„Sprachproduktion“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Details hinzugefügt
Zeile 1: Zeile 1:
Die '''Sprachproduktion''' umfasst in der [[Psycholinguistik]] die [[Kognitiver Prozess|kognitiven Prozesse]], die bei der Planung und Artikulation von [[Gesprochene Sprache|gesprochener]], [[Geschriebene Sprache|geschriebener]] und [[Gebärdensprache|gebärdeter Sprache]] involviert sind; dies umfasst sowohl einzelne Wörter, als auch Sätze und Dialoge. Mit der Sprachproduktion beschäftigen sich die Disziplinen Psycholinguistik, [[Phonetik]], [[Neurolinguistik]] und [[Neurophonetik]]. Die Sprachproduktion ist jedoch weit weniger erforscht als das [[Sprachverstehen]].<ref>{{Literatur |Autor=T. A. Harley |Datum=2008 |Titel=The Psychology of Language. From Data to Theory |Verlag=Psychology Press |Ort=Hove (New York) |Auflage=3 |Sprache=en }}</ref> Die Gründe liegen in den methodischen Schwierigkeiten: Die Prozesse der Sprachproduktion sind erst durch die neueren Methoden der Gehirnbeobachtung beobachtbar. Klassischerweise wird die Sprachproduktion analysiert durch die Betrachtung von Sprachstörungen (insbesondere [[Aphasie|Aphasien]]), von [[Versprecher|Versprechern]] und von [[Verzögerungsphänomene|Verzögerungsphänomenen]].
Die '''Sprachproduktion''' umfasst in der [[Psycholinguistik]] die [[Kognitiver Prozess|kognitiven Prozesse]], die bei der Planung und Artikulation von [[Gesprochene Sprache|gesprochener]], [[Geschriebene Sprache|geschriebener]] und [[Gebärdensprache|gebärdeter Sprache]] involviert sind; dies umfasst sowohl einzelne Wörter, als auch Sätze und Dialoge. Mit der Sprachproduktion beschäftigen sich die Disziplinen Psycholinguistik, [[Phonetik]], [[Neurolinguistik]] und [[Neurophonetik]]. Die Sprachproduktion ist jedoch weit weniger erforscht als das [[Sprachverstehen]].<ref>{{Literatur |Autor=T. A. Harley |Datum=2008 |Titel=The Psychology of Language. From Data to Theory |Verlag=Psychology Press |Ort=Hove (New York) |Auflage=3 |Sprache=en }}</ref> Die Gründe liegen in den methodischen Schwierigkeiten: Die Prozesse der Sprachproduktion sind erst durch die neueren Methoden der Gehirnbeobachtung beobachtbar. Klassischerweise wird die Sprachproduktion analysiert durch die Betrachtung von Sprachstörungen (insbesondere [[Aphasie]]n), von [[Versprecher]]n und von [[Verzögerungsphänomene]]n.


