|Schnüre]], heute auch Seile, Kathether und andere lineare Produkte [[Flechten (Tätigkeit)|geflochten]] werden oder Leichtbauteile umflochten werden<ref>{{Literatur|Autor=Harald Engels|Titel=Handbuch der Schmaltextilien : die Flechttechnologie ; Teil 1: Maschinen und Verfahren zur Erzeugung konventioneller Geflechte|Hrsg=FB Textil- und Bekleidungstechnik, Fachhochschule Niederrhein, Mönchengladbach;|Sammelwerk=|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=FB Textil- und Bekleidungstechnik, Fachhochschule Niederrhein|Ort=Mönchengladbach|Datum=1994|Seiten=|ISBN=}}</ref><ref>{{Literatur|Autor=Yordan Kyosev|Titel=1 - Introduction: the main types of braided structure using maypole braiding technology A2 - Kyosev, Y.|Hrsg=Woodhead Publishing|Sammelwerk=Braiding Technology for Textiles|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=Woodhead Publishing|Ort=|Datum=2015-01-01|Reihe=Woodhead Publishing Series in Textiles|Seiten=1–25|ISBN=9780857091352|Online=http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/B9780857091352500015|Abruf=2017-01-14}}</ref>.
Die '''Flechtmaschine''' ist eine Apparatur, mit der automatisch früher [[Litze (Geflecht)|Litzen]] oder [[Kordel (Textilie)|Schnüre]], heute auch Seile, Katheter und andere lineare Produkte [[Flechten (Tätigkeit)|geflochten]] werden oder [[Faserverbundwerkstoff|Faserverbundbauteile]] hergestellt werden<ref>{{Literatur|Autor=Harald Engels|Titel=Handbuch der Schmaltextilien : die Flechttechnologie ; Teil 1: Maschinen und Verfahren zur Erzeugung konventioneller Geflechte|Hrsg=FB Textil- und Bekleidungstechnik, Fachhochschule Niederrhein, Mönchengladbach;|Sammelwerk=|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=FB Textil- und Bekleidungstechnik, Fachhochschule Niederrhein|Ort=Mönchengladbach|Datum=1994|Seiten=|ISBN=}}</ref><ref>{{Literatur|Autor=Yordan Kyosev|Titel=1 - Introduction: the main types of braided structure using maypole braiding technology A2 - Kyosev, Y.|Hrsg=Woodhead Publishing|Sammelwerk=Braiding Technology for Textiles|Band=|Nummer=|Auflage=|Verlag=Woodhead Publishing|Ort=|Datum=2015-01-01|Reihe=Woodhead Publishing Series in Textiles|Seiten=1–25|ISBN=9780857091352|Online=http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/B9780857091352500015|Abruf=2017-01-14}}</ref>.


== Funktionsprinzip ==
== Funktionsprinzip ==
[[Datei:Flechtmaschine.ogg|mini|Flechtmaschine von 1925 in Funktion]]
[[Datei:Flechtmaschine.ogg|mini|Flechtmaschine von 1925 in Funktion]]
[[Datei:Fonatképzés2.png|mini|Prinzip der Flechterei]]
[[Datei:Fonatképzés2.png|mini|Prinzip der Flechterei]]
Die auf [[Spulen (Textil)|Spulen]] befindlichen Flecht[[Faden|fäden]] werden bei einer Flechtmaschine durch '''Klöppel''' geführt. Die Klöppel werden durch sogenannte Flügelräder sinusförmig auf, in das [[Maschinenbett]] (Flechtbett) eingefrästen, Gangbahnen bewegt, wodurch die Flechtfäden untereinander verkreuzt werden und im sogenannten Flechtpunkt das Geflecht bilden.
Es werden auf Spulen aufgerollte [[Faden|Fäden]] kreisförmig um den Flechtpunkt herumgeführt.
[[File:Animation of the smallest braiding machine with three carriers and two horn gears.gif|thumb|Diese Animation demonstriert die Arbeistweise der kleinsten Flechtmaschine mit zwei Flügelräder und drei Klöppel, positioniert unter "ein voll- ein leer" Besetzung]]
[[File:Animation of the smallest braiding machine with three carriers and two horn gears.gif|thumb|Diese Animation demonstriert die Arbeistweise der kleinsten Flechtmaschine mit zwei Flügelräder und drei Klöppel, positioniert unter "ein voll- ein leer" Besetzung]]
Die '''Klöppel''' oder in Österreich auch '''Docke''' (vom norddeutschen Wort ''Puppe'') sind das Hauptarbeitsorgan der Flechtmaschine. Sie tragen die Flechtspulen, auf denen sich die Flechtfäden befinden. Des Weiteren kompensieren die Klöppel die Längendifferenz des Fadenmaterials, was aufgrund der Relativbewegung der Klöppel zum Flechtpunkt auftritt und bringen dabei gleichzeitig eine Fadenspannung auf. Zu diesem Zweck wurden früher [[Blei|Bleigewichte]] eingesetzt, die als "Lot" bezeichnet wurden. Bei aktuellen Flechtmaschinen werden zumeist [[Druckfeder|Druckfedern]] eingesetzt, der Einsatz von Gewichten beschränkt sich üblicherweise auf sehr größe Flechtmaschinen für die Seilherstellung. Die Klöppel besitzen eine Fadenrissüberwachung, die die Flechtmaschine bei [[Fadenbruch]] abstellt. Die Spulen können entweder aktiv bewegt oder passiv durch eine Bremsung von der Spule abgezogen werden. Bei letzterer Technik besitzen entweder die Spulen oder die Spulenhalterungen Einkerbungen, in denen eine Klinke oder ein Stift erst dann Fadenmaterial freigibt (die Spule rotieren lässt), wenn der Flechtfaden ausreichend Fadenspannung besitzt. Bei den ''Barmer-Flechtmaschinen'' haben die Spulen, wie auf dem Bild ersichtlich, auf der Oberseite Zacken, in denen eine Klinke einrastet. Erhöht sich die Fadenspannung infolge des Abziehens des Fadens, so wird ein in der Spulenachse gelagertes Gewicht empor gezogen und hebt dann am obersten Punkt die Klinke an, wodurch die Spule rotieren kann und Fadenmaterial freigibt. Hierdurch sinkt das Gewicht wiederum, die Klinke rastet in die Zacken ein und bringt Spule zum Stehen.
Diese Spulen werden in Schlangenlinien näher zum und wieder weiter entfernt vom Flechtpunkt auf Spulenträgern, den sogenannten Klöppeln geleitet. Dadurch dass Fäden sowohl im als auch gegen den Uhrzeigersinn verlaufen, werden sie verflochten.

