„Lorenzinische Ampullen“ – Versionsunterschied

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Als '''Lorenzinische Ampullen''' werden die Elektrorezeptoren der [[Knorpelfische]] ([[Haie]], [[Rochen]] und [[Seekatzen|Chimären]]) bezeichnet. Sie gehören zu den sogenannten ampullären Organen, einer bestimmten Art von Elektrorezeptoren, die man auch in vielen anderen [[Wirbeltiere|Wirbeltier]]-Gruppen findet (z.B. bei basalen [[Strahlenflosser|Strahlenflossern]], [[Quastenflosser|Quastenflossern]], [[Lungenfische|Lungenfischen]] und im Wasser lebenden [[Amphibien]]). Durch sie können schwach elektrische Felder wahrgenommen werden. Dies ermöglicht die passive Elektroortung von Feinden und Beutetieren sowie die Orientierung am Erdmagnetfeld. Im Gegensatz dazu besitzen die meisten [[Knochenfische]] und an Land lebenden [[Wirbeltiere]] keine Elektrorezeptoren mehr.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Karel F. Liem, Warren F., Jr. Walker |Titel=Functional anatomy of the vertebrates : an evolutionary perspective |Auflage=3rd ed |Verlag=Harcourt College Publishers |Ort=Fort Worth |Datum=2001 |ISBN=0-03-022369-5 |Online=https://www.worldcat.org/oclc/45406536 |Abruf=2023-01-30}}</ref>
[[Datei:Lorenzini pores on snout of tiger shark.jpg|mini|Lorenzinische Ampullen an der Unterseite eines Haikopfes]]


== Entdeckung und Geschichte ==
Die '''Lorenzinischen Ampullen''' sind [[Sinnesorgan]]e unter der Haut am Kopf von [[Haie]]n, [[Rochen]] und [[Seekatzen]], die hauptsächlich die Wahrnehmung elektrischer Felder und von Temperaturunterschieden ermöglichen. Die Empfindlichkeit für elektrische Felder liegt bei 10&nbsp;[[Vorsätze für Maßeinheiten|n]]V (10<sup>−8</sup> [[Volt]]) über 1&nbsp;cm Meerwasser, für Temperaturunterschiede bei 0,2&nbsp;[[Kelvin|K]].<ref name="sdw">R. Douglas Fields: ''Der sechste Sinn der Haifische.'' In: ''Spektrum der Wissenschaft.'' 11/2007, S. 55 ff.</ref>
Die ersten Untersuchungen an elektrorezeptiven Organen bei Fischen begannen im 17. Jahrhundert. Nach der ersten morphologischen Beschreibung der ampullären Organe bei Haien durch Stenonis (1664), folgte eine ausführliche Beschreibung durch Lorenzini im Jahr 1678, dem die Lorenzinischen Ampullen bis heute ihren Namen verdanken. Anfangs wurde ihnen eine [[Mechanorezeptor|mechanorezeptive]] Funktion zugesprochen, später wurden sie als Rezeptoren zur Messung der Temperatur oder des Salzgehaltes im Wasser angesehen. Ihre eigentliche Funktion als Elektrorezeptoren konnte erst in den 1960er Jahren durch die Arbeiten von Murray und Dijkgraaf & Kalmijn nachgewiesen werden.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Kyle C Newton, Andrew B Gill, Stephen M Kajiura |Titel=Electroreception in marine fishes: chondrichthyans |Sammelwerk=Journal of Fish Biology |Datum=2019-06-06 |ISSN=0022-1112 |DOI=10.1111/jfb.14068 |Seiten=jfb.14068 |Online=https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jfb.14068 |Abruf=2023-02-06}}</ref><ref name=":2">{{Literatur |Autor=L. Fishelson, A. Baranes |Titel=Distribution, morphology, and cytology of ampullae of Lorenzini in the Oman shark, Iago omanensis (Triakidae), from the Gulf of Aqaba, Red Sea |Sammelwerk=The Anatomical Record |Band=251 |Nummer=4 |Datum=1998-08 |ISSN=0003-276X |DOI=10.1002/(SICI)1097-0185(199808)251:4<417::AID-AR1>3.0.CO;2-P |PMID=9713980 |Seiten=417–430 |Online=https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9713980 |Abruf=2023-02-06}}</ref>


== Aufbau ==
Die [[Elektrische Orientierung|Wahrnehmung elektrischer Felder]] dient der Ortung der Beute im letzten Augenblick des Angriffes. Davor orientieren sich die Tiere eher an anderen Sinnen.<ref name="sdw" />
[[Datei:Schematischer Aufbau einer Lorenzinsichen Ampulle.png|mini|Schematischer Aufbau einer einfachen Lorenzinischen Ampulle. (Abbildung: Simon Bauerle, modifiziert nach Liem et al., 2001<ref name=":0" />)|440x440px]]
[[Datei:Semi-schematischer Aufbau einer typischen Lorenzinischen Ampulle.png|mini|Semi-schematischer Aufbau einer typischen Lorenzinischen Ampulle des Kleingefleckten Katzenhais. Ampullengang (AG); Endampulle (EA); Alveole (ALV); Afferentes Nervenbündel (N). (Abbildung: Simon Bauerle, modifiziert nach Andres & von Düring, 1988<ref name=":3">{{Literatur |Autor=K. H. Andres, M. von Düring |Titel=Chapter 14 Comparative anatomy of vertebrate electroreceptors |Sammelwerk=Progress in Brain Research |Band=74 |Verlag=Elsevier |Datum=1988-01-01 |Reihe=Transduction and Cellular Mechanisms in Sensory Receptors |DOI=10.1016/s0079-6123(08)63006-x |Seiten=113–131 |Online=https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S007961230863006X |Abruf=2023-02-06}}</ref>)]]
[[Datei:Schematische Darstellung des Sinnesepithels einer Lorenzinischen Ampulle.png|mini|250x250px|Schematische Darstellung des Sinnesepithels einer Lorenzinischen Ampulle. Charakteristisch für die Rezeptorzellen ist die birnenartige Form, das einzelne Kinocilium auf der apikalen Zellseite, die Verbindung zu den benachbarten Stützzellen durch Tight Junctions und die afferente Innervierung an den Synapsen der basalen Zellseite. Rezeptorzelle (RZ); Nucleus (N); Kinocilium (K); Stützzelle (SZ); Tight Junction (TJ); Synapse (SY); Afferente Nervenendigung (AN). (Abbildung: Simon Bauerle, modifiziert nach Fields et al., 1993<ref>{{Literatur |Autor=R. Douglas Fields, Theodore H. Bullock, G. David Lange |Titel=Ampullary Sense Organs, Peripheral, Central and Behavioral Electroreception in Chimeras (Hydrolagus, Holocephali, Chondrichthyes) (Part 1 of 2) |Sammelwerk=Brain, Behavior and Evolution |Band=41 |Nummer=6 |Datum=1993 |ISSN=0006-8977 |DOI=10.1159/000113849 |PMID=8391892 |Seiten=269–278 |Online=https://www.karger.com/Article/FullText/113849 |Abruf=2023-02-06}}</ref>)]]
Eine Lorenzinische Ampulle besteht wie alle ampullären Organe aus zwei Teilen: Zum einen aus dem sogenannten „Ampullengang“, einem Kanal der meist parallel zur Körperoberfläche verläuft und in einer Pore auf der Haut mündet. An der Basis dieses Kanals, unter der Haut, liegt der zweite Teil des Organs, die sogenannte „Endampulle“. Diese besteht meist aus mehreren bläschenförmigen Aussackungen, die Alveolen genannt werden. Die Wand dieser Alveolen ist mit dem eigentlichen Sinnesepithel ausgekleidet, bestehend aus hunderten Rezeptorzellen und umgebenden Stützzellen.<ref name=":0" /><ref name=":2" />


