„Pyrolyse“ – Versionsunterschied

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Die '''Pyrolyse''' bzw. '''pyrolytische Zersetzung''' (von [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] {{lang|grc|πῦρ}} ''pyr'' ‚Feuer‘ und {{lang|grc|λύσις}} ''lýsis'' ‚(Auf)Lösung‘)<ref>[[Wilhelm Gemoll]]: ''Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch.'' München/Wien 1965.</ref> ist eine thermo-chemische Spaltung organischer Verbindungen, wobei durch hohe Temperaturen (200–900&nbsp;°C) ein Bindungsbruch innerhalb großer [[Molekül]]e in kleinere erzwungen wird. Im Gegensatz zur [[Vergasen|Vergasung]] und zur [[Verbrennung (Chemie)|Verbrennung]] geschieht dies ausschließlich unter der Einwirkung von hoher Temperatur und ohne zusätzlich zugeführten Sauerstoff, das [[Verbrennungsluftverhältnis]] ist <math>\lambda = 0</math>.<ref name="Kaltschmitt 378">[[Martin Kaltschmitt]], Hans Hartmann, Hermann Hofbauer (Hrsg.): ''Energie aus Biomasse. Grundlagen, Techniken und Verfahren.'' Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-85094-6, S.&nbsp;378–379.</ref> Bei sauerstoffhaltigen Brennstoffen, beispielsweise bei [[Biogener Brennstoff|Biobrennstoffen]] wie [[Holz]] mit einem Sauerstoffanteil von etwa 44 Massen-Prozent, können jedoch trotzdem [[Oxidation]]sreaktionen an den Zersetzungsprozessen beteiligt sein.<ref name="Kaltschmitt 378" />
'''Pyrolyse''' oder '''pyrolytische Zersetzung''' (von [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] {{lang|grc|πῦρ}} ''pyr'' ‚Feuer‘ und {{lang|grc|λύσις}} ''lýsis'' ‚(Auf)Lösung‘)<ref>[[Wilhelm Gemoll]]: ''Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch.'' München/Wien 1965.</ref> bezeichnet verschiedene [[Biomassekonversion|thermo-chemische Umwandlungsprozesse]], in denen organische Verbindungen bei hohen Temperaturen und in Abwesenheit von Sauerstoff (λ=0) gespalten werden. Durch die hohen Temperaturen werden die Bindungen innerhalb der Moleküle gespalten und durch den Sauerstoffausschluss wird eine Verbrennung verhindert. Die entstehenden Produkte sind vielfältig.<ref name="Watter">{{Literatur |Autor=Holger Watter |Titel=Nachhaltige Energiesysteme Grundlagen, Systemtechnik und Anwendungsbeispiele |Auflage=1. |Kapitel=7. Biomasse |Verlag=Vieweg+Teubner |Ort=Wiesbaden |Datum=2009 |ISBN=9783834807427 |Seiten= 136–186 |Online=https://books.google.de/books?id=RjFLer1U7cAC&printsec=copyright&redir_esc=y#v=onepage&q=Pyrolyse&f=false }}</ref>


Ältere Bezeichnungen für die Pyrolyse sind ''Brenzen'', ''trockene Destillation'', ''zersetzende Destillation'' oder ''Entgasung''. Der Wortstamm {{"|Brenz-}} in den Namen [[Chemische Verbindung|chemischer Verbindungen]] wie [[Brenzcatechin]], [[Furan-2-carbonsäure|Brenzschleimsäure]] und [[Brenztraubensäure]] geht hierauf zurück. Auch beim [[Kokerei|Verkoken]] von Kohle und bei der [[Holzkohle]]-Herstellung bzw. [[Holzvergasung]] finden Pyrolysevorgänge statt, neben [[Koks]] bzw. Holzkohle entsteht brennbares Gas und Teer. Chemisch gesehen ist auch das [[Cracken]] von Erdöl ein Pyrolyseverfahren, wird jedoch nicht so genannt.
Pyrolyse kommt in vielen technischen Verfahren zum Einsatz. So kann [[Biomasse]] dadurch gezielt in höherwertige Produkte wie Brennstoffe oder Chemikalien umgewandelt werden, aber auch beim klassischen [[Kokerei|Verkoken]] von Kohle und bei der Herstellung von [[Holzkohle]] finden Pyrolysevorgänge statt.<ref name="Watter"></ref> Chemisch gesehen ist auch das [[Cracken]] von Erdöl ein Pyrolyseverfahren, wird jedoch nicht so genannt.


Veraltete Bezeichnungen für die technische Pyrolyse sind ''Brenzen'', ''trockene Destillation'', ''zersetzende Destillation'', ''Entgasung'' oder ''Verschwelung''.<ref name="Watter"></ref> Der Wortstamm {{"|Brenz-}} in den Namen [[Chemische Verbindung|chemischer Verbindungen]] wie [[Brenzcatechin]], [[Furan-2-carbonsäure|Brenzschleimsäure]] und [[Brenztraubensäure]] geht hierauf zurück.
Im Rahmen der [[Klimatologie]] werden Verfahren der Pyrolyse zur [[Pyrogene CO2-Abscheidung und -Speicherung|pyrogenen CO<sub>2</sub>-Abscheidung und -Speicherung]] (PyCCS) diskutiert, um die [[Klimakrise]] zu bewältigen.<ref>[[Constanze Werner]], [[Hans-Peter Schmidt]], [[Dieter Gerten]], [[Wolfgang Lucht]] und [[Claudia Kammann]] (2018). Biogeochemical potential of biomass pyrolysis systems for limiting global warming to 1.5° C. [[Environmental Research Letters]], 13(4), 044036. [[doi:10.1088/1748-9326/aabb0e]]</ref>


== Geschichte ==
== Begriffspräzision ==
Der Begriff Pyrolyse wird oft nicht ganz einheitlich verwendet.
Durch Verschwelung gewonnener [[Holzteer]] und [[Pech (Stoff)|Pech]] sind die ältesten [[Kunststoff]]e der Menschheit. Bereits in der europäischen Mittelsteinzeit (8300–4000 v. Chr.) kannte man die Teer- und Pechgewinnung ([[Birkenpech]]) durch Pyrolyse.


Einerseits werden damit technische Prozesse bezeichnet, die eine unvollständige thermo-chemische Umwandlung anstreben, welche nicht über diese Phase der pyrolytischen Zersetzung hinaus geht. Andererseits wird die Phase der pyrolytischen Zersetzung bei der thermo-chemischen Umwandlung oft selbst als Pyrolyse bezeichnet.<ref name="Wilk">{{Literatur |Autor=Veronika Wilk, Hermann Hofbauer & Martin Kaltschmitt |Titel=Thermo-chemische Umwandlungsprozesse |Hrsg=Martin Kaltschmitt, Hans Hartmann & Hermann Hofbauer|Sammelwerk=Energie aus Biomasse – Grundlagen, Techniken und Verfahren|Kapitel=11.2 |Verlag=Springer Vieweg |Auflage= 3. aktualisierte und erweiterte |Ort=Berlin |Datum=2016 |ISBN=978-3-662-47437-2|Seiten= 646–683 }}</ref> In dieser Bedeutung kann sie durchaus unerwünscht sein und beispielsweise beim Überhitzen oder schlechter Wärmeführung auftreten.<ref name="Römpp">{{RömppOnline |Name=Pyrolyse |Datum=05. November 2019 |ID=RD-16-05215 }} </ref>
Im Laufe der Jahrhunderte entstanden unterschiedliche Anlagen zur Holz-Teergewinnung. Man nutzte [[Kohlenmeiler]] mit Teergrube oder mit Lehm ausgekleidetem Boden, [[Teergrubenmeiler]] oder die ''Doppeltopf-Methode''<ref>[http://www.stadtentwicklung.berlin.de/denkmal/denkmaltag2008/downloads/Teergrubenmeiler2008.pdf ''Teergrubenmeiler''] (PDF; 2,60&nbsp;MB), auf stadtentwicklung.berlin.de, abgerufen am 6. Februar 2017.</ref> und gemauerte ''Einkammeröfen'' [[Pechofen|Pechöfen]] (Teeröfen oder -schwelen auch Bienenkorböfen oder Klinöfen genannt) und [[Pechölstein]]e. In Abhängigkeit vom Ziel der [[Schwelen|Verschwelung]] (Holzkohle oder Teer oder Holzkohle und Teer und andere Nebenprodukte) kann man zwei wesentliche Verfahren unterscheiden:


Beim Brandverhalten von Holz wird der Begriff Pyrolyse auch für den Zeitpunkt gebraucht, an dem eine isolierende und schützende Schicht aus verkohltem Holz über dem Restholz entsteht.<ref name="Watter"></ref>
* das [[Allotherme Reaktion|allotherme]] Verfahren, hier sind Reaktions- und [[Brennholz]] voneinander getrennt. Zu nennen sind die ''Doppeltopf-Methode'', der ''Zweikammerofen'' ([[Forst- und Köhlerhof Wiethagen|Wiethagen]]) und heute die [[Retorte]].
* das [[Autotherme Reaktion|autotherme]] Verfahren, es gibt keine Trennung zwischen Reaktions- und Brennholz. Hierzu gehören Kohlenmeiler, die [[Grubenmeiler]],<ref>{{Webarchiv |url=http://www.afm-oerlinghausen.de/afm-rundgang/fruehes-mittelalter/grubenmeiler |wayback=20170109113804 |text=''Grubenmeiler''}}.</ref> Teergrubenmeiler und [[Hangmeiler]] oder den ''Einkammerofen''.