Die '''Klöppel''' oder in Österreich auch '''Docke''' (vom norddeutschen Wort ''Puppe'') tragen die Spule. Zum Ausgleich der Entfernung vom Flechtpunkt hatten die Klöppel früher ein [[Blei]]gewicht, auch als "Lot" bezeichnet und heute eine Feder, so dass der Faden immer gespannt verarbeitet wird. Die Klöppel haben eine Fadenüberwachung, die die Flechtmaschine bei [[Fadenbruch]] abstellt. Die Spulen können entweder angetrieben oder nur durch Bremsung abgespult werden. Dazu haben sie Kerbungen über die der Antrieb oder die Bremsung erfolgt. Bei den ''Barmer-Flechtmaschinen'' haben die Spulen, wie auf dem Bild ersichtlich, auf der Oberseite Zacken, wo eine Klinke einrastet. Wird der Faden soweit gespannt, dass das Gewicht im Kern der Spule so hoch gezogen wird, so hebt es die Klinke auf und die Spule kann den Faden soweit abspulen, bis die Klinke wieder einrastet und die Spule zum Stehen bringt.


[[Bild:Barmer Flechtmaschine.jpg|mini|Barmer Flechtmaschine]]
[[Bild:Barmer Flechtmaschine.jpg|mini|Barmer Flechtmaschine]]
Die verflochtenen Fäden werden vom Flechtpunkt mit Quetschwalzen oder anderen Abzügen konstant weggezogen und dann weiter aufgewickelt oder einer weiteren Produktionsstufe, beispielsweise einem automatischen Ablängen zugeführt.
Die verflochtenen Fäden werden vom Flechtpunkt mit Walzen, Riemchen oder anderen Abzügen konstant abgezogen, danach aufgewickelt oder einer weiteren Produktionsstufe, beispielsweise einem automatischen Ablängen zugeführt. Zur Herstellung von Faserverbundbauteilen im Bereich Leichtbau werden u.a. [[Industrieroboter]] eingesetzt, die den Geflechtträger (sog. Kern) bewegen und dadurch das Geflecht abziehen.


Die Struktur von Geflechten ist stark abhängig von der Anzahl der Klöppel. Hier liegt die Problematik von Flechtmaschinen, da die Klöppelanzahl bei bestehenden Maschinen nur sehr bedingt verändert werden kann. Deshalb braucht man abhängig von dem zu produzierenden Produkt jeweils eine andere Maschine. So gibt es Maschinen die nur sehr wenige Klöppel (z.&nbsp;B. drei Klöppel) bis zu großen Maschinen, die bis über 800<ref>{{Internetquelle|url=http://www.braider.com/About/Megabraiders.aspx|titel=Megabraider|sprache=en|zugriff=2017-01-14}}</ref> Klöppel aufweisen.
Die Struktur der Geflechte ist stark abhängig von der Anzahl der Klöppel. Die Klöppelanzahl kann bei üblichen Maschinentypen nur bedingt verändert werden und definiert zumeist auch die Beschaffenheit des Produktes. So gibt es Maschinen die nur sehr wenige Klöppel (z. B. drei Klöppel) besitzen wie auch große Maschinen, die mit bis über 800<ref>{{Internetquelle|url=http://www.braider.com/About/Megabraiders.aspx|titel=Megabraider|sprache=en|zugriff=2017-01-14}}</ref> Klöppel bestückt werden können.
Waren früher die Drehzahlen durch die Qualität des Fadenmaterials begrenzt, ist es durch die Herstellung von Kunstfasern mit wesentlich größerer mechanischer Festigkeit eher die Bauweise der Maschine selbst. Auch die Spulenkörper können durch exaktere Führungen wesentlich größer sein, was auch wieder zu kürzeren Stillstandszeiten durch Spulenwechsel führt.
Waren früher die Drehzahlen durch die Qualität des Fadenmaterials begrenzt, ist es, durch die Herstellung von Kunstfasern mit wesentlich größerer mechanischer Festigkeit, eher die Bauweise der Maschine selbst, im Speziellen die Reibung der sich bewegenden Teile, insb. der Klöppel. Die Spulenkörper können durch exaktere Führungen jedoch wesentlich größer ausfallen, was wieder zu kürzeren Stillstandszeiten durch eine geringere Anzahl an Spulenwechsel führt.


Das Funktionsprinzip ist aber auch bei heutigen Maschinen identisch mit jenem der Maschinen in den letzten hundert Jahren.
Das grundsätzliche Funktionsprinzip jedoch ist auch bei heutigen Maschinen identisch mit jenem der Maschinen der letzten hundert Jahren.


== Litzen und Schlauchgeflechte ==
== Rundgeflechte und Flachgeflechte ==
Die klassische Einteilung der Geflechte erfolgt in '''Rundgeflechte''' (''Schlauch'', ''Schnur'' oder ''Kordel'') und in '''Flachgeflechte''' (Litze, in Österreich auch ''Börtel'' bezeichnet). Bei '''Flachgeflechten''' bewegen sich alle Klöppel auf einer Gangbahn und die Flechtfäden verkreuzen komplett untereinander. Da alle Fäden (und damit Klöppel) den gleichen Pfad auf der Gangbahn verfolgen, spricht man von einer Faden- bzw. einer Klöppelschar. Die kleinsten Flachgeflechte können mit drei Fäden (vgl. [[Zopf]]) hergestellt werden. Üblicherweise, aber nicht zwingend, werden Flachgeflechte mit einer ungeraden Klöppelanzahl hergestellt. Im Vergleich dazu werden '''Rundgeflechte''' grundsätzlich mit zwei Klöppelscharen und somit einer geraden Klöppelanzahl hergestellt. Die beiden Gangbahnen verlaufen hierbei [[Phasenversatz|phasenversetzt]], eine Klöppelschar bewegt sich immer im Uhrzeigersinn, die andere genau gegenläufig, gegen den Uhrzeigersinn. Das stukturell kleinste Rundgeflecht ist mit vier Fäden herstellbar.
Abhängig davon, ob die Klöppel immer jeweils in eine Richtung laufen oder an den Endpunkten umkehren, ergibt sich ein '''Schlauchgeflecht''' (''Schnur'' oder ''Kordel'') oder ein '''Flachgeflecht''' (Litze, in Österreich auch ''Börtel'' bezeichnet). Üblicherweise ergeben sich durch die Technik bei einer ungeraden Anzahl von Fäden eine Litze, bei einer geraden Anzahl eine Schnur. Die kleinsten Geflechte sind mit drei Fäden, wie bei einem [[Zopf]] als Litze, bei vier Fäden eine Schnur. Durch Zuführen einer ''Seele'' im Flechtpunkt von unten, kann man das Schlauchgeflecht zu einer Schnur noch betonen. Außerdem kann diese Seele Zugkräfte aufnehmen, ohne dass sich ein Geflecht zusammenzieht.