Zum Zentrum jeder Ampulle zieht ein Bündel [[Afferent|afferenter]] Nervenendigungen, um so Informationen von den Elektrorezeptoren ans Gehirn zu senden. [[Efferent|Efferente]] Fasern liegen nicht vor. Das heißt, dass nur Signale von den Sinneszellen zum Gehirn geleitet werden können, nicht aber vom Gehirn zurück an die Sinneszellen. Die Nervenfasern stammen dabei aus verschiedenen Ästen des vorderen Nervs des Seitenliniensystems (anteriorer Lateralisnerv; Äste des Lateralisnerv: Ramus superficialis ophthalmicus, R. buccalis, R. mandibularis), der auch die Neuromasten des [[Seitenlinienorgan|Seitenliniensystems]] innerviert. Früher wurde die Innervierung der Lorenzinischen Ampullen fälschlicherweise dem Nervus trigeminus (V. Kopfnerv) und dem Nervus facialis (VII. Kopfnerv) zugeschrieben. Der Lateralisnerv wurde dabei als Ast dieser Kopfnerven und nicht als eigenständiger Nerv angesehen. Dies lag daran, dass die Wurzeln dieser drei Nerven im Gehirn sehr nah beieinander liegen. Der Lateralisnerv besitzt jedoch eigene Ganglien und zieht in andere Bereiche des Gehirns als der N. facialis und N. trigeminus und wird deshalb als eigenständiger Nerv angesehen.<ref name=":3" /><ref name=":4">{{Literatur |Autor=Robert L. Boord, C. B. G. Campbell |Titel=Structural and Functional Organization of the Lateral Line System of Sharks |Verlag=Oxford Academic |Datum=2015-08-01 |DOI=https://doi.org/10.1093/icb/17.2.431}}</ref><ref name=":0" />
Des Weiteren dürften die Lorenzinischen Ampullen für die Orientierung am [[Erdmagnetfeld]] von großer Bedeutung sein. Es ließen sich somit auch die vor allem bei [[Walhai]]en und [[Hammerhaie]]n beobachteten Großansammlungen erklären, die zu Paarungszwecken an bestimmten Orten zur gleichen Zeit stattfinden.


Zwei besondere Eigenschafen der Lorenzinischen Ampullen ermöglichen ihre Funktion als Elektrorezeptoren: Die Zellen, die Kanal und Ampulle auskleiden, sind durch sehr enge Zell-Zell-Verbindungen, sogenannte [[Tight Junction|Tight Junctions]], miteinander verbunden. Dadurch wird das innere des Ampullen-Lumens vom umgebenden Gewebe elektrisch isoliert. Mit bis zu 6 Mio. Ohm / cm halten die Kanalzellen der Lorenzinischen Ampullen den Rekord für den höchsten, jemals in einem tierischen Gewebe gemessenen elektrischen Widerstand. Das Lumen des Kanals und der Ampulle sind zudem mit einem klaren Gel aus [[Glykoproteine|Glykoproteinen]] gefüllt, dass eine ähnliche Leitfähigkeit wie Wasser aufweist.  Dadurch können Spannungsänderungen im Wasser in der Umgebung des Tiers über die Poren auf der Haut bis hin zu den Rezeptorzellen in den Ampullen ohne große zeitliche Verzögerung weitergeleitet werden.<ref name=":4" /><ref name=":1" /><ref name=":2" />
Die Lorenzinischen Ampullen sind mit dem bloßen Auge als dunkle Porenöffnungen sichtbar.


Nachdem ein Signal von einer Rezeptorzelle wahrgenommen und umgewandelt wurde, wird es an der Unterseite der Zelle über eine Synapse an ein [[Afferent|afferentes]] Neuron weitergeleitet. Dessen Axon zieht über den vorderen Nerv des Seitenliniensystems bis ins Gehirn, wo es im dorsalen octavolateralen Nucleus (DON) in der Medulla oblongata des [[Rhombencephalon|Rautenhirns]] endet. Vom DON ziehen aufsteigende Nervenbahnen zum kontralateralen Teil des Tectum Opticums und zu anderen Teilen des [[Mittelhirn|Mittelhirns]] und von dort wiederum weiter ins [[Endhirn|End]]- und [[Kleinhirn]], zur weiteren Verarbeitung der wahrgenommenen Reize.<ref name=":1" /><gallery mode="nolines" widths="400" heights="250" perrow="2">
== Aufbau ==
Datei:Hautstück des Dornhais mit Lorenzinischen Ampullen.png|Rückseite eines Hautstücks von der ventralen Kopfseite des Dornhais (Squalus acanthias), neben der Nasenöffnung; zu erkennen sind die Poren der Lorenzinischen Ampullen (durchgezogener Pfeil), die Ampullengänge (gestrichelter Pfeil) und die Endampullen (Stern), bestehend aus vielen kleinen Alveolen. (Foto: Simon Bauerle)
Auf der Kopfhautoberfläche befinden sich viele Poren, die eine Öffnung zu den gallertgefüllten Kanälchen bilden. Diese Röhren können etliche Zentimeter lang sein. Am Ende des Kanals befindet sich eine Ampulle mit den Sinneszellen, die als [[Elektrorezeptor]]en dienen und mit dem Nervensystem des Haies verbunden sind.
Datei:Ventrales Ampullenfeld eines Fleckhais.png|Ventrales Ampullenfeld eines Fleckhais (Galeus melastomus); gut zu erkennen sind die mit Gallerte gefüllten Kanäle (Pfeil). (Foto: Simon Bauerle)
</gallery><gallery mode="nolines" widths="400" heights="250">
Datei:Cluster Lorenzinsicher Ampullen.png|Vergrößerte Aufnahme (40x) von einem Cluster Lorenzinischer Ampullen des Dornhais (Squalus acanthias); zu erkennen sind zahlreiche Endampullen mit ihren bläschenförmigen Aussackungen, den Alveolen (durchgezogener Pfeil), sowie die Bündel afferenter Nervenfasern, die zu den Zentren jeder Ampulle ziehen (gestrichelter Pfeil). (Foto: Simon Bauerle)
</gallery>