=== Abgrenzung zur Vergasung ===
Als Ausgangsmaterial für die Holzteerherstellung dienen verschiedene Holzarten ([[Laubholz|Laub]]-, [[Nadelholz]]). Auch aus verschiedenen anderen Ausgangsprodukten wurden ab dem 18 Jh. [[Teer]]e hergestellt, z.&nbsp;B. aus [[Steinkohle]].
Von der Pyrolyse abzugrenzen ist die [[Biomassevergasung|Vergasung]]. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine thermo-chemischen Umwandlung, allerdings geht diese über die Pyrolyse hinaus. Bei der Vergasung kommt im Vergleich zur Pyrolyse ein Vergasungsmittel mit Sauerstoff oder Sauerstoffatomen zum Einsatz, wodurch die Rohsubstanz weiter oxidiert wird und hauptsächlich gasförmige Produkte entstehen. Bei der Pyrolyse entstehen zwar auch Gase, allerdings ist sind das Ziel flüssige oder feste Produkte.<ref name="Wilk"></ref>


== Museen und Anwendungen ==
== Geschichte ==
Durch Pyrolyse gewonnener [[Holzteer]] und [[Pech (Stoff)|Pech]] sind die ältesten [[Kunststoff]]e der Menschheit. Bereits in der europäischen Mittelsteinzeit (8300–4000 v. Chr.) kannte man die Teer- und Pechgewinnung ([[Birkenpech]]) durch Pyrolyse. Dieses wurde besonders als [[Klebstoff|Klebemittel]] und zum Abdichten eingesetzt. Auch bei den [[Pfeil (Geschoss)|Pfeilen]] des sogenannten [[Ötzi]]s wurde Birkenpech zum verkleben benutzt.<ref name="Watter"></ref> Auch aus verschiedenen anderen Ausgangsprodukten wurden ab dem 18 Jh. [[Teer]]e hergestellt, z.&nbsp;B. aus [[Steinkohle]].
Auf dem [[Forst- und Köhlerhof Wiethagen]] ([[Rostock]]) und im [[Museumsdorf Düppel]] ([[Berlin]]) finden sich historische Teeröfen und in einem Modellpark Originale und Modelle der wichtigsten Holzverschwelungsanlagen aus Mitteleuropa.


Die Herstellung von Holzkohle mittels Pyrolyse ist ebenfalls seit mehreren Jahrhunderten bekannt.<ref name="Hofbauer">{{Literatur |Autor=Hermann Hofbauer, Martin Kaltschmitt, Frerich Keil, Dietrich Meier & Johannes Welling |Titel=Pyrolyse |Hrsg=Martin Kaltschmitt, Hans Hartmann & Hermann Hofbauer|Sammelwerk=Energie aus Biomasse – Grundlagen, Techniken und Verfahren|Kapitel=14 |Verlag=Springer Vieweg |Auflage= 3. aktualisierte und erweiterte |Ort=Berlin |Datum=2016 |ISBN=978-3-662-47437-2|Seiten= 1183–1266}}</ref>
Holzteer und Pech wurde als [[Klebstoff|Klebemittel]] und zum Abdichten eingesetzt. Beim Hufbeschlag und beim Klauenschneiden wird heute noch Holzteer als Desinfektionsmittel verwendet.


Aktuell wird die Pyrolyse besonders als Mittel zur energetischen und stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe weiter erforscht.<ref name="Hofbauer"></ref>
Die Trockendestillation ist eines der ältesten vom Menschen genutzten chemischen Verfahren. Die Trockendestillation von [[Birken]]rinde lieferte Birkenpech. Auch der [[steinzeit]]liche Mann, der um 3340 v. Chr. auf dem [[Similaun]] starb und als Gletschermumie aufgefunden wurde, [[Ötzi]] genannt, verband die Schäfte seiner [[Pfeil (Geschoss)|Pfeile]] mit den Spitzen aus [[Feuerstein]] mittels [[Pflanzenfaser]]n und Birkenpech.
== Chemie der Pyrolyse ==

Die pyrolytische Zersetzung ist eine Phase im Zuge einer thermochemischen Umwandlung eines Stoffes oder Stoffgemisches, die je nach Stoff bei ungefähr 150 - 700°C erreicht wird. Durch die Wärme werden in den großen organisch-chemischen Molekülen Bindungen gespalten und neue, kleiner Moleküle entstehen. Optisch ist eine Zersetzung des Stoffes zu erkennen. Da kein externer Sauerstoff anwesend ist, findet keine Verbrennung und keine Oxidation statt. Trotzdem können Reaktionen mit Beteiligung von Sauerstoffatomen stattfinden, wenn diese schon im Ausgangsstoff vorhanden sind. Die pyrolytische Zersetzung ist ein endothermer Prozess.<ref name="Wilk"></ref>
Beim [[Brandverhalten]] von Holz bezeichnet man als Pyrolyse auch den Zeitpunkt, an dem die oberste Holzschicht langsam verkohlt und somit für den Restquerschnitt eine wärmedämmende Schutzschicht bildet. Im sogenannten Temperaturbrandzeitkurvendiagramm geschieht die Pyrolyse in Phase 1 (Zündung) bei Temperaturen zwischen 100 und 200&nbsp;°C.
=== Produkte ===

== Technischer Prozess ==
=== Differenzierung Pyrolyse – Vergasung ===
Zumeist bezeichnet man mit dem Wort [[Vergasen|Vergasung]] Vorgänge, bei denen unter Zugabe eines Vergasungsmittels (Dampf, Luft oder Sauerstoff) der gesamte organische Gehalt des Einsatzstoffs in gasförmige Stoffe umgewandelt wird, wobei nur die mineralische [[Asche]] oder [[Schlacke (Verbrennungsrückstand)|Schlacke]] zurückbleibt. Dabei wird der Feststoff zu [[Kohlenmonoxid]] oxidiert und damit teilverbrannt.<ref name="Kaltschmitt 378" />

Das Wort Pyrolyse wird im engeren Sinne für Vorgänge verwendet, bei denen neben den mineralischen Bestandteilen des Einsatzstoffes auch fester Kohlenstoff zurückbleibt. Dieser Rest wird bei nennenswertem Kohlenstoffgehalt auch als ''Pyrolysekoks'' bezeichnet.

=== Differenzierung Pyrolyse – [[Thermolyse]] ===
Bisherige großtechnische Pyrolyseprozesse dienten vor allem dem Vernichten von Abfällen, der sogenannten energetischen Verwertung. Nicht nur das kontinuierliche DGE-Verfahren bietet allerdings die technischen Voraussetzungen, um gezielt Produkte in definierter Prozess-Atmosphäre herzustellen.

=== Pyrolyseprodukte ===
[[Datei:Charcoal.jpg|mini|Holzkohle als Pyrolyseprodukt]]
[[Datei:Charcoal.jpg|mini|Holzkohle als Pyrolyseprodukt]]
Bei der Pyrolyse entstehen komplexe Produktgemische aus festen (z.&nbsp;B. [[Holzkohle]]), flüssigen ([[Pyrolyseöl]]) und gasförmigen ([[Pyrolysegas]]) Produkten, wobei die genauen Anteile von den konkreten Bedingungen und dem Ausgangsstoff abhängen.<ref name="Watter"></ref> Grundsätzlich lässt sich sagen, dass mit höherer Temperatur und längerer Pyrolysedauer mehr gasförmige Produkte erhalten werden und mit niedrigen Temperaturen und kürzeren Dauern eher flüssige Produkte.<ref name="Bridgwater">{{Literatur |Autor=Tony Bridgwater |Titel=Review Biomass for energy |Sammelwerk=Journal of the Science of Food and Agriculture |Band=86 |Datum=2006 |Seiten=1755–1768 |DOI=10.1002/jsfa.2605}}</ref> Werden Polymere pyrolysiert, entstehen oft die entsprechenden [[Monomer]]e als Produkt.<ref name="Watter"></ref>
Generell entstehen Gase, Flüssigkeiten und Feststoffe. Die Mengenanteile und die Zusammensetzung hängen nicht nur vom Einsatzstoff, sondern auch von der Pyrolysetemperatur, den zugegebenen Hilfsstoffen, den Druckverhältnissen und der Behandlungsdauer ab. Je nach zu pyrolysierendem Produkt und Reaktionstemperatur entstehen z.&nbsp;B. eher langkettige oder kurzkettige Moleküle. Bei der Pyrolyse von Polymeren entsteht in vielen Fällen das zugehörige Monomer als bedeutsamer Anteil des [[Pyrolysegas]]es.