Elastische Litzen werden in der Form erzeugt, dass Gummifäden von unten in gespannten Zustand nach oben innerhalb des Geflechtes zugeführt werden, diesmal aber nicht mittig im Flechtpunkt, sondern jeweils in den Kreuzungspunkten der einzelnen Klöppel.


=== Gestaltungsmöglichkeiten von Geflechten ===
=== Gestaltungsmöglichkeiten von Geflechten ===
Durch Zuführen von Stehfäden entlang der Geflechtachse kann das Geflecht strukturell verstärkt werden. Bei Rundgeflechten kann ein ''Seelenfaden'' (auch als Kern bezeichnet) eingebunden werden. Weißt dieser Kern eine geometrisch bestimmende Form auf, wird der Prozess als ''Umflechten'' bezeichnet. Dieser Prozess wird beispielsweise bei der Kabelisolation eingesetzt. Weitere Stehfäden können durch die Hohlwellen der Mittelachsen der Flügelräder geführt werden, was eine zustätzliche Verstärkung bzw. Zugentlastung in Warenabzugsrichtung erlaubt. Elastische Geflechte werden in der Form erzeugt, dass Stehfäden aus [[Elastomer|Elastomermaterialien]] in gespanntem Zustand dem Geflechtes zugeführt werden.
Prinzipiell bestimmt die Fadenanzahl und Fadendicke die Stärke des Geflechts. Zusätzlich sind aber noch andere Möglichkeiten, das Aussehen des Geflechtes zu beeinflussen, möglich.


Einen wesentlichen Faktor bildet die Geschwindigkeit, wie schnell ein Geflecht vom Flechtpunkt abgezogen (weggezogen) wird. Eine langsame Abzugsgeschwindigkeit bewirkt ein dichtes und dickeres Geflecht, während eine schnelle Abzuggeschwindigkeit ein loses und leicht verschiebbares Geflecht ergibt. Besonders bei elastischen Geflechten ist dieser Punkt zu beachten, wie weich oder streng der Zug der Gummilitze im Endeffekt ist.
Prinzipiell ist die Geometrie des Geflechts einerseits durch den Flechtmaschinentyp, jedoch insbesondere durch die Fadenanzahl und die Fadendicke bestimmt. Ein weiterer Faktor ist das Verhältnis aus Antriebs- und Abzugsgeschwindigkeit, womit die sogenannte Flechtdichte bzw. der Flechtwinkel eingestellt wird. Eine langsame Abzugsgeschwindigkeit bewirkt ein dichtes und dickes Geflecht (hohe Flechtdichte, hoher Flechtwinkel), während eine schnelle Abzuggeschwindigkeit ein loses und leicht verschiebbares Geflecht (geringe Flechtdichte und geringer Flechtwinkel) ergibt.


Auch mit den Gewichten in den Klöppeln kann die Dichte eines Geflechtes stark beeinflusst werden. Mit schwereren Gewichten wird der Faden jeweils stärker gespannt und das Geflecht wird enger und dünner. Durch eine bestimmte Anordnung von verschiedenen Gewichten ist es beispielsweise möglich eine Zackenlitze herzustellen, in dem die Litze jeweils vom Flechtpunkt aus nach links oder nach rechts gezogen wird.
Ein weiterer beeinflussender Faktor der Geflechtstruktur ist die Fadenspannung, die durch Änderung der Spannfederhärte bestimmt wird. Mit härteren Federn werden die Flechtfäden stärker gespannt und das Geflecht wird schmaler. Durch Einsatz verschiedener Fadenspannungen bei den Klöppeln kann beispielsweise die Herstellung eine Zackenlitze erfolgen, in dem die Litze jeweils vom Flechtpunkt aus nach links oder nach rechts gezogen wird. In ähnlicher Weise ist kann durch Einsatz von dünneren Fäden in einer Richtung und stärkeren Fäden in die Gegenrichtung beispielsweise die Herstellung von Schnüren möglich, die Ähnlichkeit zu einem gedrehten Seil aufweisen.


Vergleichbar mit [[Gewebe (Textil)|Geweben]] können auch bei Geflechten verschiedene Bindungsarten<ref>{{Literatur |Titel=Textile Werkstoffe für den Leichtbau: Techniken - Verfahren - Materialien - Eigenschaften |Verlag=Springer-Verlag |Ort=Berlin Heidelberg |Datum=2011 |ISBN=9783642179914 |Online=https://www.springer.com/de/book/9783642179914 |Abruf=2019-04-05}}</ref> realisiert werden. Die übliche Flechtbindung ist hierbei die sogenannte 2-flechtige Bindung, wobei ein Flechtfaden immer über zwei weitere kreuzt (flottiert). Diese Bindung ist vergleichbar mit der [[Köperbindung]] in der Weberei. Weitere Bindungen sind die 1-flechtigen Diamantbindungen in halber Besetztung bzw. in Tandem-Besetzung der Klöppel, was wiederum der [[Leinwandbindung]] bzw. der [[Panamabindung]] entspricht.
Wenn man einige dünne Fäden in einer Richtung und stärkere Fäden in die Gegenrichtung laufen lässt, kann man beispielsweise Schnüre flechten, die mit einem gedrehten Seil eine Ähnlichkeit aufweisen.