== Entdecker ==
== Lage ==
[[Datei:Schematische Darstellung des Kopfbereichs eines Dornhais.png|mini|440x440px|Schematische Darstellung des Kopfbereichs eines Dornhais (''Squalus acanthias''); Am Kopf des Hais finden sich fünf verschiedene Porenfelder von Lorenzinischen Ampullen, die in direkter Nähe zu den am Kopf verlaufenden Seitenlinienkanälen liegen. (Abbildung: Simon Bauerle, modifiziert nach Marinelli & Strenger, 1959<ref name=":6" />)  ]]
Der Italiener [[Marcello Malpighi]] entdeckte die Lorenzinischen Ampullen im Jahr 1663. Erstmals detailliert beschrieben wurden sie dann 1678 vom italienischen Arzt [[Stefano Lorenzini]] (*&nbsp;nach 1652; †&nbsp;nach 1700) in seinen (wohl gemeinsam mit [[Francesco Redi]] verfassten<ref>Luigi Guerrini: ''Contributo critico alla biografia rediana, con uno studio su Stefano Lorenzini e le sue «Osservazioni intorno alla Torpedini».'' In: Walter Bernardi, Luigi Guerrini (Hrsg.): ''Francesco Redi, un protagonista della scienza moderna. Documenti, esperimenti, immagini''. L.S. Olschki, Florenz 1999, ISBN 88-222-4719-1.</ref>) ''Osservazioni intorno alle torpedini''.<ref>Stefano Lorenzini: ''Osservazioni intorno alle torpedini''. Onofri, Florenz 1678 ([https://books.google.de/books?id=VOdAAAAAcAAJ&printsec=frontcover Digitalisat]).</ref> Lorenzini zu Ehren wurde dieses Sinnesorgan, das dem Hai einen „sechsten Sinn“ verleiht, nach ihm benannt.
Die Ampullen liegen stets in Clustern im Kopfbereich unter der Haut. In einem Cluster können bis zu 400 Ampullen vorkommen. Bei Haien und Chimären finden sich drei bis fünf, bei Rochen vier bis sechs solcher Cluster, die spiegelsymmetrisch angelegt sind. Die Kanäle strahlen ausgehend von diesen Ampullen-Clustern in alle Richtungen aus und bestimmen so die Form und Ausrichtung des elektrorezeptiven Felds. Bei Haien sind die Kanäle auf den Kopfbereich beschränkt, während sie bei Rochen bis in die Brustflossen ziehen.<ref name=":5">{{Literatur |Autor=Jelle Atema |Titel=Sensory Biology of Aquatic Animals |Verlag=Springer New York |Ort=New York, NY |Datum=1988 |ISBN=978-1-4612-3714-3 |Online=https://www.worldcat.org/oclc/852790555 |Abruf=2023-02-06}}</ref><ref name=":1" />


Beim [[Dornhai]] (''Squalus acanthias'') liegen fünf Ampullenfelder am Kopf vor. Das große Rezeptorfeld auf der Stirn des Dornhais wird durch den dorsal verlaufenden Ramus superficialis ophthalmicus innerviert. Die Porenfelder an der Unterseite der Schnauze und seitlich unter dem Auge werden durch den Ramus buccalis innerviert. Der hinter dem Spritzloch verlaufende Ramus mandibularis innerviert schließlich das zwischen Kiemen und Mund gelegene Porenfeld, sowie das zwischen Spritzloch und Kiemen.<ref name=":6">{{Literatur |Autor=Marinelli, W. & Strenger, A. |Titel=Vergleichende Anatomie und Morphologie der Wirbeltiere |Verlag=Franz Deuticke Wien |Datum=1959}}</ref><ref name=":0" /><gallery mode="nolines" widths="600" heights="215" perrow="1">
== Literatur ==
Datei:Hautstück eines Dornhais.png|Hautstück eines Dornhais (Squalus acanthias). '''A''', Ansicht von außen auf die Hautoberfläche; zu erkennen sind die Poren der Lorenzinischen Ampullen (durchgezogener Pfeil) und die Poren des Seitenlinienkanals (gestrichelter Pfeil). '''B''', Ansicht auf die Innenseite; zu erkennen sind die Ampullengänge der Lorenzinischen Ampullen (durchgezogener Pfeil), die unter der Haut von den Poren wegziehen, hin zu dem Cluster aus Endampullen (gestrichelter Pfeil). (Foto: Simon Bauerle)
* Neil Campbell, Jane Reece: ''Biologie.'' 6. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-8274-1352-4.
Datei:Kopfbereich eines Dornhais.png|Kopfbereich eines Dornhais (Squalus acanthias) mit abgezogener Haut. '''A''', Ansicht von unten; zu erkennen ist der Ramus buccalis des vorderen Lateralisnervs (Pfeil) und die von ihm abgehenden Nervenfaserbündel, die zu den Lorenzinischen Ampullen ziehen. Diese wurden auf der linken Seite des Fotos, zusammen mit der Haut, abpräpariert. Auf der rechten Seite des Fotos ist das ventrale Porenfeld noch gut zu erkennen. '''B''', Ansicht von oben; zu erkennen ist der Ramus superficialis ophthalmicus des vorderen Lateralisnervs (Pfeil) und die von ihm abgehenden Nervenfaserbündel, die zu den Lorenzinischen Ampullen des dorsalen Ampullenfelds ziehen. (Foto: Simon Bauerle)
* Vitus Dröscher: ''Haie und Rochen''. (= Was ist Was. Band 95). Tessloff Verlag, Nürnberg 1993, ISBN 3-7886-0637-1.
</gallery>
* R. Douglas Fields: [https://www.spektrum.de/magazin/der-sechste-sinn-der-haifische/905470 ''Der sechste Sinn der Haifische.''] In: ''Spektrum der Wissenschaft.'' 11/2007, S. 55 ff.


== Elektrorezeption und Physiologie ==
Die birnenförmigen [[Rezeptorzelle|Rezeptorzellen]] in den Lorenzinischen Ampullen der [[Knorpelfische]] besitzen einen zentralen Zellkern und ein einzelnes [[Zilie|Kinocilium]] an der oberen (apikalen) Zellseite, welches in das Ampullen-Lumen ragt. Das Kinocilium weist dabei eine einzigartige Struktur aus 8 + 1 [[Mikrotubulus|Mikrotubuli]] im Schaft und 9 + 0 Mikrotubuli an der Basis auf. Jede Rezeptorzelle ist von Stützzellen umgeben.<ref name=":7">{{Literatur |Autor=Darryl L. Whitehead |Titel=Ampullary organs and electroreception in freshwater Carcharhinus leucas |Sammelwerk=Journal of Physiology-Paris |Band=96 |Nummer=5 |Datum=2002-09-01 |ISSN=0928-4257 |DOI=10.1016/S0928-4257(03)00017-2 |Seiten=391–395 |Online=https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0928425703000172 |Abruf=2023-02-06}}</ref><ref name=":4" /><ref name=":10">{{Literatur |Titel=Electroreceptors and Other Specialized Receptors in Lower Vertrebrates |DOI=10.1007/978-3-642-65926-3 |Online=https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-642-65926-3 |Abruf=2023-02-06}}</ref>

Beim Großäugigen Hundshai (''Iago omanensis''), einer relativ kleinen Hai-Art (Männchen: 40 cm, Weibchen: 80 cm maximale Länge), konnten im Schnitt bis zu 9,3 Millionen dieser Sinneszellen pro Tier festgestellt werden.<ref name=":2" />

Die Sinneszellen geben im unerregten Zustand konstant eine gewisse Menge [[Neurotransmitter]] in den [[Synaptischer Spalt|synaptischen Spalt]] ab. Dies bestimmt die Feuerrate, mit der das nachgeschaltete [[Afferent|afferente]] Neuron [[Aktionspotential|Aktionspotentiale]] in Richtung Gehirn aussendet, man spricht von der Entladungsfrequenz in Ruhe. Nimmt die Sinneszelle nun eine positive Ladungsänderung wahr, verringert sich die Entladungsfrequenz des afferenten Neurons, während eine negative Ladungsänderung an der Sinneszelle zu einer Zunahme der Entladungsfrequenz führt. Die Feuerrate des Neurons nimmt dabei linear mit der Intensität des Stimulus zu. Die ankommenden Aktionspotentiale aller afferenter Neurone werden schließlich im Gehirn miteinander verrechnet, wodurch das Tier auch minimale Spannungsänderungen im elektrischen Feld um sich herum wahrnehmen kann.<ref name=":1" />