Die Produkte können sowohl energetisch als Sekundärenergieträger genutzt werden, da sie hohe Energiegehalte aufweisen, als auch stofflich weiter genutzt werden, indem einzelne Chemikalien daraus gewonnen werden.<ref name="Bridgwater"></ref> Die Pyrolyse von Biomasse ist eine Möglichkeit organische Grundchemikalien wie [[Benzol]] oder [[Phenol]] biobasiert herzustellen, die aktuell nur aus fossilen Quellen hergestellt werden.<ref name="Xu">{{Literatur |Autor=Chunbao Xu & Fatemeh Ferdosian |Titel=Conversion of Lignin into Bio-Based Chemicals and Materials |Verlag=Springer |Ort=Berlin |Datum=2017 |ISBN=978-3-662-54957-5 |Seiten=13–33}}</ref><ref name="Huber">{{Patent|Land=US|V-Nr= 9453166B2|Titel=Systems and processes for catalytic pyrolysis of biomass and hydrocarbonaceous materials for production of aromatics with optinal olefin recycle, and catalysts having selected particle size for catalytic pyrolysis|Erfinder=George H. Huber, Anne Mae Gaffney, Jungho Jae & Yu-Ting Cheng|V-Datum=2016-09-27|A-Datum=2015-09-29|Anmelder=University of Massachusetts|DB=Google}}</ref>
An Kältebrücken am Reaktor können dampfförmige Pyrolyseprodukte (z.&nbsp;B. [[Teeröl]]) kondensieren und möglicherweise an Undichtigkeiten heraustropfen.
== Technische Pyrolysevarianten ==
Pyrolyseanlagen nach Art der Beheizung unterscheiden. So wird zwischen direkter Pyrolyse unterschieden, bei der heiße Gase über das Substrat geleitet werden, und indirekter Pyrolyse, bei der der Reaktionsraum von außen erhitzt wird, unterschieden.<ref name="Watter"></ref>


Daneben gibt es zahlreiche weitere Unterscheidungs- und Einteilungsmöglichkeiten, beispielsweise nach Substrat, Verweildauer oder Temperatur.
=== Grundvarianten des Verfahrens ===
Es gibt zwei Grundvarianten, zum einen die direkte, und zum anderen die indirekte Pyrolyse.


Eine häufig gewählte Einteilung, besonders bei der Pyrolyse von Biomasse, ist die Einteilung nach Reaktionsdauer. Oft wird in langsame Pyrolyse (engl. ''slow pyrolysis''), mittelschnelle (engl. ''intermediate pyrolysis'') und schnelle Pyrolyse (engl. ''fast pyrolysis'' oder ''flash pyrolysis'') unterteilt<ref name="Bridgwater"></ref>, allerdings gibt es auch grobere oder feinere Unterteilungen.<ref name="Hofbauer"></ref>
Die ''direkte'' Pyrolyse erhitzt das zu pyrolysierende Gut durch Verbrennungsgase. Die Pyrolyse kann die erforderliche Wärmeenergie aus dem Pyrolysegut selbst gewinnen. Hier wird die Reaktionstemperatur durch die Luftzufuhr in einem geschlossenen Behälter gesteuert.
{| class="wikitable"
|+ Übersicht über verschiedene Typen der Biomassepyrolyse mit typischen Werten<ref name="Hofbauer"></ref>
|-
! Pyrolyseart !! Temperatur [°C] !! Verweildauer !! Heizrate !! Anteil feste Produkte [%] !! Anteil fllüssige Produkte [%] !! Anteil gasförmige Produkte [%]
|-
| Schnelle Pyrolyse || ≈500 || <2–3 s || hoch || ≈12 || ≈70 || ≈13
|-
| Mittelschnelle Pyrolse || ≈500 || 10–30 s || mittel bis hoch || ≈25 || ≈50 || ≈25
|-
| colspan="5" |'''Langsame Pyrolysen'''
|-
| Verkohlung || ≈400 || h–d || niedrig || ≈35 || ≈30 || ≈35
|-
| Torrefizierung || ≈250 || 10–60 min || niedrig || ≈80 || ≈5 || ≈20
|}
=== Schnelle Pyrolyse ===
Dieses Verfahren wird seit den neunziger Jahren intensiv beforscht und zielt auf die Produktion von flüssigem Pyrolyseöl ab. Es gibt verschiedene Anlagentypen, allerdings ist allen gemein, dass der Prozess sich in drei Teile teilt. Erst muss die Biomasse vorbereitet werden, z.&nbsp;B. durch Trocknung und mechanische Zerkleinerung. Danach erfolgt die kurzzeitige pyrolytische Zersetzung bei rund 500 °C. Das Produkt wird dann kondensiert und aufgereinigt und ggf. weiter veredelt. Die Prozessenergie kann teilweise durch die Verbrennung der unerwünschten festen und gasförmigen Reaktionsprodukte gedeckt werden.<ref name="Hofbauer"></ref>


Um möglichst viel Pyrolyseöl zu erhalten, ist es wichtig, dass die Biomassepartikel sehr schnell erhitzt werden und dann sehr schnell wieder abkühlen. Das geht mit sehr speziellen technischen Anlagen einher. Außerdem müssen die Biomassepartikel dazu hinreichend klein sein.<ref name="Hofbauer"></ref>
Bei der ''indirekten'' Pyrolyse (abgeschlossener, von außen erhitzter Raum) können gezielt sauerstofffreie Atmosphären eingestellt werden. Die Beheizung von außen erfolgt in den meisten Systemen durch heiße Gase. Insbesondere bei Laboranlagen gibt es auch elektrische Heizungsysteme.
=== Mittelschnelle Pyrolyse ===
Die mittelschnelle Pyrolyse verläuft bei ca. 500° C. Die Pyrolysemasse wird mittelschnell und für ca. 10 bis 30 Sekunden aufgeheizt. Diese Pyrolyseform befindet sich aktuell noch in der Pilotphase.<ref name="Hofbauer"></ref>
=== Langsame Pyrolyse ===
Das Ziel von langsamer Pyrolyse ist die Herstellung von festen sekundären Energieträgern. Sie lässt sich noch weiter in Verkohlung und Torrefizierung unterteilen.<ref name="Hofbauer"></ref>
==== Verkohlung ====
{{Hauptartikel|Holzkohle}}
Die Verkohlung oder Karbonisierung (vollständige langsame Pyrolyse) ist seit Jahrtausenden als Methode zur Holzkohleherstellung bekannt und wird bis heute kommerziell durchgeführt.<ref name="Hofbauer"></ref>
==== Torrefizierung ====
{{Hauptartikel|Torrefizierung}}
== Anwendungen technischer Pyrolyse ==
=== Pyrolyse von nachwachsenden Rohstoffen ===
Pyrolyseverfahren werden als aussichtsreiche Technologien eingestuft, um [[nachwachsende Rohstoffe]] – besonders auf [[Lignocellulose]]-Basis – zu nutzen und fossile Energieträger zu verdrängen, daher wird seit längerem massiv an ihnen geforscht. Allerdings sind die Verfahren aktuell noch nicht wirtschaftlich und ökonomisch von keiner großen Bedeutung.<ref name="Roy">{{Literatur |Autor=Poritosh Roy & Goretty Diaz |Titel=Prospects for pyrolysis technologies in the bioenergy sector: A review |Sammelwerk=Renewable and Sustainable Energy Reviews |Band=77 |Nummer= |Datum=2017 |Seiten=59–69 |DOI=10.1016/j.rser.2017.03.136}}</ref> Die Pyrolyse von Biomasse ist ein Schritt zur Gewinnung zahlreicher verschiedener [[Biokraftstoff]]e und [[Plattformchemikalie]].<ref name="Bridgwater"></ref><ref name="Roy"></ref>


Die pyrolytische Herstellung von Produkten bieten im vergleich zu konventionellen Herstellung auf fossiler Basis ein großes Potential zu Treibhausgasreduktion, dabei hängt die genaue Bilanz besonders von Nutzung der Pyrolyseprodukte und der Art der Biomasse ab.<ref name="Roy"></ref>
Meistens geschieht die Pyrolyse unter [[Sauerstoff]]ausschluss ([[Anaerobie|anaerob]]), um die [[Verbrennung (Chemie)|Verbrennung]] zu verhindern. Man spricht dann auch von ''Verschwelung''. Gegebenenfalls werden [[Dehydrierung]]s- oder [[Dehydratisierung (Chemie)|Dehydratisierungsmittel]] während des Vorgangs hinzugesetzt.