Bei elastischen Geflechten ist das Aussehen und vor allem auch die spätere Dehnmöglichkeit des Geflechts stark abhängig von der Vorspannung der von unten gerade durchlaufenden Gummifäden.

Durch Kombination verschiedener Einflussfaktoren kann man auf diese Weise die verschiedensten Geflechte herstellen.


== Sonderbauarten ==
== Sonderbauarten ==
Laufen die Klöppel abhängig von Litzen oder Schlauchgeflechten üblicherweise immer dieselben Wege, so können sogenannte ''Wechsel'' ähnlich [[Eisenbahnweiche]]n die Laufbahnen zeitweise trennen und später wieder zusammenführen. Auf diese Weise können beispielsweise Gummilitzen mit Unterbrechungen, wie ''Knopflochgummilitzen'' gefertigt werden.
Laufen die Klöppel abhängig von Litzen oder Schlauchgeflechten üblicherweise immer dieselben Wege, so können sogenannte ''Wechsel'' ähnlich [[Eisenbahnweiche]]n die Laufbahnen zeitweise trennen und später wieder zusammenführen. Auf diese Weise können beispielsweise Litzen mit Unterbrechungen, wie ''Knopflochlitzen'' gefertigt werden. Bei anderen Bauformen können sich mehrere Laufbahnkreise nur tangential berühren, sodass an den Berührungsstellen dünne Verbindungen zweier Schnüre entstehen, wie sie beispielsweise [[Passepoil]]geflechte darstellen. Auf ähnliche Weise lassen sich ein ''Schnurkreis'' und ein ''Litzenkreis'' miteinander verbinden, sodass spezielle Geflechte, wie beispielsweise eine ''Kordellitze,'' entstehen, die aus einer Schnur mit einem flachen ''Flügel'' besteht.


Weitere Sonderbauarten sind die sogenannten Packungsflechtmaschinen, bei denen zwei oder mehr Klöppelscharen auf einem meist quadratischen oder rechteckigen Flechtbett laufen. Durch hohe Fadenspannungen entstehen Geflechte, die insbesondere in der Dichtungstechnik ([[Stopfbuchse]]) eingesetzt werden.
Bei anderen Bauformen können sich mehrere Laufbahnkreise nur tangential berühren, sodass an den Berührungsstellen dünne Verbindungen zweier Schnüre entstehen, wie sie beispielsweise [[Passepoil]]geflechte darstellen.

Auf ähnliche Weise lassen sich ein ''Schnurkreis'' und ein ''Litzenkreis'' miteinander verbinden, sodass auch wieder spezielle Geflechte entstehen wie beispielsweise eine ''Kordellitze'', die aus einer Schnur mit einem flachen ''Flügel'' besteht.

Da die Flechtindustrie in den letzten zwanzig Jahren insgesamt in Europa stark in [[Niedriglohnland|Niedriglohnländer]] abgewandert ist, dort aber nur Massenware erzeugt wird, ist der Bestand an solchen Maschinen nur mehr sehr gering.

In den letzten Jahren kommt es wieder zu einer Zunahme von Spezialflechtmaschinen, allerdings nicht im klassischen Textilbereich, sondern bei der Herstellung von [[Faser-Kunststoff-Verbund|faserverstärkten Kunststoffen]]. Die hier verwendeten Maschinen wurden ursprünglich oft für die [[Textilindustrie]] konzipiert und dann umgerüstet, um damit [[Kohlenstofffaser|Kohle-]], [[Glas|Glas-]] und [[Aramidfaser]]n verarbeiten zu können.


== Historisches ==
== Historisches ==
Die ersten Spuren einer mechanischen Flechtvorrichtung findet man in einem Buch von Georg Philipp Harsdörffer, das 1653 in Nürnberg erschienen ist. Laut den Angaben des Autors soll die dort beschriebene Vorrichtung, deren Antrieb über eine Handkurbel erfolgte, in Utrecht erfunden worden sein. Rund ein Jahrhundert später wurde 1748 dem Engländer Thomas Walford aus Manchester erstmals ein Patent auf eine Flechtmaschine erteilt. Im Tal der Wupper gilt Johann Heinrich Bockmühl als der Erfinder dieser Maschine, was nicht zutrifft. Verbesserungen an der Flechtmaschine gehen aber auf ihn zurück. Die industrielle Herstellung von Flechtmaschinen begann um 1880. Führend auf diesem Gebiet waren die Hersteller in [[Wuppertal]]-Barmen. Diese Börtelflechtereien, wie sie oft bezeichnet wurden, waren vielerorts der Beginn der [[Industrialisierung]]. Vor allem in Gebieten, in denen [[Wasserkraft]] als Antrieb des [[Wasserrad]]es vorhanden war, entstanden diese Fabriken schon vor der Elektrifizierung. Später wurden diese Antriebe durch [[Dampfmaschine]]n oder [[Lokomobil]]e ersetzt.
Die ersten Spuren einer mechanischen Flechtvorrichtung findet man in einem Buch von Georg Philipp Harsdörffer, das 1653 in Nürnberg erschienen ist. Laut den Angaben des Autors soll die dort beschriebene Vorrichtung, deren Antrieb über eine Handkurbel erfolgte, in Utrecht erfunden worden sein. Rund ein Jahrhundert später wurde 1748 dem Engländer Thomas Walford aus Manchester erstmals ein Patent auf eine Flechtmaschine erteilt. Im Tal der Wupper gilt Johann Heinrich Bockmühl als der Erfinder dieser Maschine, wobei jedoch nur Verbesserungen an der Flechtmaschine auf ihn zurückgehen. Die industrielle Herstellung von Flechtmaschinen, damals teilweise noch als Riemengang oder Riementisch bezeichnet, begann in Deutschland um 1880. Führend auf diesem Gebiet waren die Hersteller in [[Wuppertal]]-Barmen. Diese Börtelflechtereien, wie sie oft bezeichnet wurden, waren vielerorts der Beginn der [[Industrialisierung]]. Vor allem in Gebieten, in denen [[Wasserkraft]] als Antrieb des [[Wasserrad]]es vorhanden war, entstanden diese Fabriken schon vor der Elektrifizierung. Später wurden diese Antriebe durch [[Dampfmaschine]]n oder [[Lokomobil]]e ersetzt.