Nach [[Willem Levelt]] (1989) werden vier verschiedene Phasen des Sprachproduktionsprozesses unterschieden: Konzeptualisierung, Formulierung, [[Artikulation (Linguistik)|Artikulation]] und Selbst-Überwachung ({{enS|self-monitoring}}).<ref name="Levelt1989">{{Literatur |Autor=W. J. M. Levelt |Datum=1989 |Titel=Speaking. From Intention to Articulation |Verlag=MIT Press |Ort=Cambridge (MA) |Sprache=en }}</ref> Zu Beginn überlegt sich der [[Sprechen|Sprecher]], welche [[Nachricht]] übermittelt werden soll; daraus wird in einem nächsten Schritt ein grammatischer Plan erstellt (Zugriff auf das [[Mentales Lexikon|Mentale Lexikon]]: Wörter und [[Phrase (Linguistik)|Phrasen]] werden ausgewählt und angeordnet, die [[Phonologie|phonologische]] Form der Wörter wird [[Aktivierung (Psychologie)|aktiviert]]), der im dritten Schritt von den Muskeln des [[Artikulationsorgan|Artikulationsapparates]] ausgeführt wird. Außerdem wird das Gesagte überwacht, um sicherzustellen, dass auch das gesagt wurde, was beabsichtigt war.<ref>{{Literatur |Autor=David W. Carroll |Titel=Psychology of Language |Auflage=5 |Verlag=Thomson Wadsworth |Ort=Belmont |Datum=2007 |ISBN=0-495-09969-4 |Sprache=en }}</ref>
Nach [[Willem Levelt]] (1989) werden vier verschiedene Phasen des Sprachproduktionsprozesses unterschieden: Konzeptualisierung, Formulierung, [[Artikulation (Linguistik)|Artikulation]] und Selbst-Überwachung ({{enS|self-monitoring}}).<ref name="Levelt1989">{{Literatur |Autor=W. J. M. Levelt |Datum=1989 |Titel=Speaking. From Intention to Articulation |Verlag=MIT Press |Ort=Cambridge (MA) |Sprache=en }}</ref> Zu Beginn überlegt sich der [[Sprechen|Sprecher]], welche [[Nachricht]] übermittelt werden soll; daraus wird in einem nächsten Schritt ein grammatischer Plan erstellt (Zugriff auf das [[Mentales Lexikon|Mentale Lexikon]]: Wörter und [[Phrase (Linguistik)|Phrasen]] werden ausgewählt und angeordnet, die [[Phonologie|phonologische]] Form der Wörter wird [[Aktivierung (Psychologie)|aktiviert]]), der im dritten Schritt von den Muskeln des [[Artikulationsorgan|Artikulationsapparates]] ausgeführt wird. Außerdem wird das Gesagte überwacht, um sicherzustellen, dass auch das gesagt wurde, was beabsichtigt war.<ref>{{Literatur |Autor=David W. Carroll |Titel=Psychology of Language |Auflage=5 |Verlag=Thomson Wadsworth |Ort=Belmont |Datum=2007 |ISBN=0-495-09969-4 |Sprache=en }}</ref>


Für die Wortproduktion fasst Indefrey (2011)<ref>{{Literatur |Autor=Peter Indefrey |Titel=The spatial and temporal signatures of word production components: a critical update |Sammelwerk=Frontiers in Psychology |Band=2 |Datum=2011 |Seiten=255ff.}}</ref> die neurolinguistischen Ergebnisse zu den relevanten Stadien folgendermaßen zusammen und versucht auch eine Bestimmung der zeitlichen Abschnitte (in Millisekunden):<blockquote>Stadien der Wortproduktion
Für die Wortproduktion fasst Indefrey (2011)<ref>{{Literatur |Autor=Peter Indefrey |Titel=The spatial and temporal signatures of word production components. A critical update |Sammelwerk=Frontiers in Psychology |Band=2 |Datum=2011 |Seiten=255ff. |Sprache=en }}</ref> die neurolinguistischen Ergebnisse zu den relevanten Stadien folgendermaßen zusammen und versucht auch eine Bestimmung der zeitlichen Abschnitte (in Millisekunden):
{{Zitat|Text=Stadien der Wortproduktion


* Konzeptuelle Planung (0–200+ms)
* Konzeptuelle Planung (0–200+ms)
Zeile 10: Zeile 11:
* phonologische Enkodierung (∼355–455 ms)
* phonologische Enkodierung (∼355–455 ms)
* phonetische Enkodierung (∼455–600 ms)
* phonetische Enkodierung (∼455–600 ms)
* Artikulation (600 ms+)</blockquote>
* Artikulation (600 ms+)}}