Die Pyrolyse von Biomasse wird in Form von [[Pyrogene CO2-Abscheidung und -Speicherung|pyrogener CO<sub>2</sub>-Abscheidung und -Speicherung]] (PyCCS) auch als Mittel zur CO<sub>2</sub>-Fixierung gesehen.<ref>[[Constanze Werner]], [[Hans-Peter Schmidt]], [[Dieter Gerten]], [[Wolfgang Lucht]] und [[Claudia Kammann]] (2018). Biogeochemical potential of biomass pyrolysis systems for limiting global warming to 1.5° C. [[Environmental Research Letters]], 13(4), 044036. [[doi:10.1088/1748-9326/aabb0e]]</ref>
Die sogenannte [[Kohleverflüssigung]] ist die Reaktion von Kohle unter Zugabe von Wasserstoff zu Kohlenwasserstoffen. Es ist kein Pyrolyseverfahren, obwohl auch hier ein Feststoff zu einer Flüssigkeit wird. Die Herstellung von Kraftstoffen aus Biomasse, [[BtL-Kraftstoff]], ist dagegen ein Pyrolyse- und Destillationsverfahren.


=== Pyrolyse von Abfällen ===
== Technische Anwendungen ==
Pyrolyse ist eine wichtige Alternative zur Verbrennung zur Verwertung Abfällen<ref name="Ullmanns">{{Literatur |Autor=Karl J. Thomé-Kozmiensky, Norbert Amsoneit, Manfred Baerns & Frank Majunke |Titel= Waste, 6. Treatment |Sammelwerk=Ullmann's Encyclopedia of industrial chemistry |Verlag=Wiley VCH |Ort=Weinheim |Datum=2012 |Seiten=481–540 |DOI=10.1002/14356007.o28_o06}}</ref>, wie Altreifen, Altholz oder Kunststoff.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.no-waste-technology.com/anlagenbau/pyrolyseanlagen |titel=Pyrolyseanlagen |hrsg=No-Waste-Technology GmbH |abruf=2019-11-07}}</ref> Viele derartige Anlangen werden in Asien, besonders in Japan betrieben und wurden auch in Deutschland getestet. Für Deutschland bewertet das Umweltbundesamt die Abfallpyrolyse eher kritisch und hält höchstens eine pyrolytische Vorbehandlung von Abfällen unter bestimmten Umständen für sinnvoll.<ref name="UBA">{{Literatur |Autor=Peter Quicker & Yves Noël |Titel=Sachstand zu den alternativen Verfahren für die thermische Entsorgung von Abfällen |Hrsg= Umweltbundesamt |Sammelwerk=Texte |Band=17 |Datum=2017 |Seiten= 1–201}}</ref>
=== Anwendungsbeispiele für Pyrolyse in [[Drehrohrofen|Drehrohröfen]] ===
Diese Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass das Pyrolysegas in der gesamten Anlage nahezu drucklos ist.


Daneben kann Pyrolyse auch als thermische Art der [[Bodensanierung]] bei Böden mit Öl-, Quecksilber- und Dixonbelastung genutzt werden.<ref name="Gleis">{{Literatur |Autor=Markus Gleis |Titel=Pyrolyse und Vergasung |Hrsg=Karl J. Thomé-Kozmiensky & Michael Beckmann |Reihe=Energie aus Abfall |BandReihe= 8 |Verlag=TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky |Ort=Neuruppin |Datum=2011 |ISBN=978-3-935317-60-3|Seiten= 437–465 |Online=https://www.vivis.de/wp-content/uploads/EaA8/2011_EaA_435_466_Gleis }}
==== Aktivkohleherstellung und -regenerierung ====
</ref>
=== Aktivkohleherstellung und -regenerierung ===
Nachdem [[Kohle]] und Binder zu einer definierten Masse gemischt sind, werden [[Pellets]] gepresst und in einer sauerstofffreien Atmosphäre erhitzt.
Nachdem [[Kohle]] und Binder zu einer definierten Masse gemischt sind, werden [[Pellets]] gepresst und in einer sauerstofffreien Atmosphäre erhitzt.


Verbrauchte, d.&nbsp;h. mit dem Schadstoff belastete Aktivkohle wird in einer sauerstofffreien Atmosphäre erhitzt und die Schadstoffe werden bei Temperaturen um die 800&nbsp;°C ausgetrieben und auch teilweise gecrackt.
Verbrauchte, d.&nbsp;h. mit dem Schadstoff belastete Aktivkohle wird in einer sauerstofffreien Atmosphäre erhitzt und die Schadstoffe werden bei Temperaturen um die 800&nbsp;°C ausgetrieben und auch teilweise gecrackt.

==== Pyrolyse von [[Abfall]] ====
Die Schwierigkeit bei der Pyrolyse von Abfall liegt in dem inhomogenen Produkt mit einer Vielzahl von Schadstoffen. Die eigentliche Pyrolyse ist relativ problemlos. Die Probleme bereiten die Aufarbeitung des angelieferten Abfalls, sowie die Nutzung des Pyrolysegases. Der mit [[Schwermetalle]]n durchsetzte ''Pyrolysekoks'' ist in der Regel nur auf Deponien zu entsorgen.

;Purotherm Pyrolyse: Zunächst wird der Abfall unter Sauerstoffmangel entgast und anschließend das entstandene Gas verbrannt. Die heißen Abgase werden zur Energiegewinnung (insbesondere Dampferzeugung durch Wärmeübertragung) genutzt. Die anfallende Asche ist ohne Nachbehandlung deponiefähig. Diese Pyrolysemethode wird vor allem in Kleinanlagen mit Durchsatzleistungen bis 600&nbsp;kg/h angewendet.

;Contherm-Verfahren: Von 2001 bis 2009 war im Kraftwerksblock des [[Kraftwerk Westfalen|Steinkohlekraftwerks Hamm (Westfalen)]] eine Vorschaltanlage in Betrieb und entsorgte jährlich ca. 100.000&nbsp;t an Restmüll. Das entstehende Pyrolysegas ersetzte einen Teil des vom regulären Kraftwerksblock benötigten Kohlenstaubes. Die Verfahrenskonzeption entstand Mitte der 1980er Jahre bei der 1996 an die ''Mannesmann MDEU'' gegangene Firma ''PLEQ'', die sich auf den Bau von Drehrohröfen spezialisiert hatte. Von ''Mannesmann MDEU'' bzw. ''Technip Germany'' wurde diese Anlage gebaut und in Betrieb genommen.

;Babcock-Pyrolyse: Seit Mitte der 1980er Jahre ist die bei [[Burgau]] (Landkreis Günzburg) angesiedelte ''MPA Burgau'' in Betrieb und entsorgt seitdem 26.000 [[Tonne (Einheit)|t]] pro Jahr (t/a) Hausmüll, zerkleinerten Sperrmüll und Klärschlamm. Das Pyrolysegas wird direkt verbrannt. Die heißen Rauchgase werden zur Beheizung der beiden Pyrolysetrommeln und zur Erzeugung von Dampf verwendet. Aus dem Dampf wird Strom erzeugt. Diese Anlage war über Jahre die einzige funktionierende ''Müllpyrolyseanlage'' in Deutschland.

;Thermoselect-Verfahren: Das [[Thermoselect]]-Verfahren wurde großtechnisch in der Karlsruher Anlage umgesetzt. Diese wurde allerdings aufgrund der sehr hohen Kosten 2004 stillgelegt. Nach Pressemitteilungen von EnBW summierten sich die mit der Anlage erzielten Verluste auf über 400 Millionen&nbsp;€. Aufgrund von Lizenzvergaben wurden in Japan Anlagen dieses Systems errichtet, die Autoshredder-Leichtfraktion verarbeiten. Eine weitere Anlage zur Verarbeitung von Hausmüll sollte bei [[Ansbach]] (Bayern) in Betrieb gehen. Zu einer Fertigstellung kam es aufgrund von Vertragsstreitigkeiten zwischen dem Abfallentsorgungsverband und Thermoselect nicht. Am 13. April 2007 entschied das Landgericht Ansbach, dass Thermoselect das Gewerbegrundstück räumen muss.

;Schwel-Brenn-Verfahren (Siemens): Der Zweckverband Abfallbeseitigung Rangau (ZAR), in dem sich die Stadt [[Fürth]] und zwei umliegende Landkreise zusammengeschlossen haben, beschloss am 14. Januar 1999 einstimmig, die Anfang 1997 fertiggestellte Anlage zur Verschwelung von Haus- und Gewerbemüll nicht in Betrieb zu nehmen.<ref>SZ <!--Süddeutsche? Sächsische?-->, 15. Januar 1999.</ref> Mit der Anlage am [[Hafen Fürth|Fürther Hafen]] wollte die Firma ''Siemens'' das von ihr entwickelte ''Schwel-Brenn-Verfahren'' erstmals im großtechnischen Maßstab verwirklichen. Bis dahin war diese Technik nur in einer Pilot-Anlage in Ulm-[[Wiblingen]] erprobt worden. Der Ausstiegsbeschluss des Zweckverbandes erfolgte wegen Störfällen beim Probebetrieb der Anlage, bei denen Schwelgas austrat. Die folgenschwerste Panne ereignete sich am 12. August 1998, als zahlreiche Anwohner über Augen- und Hautreizungen klagten und die Anlage vorläufig stillgelegt werden musste.