[[Bild:Flechtmaschine detail.jpg|right|mini|180px|einzelner Klöppel mit Fadenüberwachung]]
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Diese Fadenüberwachung ist bemerkenswert, da es diese Automatik ohne eine heute bekannten [[Sensor]]ik nur bei diesen Maschinen gab. An der Seite jedes Klöppels gibt es einen Schieber, der durch den Faden in der Höhe gehalten wird. Reißt der Faden, so fällt der Schieber nach unten, so drückt er beim Vorbeiführen die seitlich angeordneten Auslösestange nach außen, die wiederum Zahnräder außer Eingriff bringt. In der Folge bleibt die Maschine stehen, ohne dass zwangsläufig ein Fehler im Geflecht entsteht. Es war also die schwache Fadenspannung ausreichend, die schwere Maschine abzustellen. ''(siehe rechte Abbildung)''
Diese Fadenüberwachung ist bemerkenswert, da es diese Automatik ohne eine heute bekannten [[Sensor]]ik nur bei diesen Maschinen gab. An der Seite jedes Klöppels gibt es einen Schieber, der durch den Faden in der Höhe gehalten wird. Reißt der Faden, so fällt der Schieber nach unten, so drückt er beim Vorbeiführen die seitlich angeordneten Auslösestange nach außen, die wiederum Zahnräder außer Eingriff bringt. In der Folge bleibt die Maschine stehen, ohne dass zwangsläufig ein Fehler im Geflecht entsteht. Es war also die schwache Fadenspannung ausreichend, die schwere Maschine abzustellen. ''(siehe rechte Abbildung)''


Bei [[Webmaschine|Bandwebmaschinen]] war diese Überwachung nicht möglich, so dass die Flechtmaschine einen großen Teil der Produkte der vorher schon bekannten Webereien ablöste. Erst in den [[1970er]] Jahren, löste die Erfindung der Nadelwebstühle und der [[Häkelgalonmaschine]]n, die eine wesentlich höhere Produktivität haben, die Flechtmaschinen wieder größtenteils ab. Nur mehr Spezialgebiete der Textilindustrie arbeiten heute mit Flechtmaschinen.
Da bei [[Webmaschine|Bandwebmaschinen]] eine solche Überwachung nicht möglich war, lösten die fehlerfreien Flachgeflechte einen großen Teil der Produkte der vorher schon bekannten Webereien ab. Erst in den [[1970er]] Jahren wurden die Flechtmaschinen durch die Erfindung der Nadelwebstühle und der [[Häkelgalonmaschine]]n, die eine wesentlich höhere Produktivität besitzen wieder größtenteils verdrängt.

Die bekannten Hersteller von Flechtmaschinen siedelten sich naturgemäß in den Gebieten an, wo auch die Flechtindustrie vorherrschte. Bekannte Industriegebiete, die über eine große Anzahl solcher Erzeugungen verfügten, waren der Raum [[Wuppertal]] in Deutschland und das [[Waldviertel]] (bekannt auch als das ''Bandlkramerland'') und das [[Wiener Becken]] in [[Österreich]]. In Wien selbst war beispielsweise der siebente Bezirk [[Neubau (Wien)|Neubau]] ein solches Gebiet. Noch heute erinnern Straßennamen, wie Bandgasse oder Seidengasse an diese Zeit.


Da die Flechtindustrie in den letzten dreißig Jahren insgesamt in Europa stark in [[Niedriglohnland|Niedriglohnländer]] abgewandert ist, dort aber nur Massenware erzeugt wird, ist der Bestand an Flechtmaschinen nur mehr sehr gering. In den letzten Jahren kommt es jedoch wieder zu einem vermehrten Einsatz von Spezialflechtmaschinen abseits des klassischen Textilbereichs. Diese Sondermaschinen werden vorallem der Herstellung von [[Faser-Kunststoff-Verbund|faserverstärkten Kunststoffen]], jedoch auch im Medizinbereich<ref>{{Literatur |Titel=Recent Developments in Braiding and Narrow Weaving |Verlag=Springer International Publishing |Datum=2016 |ISBN=9783319299310 |Online=https://www.springer.com/de/book/9783319299310 |Abruf=2019-04-05}}</ref>, beispielsweise der Herstellung von [[Stent|Stents]], eingesetzt. Die hier verwendeten Maschinen basieren auf Maschinen für die [[Textilindustrie]], sind jedoch teilweise massiv modifiziert, um damit [[Kohlenstofffaser|Kohle-]], [[Glas|Glas-]] und [[Aramidfaser]]n sowie sehr feine Metalldrähte verarbeiten zu können.
Die bekannten Hersteller dieser Flechtmaschinen siedelten sich naturgemäß in den Gebieten an, wo auch diese Flechtindustrie vorherrschte. Bekannte Industriegebiete, die über eine große Anzahl solcher Erzeugungen verfügten, waren der Raum [[Wuppertal]] in Deutschland und das [[Waldviertel]] (bekannt auch als das ''Bandlkramerland'') und das [[Wiener Becken]] in [[Österreich]]. In Wien selbst war beispielsweise der siebente Bezirk [[Neubau (Wien)|Neubau]] ein solches Gebiet. Noch heute erinnern Straßennamen, wie Bandgasse oder Seidengasse an diese Zeit.


== Anwendungsbeispiele ==
== Anwendungsbeispiele ==
* Gummilitzen, die als Einziehgummi in Kleidungsstücken verwendet werden
* Gummilitzen, die als Einziehgummi in Kleidungsstücken verwendet werden
* Kerzendochte können geflochtene Schnüre sein
*[[Docht|Kerzendochte]] in Form geflochtener Schnüre
* Schlangen oder Zackenlitzen, die als Ziergeflecht aufgenäht werden
* Schlangen oder Zackenlitzen, die als Ziergeflecht aufgenäht werden
* [[Schnürsenkel]] (Schuhbänder).
* [[Schnürsenkel]] (Schuhbänder).
*[[Kletterseil|Kletterseile]] als mehrschichtige Rundgeflechte