== Literatur ==
== Literatur ==
Zeile 17: Zeile 18:
* {{Literatur |Autor=Willem Levelt |Titel=Speaking. From intention to articulation |Verlag=MIT Press |Datum=1989 |ISBN=0-262-62089-8 |Online={{Google Buch |BuchID=LbVCdCE-NQAC }} |Sprache=en }}
* {{Literatur |Autor=Willem Levelt |Titel=Speaking. From intention to articulation |Verlag=MIT Press |Datum=1989 |ISBN=0-262-62089-8 |Online={{Google Buch |BuchID=LbVCdCE-NQAC }} |Sprache=en }}
* {{Literatur |Autor=Willem Levelt, Ardi Roelofs, [[Antje Meyer]] |Online=https://pure.mpg.de/rest/items/item_102470_6/component/file_102471/content |Titel=A theory of lexical access in speech production |Format=PDF |KBytes=709 |Sammelwerk=Behavioral and Brain Sciences |Datum=1999 |Band=22 |Seiten=1–38 |DOI=10.1017/S0140525X99001776 |Sprache=en }}
* {{Literatur |Autor=Willem Levelt, Ardi Roelofs, [[Antje Meyer]] |Online=https://pure.mpg.de/rest/items/item_102470_6/component/file_102471/content |Titel=A theory of lexical access in speech production |Format=PDF |KBytes=709 |Sammelwerk=Behavioral and Brain Sciences |Datum=1999 |Band=22 |Seiten=1–38 |DOI=10.1017/S0140525X99001776 |Sprache=en }}
* Thomas Pechmann: ''Sprachproduktion. Zur Generierung komplexer Nominalphrasen.'' 1994.
* {{Literatur |Autor=Thomas Pechmann |Titel=Sprachproduktion. Zur Generierung komplexer Nominalphrasen |Verlag=Westdeutscher Verlag |Ort=Opladen |Datum=1994 |ISBN=3-531-12526-5 }}
* {{Literatur |Autor=Martin J. Pickering, Simon Garrod |Online=http://www.psy.ed.ac.uk/people/martinp/pdf/pickering-garrod-bbs.pdf |Titel=Toward a mechanistic psychology of dialogue |Sammelwerk=Behavioral and Brain Sciences |Datum=2004 |Band=27 |Seiten=169–190 |Sprache=en }}
* {{Literatur |Autor=Martin J. Pickering, Simon Garrod |Online=http://www.psy.ed.ac.uk/people/martinp/pdf/pickering-garrod-bbs.pdf |Titel=Toward a mechanistic psychology of dialogue |Sammelwerk=Behavioral and Brain Sciences |Datum=2004 |Band=27 |Seiten=169–190 |Sprache=en }}
*[[Richard Wiese]]: ''Psycholinguistische Aspekte der Sprachproduktion: Sprechverhalten und Verbalisierungsprozesse''. Helmut Buske Verlag, Hamburg, 1983.
* {{Literatur |Autor=[[Richard Wiese]] |Titel=Psycholinguistische Aspekte der Sprachproduktion. Sprechverhalten und Verbalisierungsprozesse |Verlag=Helmut Buske |Ort=Hamburg |Datum=1983 |ISBN=3-87118-625-2 }}
*[[Richard Wiese]]: Psycholinguistik der Sprachproduktion. In: Gerd Antos & Hans P. Krings (Hrsg.): ''Textproduktion: Ein interdisziplinärer Forschungsüberblick.'' Niemeyer, Tübingen, 1989, 197-219. https://doi.org/10.1515/9783110962109
* {{Literatur |Autor=[[Richard Wiese]] |Titel=Psycholinguistik der Sprachproduktion |Hrsg=Gerd Antos, Hans P. Krings |Sammelwerk=Textproduktion. Ein interdisziplinärer Forschungsüberblick |Verlag=Niemeyer |Ort=Tübingen |Datum=1989 |Seiten=197-219 |ISBN=3-484-22048-1 |DOI=10.1515/9783110962109}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 9. April 2022, 09:16 Uhr

Die Sprachproduktion umfasst in der Psycholinguistik die kognitiven Prozesse, die bei der Planung und Artikulation von gesprochener, geschriebener und gebärdeter Sprache involviert sind; dies umfasst sowohl einzelne Wörter, als auch Sätze und Dialoge. Mit der Sprachproduktion beschäftigen sich die Disziplinen Psycholinguistik, Phonetik, Neurolinguistik und Neurophonetik. Die Sprachproduktion ist jedoch weit weniger erforscht als das Sprachverstehen.[1] Die Gründe liegen in den methodischen Schwierigkeiten: Die Prozesse der Sprachproduktion sind erst durch die neueren Methoden der Gehirnbeobachtung beobachtbar. Klassischerweise wird die Sprachproduktion analysiert durch die Betrachtung von Sprachstörungen (insbesondere Aphasien), von Versprechern und von Verzögerungsphänomenen.