;PKA-Verfahren: Beim PKA-Verfahren werden die Pyrolysegase nicht direkt verbrannt, sondern einem Crackprozess unterworfen. Derartige Anlagen wurden in [[Aalen]] (Baden-Württemberg), [[Freiberg]] (Sachsen) und [[Kawasaki (Kanagawa)|Kawasaki]] (Japan) errichtet. Die ''Hausmüllpyrolyseanlage'' Aalen wurde nach Insolvenz des Betreibers zunächst weiterbetrieben, jedoch 2002 stillgelegt und anschließend demontiert. Die ''Industriemüllpyrolyseanlage'' Freiberg wurde nach Insolvenz des Betreibers an die ''Pyral AG'' verkauft, umgebaut und ist heute nach einem anderen Verfahrenskonzept in Betrieb. Die Anlage in Kawasaki wurde nach dem ursprünglichen ''PKA-Konzept'' betrieben, d.&nbsp;h., aus dem gecrackten Pyrolysegas wird in Gasmotoren Strom erzeugt. Die Anlage wurde 2007 aus betriebswirtschaftlichen Gründen stillgelegt. Die Firma ''PKA'' selbst ging 2002 in Insolvenz.<ref>[[Schwäbische Post]], Aalen; Freie Presse Freiberg; Yamanaka AG, Japan; Handelsregister Aalen.</ref>

;T-Rec-Verfahren: Das von mehreren Technologieträgern angebotene kombinierte Verfahren verbindet die Vorteile von Recycling, Biogas und Pyrolyse/Thermolyse. Kernpunkt ist im Bereich der Pyrolyse/Thermolyse eine klar definierte Aufgabefraktion mit einer für den jeweiligen thermischen Prozess sinnvoll zusammengestellten Chemie, um optimale Ergebnisse bei den finalen Produkten zu haben.<ref>[http://dgengineering.de/Thermolyse-Loesungen.html Thermolyse-Lösungen].</ref>

==== Altholzrecycling ====

Seit 2005 ist eine Drehrohrpyrolyseanlage (Hersteller TechTrade/MHI) für Altholzrecycling in Japan in Betrieb. Hergestellt wird ein Koks, der für weitere chemische Prozesse verwendet werden kann.<ref>[http://dgengineering.de/Drehrohr-Referenzanlagen-Altholzpyrolyse.html Basisdaten und Bild der MIE-Altholz-Pyrolyseanlage in Japan].</ref><ref name="DGE-Thermolyseanlage">[http://dgengineering.de/DGE-Thermolyseanlage-MIDI.html ''DGE-Thermolyseanlage Typ MIDI''], technische Informationen zur Pyrolyse-Kleinanlage.</ref>

==== Bodensanierung ====
Zu Beginn der 1980er Jahre im Schatten der großen Tankerunglücke wurde die Pyrolysetechnik von der Firma ''PLEQ'' zur Bodensanierung zur Marktreife gebracht und es wurden verschiedene Anlagen für folgende Stoffe gebaut:
* [[dioxin]]vergiftete Böden
* ölvergiftete Böden,
* quecksilbervergiftete Böden.

Organisch belastete Böden werden in einer direkt oder indirekt mit Öl- oder Gasbrennern beheizten Drehtrommel entgast. Die organischen Schadstoffe werden auf diese Weise aus dem Material ausgetrieben und in einer Nachverbrennung zerstört. Falls im Einsatzstoff enthalten, werden leichtflüchtige Schwermetalle (Quecksilber) ebenfalls mobilisiert und dann in einer speziellen Rauchgasreinigung abgeschieden. Dioxine und Furane zerlegen sich ab ca. 500&nbsp;°C bei Sauerstoffmangel ([[Hagenmaier-Prozess]]).

Im Gegensatz zur direkten Befeuerung entstehen bei der indirekten pyrolytischen Bodenreinigung nur geringe Mengen an Pyrolysegas. Dadurch kann die Pyrolysegasreinigung deutlich kleiner und günstiger ausfallen. Dieser Vorteil muss allerdings mit einer aufwendigeren Anlagentechnik für die indirekte Beheizung erkauft werden.

In Deutschland wird eine Anlage von der ''SITA'' betrieben. 2007 wurden ''Pyrolysetrommel'' und ''Heizmuffel'' durch ''TechTrade'' vom Typ MAXI-08 auf Typ MASTER-09 vergrößert.

Eine bauartähnliche Anlage zur Reinigung Dioxinvergifteter Böden in [[Spolana]] ist mittlerweile stillgelegt, weil das Projekt erfolgreich abgeschlossen wurde.

=== Flash-Pyrolyse von Biomasse ===
Flash-Pyrolyse ist ein in vielfachen Varianten patentiertes Verfahren,<ref>Patentanmeldung [http://depatisnet.dpma.de/DepatisNet/depatisnet?action=bibdat&docid=DE102006003411A1 Verfahren und Vorrichtung zur dezentralen Pyrolyse von Biomasse], [[Linde AG]] aus 2006.</ref><ref>[http://depatisnet.dpma.de/DepatisNet/depatisnet?action=bibdat&docid=DE000069913994T2 Flash Pyrolyse in einem Zyklon].</ref> das auf verschiedene Konfiguration der Einsatzstoffe angewendet wird. Die Verfahrensansätze unterscheiden sich insbesondere in der Gestaltung der [[Chemische Reaktion|Reaktionszone]], der [[Hydromechanik|hydromechanischen Führung]] des Stoffstroms und den [[Verfahrenstechnik|Prozessbedingungen]] zur Spaltung von [[Edukt]]en zu einem gewünschten [[Biodiesel|Endprodukt]] zur weiteren [[Verbrennung (Chemie)|thermischen]] oder [[Chemie|chemischen]] Ausbeute.

Die bekannten Verfahren erfordern in der Regel sämtlich eine Reduktion des Sauerstoffanteils der Prozessatmosphäre, um den Abbrand des Einsatzstoffes auf die für eine thermische Umsetzung erforderliche Teilmenge zu reduzieren. Das Fertigprodukt ist je nach Prozessumgebung fest ([[Koks]]e) oder flüssig ([[Teer]]). Wegen des hohen Gehalts an komplexen [[Phenole]]n sind die flüssigen Produkte hochgiftig und bedürfen der [[Destillation]] vor Einsatz in [[Thermodynamik|nicht abgeschlossenen]] [[Prozess]]en.

Die Verfahren können für [[Hackschnitzel|Holzprodukte]] und auch für andere geringer karbonisierte Rohstoffe angewendet werden, wie [[Energiepflanze]]n oder getrockneten [[Biomüll]]. Bisher spielen die Verfahren mengenmäßig und wertmäßig keine Rolle bei Umsetzungen von [[Biomasse]] zur Etablierung [[Nachhaltigkeit|nachhaltiger Energieerzeugung]]. Insbesondere sind die angeblich [[Ökologie|ökologisch]] vorteilhaften Produktionsmethoden der Einsatzstoffe aus [[Ackerbau]] umstritten.<ref>swissaid.ch: [http://www.swissaid.ch/de/jatropha-anbau-studie Neue Studie warnt vor Jatropha-Anbau in Mosambik].</ref>

Bei der Flashpyrolyse erhält man in der Regel Kondensate mit einem Essigsäure-Anteil bis zu 40 %. Die Essigsäure ist ein Zersetzungsprodukt bei der Biomassen-Pyrolyse und wird erst mit steigender Temperatur beginnend ab 330&nbsp;°C bis zu 620&nbsp;°C gecrackt.<ref>[http://dgengineering.de/Qualitaet-Biomassen-Kondensate.html Säuregehalt von Biomasse über die Temperatur]</ref>
Da die Prozesstemperatur bei der Kondensatherstellung oft nicht in der Literatur genannt wird, führt dies zu irritierenden Verallgemeinerungen bei der Begrifflichkeit Pyrolyseöl.