Es gibt aber auch technische Geflechte, wie:
Es gibt aber auch technische Geflechte, wie:
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* Kupferlitzen, die als Masseverbindung bei [[Starterbatterie|Fahrzeugbatterien]] verwendet werden.
* Kupferlitzen, die als Masseverbindung bei [[Starterbatterie|Fahrzeugbatterien]] verwendet werden.
* Litzen werden auch als [[Entlötlitze]] verwendet.
* Litzen werden auch als [[Entlötlitze]] verwendet.
* Schlauchgeflechte werden beispielsweise für Duschschläuche eingesetzt, bei denen ein Gummischlauch mit Stahldrähten umflochten wird. Bei [[Koaxialkabel]]n wird die Schirmung geflochten.
* Schlauchgeflechte werden beispielsweise aufgrund der Knickstabilität im Sanitärbereich eingesetzt, bei denen ein Gummischlauch mit Stahldrähten umflochten wird.
*Schirmungsgeflechte von [[Koaxialkabel]]n
* Schläuche zur thermischen Isolierung
* Schläuche zur thermischen Isolierung



Version vom 5. April 2019, 15:48 Uhr

Flechtmaschine von 1925

Die Flechtmaschine ist eine Apparatur, mit der automatisch früher Litzen oder Schnüre, heute auch Seile, Katheter und andere lineare Produkte geflochten werden oder Faserverbundbauteile hergestellt werden[1][2].

Funktionsprinzip

Flechtmaschine von 1925 in Funktion
Prinzip der Flechterei

Die auf Spulen befindlichen Flechtfäden werden bei einer Flechtmaschine durch Klöppel geführt. Die Klöppel werden durch sogenannte Flügelräder sinusförmig auf, in das Maschinenbett (Flechtbett) eingefrästen, Gangbahnen bewegt, wodurch die Flechtfäden untereinander verkreuzt werden und im sogenannten Flechtpunkt das Geflecht bilden.

Diese Animation demonstriert die Arbeistweise der kleinsten Flechtmaschine mit zwei Flügelräder und drei Klöppel, positioniert unter "ein voll- ein leer" Besetzung

Die Klöppel oder in Österreich auch Docke (vom norddeutschen Wort Puppe) sind das Hauptarbeitsorgan der Flechtmaschine. Sie tragen die Flechtspulen, auf denen sich die Flechtfäden befinden. Des Weiteren kompensieren die Klöppel die Längendifferenz des Fadenmaterials, was aufgrund der Relativbewegung der Klöppel zum Flechtpunkt auftritt und bringen dabei gleichzeitig eine Fadenspannung auf. Zu diesem Zweck wurden früher Bleigewichte eingesetzt, die als "Lot" bezeichnet wurden. Bei aktuellen Flechtmaschinen werden zumeist Druckfedern eingesetzt, der Einsatz von Gewichten beschränkt sich üblicherweise auf sehr größe Flechtmaschinen für die Seilherstellung. Die Klöppel besitzen eine Fadenrissüberwachung, die die Flechtmaschine bei Fadenbruch abstellt. Die Spulen können entweder aktiv bewegt oder passiv durch eine Bremsung von der Spule abgezogen werden. Bei letzterer Technik besitzen entweder die Spulen oder die Spulenhalterungen Einkerbungen, in denen eine Klinke oder ein Stift erst dann Fadenmaterial freigibt (die Spule rotieren lässt), wenn der Flechtfaden ausreichend Fadenspannung besitzt. Bei den Barmer-Flechtmaschinen haben die Spulen, wie auf dem Bild ersichtlich, auf der Oberseite Zacken, in denen eine Klinke einrastet. Erhöht sich die Fadenspannung infolge des Abziehens des Fadens, so wird ein in der Spulenachse gelagertes Gewicht empor gezogen und hebt dann am obersten Punkt die Klinke an, wodurch die Spule rotieren kann und Fadenmaterial freigibt. Hierdurch sinkt das Gewicht wiederum, die Klinke rastet in die Zacken ein und bringt Spule zum Stehen.

Barmer Flechtmaschine

Die verflochtenen Fäden werden vom Flechtpunkt mit Walzen, Riemchen oder anderen Abzügen konstant abgezogen, danach aufgewickelt oder einer weiteren Produktionsstufe, beispielsweise einem automatischen Ablängen zugeführt. Zur Herstellung von Faserverbundbauteilen im Bereich Leichtbau werden u.a. Industrieroboter eingesetzt, die den Geflechtträger (sog. Kern) bewegen und dadurch das Geflecht abziehen.

Die Struktur der Geflechte ist stark abhängig von der Anzahl der Klöppel. Die Klöppelanzahl kann bei üblichen Maschinentypen nur bedingt verändert werden und definiert zumeist auch die Beschaffenheit des Produktes. So gibt es Maschinen die nur sehr wenige Klöppel (z. B. drei Klöppel) besitzen wie auch große Maschinen, die mit bis über 800[3] Klöppel bestückt werden können.

Waren früher die Drehzahlen durch die Qualität des Fadenmaterials begrenzt, ist es, durch die Herstellung von Kunstfasern mit wesentlich größerer mechanischer Festigkeit, eher die Bauweise der Maschine selbst, im Speziellen die Reibung der sich bewegenden Teile, insb. der Klöppel. Die Spulenkörper können durch exaktere Führungen jedoch wesentlich größer ausfallen, was wieder zu kürzeren Stillstandszeiten durch eine geringere Anzahl an Spulenwechsel führt.

Das grundsätzliche Funktionsprinzip jedoch ist auch bei heutigen Maschinen identisch mit jenem der Maschinen der letzten hundert Jahren.

Rundgeflechte und Flachgeflechte

Die klassische Einteilung der Geflechte erfolgt in Rundgeflechte (Schlauch, Schnur oder Kordel) und in Flachgeflechte (Litze, in Österreich auch Börtel bezeichnet). Bei Flachgeflechten bewegen sich alle Klöppel auf einer Gangbahn und die Flechtfäden verkreuzen komplett untereinander. Da alle Fäden (und damit Klöppel) den gleichen Pfad auf der Gangbahn verfolgen, spricht man von einer Faden- bzw. einer Klöppelschar. Die kleinsten Flachgeflechte können mit drei Fäden (vgl. Zopf) hergestellt werden. Üblicherweise, aber nicht zwingend, werden Flachgeflechte mit einer ungeraden Klöppelanzahl hergestellt. Im Vergleich dazu werden Rundgeflechte grundsätzlich mit zwei Klöppelscharen und somit einer geraden Klöppelanzahl hergestellt. Die beiden Gangbahnen verlaufen hierbei phasenversetzt, eine Klöppelschar bewegt sich immer im Uhrzeigersinn, die andere genau gegenläufig, gegen den Uhrzeigersinn. Das stukturell kleinste Rundgeflecht ist mit vier Fäden herstellbar.