Stimuliert werden die Elektrorezeptoren durch schwache, negativ geladene Spannungen auf der Außenseite der Haut. Diese Spannungsänderungen werden über die Poren in der Haut an das Gel aus Glykoproteinen im Ampullenkanal und dadurch bis hin zu den Sinneszellen in den Alveolen weitergeleitet.<ref name=":9">{{Literatur |Autor=Josef Dudel, Reinhard Blickhan |Titel=Neurowissenschaft vom Molekül zur Kognition ; mit 32 Tabellen |Auflage=2., überarb. und aktualisierte Aufl |Ort=Berlin |Datum=2001 |ISBN=978-3-540-41335-6 |Online=https://www.worldcat.org/oclc/248546638 |Abruf=2023-02-06}}</ref><ref name=":0" /><ref name=":1" /> Kommen nun negative Ladungen über das extrazelluläre Gel bei einer Sinneszelle an, so wird zuerst der obere Teil der Zelle depolarisiert. Das heißt, dass das Zellinnere nun relativ zum extrazellulären Raum positiv geladen ist. Dadurch öffnen sich Spannungsgesteuerte Calcium-Kanäle, was zu einem Ca<sup>2+</sup>-Einstrom in die Sinneszelle führt. Durch den zunehmenden Einstrom positiv geladener Teilchen wird die gesamte Zellmembran nach und nach depolarisiert. Am unteren Ende der Zelle angekommen führt diese Depolarisation schließlich zur verstärkten Freisetzung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt. Die Neurotransmitter wiederum erhöhen die Feuerrate des nachgeschalteten, afferenten Neurons, das die Signale zum Gehirn sendet. Durch das einströmende Calcium öffnen sich mit der Zeit zudem immer mehr Calcium-gesteuerte Kalium-Kanäle, wodurch positiv geladene Kalium-Ionen (K<sup>+</sup>) aus der Zelle ausströmen. Dies führt schließlich zu einer Repolarisierung der Zellmembran hin zum [[Ruhemembranpotential|Ruhepotential]]. Dadurch schließen sich die spannungsgesteuerten Ca<sup>2+</sup>-Kanäle. Die Rezeptorzelle liegt nun wieder in Ruhe vor und ein neuer Stimulus kann wahrgenommen werden.<ref name=":1" />        

== Funktion ==
Die Lorenzinischen Ampullen der [[Knorpelfische]] können sehr schwache, bioelektrische Spannungen von gerade mal 1 nV / cm wahrnehmen<ref name=":1" /> und besitzen zwei Hauptfunktionen:

Zum einen dienen sie der passiven Elektroortung, also der Wahrnehmung schwach elektrischer Felder, die nicht vom Empfänger selbst erzeugt werden (daher „passiv“). Solche schwach elektrischen Felder werden beispielsweise von Beutetieren, Artgenossen oder Fressfeinden erzeugt. Auch im Sand vergrabene Beutetiere können so wahrgenommen werden, da deren Herz- und Atemmuskulatur unvermeidbar elektrische Ströme generieren. Dies konnte in zahlreichen Versuchen gezeigt werden.<ref name=":9" /><ref name=":0" /><ref name=":1" />

Die zweite Funktion der Lorenzinischen Ampullen bei Knorpelfischen ist die Navigation durch die Orientierung am Magnetfeld der Erde. So erzeugt das Schwimmen eines Hais im Meer beim Durchkreuzen des Erdmagnetfelds einen Spannungsvektor, der senkrecht zur Bewegungsrichtung und zum Magnetfeld gerichtet ist. Dieser, durch die Bewegung induzierte Stromfluss, kann durch die extrem sensitiven Lorenzinischen Ampullen wahrgenommen werden und dient dem Tier als eine Art Kompass. Auch dies wurde experimentell nachgewiesen.<ref name=":9" /><ref name=":0" /><ref name=":1" />

== Evolution ==
Die Sinneszellen der Lorenzinischen Ampullen ähneln in ihrem Aufbau stark den Haarsinneszellen des [[Seitenlinienorgan|Seitenliniensystems]] der Fische, die der Wahrnehmung mechanischer Reize dienen, und den Haarsinneszellen des Labyrinths, die unter anderem dem Hör- und Gleichgewichtssinn dienen.<ref name=":9" /> Doch auch in der Embryonalentwicklung und der neuronalen Verschaltung finden sich große Ähnlichkeiten.

Vieles weist darauf hin, dass die Elektrorezeptoren im Laufe der Evolution aus den Haarsinneszellen des Seitenliniensystems hervorgegangen sind: So wird das Seitenliniensystem in der Embryonalentwicklung vor den Elektrorezeptoren angelegt. Außerdem ziehen die afferenten Nervenbahnen der Elektrorezeptoren zu evolutionär jüngeren Bereichen des Nachhirns (Medulla oblongata), während die mechanorezeptiven Nervenbahnen des Seitenliniensystems in ältere Teile des Nachhirns ziehen.<ref name=":9" />  

Die Fähigkeit zur Elektrorezeption durch ampulläre Organe stellt dabei, ähnlich dem Seitenliniensystem, ein sehr altes sensorisches System dar. Da die meisten heute lebenden Fischgruppen elektrosensitiv sind (mit Ausnahme fast aller moderner Knochenfische) und bereits die ältesten Wirbeltiere, die sogenannten Ostracodermen, Elektrorezeptoren besaßen, wird die Elektrorezeption als ursprüngliches Merkmal der [[Wirbeltiere]] (Vertebraten) angesehen.<ref name=":8">{{Literatur |Autor=T. H. Bullock, D. A. Bodznick, R. G. Northcutt |Titel=The Phylogenetic Distribution of Electroreception: Evidence for Convergent Evolution of a Primitive Vertebrate Sense Modality |Sammelwerk=How do Brains Work? Papers of a Comparative Neurophysiologist |Verlag=Birkhäuser |Ort=Boston, MA |Datum=1993 |ISBN=978-1-4684-9427-3 |DOI=10.1007/978-1-4684-9427-3_46 |Seiten=581–602 |Online=https://doi.org/10.1007/978-1-4684-9427-3_46 |Abruf=2023-02-06}}</ref><ref name=":0" /><ref name=":9" /> Das bedeutet, dass der letzte gemeinsame Vorfahre der Wirbeltiere bereits elektrosensitiv war. So finden wir auch heute noch bei fast allen im Wasser lebenden Wirbeltiergruppen Elektrorezeptoren: Angefangen bei den [[Neunaugen]], den [[Knorpelfische|Knorpelfischen]] (z.B. Haie), den basalen [[Knochenfische|Knochenfischen]], [[Quastenflosser|Quastenflossern]], [[Lungenfische|Lungenfischen]] und im Wasser lebenden [[Amphibien]]. Die [[Schleimaale]] stellen dabei eine Ausnahme dar, da sie die Elektrorezeption vermutlich zusammen mit anderen ursprünglichen Merkmalen sekundär zurückgebildet haben.<ref name=":5" /><ref name=":9" />