=== Holz- bzw. Biomassevergasung ===
[[Datei:Holzvergaser Güssing.jpg|mini|hochkant=1.4|Holzvergaser Güssing (2006)]]
''Hauptartikel:'' [[Biomassevergasung]]

Unter Biomassevergasung wird ein Prozess verstanden, bei dem [[Biomasse]] in ein [[Synthesegas|Synthese-]] oder [[Brenngas]] umgewandelt wird. Dabei wird die Biomasse über eine Pyrolyse verkohlt, Das entstehende [[Pyrolysegas]] stellt ein Gemisch aus [[Kohlenmonoxid]] (CO), [[Wasserstoff]] (H<sub>2</sub>), [[Kohlendioxid]] (CO<sub>2</sub>), [[Methan]] (CH<sub>4</sub>) sowie einer Reihe von Spurengasen und Verunreinigungen dar. Als Rohstoffe kommen bei der Biomassevergasung vor allem [[lignocellulose]]reiche [[Agrarrohstoff]]e sowie [[Forstholz]] in Betracht, eine Spezialform ist die [[Holzvergasung]], bei der als Rohstoff [[Holz]] eingesetzt wird. Bisherige Biomassevergasungsanlagen sind auf die Vergasung von Holz in Form von Forstholz und [[Waldrestholz]] ausgelegt, die als [[Hackschnitzel|Holzhackschnitzel]] zugeführt werden.

Für die Biomassevergasung können unterschiedliche technische [[Vergaser]] eingesetzt werden, die sich vor allem durch die Art des Kontakts zwischen Biomasse und Vergasungsmittel (Luft, Sauerstoff oder Wasserstoff) unterscheiden. Dabei werden in der Regel drei grundsätzliche Reaktortypen genutzt: [[Festbettvergaser]], [[Wirbelschichtvergaser]] und [[Flugstromvergaser]]. Die Vergasung im Drehrohr scheint in der allgemeinen Literatur gänzlich unbekannt, wurde aber 2009 erfolgreich getestet.

=== Verfahrensarten für die Pyrolyse von Altreifen ===
Bei der Altreifenpyrolyse werden verschiedene Verfahrensansätze bevorzugt. Zum einen sind es ''Batch-Öfen'', die chargenweise arbeiten, zum anderen sind es kontinuierlich arbeitende Öfen. Bei den kontinuierlichen Pyrolyseöfen wird wiederum zwischen [[Schachtofen]] und [[Drehrohrofen]] unterschieden.

;Carbo-Tech-Batch-Verfahren: Von der Firma ''Carbo-Tech'' bzw. ''CCT'' wird ein stehender Batch-Reaktor angeboten, bei dem komplette Reifen in eine Reaktorzelle gelegt werden können. Die Zellenfahrt dauert zwischen 4 und 8&nbsp;h und ergibt dann eine Inputleistung von ca. 1.000&nbsp;kg/Füllung.

;Drehrohr-Batch-Verfahren: Hierbei wird eine Drehtrommel mit ganzen Reifen manuell beladen und anschließend mehrere Stunden erhitzt. Nach der Abkühlphase wird die Trommel geöffnet und anschließend manuell entladen. Verfahrenskritisch ist hier die Überwachung der Temperatur, da gerade Kohlenstoff zu gut isolierten Glutnestern neigt, die auch noch tagelang thermisch aktiv sein können. Die verfahrenstechnisch notwendige Öffnung dieses Reaktors ist mit einer latenten Explosionsgefahr verbunden.

;FORMEX-Verfahren: In einer Zinnbad-Schmelze werden die Reifen bei knapp 500&nbsp;°C thermisch zerlegt. Eine großtechnische Anlage war im Chemiepark Marl für 2010 angekündigt. Der verfahrenstechnische Leiter des FORMEX-Verfahrens arbeitet seit März 2010 für die ''CCT''.

;Depolyse-Verfahren: Für eine erste Anlage wurde im Dezember 2009 von der Firma ''Pyrolyx Halle GmbH'' der Spatenstich in [[Halle (Saale)]] vorgenommen. Seit 1.&nbsp;März ist die Firma im Besitz der ''Scutum Capital&nbsp;AG''.

;Drehrohrpyrolyse-Verfahren: In einem indirekt beheizten Pyrolyse-Drehrohr wird das Altreifengranulat thermisch in ''Pyrolysegas'' und ''Pyrolysekoks'' zerlegt. Je nach Einsatzfall kann das Pyrolysegas direkt verwendet werden oder es wird kondensiert, um Pyrolyseöl und Permanentgas zu erhalten. Eine erste Anlage (Typ MAXI-08) wurde von ''TechTrade'' gebaut und von ''DGEngineering'' dann im August 2009 in [[Zypern]] in Betrieb genommen. Aus dem Reifengranulat entstehen ca. 40 % Ruß/Kohlenstoff, 50 % Öl (mit dieselähnlichen Eigenschaften) und 10 % Permanentgas. Das Permanentgas wird für den Prozess genutzt. Je nach Prozessparametern können die Werte deutlich schwanken.

;DGE-Thermolyse: Diese Weiterentwicklung des Drehrohrpyrolyse-Verfahrens hat das Ziel, Rohstoffe gezielt zu erzeugen. Favorisiert angeboten wird zurzeit die Anlagengröße MIDI mit einer Durchsatzleistung von 600&nbsp;kg/h.<ref name="DGE-Thermolyseanlage" />

;Pyrum-Verfahren: In einem vertikalen Schachtreaktor wird das Reifengranulat thermisch in die Bestandteile zerlegt und in einer zweiten Kolonne in die gewünschten Ölbestandteile zerlegt. Die Ausbeute einer Tonne Gummigranulat liegt bei 50 % Öl (bestehend aus 65 % Diesel, 30 % Benzin und 5 % [[Naphtha]]), 38 % Koks (bestehend aus 88 % Kohlenstoff, 4 % Zink und 8 % Asche) und 12 % Gas. Die komplette Technologie sowie der Reaktor sind elektrisch betrieben, was die Emissionen der Anlage auf ein Minimum reduziert. Das produzierte Gas (12 %) wird zur Energiegewinnung in einer Turbine verbrannt, die wiederum die Anlage mit elektrischer Energie versorgt. Es werden keine weiteren Energiequellen benötigt, um die Anlage zu betreiben. Eine komplett funktionstüchtige Pilotanlage wird seit September 2008 in [[Dillingen/Saar]] (Deutschland) betrieben und diente als Basis für das neuentwickelte Standardmodul, welches 5.000&nbsp;t/Jahr Gummigranulat recyceln kann. Die Module sind beliebig kombinierbar, was eine hohe Adaptionsfähigkeit der Anlage mit sich bringt.


=== Kunststoffrecycling ===
=== Kunststoffrecycling ===
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* das [[Cracken]] als Verfahren der [[Petrochemie]] zur Herstellung von [[aromat]]enreichem [[Motorenbenzin|Benzin]], das sich durch gute [[Klopffestigkeit]] auszeichnet (Pyrolysebenzin)
* das [[Cracken]] als Verfahren der [[Petrochemie]] zur Herstellung von [[aromat]]enreichem [[Motorenbenzin|Benzin]], das sich durch gute [[Klopffestigkeit]] auszeichnet (Pyrolysebenzin)
* [[Flash-Vakuum-Pyrolyse]] zur Synthese komplexer Strukturen wie [[Fullerene]]n
* [[Flash-Vakuum-Pyrolyse]] zur Synthese komplexer Strukturen wie [[Fullerene]]n
* [[Holzkohle]]-Herstellung
* [[Ruß|Industrierußherstellung]]
* [[Ruß|Industrierußherstellung]]
* [[Kohlenstofffaserverstärkter Kohlenstoff]]: Bei der Herstellung solcher Werkstoffe bildet die Pyrolyse einen wesentlichen Verfahrensschritt.
* [[Kohlenstofffaserverstärkter Kohlenstoff]]: Bei der Herstellung solcher Werkstoffe bildet die Pyrolyse einen wesentlichen Verfahrensschritt.
* [[Kokerei]] ([[Koks]]-Herstellung aus [[Braunkohle|Braun]]- oder [[Steinkohle]])
* [[Kokerei]] ([[Koks]]-Herstellung aus [[Braunkohle|Braun]]- oder [[Steinkohle]])
* Pyrolyse in Kombination mit [[Gaschromatographie|Gaschromatographischen Verfahren]] (z.&nbsp;B. [[GCMS|GC/MS]]) zur Untersuchung und Bestimmung polymerer Materialien
* Pyrolyse in Kombination mit [[Gaschromatographie|Gaschromatographischen Verfahren]] (z.&nbsp;B. [[GCMS|GC/MS]]) zur Untersuchung und Bestimmung polymerer Materialien
* [[Torrefizierung]] als partielle Pyrolyse unter milden Temperaturen zur Erhöhung des [[Heizwert]]s von Biomasse
* [[Wasserstoff]]gewinnung aus Wasser unter Verwendung von [[Plasmabrenner]]n
* [[Wasserstoff]]gewinnung aus Wasser unter Verwendung von [[Plasmabrenner]]n
* [[Backofen#Selbstreinigung|Selbstreinigende Backöfen]] arbeiten ebenfalls mit einer auf Pyrolyse basierenden Technik
* [[Backofen#Selbstreinigung|Selbstreinigende Backöfen]] arbeiten ebenfalls mit einer auf Pyrolyse basierenden Technik


