-li

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 2. Oktober 2015 um 16:17 Uhr durch Freigut (Diskussion | Beiträge) (→‎Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das schweizerdeutsche und teilweise südbadische Suffix -li (gesprochen [lɪ]) ist ein Diminutivaffix und verkleinert ein Substantiv (vgl. Diminutiv). Funktional entspricht es grundsätzlich dem hochdeutschen -chen/-lein.

Lautvarianten, die ausserhalb des Hoch- und Höchstalemannischen vorkommen, sind das badische, schwäbische und elsässische -le, das pfälzische -l/-el, das fränkische -la sowie das bairische -l, -erl.

Herkunft

-li bzw. hochdeutsch -lein entwickelte sich aus der Verbindung des althochdeutschen Suffixes -al, -il (vgl. etwa ahd. fogal „Vogel“, leffil „Löffel“) mit dem althochdeutschen Verkleinerungssuffix -īn und verselbständigte sich als neues, eigenständiges Suffix, indem es auf Wörter übertragen wurde, die ursprünglich kein l-Suffix besassen (vgl. etwa ahd. hūsilin „Häuslein“).[1]

Formen

-li kennt je nach Mundart, Affektionsgrad oder Wort auch die Varianten -eli, -ili.

Regionale, in der Regel alpinschweizerdeutsche Varianten, die sprachgeschichtlich mit -li identisch sind, sind -ji, -i, -je, -e; sie sind durch eine Mouillierung des /l/ vor Vokal entstanden. Auf romanisches Substrat gehen die Suffixe -ti, -tschi zurück, und -elti, -etli sind eine Mischung aus den beiden Typen. Beispiele für diese Typen sind etwa Hundji, Hundi „Hündchen“, Vogelti „Vöglein“, Chuotschi „Kühlein“, Alpelti/Alpetli „kleine Alp“. Bis ins Mittelland vorgestossen ist der -tschi-Typus im Fall von bern- und luzerndeutsches Meitschi „Mädchen“ und Müntschi „Kuss“; in einem noch grösseren geographischen Raum findet er sich auch in Namen wie Rüetschi zu „Rudolf“. Überhaupt verbreitet schweizerdeutsch sind schliesslich semantisch verselbständigte Diminutive auf -i, einer Endung, die nicht auf althochdeutsch -ilīn, sondern auf althochdeutsch -īn zurückgeht, beispielsweise in Ändi „Ende“.

Die Diminutive auf -li sind gewöhnlich sächlich. Ausnahmen bilden die Ableitungen zu männlichen Rufnamen, die männlich bleiben, etwa de(r) Hansli „Hänschen“, sowie vereinzelte weitere Wörter wie der meist männliche Röteli, ein Kirschenlikör aus Graubünden.

Wortbildung

Das Suffix zieht – soweit lautlich überhaupt möglich – meist Umlautung des Stammvokals des Grundwortes, das es diminuiert, nach sich:

  • /a/ > /ä/: Männli „Männchen“ zu Maa „Mann“
  • /a/ > /e/: Negeli „Nägelchen“ zu Nagel „Nagel“
  • /ä/ = /ä/: Wäägli „Weglein“ zu Wääg „Weg“
  • /i/ = /i/: Wyybli „Weiblein“ zu Wyyb „Weib“
  • /iə̯/ = /iə̯/: Tierli „Tierlein“ zu Tier „Tier“
  • /o/ > /ö/: Röösli „Röschen“ zu Roos(e) „Rose“
  • /u/ > /ü/: Müüsli „Mäuschen“ zu Muus „Maus“
  • /uə̯/ > /üə̯/: Müesli „Müslein“ zu Mues „Mus“
  • /ü/ = /ü/: Füürli „Feuerchen“ zu Füür „Feuer“

Wörter auf -le und -i sowie in manchen Fällen solche auf -e bilden ein Diminutiv auf -eli (das nicht zu verwechseln ist mit dem -eli, -ili, das in einigen Mundarten generell statt -li gebildet wird):

  • Chügeli „Kügelchen“ zu Chugle „Kugel“
  • Byygeli „kleiner Stapel“ zu Byygi „Stapel, Beige“
  • Kässeli „Sparbüchse“ zu Kasse „Kasse, Sparkasse“