Gestaltungsmöglichkeiten von Geflechten

Durch Zuführen von Stehfäden entlang der Geflechtachse kann das Geflecht strukturell verstärkt werden. Bei Rundgeflechten kann ein Seelenfaden (auch als Kern bezeichnet) eingebunden werden. Weißt dieser Kern eine geometrisch bestimmende Form auf, wird der Prozess als Umflechten bezeichnet. Dieser Prozess wird beispielsweise bei der Kabelisolation eingesetzt. Weitere Stehfäden können durch die Hohlwellen der Mittelachsen der Flügelräder geführt werden, was eine zustätzliche Verstärkung bzw. Zugentlastung in Warenabzugsrichtung erlaubt. Elastische Geflechte werden in der Form erzeugt, dass Stehfäden aus Elastomermaterialien in gespanntem Zustand dem Geflechtes zugeführt werden.

Prinzipiell ist die Geometrie des Geflechts einerseits durch den Flechtmaschinentyp, jedoch insbesondere durch die Fadenanzahl und die Fadendicke bestimmt. Ein weiterer Faktor ist das Verhältnis aus Antriebs- und Abzugsgeschwindigkeit, womit die sogenannte Flechtdichte bzw. der Flechtwinkel eingestellt wird. Eine langsame Abzugsgeschwindigkeit bewirkt ein dichtes und dickes Geflecht (hohe Flechtdichte, hoher Flechtwinkel), während eine schnelle Abzuggeschwindigkeit ein loses und leicht verschiebbares Geflecht (geringe Flechtdichte und geringer Flechtwinkel) ergibt.

Ein weiterer beeinflussender Faktor der Geflechtstruktur ist die Fadenspannung, die durch Änderung der Spannfederhärte bestimmt wird. Mit härteren Federn werden die Flechtfäden stärker gespannt und das Geflecht wird schmaler. Durch Einsatz verschiedener Fadenspannungen bei den Klöppeln kann beispielsweise die Herstellung eine Zackenlitze erfolgen, in dem die Litze jeweils vom Flechtpunkt aus nach links oder nach rechts gezogen wird. In ähnlicher Weise ist kann durch Einsatz von dünneren Fäden in einer Richtung und stärkeren Fäden in die Gegenrichtung beispielsweise die Herstellung von Schnüren möglich, die Ähnlichkeit zu einem gedrehten Seil aufweisen.

Vergleichbar mit Geweben können auch bei Geflechten verschiedene Bindungsarten[4] realisiert werden. Die übliche Flechtbindung ist hierbei die sogenannte 2-flechtige Bindung, wobei ein Flechtfaden immer über zwei weitere kreuzt (flottiert). Diese Bindung ist vergleichbar mit der Köperbindung in der Weberei. Weitere Bindungen sind die 1-flechtigen Diamantbindungen in halber Besetztung bzw. in Tandem-Besetzung der Klöppel, was wiederum der Leinwandbindung bzw. der Panamabindung entspricht.

Sonderbauarten

Laufen die Klöppel abhängig von Litzen oder Schlauchgeflechten üblicherweise immer dieselben Wege, so können sogenannte Wechsel ähnlich Eisenbahnweichen die Laufbahnen zeitweise trennen und später wieder zusammenführen. Auf diese Weise können beispielsweise Litzen mit Unterbrechungen, wie Knopflochlitzen gefertigt werden. Bei anderen Bauformen können sich mehrere Laufbahnkreise nur tangential berühren, sodass an den Berührungsstellen dünne Verbindungen zweier Schnüre entstehen, wie sie beispielsweise Passepoilgeflechte darstellen. Auf ähnliche Weise lassen sich ein Schnurkreis und ein Litzenkreis miteinander verbinden, sodass spezielle Geflechte, wie beispielsweise eine Kordellitze, entstehen, die aus einer Schnur mit einem flachen Flügel besteht.

Weitere Sonderbauarten sind die sogenannten Packungsflechtmaschinen, bei denen zwei oder mehr Klöppelscharen auf einem meist quadratischen oder rechteckigen Flechtbett laufen. Durch hohe Fadenspannungen entstehen Geflechte, die insbesondere in der Dichtungstechnik (Stopfbuchse) eingesetzt werden.

Historisches

Die ersten Spuren einer mechanischen Flechtvorrichtung findet man in einem Buch von Georg Philipp Harsdörffer, das 1653 in Nürnberg erschienen ist. Laut den Angaben des Autors soll die dort beschriebene Vorrichtung, deren Antrieb über eine Handkurbel erfolgte, in Utrecht erfunden worden sein. Rund ein Jahrhundert später wurde 1748 dem Engländer Thomas Walford aus Manchester erstmals ein Patent auf eine Flechtmaschine erteilt. Im Tal der Wupper gilt Johann Heinrich Bockmühl als der Erfinder dieser Maschine, wobei jedoch nur Verbesserungen an der Flechtmaschine auf ihn zurückgehen. Die industrielle Herstellung von Flechtmaschinen, damals teilweise noch als Riemengang oder Riementisch bezeichnet, begann in Deutschland um 1880. Führend auf diesem Gebiet waren die Hersteller in Wuppertal-Barmen. Diese Börtelflechtereien, wie sie oft bezeichnet wurden, waren vielerorts der Beginn der Industrialisierung. Vor allem in Gebieten, in denen Wasserkraft als Antrieb des Wasserrades vorhanden war, entstanden diese Fabriken schon vor der Elektrifizierung. Später wurden diese Antriebe durch Dampfmaschinen oder Lokomobile ersetzt.

einzelner Klöppel mit Fadenüberwachung

Die Flechtmaschinen wurden nebeneinander auf sogenannten Flechttischen zusammengestellt. Diese waren einfache Holzgestelle, die der Länge nach eine Antriebswelle hatten und die Maschinen einzeln über Kegelräder antrieben. Eingeschaltet wurden diese Maschinen durch einfaches Bewegen der Maschine, so dass die Zahnräder in Eingriff kamen. Aus dieser Zeit stammt auch die Ausdrücke Einrücken und Ausrücken für Einschalten oder Ausschalten der Maschine. Angetrieben wurden die einzelnen Tische über eine Transmission.