== Explosionssicherheit ==
== Technische Probleme ==
Ist die Temperatur der Reaktionskammer zu niedrig oder wird durch fehlerhafte Dichtungen beim Abkühlen Sauerstoff eingesaugt, kann sich ein explosives Gemisch bilden. Ab ca. 450&nbsp;°C reagiert der freie Sauerstoff jedoch sofort im Sinne einer Teilverbrennung mit dem brennbaren Reaktorinhalt (Gas, Kohlenstoff) und es können sich keine explosiven Gemische mehr bilden.
Wird zum Beispiel durch fehlerhafte Dichtungen Sauerstoff eingesaugt kann es bei zu niedrigen Temperaturen zur Bildung eines explosives Gemisch kommen. Ab ca. 450&nbsp;°C ist das nicht mehr möglich, da der Sauerstoff dann sofort im Sinne einer Teilverbrennung mit dem brennbaren Reaktorinhalt (Gas, Kohlenstoff) reagiert.<ref name="Watter"></ref>

Ein weiteres Problem ist, dass gasförmige Produkte (z.&nbsp;B. [[Teeröl]]) an Kältebrücken kondensieren und in der Folge an undichten Stellen heraustropfen können.<ref name="Watter"></ref>


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 19. November 2019, 00:18 Uhr

Pyrolyseöl aus Getreideabfällen

Pyrolyse oder pyrolytische Zersetzung (von altgriechisch πῦρ pyr ‚Feuer‘ und λύσις lýsis ‚(Auf)Lösung‘)[1] bezeichnet verschiedene thermo-chemische Umwandlungsprozesse, in denen organische Verbindungen bei hohen Temperaturen und in Abwesenheit von Sauerstoff (λ=0) gespalten werden. Durch die hohen Temperaturen werden die Bindungen innerhalb der Moleküle gespalten und durch den Sauerstoffausschluss wird eine Verbrennung verhindert. Die entstehenden Produkte sind vielfältig.[2]

Pyrolyse kommt in vielen technischen Verfahren zum Einsatz. So kann Biomasse dadurch gezielt in höherwertige Produkte wie Brennstoffe oder Chemikalien umgewandelt werden, aber auch beim klassischen Verkoken von Kohle und bei der Herstellung von Holzkohle finden Pyrolysevorgänge statt.[2] Chemisch gesehen ist auch das Cracken von Erdöl ein Pyrolyseverfahren, wird jedoch nicht so genannt.

Veraltete Bezeichnungen für die technische Pyrolyse sind Brenzen, trockene Destillation, zersetzende Destillation, Entgasung oder Verschwelung.[2] Der Wortstamm „Brenz-“ in den Namen chemischer Verbindungen wie Brenzcatechin, Brenzschleimsäure und Brenztraubensäure geht hierauf zurück.

Begriffspräzision

Der Begriff Pyrolyse wird oft nicht ganz einheitlich verwendet.

Einerseits werden damit technische Prozesse bezeichnet, die eine unvollständige thermo-chemische Umwandlung anstreben, welche nicht über diese Phase der pyrolytischen Zersetzung hinaus geht. Andererseits wird die Phase der pyrolytischen Zersetzung bei der thermo-chemischen Umwandlung oft selbst als Pyrolyse bezeichnet.[3] In dieser Bedeutung kann sie durchaus unerwünscht sein und beispielsweise beim Überhitzen oder schlechter Wärmeführung auftreten.[4]

Beim Brandverhalten von Holz wird der Begriff Pyrolyse auch für den Zeitpunkt gebraucht, an dem eine isolierende und schützende Schicht aus verkohltem Holz über dem Restholz entsteht.[2]

Abgrenzung zur Vergasung

Von der Pyrolyse abzugrenzen ist die Vergasung. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine thermo-chemischen Umwandlung, allerdings geht diese über die Pyrolyse hinaus. Bei der Vergasung kommt im Vergleich zur Pyrolyse ein Vergasungsmittel mit Sauerstoff oder Sauerstoffatomen zum Einsatz, wodurch die Rohsubstanz weiter oxidiert wird und hauptsächlich gasförmige Produkte entstehen. Bei der Pyrolyse entstehen zwar auch Gase, allerdings ist sind das Ziel flüssige oder feste Produkte.[3]

Geschichte

Durch Pyrolyse gewonnener Holzteer und Pech sind die ältesten Kunststoffe der Menschheit. Bereits in der europäischen Mittelsteinzeit (8300–4000 v. Chr.) kannte man die Teer- und Pechgewinnung (Birkenpech) durch Pyrolyse. Dieses wurde besonders als Klebemittel und zum Abdichten eingesetzt. Auch bei den Pfeilen des sogenannten Ötzis wurde Birkenpech zum verkleben benutzt.[2] Auch aus verschiedenen anderen Ausgangsprodukten wurden ab dem 18 Jh. Teere hergestellt, z. B. aus Steinkohle.

Die Herstellung von Holzkohle mittels Pyrolyse ist ebenfalls seit mehreren Jahrhunderten bekannt.[5]

Aktuell wird die Pyrolyse besonders als Mittel zur energetischen und stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe weiter erforscht.[5]

Chemie der Pyrolyse

Die pyrolytische Zersetzung ist eine Phase im Zuge einer thermochemischen Umwandlung eines Stoffes oder Stoffgemisches, die je nach Stoff bei ungefähr 150 - 700°C erreicht wird. Durch die Wärme werden in den großen organisch-chemischen Molekülen Bindungen gespalten und neue, kleiner Moleküle entstehen. Optisch ist eine Zersetzung des Stoffes zu erkennen. Da kein externer Sauerstoff anwesend ist, findet keine Verbrennung und keine Oxidation statt. Trotzdem können Reaktionen mit Beteiligung von Sauerstoffatomen stattfinden, wenn diese schon im Ausgangsstoff vorhanden sind. Die pyrolytische Zersetzung ist ein endothermer Prozess.[3]

Produkte

Holzkohle als Pyrolyseprodukt

Bei der Pyrolyse entstehen komplexe Produktgemische aus festen (z. B. Holzkohle), flüssigen (Pyrolyseöl) und gasförmigen (Pyrolysegas) Produkten, wobei die genauen Anteile von den konkreten Bedingungen und dem Ausgangsstoff abhängen.[2] Grundsätzlich lässt sich sagen, dass mit höherer Temperatur und längerer Pyrolysedauer mehr gasförmige Produkte erhalten werden und mit niedrigen Temperaturen und kürzeren Dauern eher flüssige Produkte.[6] Werden Polymere pyrolysiert, entstehen oft die entsprechenden Monomere als Produkt.[2]

Die Produkte können sowohl energetisch als Sekundärenergieträger genutzt werden, da sie hohe Energiegehalte aufweisen, als auch stofflich weiter genutzt werden, indem einzelne Chemikalien daraus gewonnen werden.[6] Die Pyrolyse von Biomasse ist eine Möglichkeit organische Grundchemikalien wie Benzol oder Phenol biobasiert herzustellen, die aktuell nur aus fossilen Quellen hergestellt werden.[7][8]

Technische Pyrolysevarianten

Pyrolyseanlagen nach Art der Beheizung unterscheiden. So wird zwischen direkter Pyrolyse unterschieden, bei der heiße Gase über das Substrat geleitet werden, und indirekter Pyrolyse, bei der der Reaktionsraum von außen erhitzt wird, unterschieden.[2]

Daneben gibt es zahlreiche weitere Unterscheidungs- und Einteilungsmöglichkeiten, beispielsweise nach Substrat, Verweildauer oder Temperatur.