Wörter auf -el bilden ein Diminutiv auf -i (das nicht zu verwechseln ist mit dem -i, das in einigen Mundarten generell statt -li gebildet werden kann):

  • Tüüfeli „Teufelchen“ zu Tüüfel „Teufel“

Können -li und -eli nebeneinander stehen, so ist letzteres mit grösserer Affektion (Zärtlichkeit) verbunden:

  • Mäitli „Mädchen“ gegenüber Mäiteli „(herziges) Mädchen“
  • Hündli „kleiner Hund“ gegenüber Hündeli „(lieber) kleiner Hund“

Variation mit oder ohne Umlautung – oft je nach Region und/oder mit Bedeutungsnuancen – findet sich etwa bei

  • Hundeli/Hündli „Hündchen“ zu Hund „Hund“
  • Puurli/Püürli „Bäuerlein, Kleinbauer“ zu Puur „Bauer“

Umlautlose Varianten sind oft mit grösserer Affektion verbunden:

  • Chueli „(liebes) Kühlein“ gegenüber Chüeli „kleine Kuh“
  • Hundeli „(liebes) Hündchen“ gegenüber Hündli „kleiner Hund“
  • Puurli „(liebenswürdiger) Kleinbauer“ gegenüber Püürli „Kleinbauer“

Gelegentlich sind die Differenzierungen semantisch relevanter:

  • Manndli „Männlein“ gegenüber Männdli „kleiner Mann; Tiermännchen“
  • Schachteli (früher) „Schachtel für das Schreibzeug“ gegenüber Schächteli „kleine Schachtel“

Semantisch verselbständigt sind schweizweit vertretene Diminutive auf -i, die nicht auf althochdeutsch -ilĩn, sondern -īn zurückgehen (und damit nicht zu verwechseln sind mit dem -i, das in einigen Mundarten generell statt -li gebraucht werden kann), etwa

  • Ääri „Ähre“ zu (maskulinem) Äher, Äär „Ähre“
  • Ändi „Ende (bspw. eines Bindfadens)“ zu Änd „Ende“
  • Bäsi „weibliche Verwandte“ zu Baas „Tante; weibliche Verwandte überhaupt“
  • Chüni/Chini „Kinn“ (Grundwort nicht mehr vorhanden)
  • Hirni „Hirn“ (Grundwort nicht mehr vorhanden).
  • Rippi „Rippe“ zu Ripp „Rippe“

Synchron schliessen sich hier Diminutive der Kindersprache an, etwa

  • Büsi „Kätzchen“ (zum Lockruf bus-bus)
  • Zizi „Kätzchen“ (zum Lockruf zi-zi)

Bedeutung

Funktionen sind Verkleinerung, Vereinzelung, Affektion/Wertschätzung, Geringschätzung/Herabsetzung sowie Verniedlichung. Daneben kommen funktionslose Diminutiva vor.

  • Verkleinerung: Büechli „kleines Buch“
  • Vereinzelung: Chörnli „einzelnes Korn“, Gresli „einzelnes Gras“, Häärli/Höörli „einzelnes Haar“
  • Wertschätzung / Herabsetzung: Puurli „liebenswürdiger oder aber gering geschätzter Kleinbauer“, Bappeli „liebenswürdiges oder aber leicht vertrotteltes Väterchen“, Kantönligeist „Kirchturmpolitik“
  • Verniedlichung: Rüüschli „kleiner Rausch“, Ämtli „regelmässige Arbeit für Kinder“, es Glesli Wyy „ein Glas Wein“
  • Funktionslos: Lyybli „Leibchen“, Zündhölzli „Streichholz“, Widli „Bindereis“