Diese Fadenüberwachung ist bemerkenswert, da es diese Automatik ohne eine heute bekannten Sensorik nur bei diesen Maschinen gab. An der Seite jedes Klöppels gibt es einen Schieber, der durch den Faden in der Höhe gehalten wird. Reißt der Faden, so fällt der Schieber nach unten, so drückt er beim Vorbeiführen die seitlich angeordneten Auslösestange nach außen, die wiederum Zahnräder außer Eingriff bringt. In der Folge bleibt die Maschine stehen, ohne dass zwangsläufig ein Fehler im Geflecht entsteht. Es war also die schwache Fadenspannung ausreichend, die schwere Maschine abzustellen. (siehe rechte Abbildung)

Da bei Bandwebmaschinen eine solche Überwachung nicht möglich war, lösten die fehlerfreien Flachgeflechte einen großen Teil der Produkte der vorher schon bekannten Webereien ab. Erst in den 1970er Jahren wurden die Flechtmaschinen durch die Erfindung der Nadelwebstühle und der Häkelgalonmaschinen, die eine wesentlich höhere Produktivität besitzen wieder größtenteils verdrängt.

Die bekannten Hersteller von Flechtmaschinen siedelten sich naturgemäß in den Gebieten an, wo auch die Flechtindustrie vorherrschte. Bekannte Industriegebiete, die über eine große Anzahl solcher Erzeugungen verfügten, waren der Raum Wuppertal in Deutschland und das Waldviertel (bekannt auch als das Bandlkramerland) und das Wiener Becken in Österreich. In Wien selbst war beispielsweise der siebente Bezirk Neubau ein solches Gebiet. Noch heute erinnern Straßennamen, wie Bandgasse oder Seidengasse an diese Zeit.

Da die Flechtindustrie in den letzten dreißig Jahren insgesamt in Europa stark in Niedriglohnländer abgewandert ist, dort aber nur Massenware erzeugt wird, ist der Bestand an Flechtmaschinen nur mehr sehr gering. In den letzten Jahren kommt es jedoch wieder zu einem vermehrten Einsatz von Spezialflechtmaschinen abseits des klassischen Textilbereichs. Diese Sondermaschinen werden vorallem der Herstellung von faserverstärkten Kunststoffen, jedoch auch im Medizinbereich[5], beispielsweise der Herstellung von Stents, eingesetzt. Die hier verwendeten Maschinen basieren auf Maschinen für die Textilindustrie, sind jedoch teilweise massiv modifiziert, um damit Kohle-, Glas- und Aramidfasern sowie sehr feine Metalldrähte verarbeiten zu können.

Anwendungsbeispiele

  • Gummilitzen, die als Einziehgummi in Kleidungsstücken verwendet werden
  • Kerzendochte in Form geflochtener Schnüre
  • Schlangen oder Zackenlitzen, die als Ziergeflecht aufgenäht werden
  • Schnürsenkel (Schuhbänder).
  • Kletterseile als mehrschichtige Rundgeflechte

Es gibt aber auch technische Geflechte, wie:

  • sogenannte Einziehstrümpfe, bei denen das Zusammenziehen des kurzen Schlauchgeflecht-Abschnitts genutzt wird, um ein Kabel oder einen Schlauch zu fassen und diesen in ein Schutzrohr oder Kabelkanal einzuziehen, ähnlich einer chinesischen Fingerfalle
  • Umflochtene elektrische Leitungen, bei denen der Kabelmantel entweder durch eine Umflechtung geschützt ist (z. B. Bügeleisen-Zuleitung) oder diese ersetzt (sogenannte Pendelschnur bei Hängelampen mit Aufrollautomatik, bzw. in letzter Zeit immer öfter bei Kopfhörerkabeln), um eine größere Flexibilität des Kabels zu erreichen
  • Geflechte zur Kunststoffverstärkung (z. B. aus Carbon, Glasfaser, Aramide)
  • Kupferlitzen, die als Masseverbindung bei Fahrzeugbatterien verwendet werden.
  • Litzen werden auch als Entlötlitze verwendet.
  • Schlauchgeflechte werden beispielsweise aufgrund der Knickstabilität im Sanitärbereich eingesetzt, bei denen ein Gummischlauch mit Stahldrähten umflochten wird.
  • Schirmungsgeflechte von Koaxialkabeln
  • Schläuche zur thermischen Isolierung

Literatur

  • Bernhard Lepperhoff: Die Flechterei. Leipzig (1914)
  • Herbert Vogler: Wurde die Flechtmaschine in Barmen erfunden?. Band- und Flechtindustrie, 36 (1999), S. 43–46

Weblinks

Commons: Flechtmaschinen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Harald Engels: Handbuch der Schmaltextilien : die Flechttechnologie ; Teil 1: Maschinen und Verfahren zur Erzeugung konventioneller Geflechte. Hrsg.: FB Textil- und Bekleidungstechnik, Fachhochschule Niederrhein, Mönchengladbach;. FB Textil- und Bekleidungstechnik, Fachhochschule Niederrhein, Mönchengladbach 1994.
  2. Yordan Kyosev: 1 - Introduction: the main types of braided structure using maypole braiding technology A2 - Kyosev, Y. In: Woodhead Publishing (Hrsg.): Braiding Technology for Textiles (= Woodhead Publishing Series in Textiles). Woodhead Publishing, 2015, ISBN 978-0-85709-135-2, S. 1–25 (sciencedirect.com [abgerufen am 14. Januar 2017]).
  3. Megabraider. Abgerufen am 14. Januar 2017 (englisch).
  4. Textile Werkstoffe für den Leichtbau: Techniken - Verfahren - Materialien - Eigenschaften. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-17991-4 (springer.com [abgerufen am 5. April 2019]).
  5. Recent Developments in Braiding and Narrow Weaving. Springer International Publishing, 2016, ISBN 978-3-319-29931-0 (springer.com [abgerufen am 5. April 2019]).