Eine häufig gewählte Einteilung, besonders bei der Pyrolyse von Biomasse, ist die Einteilung nach Reaktionsdauer. Oft wird in langsame Pyrolyse (engl. slow pyrolysis), mittelschnelle (engl. intermediate pyrolysis) und schnelle Pyrolyse (engl. fast pyrolysis oder flash pyrolysis) unterteilt[6], allerdings gibt es auch grobere oder feinere Unterteilungen.[5]

Übersicht über verschiedene Typen der Biomassepyrolyse mit typischen Werten[5]
Pyrolyseart Temperatur [°C] Verweildauer Heizrate Anteil feste Produkte [%] Anteil fllüssige Produkte [%] Anteil gasförmige Produkte [%]
Schnelle Pyrolyse ≈500 <2–3 s hoch ≈12 ≈70 ≈13
Mittelschnelle Pyrolse ≈500 10–30 s mittel bis hoch ≈25 ≈50 ≈25
Langsame Pyrolysen
Verkohlung ≈400 h–d niedrig ≈35 ≈30 ≈35
Torrefizierung ≈250 10–60 min niedrig ≈80 ≈5 ≈20

Schnelle Pyrolyse

Dieses Verfahren wird seit den neunziger Jahren intensiv beforscht und zielt auf die Produktion von flüssigem Pyrolyseöl ab. Es gibt verschiedene Anlagentypen, allerdings ist allen gemein, dass der Prozess sich in drei Teile teilt. Erst muss die Biomasse vorbereitet werden, z. B. durch Trocknung und mechanische Zerkleinerung. Danach erfolgt die kurzzeitige pyrolytische Zersetzung bei rund 500 °C. Das Produkt wird dann kondensiert und aufgereinigt und ggf. weiter veredelt. Die Prozessenergie kann teilweise durch die Verbrennung der unerwünschten festen und gasförmigen Reaktionsprodukte gedeckt werden.[5]

Um möglichst viel Pyrolyseöl zu erhalten, ist es wichtig, dass die Biomassepartikel sehr schnell erhitzt werden und dann sehr schnell wieder abkühlen. Das geht mit sehr speziellen technischen Anlagen einher. Außerdem müssen die Biomassepartikel dazu hinreichend klein sein.[5]

Mittelschnelle Pyrolyse

Die mittelschnelle Pyrolyse verläuft bei ca. 500° C. Die Pyrolysemasse wird mittelschnell und für ca. 10 bis 30 Sekunden aufgeheizt. Diese Pyrolyseform befindet sich aktuell noch in der Pilotphase.[5]

Langsame Pyrolyse

Das Ziel von langsamer Pyrolyse ist die Herstellung von festen sekundären Energieträgern. Sie lässt sich noch weiter in Verkohlung und Torrefizierung unterteilen.[5]

Verkohlung

Die Verkohlung oder Karbonisierung (vollständige langsame Pyrolyse) ist seit Jahrtausenden als Methode zur Holzkohleherstellung bekannt und wird bis heute kommerziell durchgeführt.[5]

Torrefizierung

Anwendungen technischer Pyrolyse

Pyrolyse von nachwachsenden Rohstoffen

Pyrolyseverfahren werden als aussichtsreiche Technologien eingestuft, um nachwachsende Rohstoffe – besonders auf Lignocellulose-Basis – zu nutzen und fossile Energieträger zu verdrängen, daher wird seit längerem massiv an ihnen geforscht. Allerdings sind die Verfahren aktuell noch nicht wirtschaftlich und ökonomisch von keiner großen Bedeutung.[9] Die Pyrolyse von Biomasse ist ein Schritt zur Gewinnung zahlreicher verschiedener Biokraftstoffe und Plattformchemikalie.[6][9]

Die pyrolytische Herstellung von Produkten bieten im vergleich zu konventionellen Herstellung auf fossiler Basis ein großes Potential zu Treibhausgasreduktion, dabei hängt die genaue Bilanz besonders von Nutzung der Pyrolyseprodukte und der Art der Biomasse ab.[9]

Die Pyrolyse von Biomasse wird in Form von pyrogener CO2-Abscheidung und -Speicherung (PyCCS) auch als Mittel zur CO2-Fixierung gesehen.[10]

Pyrolyse von Abfällen

Pyrolyse ist eine wichtige Alternative zur Verbrennung zur Verwertung Abfällen[11], wie Altreifen, Altholz oder Kunststoff.[12] Viele derartige Anlangen werden in Asien, besonders in Japan betrieben und wurden auch in Deutschland getestet. Für Deutschland bewertet das Umweltbundesamt die Abfallpyrolyse eher kritisch und hält höchstens eine pyrolytische Vorbehandlung von Abfällen unter bestimmten Umständen für sinnvoll.[13]

Daneben kann Pyrolyse auch als thermische Art der Bodensanierung bei Böden mit Öl-, Quecksilber- und Dixonbelastung genutzt werden.[14]

Aktivkohleherstellung und -regenerierung

Nachdem Kohle und Binder zu einer definierten Masse gemischt sind, werden Pellets gepresst und in einer sauerstofffreien Atmosphäre erhitzt.

Verbrauchte, d. h. mit dem Schadstoff belastete Aktivkohle wird in einer sauerstofffreien Atmosphäre erhitzt und die Schadstoffe werden bei Temperaturen um die 800 °C ausgetrieben und auch teilweise gecrackt.

Kunststoffrecycling

Zum Kunststoffrecycling wird eine Wirbelschicht-Pyrolyse nach dem sogenannten Hamburger Verfahren eingesetzt.

Sonstige Pyrolyseverfahren und Anwendungsfelder

Technische Probleme

Wird zum Beispiel durch fehlerhafte Dichtungen Sauerstoff eingesaugt kann es bei zu niedrigen Temperaturen zur Bildung eines explosives Gemisch kommen. Ab ca. 450 °C ist das nicht mehr möglich, da der Sauerstoff dann sofort im Sinne einer Teilverbrennung mit dem brennbaren Reaktorinhalt (Gas, Kohlenstoff) reagiert.[2]

Ein weiteres Problem ist, dass gasförmige Produkte (z. B. Teeröl) an Kältebrücken kondensieren und in der Folge an undichten Stellen heraustropfen können.[2]

Weblinks

Wiktionary: Pyrolyse – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. München/Wien 1965.
  2. a b c d e f g h i j Holger Watter: Nachhaltige Energiesysteme – Grundlagen, Systemtechnik und Anwendungsbeispiele. 1. Auflage. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8348-0742-7, 7. Biomasse, S. 136–186 (google.de).
  3. a b c Veronika Wilk, Hermann Hofbauer & Martin Kaltschmitt: Thermo-chemische Umwandlungsprozesse. In: Martin Kaltschmitt, Hans Hartmann & Hermann Hofbauer (Hrsg.): Energie aus Biomasse – Grundlagen, Techniken und Verfahren. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Springer Vieweg, Berlin 2016, ISBN 978-3-662-47437-2, 11.2, S. 646–683.
  4. Eintrag zu Pyrolyse. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag
  5. a b c d e f g h i Hermann Hofbauer, Martin Kaltschmitt, Frerich Keil, Dietrich Meier & Johannes Welling: Pyrolyse. In: Martin Kaltschmitt, Hans Hartmann & Hermann Hofbauer (Hrsg.): Energie aus Biomasse – Grundlagen, Techniken und Verfahren. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Springer Vieweg, Berlin 2016, ISBN 978-3-662-47437-2, Kap. 14, S. 1183–1266.
  6. a b c d Tony Bridgwater: Review Biomass for energy. In: Journal of the Science of Food and Agriculture. Band 86, 2006, S. 1755–1768, doi:10.1002/jsfa.2605.
  7. Chunbao Xu & Fatemeh Ferdosian: Conversion of Lignin into Bio-Based Chemicals and Materials. Springer, Berlin 2017, ISBN 978-3-662-54957-5, S. 13–33.
  8. Patent US9453166B2: Systems and processes for catalytic pyrolysis of biomass and hydrocarbonaceous materials for production of aromatics with optinal olefin recycle, and catalysts having selected particle size for catalytic pyrolysis. Angemeldet am 29. September 2015, veröffentlicht am 27. September 2016, Anmelder: University of Massachusetts, Erfinder: George H. Huber, Anne Mae Gaffney, Jungho Jae & Yu-Ting Cheng.
  9. a b c Poritosh Roy & Goretty Diaz: Prospects for pyrolysis technologies in the bioenergy sector: A review. In: Renewable and Sustainable Energy Reviews. Band 77, 2017, S. 59–69, doi:10.1016/j.rser.2017.03.136.
  10. Constanze Werner, Hans-Peter Schmidt, Dieter Gerten, Wolfgang Lucht und Claudia Kammann (2018). Biogeochemical potential of biomass pyrolysis systems for limiting global warming to 1.5° C. Environmental Research Letters, 13(4), 044036. doi:10.1088/1748-9326/aabb0e
  11. Karl J. Thomé-Kozmiensky, Norbert Amsoneit, Manfred Baerns & Frank Majunke: Waste, 6. Treatment. In: Ullmann's Encyclopedia of industrial chemistry. Wiley VCH, Weinheim 2012, S. 481–540, doi:10.1002/14356007.o28_o06.
  12. Pyrolyseanlagen. No-Waste-Technology GmbH, abgerufen am 7. November 2019.
  13. Peter Quicker & Yves Noël: Sachstand zu den alternativen Verfahren für die thermische Entsorgung von Abfällen. In: Umweltbundesamt (Hrsg.): Texte. Band 17, 2017, S. 1–201.
  14. Markus Gleis: Pyrolyse und Vergasung. Hrsg.: Karl J. Thomé-Kozmiensky & Michael Beckmann (= Energie aus Abfall. Band 8). TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, Neuruppin 2011, ISBN 978-3-935317-60-3, S. 437–465 (vivis.de).