Die Vorfahren der [[Neuflosser|Neopterygii]] (eine Gruppe moderner Knochenfische, zu denen die [[Knochenhechte|Knochen]]- und [[Kahlhechte]], sowie alle [[Echte Knochenfische|Teleostier]] gehören) verloren im Laufe der Evolution ihre ampullären Organe und damit ihren elektrischen Sinn. Bis heute gibt es keine überzeugende evolutionäre Erklärung für diesen Verlust. Unabhängig davon ging die Elektrorezeption zudem in [[Froschlurche|Fröschen]] und allen [[Amnioten]] (Reptilien, Vögeln & Säugetieren) verloren. Dies lässt sich durch das Leben an Land erklären, da Luft, anders als Wasser, keinen Strom leitet, wodurch Elektrorezeptoren hinfällig wurden.<ref name=":0" />  

{{Klade
|1={{Klade
|label1=''[[Cyclostomata]]''
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|1=''[[Neunaugen]]''[[Datei:Nejonöga, Iduns kokbok.jpg|80px]]
|label1='''einfache Elektrorezeptoren'''
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|label2=''[[Kiefermäuler]]''
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}} }} }}
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}} }}
}} }} }}
|label1='''Elektrorezeptoren'''}}Die dargestellten phylogenetischen Verhältnisse basieren auf den Arbeiten von Irisarri et al., 2017<ref>{{Literatur |Autor=Iker Irisarri, Denis Baurain, Henner Brinkmann, Frédéric Delsuc, Jean-Yves Sire, Alexander Kupfer, Jörn Petersen, Michael Jarek, Axel Meyer, Miguel Vences, Hervé Philippe |Titel=Phylotranscriptomic consolidation of the jawed vertebrate timetree |Sammelwerk=Nature Ecology & Evolution |Band=1 |Nummer=9 |Datum=2017-09 |ISSN=2397-334X |DOI=10.1038/s41559-017-0240-5 |PMC=PMC5584656 |PMID=28890940 |Seiten=1370–1378 |Online=https://www.nature.com/articles/s41559-017-0240-5 |Abruf=2023-02-06}}</ref> und Nelson et al., 2016<ref>{{Literatur |Autor=Joseph S. Nelson |Titel=Fishes of the world |Auflage=Fifth edition |Ort=Hoboken, New Jersey |Datum=2016 |ISBN=978-1-119-17484-4 |Online=https://www.worldcat.org/oclc/926623501 |Abruf=2023-02-06}}</ref>. Die Informationen zur Verbreitung der Elektrorezeptoren stammen aus den Arbeiten von Liem et al., 2001<ref name=":0" />, von der Emde & Heiligenberg, 2001<ref name=":9" /> und Zakon, 1988<ref name=":5" />.

Nichtsdestotrotz liefert die Elektrorezeption eines der spannendsten Beispiele für konvergente Evolution (unabhängige Entstehung ähnlicher Merkmale in verschiedenen Gruppen durch einen ähnlichen Selektionsdruck). So kam es im Laufe der Evolution in drei verschiedenen Tiergruppen, unabhängig voneinander, zur Wiedergewinnung des elektrischen Sinns. Zum einen bei den Welsen und den mit ihnen verwandten [[Messerfischähnliche|Messerfischen]] (Gymnotidae), bei den [[Elefantenrüsselfisch|Elefantenrüsselfischen]] (Mormyridae) und den [[Kloakentiere|Kloakentieren]], einer Gruppe von Säugern, zu denen die Schnabeltiere und Schnabeligel zählen.<ref name=":0" />  

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Die Messerfische und Elefantenrüsselfische weisen neben den wiedergewonnen ampullären Organen zudem noch einen weiteren Typ von Elektrorezeptoren auf, sogenannte tuberöse Organe.<ref name=":9" /><ref name=":0" />

== Embryonalentwicklung ==
Die ampullären Organe gehen in der Embryonalentwicklung (Embryogenese) aus den neurogenen [[Plakode|Plakoden]] des [[Seitenlinienorgan|Seitenliniensystems]] hervor, die an den Seiten der [[Neurulation|Neuralfalte]] ausgebildet werden. Plakoden sind Verdickungen des Ektoderms, die in Wirbeltier-Embryonen angelegt werden und aus denen im Laufe der Embryonalentwicklung zahlreiche neuronale und nicht-neuronale Strukturen hervorgehen (z.B. die Haarzellen des Innenohrs oder die Augenlinse, aber auch Schuppen und Zähne). Zusammen mit den starken Ähnlichkeiten in Aufbau und Innervierung zwischen den Sinneszellen der Lorenzinischen Ampullen und den Haarsinneszellen des Seitenliniensystems unterstützt der gemeinsame embryonale Ursprung die Annahme, dass die Elektrorezeptoren aus den Mechanorezeptoren des Seitenliniensystems hervorgegangen sind.<ref name=":0" />
== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />

== Weblinks ==
* [http://www.haiwelt.de/haie/sinne/lorenz/lorenz.php haiwelt.de]
[[Kategorie:Anatomie der Fische]]
[[Kategorie:Sinnesorgan]]

Version vom 7. Februar 2023, 19:08 Uhr

Als Lorenzinische Ampullen werden die Elektrorezeptoren der Knorpelfische (Haie, Rochen und Chimären) bezeichnet. Sie gehören zu den sogenannten ampullären Organen, einer bestimmten Art von Elektrorezeptoren, die man auch in vielen anderen Wirbeltier-Gruppen findet (z.B. bei basalen Strahlenflossern, Quastenflossern, Lungenfischen und im Wasser lebenden Amphibien). Durch sie können schwach elektrische Felder wahrgenommen werden. Dies ermöglicht die passive Elektroortung von Feinden und Beutetieren sowie die Orientierung am Erdmagnetfeld. Im Gegensatz dazu besitzen die meisten Knochenfische und an Land lebenden Wirbeltiere keine Elektrorezeptoren mehr.[1]

Entdeckung und Geschichte

Die ersten Untersuchungen an elektrorezeptiven Organen bei Fischen begannen im 17. Jahrhundert. Nach der ersten morphologischen Beschreibung der ampullären Organe bei Haien durch Stenonis (1664), folgte eine ausführliche Beschreibung durch Lorenzini im Jahr 1678, dem die Lorenzinischen Ampullen bis heute ihren Namen verdanken. Anfangs wurde ihnen eine mechanorezeptive Funktion zugesprochen, später wurden sie als Rezeptoren zur Messung der Temperatur oder des Salzgehaltes im Wasser angesehen. Ihre eigentliche Funktion als Elektrorezeptoren konnte erst in den 1960er Jahren durch die Arbeiten von Murray und Dijkgraaf & Kalmijn nachgewiesen werden.[2][3]