Nach Willem Levelt (1989) werden vier verschiedene Phasen des Sprachproduktionsprozesses unterschieden: Konzeptualisierung, Formulierung, Artikulation und Selbst-Überwachung (englisch self-monitoring).[2] Zu Beginn überlegt sich der Sprecher, welche Nachricht übermittelt werden soll; daraus wird in einem nächsten Schritt ein grammatischer Plan erstellt (Zugriff auf das Mentale Lexikon: Wörter und Phrasen werden ausgewählt und angeordnet, die phonologische Form der Wörter wird aktiviert), der im dritten Schritt von den Muskeln des Artikulationsapparates ausgeführt wird. Außerdem wird das Gesagte überwacht, um sicherzustellen, dass auch das gesagt wurde, was beabsichtigt war.[3]

Für die Wortproduktion fasst Indefrey (2011)[4] die neurolinguistischen Ergebnisse zu den relevanten Stadien folgendermaßen zusammen und versucht auch eine Bestimmung der zeitlichen Abschnitte (in Millisekunden):

„Stadien der Wortproduktion

  • Konzeptuelle Planung (0–200+ms)
  • Lemmaauswahl (∼200–275 ms)
  • Wortformsuche  (∼275–355 ms)
  • phonologische Enkodierung (∼355–455 ms)
  • phonetische Enkodierung (∼455–600 ms)
  • Artikulation (600 ms+)“

Literatur

  • Kathryn Bock, Willem Levelt: Language production. Grammatical encoding. In: M. A. Gernsbacher (Hrsg.): Handbook of psycholinguistics. 1994, S. 945–984 (englisch).
  • Gary S. Dell: A spreading-activation theory of retrieval in sentence production. In: Psychological Review. Band 93, Nr. 3, 1986, S. 283–321 (englisch, 129.237.66.221 [PDF; 4,2 MB]).
  • Willem Levelt: Speaking. From intention to articulation. MIT Press, 1989, ISBN 0-262-62089-8 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Willem Levelt, Ardi Roelofs, Antje Meyer: A theory of lexical access in speech production. In: Behavioral and Brain Sciences. Band 22, 1999, S. 1–38, doi:10.1017/S0140525X99001776 (englisch, mpg.de [PDF; 709 kB]).
  • Thomas Pechmann: Sprachproduktion. Zur Generierung komplexer Nominalphrasen. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, ISBN 3-531-12526-5.
  • Martin J. Pickering, Simon Garrod: Toward a mechanistic psychology of dialogue. In: Behavioral and Brain Sciences. Band 27, 2004, S. 169–190 (englisch, ed.ac.uk [PDF]).
  • Richard Wiese: Psycholinguistische Aspekte der Sprachproduktion. Sprechverhalten und Verbalisierungsprozesse. Helmut Buske, Hamburg 1983, ISBN 3-87118-625-2.
  • Richard Wiese: Psycholinguistik der Sprachproduktion. In: Gerd Antos, Hans P. Krings (Hrsg.): Textproduktion. Ein interdisziplinärer Forschungsüberblick. Niemeyer, Tübingen 1989, ISBN 3-484-22048-1, S. 197–219, doi:10.1515/9783110962109.

Einzelnachweise

  1. T. A. Harley: The Psychology of Language. From Data to Theory. 3. Auflage. Psychology Press, Hove (New York) 2008 (englisch).
  2. W. J. M. Levelt: Speaking. From Intention to Articulation. MIT Press, Cambridge (MA) 1989 (englisch).
  3. David W. Carroll: Psychology of Language. 5. Auflage. Thomson Wadsworth, Belmont 2007, ISBN 0-495-09969-4 (englisch).
  4. Peter Indefrey: The spatial and temporal signatures of word production components. A critical update. In: Frontiers in Psychology. Band 2, 2011, S. 255 ff. (englisch).