Adriaan Verhulst

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. August 2016 um 16:50 Uhr durch Invisigoth67 (Diskussion | Beiträge) (→‎Leben: Fehlendes Satzzeichen hinzugefügt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Adriaan Verhulst (* 9. November 1929 in Gent; † 17. November 2002 in Antwerpen) war ein belgischer Mediävist und Historiker.

Leben

Verhulst besuchte das Athenäum in Gent und studierte dann Jura an der Universität Gent, wechselte dann aber unter seinen Lehrern François Louis Ganshof und Hans Van Werveke zur Geschichte. 1952 erhielt er seinen Lizenziats-Abschluss in Geschichte mit Auszeichnung. 1953 wurde er Vorsitzender des Flämischen Geschichts-Zirkels (Vlaamse Geschiedkundige Kring). 1956 wurde er bei Ganshof über die Sankt Bavoabtei in Gent und ihren Grundbesitz vom 7. bis 14. Jahrhundert promoviert. Die Dissertation von über 700 Seiten war auch eine Studie über die mittelalterliche Agrargesellschaft, [1] in der sich schon sein interdisziplinärer Zugang zur Geschichtsforschung zeigte (in die er später Archäologie, Klimaforschung, Forschungen zu Meerestransgression, Bodenkunde u.a. einbezog). Aus seiner Dissertation entwickelte sich auch seine von der traditionellen Sichtweise abweichende These über den Ursprung großer Domänen in der Karolingerzeit, worüber er auf dem Frühmittelalter-Kongress in Spoleto 1965 vortrug.[2] Die Domänen (große, von Sklaven bewirtschaftete Güter) entwickelten sich nach Verhulst erst im 7. bis 8. Jahrhundert in Nordfrankreich und breiteten sich von da aus langsam und in abweichender Form in Westeuropa aus.[3]

Er wurde nach der Promotion Assistent von Van Werveke und bald darauf Dozent. 1955 schloss sich ein Aufbaustudium in mittelalterlicher Quellenkunde bei G. Lieftinck an. Später war er Mitherausgeber von Urkunden der Grafen von Flandern Dietrich von Elsass und dessen Sohn Philipp I. (12. Jahrhundert, mit Thérèse de Hemptinne) bei der Königlichen Historischen Kommission Belgiens. 1965 wurde er Professor in Gent. 1995 emeritierte er. Ab 1983 war er auch in Teilzeit Dozent für Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters an der Freien Universität Brüssel.

Von ihm stammen grundlegende Untersuchungen unter anderem zur Agrargeschichte in der Karolingerzeit, der historischen Geographie Flanderns und zur mittelalterlichen Stadtgeschichte, besonders von Brügge.

1974 bis 1984 war er erst Vizepräsident und dann Präsident der Königlichen Historischen Kommission in Belgien.

Er war in der flämischen Bewegung auf freisinniger (liberaler) Seite aktiv. 1965 bis 1984 war er Vorsitzender des Willemsfonds. Er war aktiv auf flämischer Seite bei der Verabschiedung des Kulturpakts (Cultuurpact) 1971 für kulturelle Autonomierechte in Belgien und war aktiv gegen den nicht zustande gekommenen Egmont-Pakt von 1977, der Belgien auf den Weg eines Bundesstaats der Volksgruppen bringen sollte.

1969 bis 1988 war er Vorsitzender des Verwaltungsrats der staatlichen Rundfunkanstalt BRT (später VRT).

Er war korrespondierendes Mitglied der Königlich Belgischen Akademie der Wissenschaften.

Zu seinen Schülern gehört Erik Thoen und Frans Verhaeghe.

Schriften

  • The Carolingian Economy, Cambridge University Press 2002
  • Der Handel im Merowingerreich, Gesamtdarstellung nach schriftlichen Quellen, Studia historica Gandensia, 125, 1970
  • Het landschap in Vlaanderen in historisch perspectief, Antwerpen 1965
    • Überarbeitete Neuausgabe: Landschap en landbouw in middeleeuws Vlaanderen, Brüssel 1995
    • Französische Ausgabe: Histoire du paysage rural en Flandre de l´epoque romaine au xviiie siècle, Brüssel 1966
  • Grundherrschaftliche Aspekte bei der Entstehung der Städte Flanderns, in Economie rurale et Economie urbaine au Moyen Âge, 1994, S. 157-164
  • Economic Organisation, in The New Cambridge Medieval History, Band 2, 1995, S. 481-509
  • Les origines et l'histoire ancienne de la ville de Bruges (IXe- XIIe siècle), Le Moyen Age, Band 66, 1960, S. 37-63
  • Précis d’histoire rurale de la Belgique, Edition Université Bruxelles 1990
  • mit Bryce Lyon: Medieval finance. A comparison of financial institutions in Northwestern Europe, Brügge 1967, Providence/Rhode Island 1968
  • The rise of cities in north-west Europe, Cambridge University Press 1999
  • Rural and urban aspects of early medieval northwest Europe, Aldershot 1992
  • Herausgeber: Anfänge des Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein bis zum Jahr 1000, Städteforschung A 40, Köln 1996

Literatur

  • Walter Prevenier, Erik Thoen The scholarly career of professor Adriaan Verhulst, in: Jean-Marie Duvosquel, Erik Thoen (Hrsg.), Peasants & Townsmen in Medieval Europe, Studia in honorem Adriaan Verhulst, Gent, 1995, S. 15-30 (Publikationsverzeichnis S. 31-48)
  • Marc Ryckaert In memoriam Adriaan Verhulst (1929-2002), in: Handelingen van het Genootschap voor Geschiedenis te Brugge, Jahrgang 139, 2002, S. 319-322.
  • Erik Thoen Adriaan Verhulst (1929-2002) en de Gentse historische school. Een subjectieve visie op een groot historicus, in: Handelingen der Maatschappij voor Geschiedenis en Oudheidkunde te Gent, Neue Reihe, Band 60, 2006, S. 31-47
  • Dietrich Lohrmann, In Memoriam Adriaan Verhulst, Francia, 30/1, 2003, Online

Weblinks

Einzelnachweise

  1. De Sint-Baafsabdij te Gent en haar grondbezit (7e - 14e eeuw). Bijdrage tot de kennis van de structuur en de uitbating van het grootgrondbezit in Vlaanderen tijdens de middeleeuwen , Verhandelingen van de Koninklijke Vlaamse Academie van België voor Wetenschappen en Kunsten, Band 30, Brüssel 1958
  2. La genèse du régime domanial classique en France au haut moyen âge, Spoleto, Settimane di Studio XIII, S. 135–160
  3. Jan Dhondt Das frühe Mittelalter, Fischer Weltgeschichte, 1968, S. 324