Aufbau

Schematischer Aufbau einer einfachen Lorenzinischen Ampulle. (Abbildung: Simon Bauerle, modifiziert nach Liem et al., 2001[1])
Semi-schematischer Aufbau einer typischen Lorenzinischen Ampulle des Kleingefleckten Katzenhais. Ampullengang (AG); Endampulle (EA); Alveole (ALV); Afferentes Nervenbündel (N). (Abbildung: Simon Bauerle, modifiziert nach Andres & von Düring, 1988[4])
Schematische Darstellung des Sinnesepithels einer Lorenzinischen Ampulle. Charakteristisch für die Rezeptorzellen ist die birnenartige Form, das einzelne Kinocilium auf der apikalen Zellseite, die Verbindung zu den benachbarten Stützzellen durch Tight Junctions und die afferente Innervierung an den Synapsen der basalen Zellseite. Rezeptorzelle (RZ); Nucleus (N); Kinocilium (K); Stützzelle (SZ); Tight Junction (TJ); Synapse (SY); Afferente Nervenendigung (AN). (Abbildung: Simon Bauerle, modifiziert nach Fields et al., 1993[5])

Eine Lorenzinische Ampulle besteht wie alle ampullären Organe aus zwei Teilen: Zum einen aus dem sogenannten „Ampullengang“, einem Kanal der meist parallel zur Körperoberfläche verläuft und in einer Pore auf der Haut mündet. An der Basis dieses Kanals, unter der Haut, liegt der zweite Teil des Organs, die sogenannte „Endampulle“. Diese besteht meist aus mehreren bläschenförmigen Aussackungen, die Alveolen genannt werden. Die Wand dieser Alveolen ist mit dem eigentlichen Sinnesepithel ausgekleidet, bestehend aus hunderten Rezeptorzellen und umgebenden Stützzellen.[1][3]

Zum Zentrum jeder Ampulle zieht ein Bündel afferenter Nervenendigungen, um so Informationen von den Elektrorezeptoren ans Gehirn zu senden. Efferente Fasern liegen nicht vor. Das heißt, dass nur Signale von den Sinneszellen zum Gehirn geleitet werden können, nicht aber vom Gehirn zurück an die Sinneszellen. Die Nervenfasern stammen dabei aus verschiedenen Ästen des vorderen Nervs des Seitenliniensystems (anteriorer Lateralisnerv; Äste des Lateralisnerv: Ramus superficialis ophthalmicus, R. buccalis, R. mandibularis), der auch die Neuromasten des Seitenliniensystems innerviert. Früher wurde die Innervierung der Lorenzinischen Ampullen fälschlicherweise dem Nervus trigeminus (V. Kopfnerv) und dem Nervus facialis (VII. Kopfnerv) zugeschrieben. Der Lateralisnerv wurde dabei als Ast dieser Kopfnerven und nicht als eigenständiger Nerv angesehen. Dies lag daran, dass die Wurzeln dieser drei Nerven im Gehirn sehr nah beieinander liegen. Der Lateralisnerv besitzt jedoch eigene Ganglien und zieht in andere Bereiche des Gehirns als der N. facialis und N. trigeminus und wird deshalb als eigenständiger Nerv angesehen.[4][6][1]

Zwei besondere Eigenschafen der Lorenzinischen Ampullen ermöglichen ihre Funktion als Elektrorezeptoren: Die Zellen, die Kanal und Ampulle auskleiden, sind durch sehr enge Zell-Zell-Verbindungen, sogenannte Tight Junctions, miteinander verbunden. Dadurch wird das innere des Ampullen-Lumens vom umgebenden Gewebe elektrisch isoliert. Mit bis zu 6 Mio. Ohm / cm halten die Kanalzellen der Lorenzinischen Ampullen den Rekord für den höchsten, jemals in einem tierischen Gewebe gemessenen elektrischen Widerstand. Das Lumen des Kanals und der Ampulle sind zudem mit einem klaren Gel aus Glykoproteinen gefüllt, dass eine ähnliche Leitfähigkeit wie Wasser aufweist.  Dadurch können Spannungsänderungen im Wasser in der Umgebung des Tiers über die Poren auf der Haut bis hin zu den Rezeptorzellen in den Ampullen ohne große zeitliche Verzögerung weitergeleitet werden.[6][2][3]

Nachdem ein Signal von einer Rezeptorzelle wahrgenommen und umgewandelt wurde, wird es an der Unterseite der Zelle über eine Synapse an ein afferentes Neuron weitergeleitet. Dessen Axon zieht über den vorderen Nerv des Seitenliniensystems bis ins Gehirn, wo es im dorsalen octavolateralen Nucleus (DON) in der Medulla oblongata des Rautenhirns endet. Vom DON ziehen aufsteigende Nervenbahnen zum kontralateralen Teil des Tectum Opticums und zu anderen Teilen des Mittelhirns und von dort wiederum weiter ins End- und Kleinhirn, zur weiteren Verarbeitung der wahrgenommenen Reize.[2]

Lage

Schematische Darstellung des Kopfbereichs eines Dornhais (Squalus acanthias); Am Kopf des Hais finden sich fünf verschiedene Porenfelder von Lorenzinischen Ampullen, die in direkter Nähe zu den am Kopf verlaufenden Seitenlinienkanälen liegen. (Abbildung: Simon Bauerle, modifiziert nach Marinelli & Strenger, 1959[7])  

Die Ampullen liegen stets in Clustern im Kopfbereich unter der Haut. In einem Cluster können bis zu 400 Ampullen vorkommen. Bei Haien und Chimären finden sich drei bis fünf, bei Rochen vier bis sechs solcher Cluster, die spiegelsymmetrisch angelegt sind. Die Kanäle strahlen ausgehend von diesen Ampullen-Clustern in alle Richtungen aus und bestimmen so die Form und Ausrichtung des elektrorezeptiven Felds. Bei Haien sind die Kanäle auf den Kopfbereich beschränkt, während sie bei Rochen bis in die Brustflossen ziehen.[8][2]

Beim Dornhai (Squalus acanthias) liegen fünf Ampullenfelder am Kopf vor. Das große Rezeptorfeld auf der Stirn des Dornhais wird durch den dorsal verlaufenden Ramus superficialis ophthalmicus innerviert. Die Porenfelder an der Unterseite der Schnauze und seitlich unter dem Auge werden durch den Ramus buccalis innerviert. Der hinter dem Spritzloch verlaufende Ramus mandibularis innerviert schließlich das zwischen Kiemen und Mund gelegene Porenfeld, sowie das zwischen Spritzloch und Kiemen.[7][1]

Elektrorezeption und Physiologie

Die birnenförmigen Rezeptorzellen in den Lorenzinischen Ampullen der Knorpelfische besitzen einen zentralen Zellkern und ein einzelnes Kinocilium an der oberen (apikalen) Zellseite, welches in das Ampullen-Lumen ragt. Das Kinocilium weist dabei eine einzigartige Struktur aus 8 + 1 Mikrotubuli im Schaft und 9 + 0 Mikrotubuli an der Basis auf. Jede Rezeptorzelle ist von Stützzellen umgeben.[9][6][10]

Beim Großäugigen Hundshai (Iago omanensis), einer relativ kleinen Hai-Art (Männchen: 40 cm, Weibchen: 80 cm maximale Länge), konnten im Schnitt bis zu 9,3 Millionen dieser Sinneszellen pro Tier festgestellt werden.[3]