Das Diminutiv kann auch bedeutungsmässig verselbständigt sein, etwa bei

  • Chätzli „Blütenkätzchen“, zu Chatz „Katze“ (da sie ein ähnlich weiches «Fell» aufweisen)
  • Gipfeli „Hörnchen, Croissant“, zu Gipfel „Bergspitze; oberster Teil einer Pflanze; gekrümmtes Gebäck (Nuss-, Vanillegipfel)“
  • Glesli „Hyazinte“, zu Glaas „Glas“ (in welchem sie im Vorfrühling aufgezogen wurden)
  • Gstältli „Teil der Frauentracht; Teil gewisser Sportausrüstungen“, zu Gstalt „Gestalt“
  • Häntscheli „Schlüsselblume“, zu Häntsche „Handschuh“ (dem sie gleichen)
  • Hüüsli „Häuschen“ und „Toilette“, zu Huus „Haus“ (da früher als eigenes Häuschen im Freien stehend)
  • Lyybli „Leibchen“, zu Lyyb „Leib“
  • Mäieryysli „Maiglöckchen“, zu Ryys „(das) Reis“
  • Müesli „Frühstücksflocken mit Früchten“, zu Mues „Mus, Brei“
  • Müüsli „Salbei“, zu Muus „Maus“ (da gebackene Salbeiküchlein wie Mäuschen aussehen)
  • Nägeli „Nelke“, zu Nagel „Nagel“ (da wie ein kleiner Nagel aussehend)
  • Rüebli „Karotte“, zu Rueb(e), Rüebe „grosse Rübe jeglicher Art; Zuckerrübe“
  • Zältli „Bonbon“, zu Zälte (Zelten) „flacher Kuchen“

Die Grundform kann auch ganz verschwunden sein, so bei

  • Beieli, Byyli „Biene“, zu nur noch seltenem Byy „Bienenschwarm“
  • Egli „(Fluss-)Barsch“, ursprünglich spezifischer „kleiner Flussbarsch“
  • Fäärli „Ferkel“, zu mittelhochdeutsch varch „Schwein“
  • Gänterli „Schrank, Schränkchen; Speisekammer“, zu veraltetem Gänter „Verschluss; Verschlag“
  • Mäitli, Meitschi „Mädchen“, zu frühneuhochdeutsch Meid „Maid“, seinerseits zu mittelhochdeutsch maged „Mädchen“
  • Müntschi, Muntschi „Kuss“, zu schweizerdeutsch ausgestorbenem „Mund“
  • Rööteli „Rotkehlchen“, „Seesaibling“, „Schlüsselblume“, „Kirschenlikör“, zu nur noch seltenem Röötel „etwas Rotes (beispielsweise ein Rothaariger)“

-li ist in einigen Fällen eine volksetymologische Umdeutung:

  • Peeterli „Petersilie“, umgedeutet aus lateinisch/griechisch petroselīnum, petroselīnon „Felseneppich, Steineppich“
  • Viöönli, Veieli „Veilchen“, umgedeutet aus lateinisch viola „Veilchen, Levkoje“

Literatur

Übersichtswerke
  • Schweizerisches Idiotikon, Bände I ff. Frauenfeld bzw. Basel 1881 ff., unter den jeweiligen Wörtern.
  • Sprachatlas der deutschen Schweiz, Band III, Karten 149 (Hündchen), 150 (Häklein), 151 (Rädchen), 152 (Tröglein), 153 (Äpfelchen), 154 (Vögelchen), 155–158 (Ergänzungen zu den Diminutiv-Karten).
Grammatiken
  • Ludwig Fischer: Luzerndeutsche Grammatik. 2. Aufl. Hitzkirch 1989, S. 459–471.
  • Werner Marti: Berndeutsch-Grammatik. Bern 1985, S. 196–200.
  • Rudolf Suter: Baseldeutsch-Grammatik. 3. Aufl. Basel 1976, S. 182–185.
  • Albert Weber: Zürichdeutsche Grammatik. 3. Aufl. Zürich 1987, S. 327–335.
Spezialuntersuchungen
  • Werner Hodler: Beiträge zur Wortbildung und Wortbedeutung im Berndeutschen. Berner Diss. Francke, Bern 1915; Nachdruck Kraus, Nendeln/Liechtenstein 1970, Seite 113–130.
  • Roland Hofer: Suffixbildung im bernischen Namengut. Die Diminutiva auf -ti, -elti, -etli und die Kollektiva auf -ere. Ein Beitrag zur Namengrammatik. Berner Diss. Basel 2012.
  • Esther Odermatt: Die Deminution in der Nidwaldner Mundart. Zürcher Diss. Zürich 1903.

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Berlin 1989 (mit weiteren Auflagen), s. v.