„Demokratiebildung“ – Versionsunterschied

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Version vom 13. März 2020, 18:36 Uhr

Demokratiebildung, auch Demokratieerziehung oder Demokratiepädagogik, bezeichnet Formen der Erziehung mit dem Anspruch, den Erziehungsprozess demokratisch zu gestalten, oder mit dem Ziel, die Demokratie als anerkannte staatliche Regierungsweise oder umfassender ein demokratisches Zusammenleben, im Sinne einer Demokratie als Lebensform (John Dewey), zu fördern. Dazu gehören Bildungs- und Erziehungsansätze, die Inhalte über die Demokratie vermitteln oder demokratische Verhaltensweisen einüben sollen, ebenso wie Versuche, die Strukturen der Schule bzw. des ganzen Bildungswesens demokratisch zu gestalten.

Ziele

Als Ziele der Demokratiebildung finden sich insbesondere seit der Verbreitung verschiedener Kompetenzmodelle in Folge der PISA-Studien auch die Begriffe der Demokratiefähigkeit[1] bzw. der Demokratiekompetenz.[2] Diese wird in der Literatur in drei Dimensionen untergliedert: eine kognitive Dimension des politischen Wissens, eine affektiv-motivationale Dimension und eine dritte, behaviorale Dimension, die sich auf demokratisches Verhalten bezieht.[3]

Geschichte

Das grundlegende Buch Demokratie und Erziehung von John Dewey ist erstmals 1916 erschienen und wird bis heute (häufig sogar als einziger Beitrag) in erziehungswissenschaftlichen Schriften zu dem Thema angeführt.

Dieser reformpädagogische Ansatz setzte in erster Linie auf das demokratische Erleben und geht vom Schulsystem der USA aus. In Deutschland kamen in der Weimarer Republik Gedanken zur Mitbestimmung in der Reformpädagogik vor allem im Bund Entschiedener Schulreformer auf und wurden u. a. durch Gustav Wyneken in die Schulordnung aufgenommen. Dabei blieben sie aber auf staatsbezogene Ansätze wie der Einführung einer Staatsbürgerkunde und einer begrenzten Schülermitsprache beschränkt. Erstmals hat die Weimarer Republik zur Verbreitung des demokratischen Gedankens das Lehrfach Staatsbürgerkunde gemäß Weimarer Verfassung Art. 148 eingerichtet.

Der Nationalsozialismus bekämpfte die Demokratie als undeutsche Erscheinung, wobei jedoch die nationalsozialistische Erziehung viele reformpädagogische Projekte zumindest für einige Jahre weiterbestehen ließen, u. a. um für ihre eigenen Eliteeinrichtungen (Nationalpolitische Erziehungsanstalten) pädagogische Inspirationen zu finden.

Nach 1945 planten die USA zur Entnazifizierung eine demokratische Erziehung nach dem Vorbild Deweys zu verankern, scheiterten aber in ihrer Besatzungszone am Widerstand der deutschen Schuladministration und Interessenverbände. An vielen Punkten setzte die Schule in den Westzonen bzw. der Bundesrepublik wieder an der Bildung der Weimarer Republik an. Seit den 1950er Jahren wurden Ansätze zum demokratischen Erziehungsstil bekannt. Die Einführung des Faches Sozialkunde neben dem Geschichtsunterricht sollte zur Demokratieerziehung beitragen. Erst mit der Gesamtschul-Bewegung und der antiautoritären Erziehung kamen in den 1970er Jahren demokratische Zielsetzungen wieder verstärkt ins Blickfeld der Erziehungswissenschaft. Eine tiefgreifende demokratische Erziehung wurde in Ausnahmeeinrichtungen wie der Bielefelder Laborschule zum Programm erhoben. Ihr Begründer, Hartmut von Hentig, ist heute der wohl bekannteste Vertreter demokratischer Erziehung in Deutschland. International gibt es noch wesentlich weiter entwickelte demokratische Schulen. Die bekanntesten Schulen dieser Art sind Summerhill und die Sudbury Valley School.

Bedingt durch den zunehmenden Rechtsextremismus in der deutschen Gesellschaft – vor allem der Jugend – in den 1990er Jahren, hat die Bund-Länder-Kommission im Jahr 2002 das BLK-Programm Demokratie lernen und leben aufgelegt, an dem sich 13 Bundesländer beteiligt haben. In etwa 130 Schulen haben sich gute Beispiele für eine weitergehende demokratische Schulpraxis etabliert. Die deutsche Kultusministerkonferenz hat 2009 eine Erklärung zur "Stärkung der Demokratieerziehung" beschlossen.[4] In Potsdam fand dazu eine Fachkonferenz der Bundesländer statt.[5] Das Programm Demokratie Leben! des BMFSFJ fördert seit 2015 zivilgesellschaftliche Projekte, die sich für Demokratie, Vielfalt und gegen Menschenfeindlichkeit einsetzen. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der Demokratieförderung im Kinder- und Jugendalter.[6]

  1. EPA Sozialkunde/Politik (Memento vom 5. Oktober 2007 im Internet Archive) (PDF; 494 kB) im Internet Archive.
  2. Gerhard Himmelmann: Was ist Demokratiekompetenz? (Memento des Originals vom 20. Dezember 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.blk-demokratie.de 2005
  3. Christine Schmid, Rainer Watermann: Demokratische Bildung. In: Handbuch Bildungsforschung (= Springer Reference Sozialwissenschaften). Springer Fachmedien, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-531-19981-8, S. 1133–1153, doi:10.1007/978-3-531-19981-8_50 (springer.com [abgerufen am 13. März 2020]).
  4. Stärkung der Demokratieerziehung.
  5. Potsdamer Fachtagung 2009 (Memento des Originals vom 19. April 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mbjs.brandenburg.de.
  6. Über „Demokratie leben!“ | Demokratie leben! Abgerufen am 13. März 2020.