Die Sinneszellen geben im unerregten Zustand konstant eine gewisse Menge Neurotransmitter in den synaptischen Spalt ab. Dies bestimmt die Feuerrate, mit der das nachgeschaltete afferente Neuron Aktionspotentiale in Richtung Gehirn aussendet, man spricht von der Entladungsfrequenz in Ruhe. Nimmt die Sinneszelle nun eine positive Ladungsänderung wahr, verringert sich die Entladungsfrequenz des afferenten Neurons, während eine negative Ladungsänderung an der Sinneszelle zu einer Zunahme der Entladungsfrequenz führt. Die Feuerrate des Neurons nimmt dabei linear mit der Intensität des Stimulus zu. Die ankommenden Aktionspotentiale aller afferenter Neurone werden schließlich im Gehirn miteinander verrechnet, wodurch das Tier auch minimale Spannungsänderungen im elektrischen Feld um sich herum wahrnehmen kann.[2]

Stimuliert werden die Elektrorezeptoren durch schwache, negativ geladene Spannungen auf der Außenseite der Haut. Diese Spannungsänderungen werden über die Poren in der Haut an das Gel aus Glykoproteinen im Ampullenkanal und dadurch bis hin zu den Sinneszellen in den Alveolen weitergeleitet.[11][1][2] Kommen nun negative Ladungen über das extrazelluläre Gel bei einer Sinneszelle an, so wird zuerst der obere Teil der Zelle depolarisiert. Das heißt, dass das Zellinnere nun relativ zum extrazellulären Raum positiv geladen ist. Dadurch öffnen sich Spannungsgesteuerte Calcium-Kanäle, was zu einem Ca2+-Einstrom in die Sinneszelle führt. Durch den zunehmenden Einstrom positiv geladener Teilchen wird die gesamte Zellmembran nach und nach depolarisiert. Am unteren Ende der Zelle angekommen führt diese Depolarisation schließlich zur verstärkten Freisetzung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt. Die Neurotransmitter wiederum erhöhen die Feuerrate des nachgeschalteten, afferenten Neurons, das die Signale zum Gehirn sendet. Durch das einströmende Calcium öffnen sich mit der Zeit zudem immer mehr Calcium-gesteuerte Kalium-Kanäle, wodurch positiv geladene Kalium-Ionen (K+) aus der Zelle ausströmen. Dies führt schließlich zu einer Repolarisierung der Zellmembran hin zum Ruhepotential. Dadurch schließen sich die spannungsgesteuerten Ca2+-Kanäle. Die Rezeptorzelle liegt nun wieder in Ruhe vor und ein neuer Stimulus kann wahrgenommen werden.[2]        

Funktion

Die Lorenzinischen Ampullen der Knorpelfische können sehr schwache, bioelektrische Spannungen von gerade mal 1 nV / cm wahrnehmen[2] und besitzen zwei Hauptfunktionen:

Zum einen dienen sie der passiven Elektroortung, also der Wahrnehmung schwach elektrischer Felder, die nicht vom Empfänger selbst erzeugt werden (daher „passiv“). Solche schwach elektrischen Felder werden beispielsweise von Beutetieren, Artgenossen oder Fressfeinden erzeugt. Auch im Sand vergrabene Beutetiere können so wahrgenommen werden, da deren Herz- und Atemmuskulatur unvermeidbar elektrische Ströme generieren. Dies konnte in zahlreichen Versuchen gezeigt werden.[11][1][2]

Die zweite Funktion der Lorenzinischen Ampullen bei Knorpelfischen ist die Navigation durch die Orientierung am Magnetfeld der Erde. So erzeugt das Schwimmen eines Hais im Meer beim Durchkreuzen des Erdmagnetfelds einen Spannungsvektor, der senkrecht zur Bewegungsrichtung und zum Magnetfeld gerichtet ist. Dieser, durch die Bewegung induzierte Stromfluss, kann durch die extrem sensitiven Lorenzinischen Ampullen wahrgenommen werden und dient dem Tier als eine Art Kompass. Auch dies wurde experimentell nachgewiesen.[11][1][2]

Evolution

Die Sinneszellen der Lorenzinischen Ampullen ähneln in ihrem Aufbau stark den Haarsinneszellen des Seitenliniensystems der Fische, die der Wahrnehmung mechanischer Reize dienen, und den Haarsinneszellen des Labyrinths, die unter anderem dem Hör- und Gleichgewichtssinn dienen.[11] Doch auch in der Embryonalentwicklung und der neuronalen Verschaltung finden sich große Ähnlichkeiten.

Vieles weist darauf hin, dass die Elektrorezeptoren im Laufe der Evolution aus den Haarsinneszellen des Seitenliniensystems hervorgegangen sind: So wird das Seitenliniensystem in der Embryonalentwicklung vor den Elektrorezeptoren angelegt. Außerdem ziehen die afferenten Nervenbahnen der Elektrorezeptoren zu evolutionär jüngeren Bereichen des Nachhirns (Medulla oblongata), während die mechanorezeptiven Nervenbahnen des Seitenliniensystems in ältere Teile des Nachhirns ziehen.[11]  

Die Fähigkeit zur Elektrorezeption durch ampulläre Organe stellt dabei, ähnlich dem Seitenliniensystem, ein sehr altes sensorisches System dar. Da die meisten heute lebenden Fischgruppen elektrosensitiv sind (mit Ausnahme fast aller moderner Knochenfische) und bereits die ältesten Wirbeltiere, die sogenannten Ostracodermen, Elektrorezeptoren besaßen, wird die Elektrorezeption als ursprüngliches Merkmal der Wirbeltiere (Vertebraten) angesehen.[12][1][11] Das bedeutet, dass der letzte gemeinsame Vorfahre der Wirbeltiere bereits elektrosensitiv war. So finden wir auch heute noch bei fast allen im Wasser lebenden Wirbeltiergruppen Elektrorezeptoren: Angefangen bei den Neunaugen, den Knorpelfischen (z.B. Haie), den basalen Knochenfischen, Quastenflossern, Lungenfischen und im Wasser lebenden Amphibien. Die Schleimaale stellen dabei eine Ausnahme dar, da sie die Elektrorezeption vermutlich zusammen mit anderen ursprünglichen Merkmalen sekundär zurückgebildet haben.[8][11]

Die Vorfahren der Neopterygii (eine Gruppe moderner Knochenfische, zu denen die Knochen- und Kahlhechte, sowie alle Teleostier gehören) verloren im Laufe der Evolution ihre ampullären Organe und damit ihren elektrischen Sinn. Bis heute gibt es keine überzeugende evolutionäre Erklärung für diesen Verlust. Unabhängig davon ging die Elektrorezeption zudem in Fröschen und allen Amnioten (Reptilien, Vögeln & Säugetieren) verloren. Dies lässt sich durch das Leben an Land erklären, da Luft, anders als Wasser, keinen Strom leitet, wodurch Elektrorezeptoren hinfällig wurden.[1]  

 Elektrorezeptoren 
 Cyclostomata 
 einfache Elektrorezeptoren 

Neunaugen


 Verloren 

Schleimaale



 Kiefermäuler 
 Lorenzinische Ampullen 

Knorpelfische


 Knochenfische 
 Fleischflosser 

Quastenflosser


   

Lungenfische


   
 teilweise Verloren 

Amphibien


 Verloren 

Amnioten (Reptilien, Vögel, Säugetiere)





 Strahlenflosser 

Polypteriformes (Flösselhechte, Flösselaale)


   

Acipenseriformes (Störe, Löffelstöre)


 Verloren 

Neopterygii







Die dargestellten phylogenetischen Verhältnisse basieren auf den Arbeiten von Irisarri et al., 2017[13] und Nelson et al., 2016[14]. Die Informationen zur Verbreitung der Elektrorezeptoren stammen aus den Arbeiten von Liem et al., 2001[1], von der Emde & Heiligenberg, 2001[11] und Zakon, 1988[8].

Nichtsdestotrotz liefert die Elektrorezeption eines der spannendsten Beispiele für konvergente Evolution (unabhängige Entstehung ähnlicher Merkmale in verschiedenen Gruppen durch einen ähnlichen Selektionsdruck). So kam es im Laufe der Evolution in drei verschiedenen Tiergruppen, unabhängig voneinander, zur Wiedergewinnung des elektrischen Sinns. Zum einen bei den Welsen und den mit ihnen verwandten Messerfischen (Gymnotidae), bei den Elefantenrüsselfischen (Mormyridae) und den Kloakentieren, einer Gruppe von Säugern, zu denen die Schnabeltiere und Schnabeligel zählen.[1]  

Da die neu gewonnen Elektrorezeptoren in den beiden Gruppen moderner Knochenfische (Messer- & Elefantenrüsselfische) kein einzelnes Kinocilium aufweisen, sondern eine Vielzahl an Mikrovilli,[11][12][1] und mit einer umgekehrten Polarisierung auf elektrische Reize reagieren, kann mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass keine Homologie zu den ursprünglichen Elektrorezeptoren (wie z.B. den Lorenzinischen Ampullen der Haie) besteht. Stattdessen handelt es sich hierbei um eine Neubildung. Bei den Kloakentieren gehen die Elektrorezeptoren aus umgewandelten Hautdrüsen hervor.[1]

Die Messerfische und Elefantenrüsselfische weisen neben den wiedergewonnen ampullären Organen zudem noch einen weiteren Typ von Elektrorezeptoren auf, sogenannte tuberöse Organe.[11][1]

Embryonalentwicklung

Die ampullären Organe gehen in der Embryonalentwicklung (Embryogenese) aus den neurogenen Plakoden des Seitenliniensystems hervor, die an den Seiten der Neuralfalte ausgebildet werden. Plakoden sind Verdickungen des Ektoderms, die in Wirbeltier-Embryonen angelegt werden und aus denen im Laufe der Embryonalentwicklung zahlreiche neuronale und nicht-neuronale Strukturen hervorgehen (z.B. die Haarzellen des Innenohrs oder die Augenlinse, aber auch Schuppen und Zähne). Zusammen mit den starken Ähnlichkeiten in Aufbau und Innervierung zwischen den Sinneszellen der Lorenzinischen Ampullen und den Haarsinneszellen des Seitenliniensystems unterstützt der gemeinsame embryonale Ursprung die Annahme, dass die Elektrorezeptoren aus den Mechanorezeptoren des Seitenliniensystems hervorgegangen sind.[1]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p Karel F. Liem, Warren F., Jr. Walker: Functional anatomy of the vertebrates : an evolutionary perspective. 3rd ed Auflage. Harcourt College Publishers, Fort Worth 2001, ISBN 0-03-022369-5 (worldcat.org [abgerufen am 30. Januar 2023]).
  2. a b c d e f g h i j Kyle C Newton, Andrew B Gill, Stephen M Kajiura: Electroreception in marine fishes: chondrichthyans. In: Journal of Fish Biology. 6. Juni 2019, ISSN 0022-1112, S. jfb.14068, doi:10.1111/jfb.14068 (wiley.com [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  3. a b c d L. Fishelson, A. Baranes: Distribution, morphology, and cytology of ampullae of Lorenzini in the Oman shark, Iago omanensis (Triakidae), from the Gulf of Aqaba, Red Sea. In: The Anatomical Record. Band 251, Nr. 4, August 1998, ISSN 0003-276X, S. 417–430, doi:10.1002/(SICI)1097-0185(199808)251:4<417::AID-AR1>3.0.CO;2-P, PMID 9713980 (nih.gov [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  4. a b K. H. Andres, M. von Düring: Chapter 14 Comparative anatomy of vertebrate electroreceptors. In: Progress in Brain Research (= Transduction and Cellular Mechanisms in Sensory Receptors). Band 74. Elsevier, 1. Januar 1988, S. 113–131, doi:10.1016/s0079-6123(08)63006-x (sciencedirect.com [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  5. R. Douglas Fields, Theodore H. Bullock, G. David Lange: Ampullary Sense Organs, Peripheral, Central and Behavioral Electroreception in Chimeras (Hydrolagus, Holocephali, Chondrichthyes) (Part 1 of 2). In: Brain, Behavior and Evolution. Band 41, Nr. 6, 1993, ISSN 0006-8977, S. 269–278, doi:10.1159/000113849, PMID 8391892 (karger.com [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  6. a b c Robert L. Boord, C. B. G. Campbell: Structural and Functional Organization of the Lateral Line System of Sharks. Oxford Academic, 1. August 2015, DOI:https://doi.org/10.1093/icb/17.2.431(?!).
  7. a b Marinelli, W. & Strenger, A.: Vergleichende Anatomie und Morphologie der Wirbeltiere. Franz Deuticke Wien, 1959.
  8. a b c Jelle Atema: Sensory Biology of Aquatic Animals. Springer New York, New York, NY 1988, ISBN 978-1-4612-3714-3 (worldcat.org [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  9. Darryl L. Whitehead: Ampullary organs and electroreception in freshwater Carcharhinus leucas. In: Journal of Physiology-Paris. Band 96, Nr. 5, 1. September 2002, ISSN 0928-4257, S. 391–395, doi:10.1016/S0928-4257(03)00017-2 (sciencedirect.com [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  10. Electroreceptors and Other Specialized Receptors in Lower Vertrebrates. doi:10.1007/978-3-642-65926-3 (springer.com [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  11. a b c d e f g h i j Josef Dudel, Reinhard Blickhan: Neurowissenschaft vom Molekül zur Kognition ; mit 32 Tabellen. 2., überarb. und aktualisierte Auflage. Berlin 2001, ISBN 978-3-540-41335-6 (worldcat.org [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  12. a b T. H. Bullock, D. A. Bodznick, R. G. Northcutt: The Phylogenetic Distribution of Electroreception: Evidence for Convergent Evolution of a Primitive Vertebrate Sense Modality. In: How do Brains Work? Papers of a Comparative Neurophysiologist. Birkhäuser, Boston, MA 1993, ISBN 978-1-4684-9427-3, S. 581–602, doi:10.1007/978-1-4684-9427-3_46 (doi.org [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  13. Iker Irisarri, Denis Baurain, Henner Brinkmann, Frédéric Delsuc, Jean-Yves Sire, Alexander Kupfer, Jörn Petersen, Michael Jarek, Axel Meyer, Miguel Vences, Hervé Philippe: Phylotranscriptomic consolidation of the jawed vertebrate timetree. In: Nature Ecology & Evolution. Band 1, Nr. 9, September 2017, ISSN 2397-334X, S. 1370–1378, doi:10.1038/s41559-017-0240-5, PMID 28890940, PMC 5584656 (freier Volltext) – (nature.com [abgerufen am 6. Februar 2023]).
  14. Joseph S. Nelson: Fishes of the world. Fifth edition Auflage. Hoboken, New Jersey 2016, ISBN 978-1-119-17484-4 (worldcat.org [abgerufen am 6. Februar 2023]).