Alfred Matusche

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Alfred Matusche (* 8. Oktober 1909 in Leipzig; † 31. Juli 1973 in Karl-Marx-Stadt) war ein deutscher Dramatiker.

Leben

Alfred Matusche wird am 8. Oktober 1909 in Leipzig als Sohn eines Arbeiters geboren; der Vater stirbt im Ersten Weltkrieg, die Witwe bringt die Familie mit Heimarbeit für eine Kleiderfabrik durch. 1923 beginnt Matusche eine Lehre als Schlosser; es folgt Arbeitslosigkeit und Beginn eines Techniker-Studiums, das er abbricht, um sich ganz seinen literarischen Neigungen zu widmen.

1925 bis 1933 erste Veröffentlichungen von Gedichten und kurzen Prosatexten in Zeitungen; Matusche arbeiten für den Mitteldeutschen Rundfunk, wo ihn E. Kurt Fischer, der Leiter der literarischen Abteilung, fördert. Matusche sucht Anschluss an linke literarische Kreise. Er ist längere Zeit auf der Wanderschaft; Besuche bei Hermann Hesse und Johannes Schlaf.

1933 kommt es zur Hausdurchsuchung und Vernehmung durch die Gestapo. Nahezu alle vorhandenen Manuskripte werden vernichtet, zum Teil durch Matusche selbst. Zwischen 1933 und 1945 lebt er in Portitz bei Leipzig und später in Schlesien. Er kann sich, obwohl kurzzeitig eingezogen, einem Fronteinsatz im Zweiten Weltkrieg entziehen. Trotz seiner antifaschistischen Grundhaltung ist eine aktive Widerstandstätigkeit nicht nachgewiesen.

1945 kehrt Matusche nach Portitz zurück und arbeitet für den Leipziger Rundfunk. 1951/52 entsteht sein dramatischer Erstling »Welche, von den Frauen?«. 1955 wird »Die Dorfstraße« am Deutschen Theater Berlin nach Zusammenarbeit mit dem Chefdramaturgen Heinar Kipphardt uraufgeführt (Regie Hannes Fischer). 1958 erfolgt die Uraufführung von »Nacktes Gras« am Maxim Gorki Theater Berlin (Regie Hans Dieter Mäde).

Ab 1959 arbeitet Matusche am Maxim Gorki Theater als Dramaturg. Beginn der Freundschaft mit Armin Stolper. Zwischen 1960 und 1966 lebt Matusche in der Berliner Umgebung (Kolberg, Petershagen bei Schöneiche u. a.). Kurzzeitig arbeitet er als Dramaturg am Hans-Otto-Theater Potsdam.

Zwischen 1958 und 1968 entstehen drei Fernsehspiele: »Die gleiche Strecke« (1961), »Der Regenwettermann« (1965) und »Der Ausreißer« (1965) sowie das Hörspiel »Unrast« (1961).

Zwischen 1960 und 1973 Entstehung und Aufführung zahlreicher Theaterstücke, so z. B. »Das Lied meines Weges« (1963/65), »Die Nacht der Linden« (1965) und »Kap der Unruhe« (1968).

1969 zieht Matusche nach Karl-Marx-Stadt; dort trifft er auf Peter Sodann. Matusche erhält 1973 den Lessing-Preis und erlebt kurz vor seinem Tod, begleitet von zwei Ärzten, die Uraufführung seines »Van Gogh« an den Städtischen Bühnen von Karl-Marx-Stadt.

Alfred Matusche stirbt am 31. Juli 1973. Sein Grab liegt auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.

Werk

  • Welche, von den Frauen? 1952/53 (UA Schwedt)
  • Die Dorfstraße 1955 (UA DT Berlin)
  • Nacktes Gras 1958 (UA Maxim Gorki Theater Berlin)
  • Die gleiche Strecke 1960/61
  • Die feurige Stadt 1960
  • Unrast 1961 (Hörspiel), Regie: Wolfgang Schonendorf, Rundfunk der DDR
  • Der Ausreißer 1963
  • Der Regenwettermann 1963/65 (UA Potsdam)
  • Die Andere 1965
  • Die Nacht der Linden 1965 (UA Potsdam)
  • Das Lied meines Weges 1967 (UA Karl-Marx-Stadt)
  • Kap der Unruhe 1968 (UA Potsdam)
  • Neue Häuser (Prognose) 1971 (UA Potsdam)
  • An beiden Ufern 1971 (UA Potsdam)
  • Van Gogh 1973 (UA Karl-Marx-Stadt).

Wirkung und Nachwelt

Alfred Matusche war immer ein „Geheimtipp“. 1969 wurde sein Stück Van Gogh in der Bundesrepublik Deutschland von Thomas Fantl verfilmt. Matusche hatte und hat eine treue Gemeinde von teilweise namhaften Theaterschaffenden, Autoren und Literaturwissenschaftlern, die sich über Jahrzehnte hinweg auf ihn beziehen.

Seine Dramen fanden immer wieder den Weg auf die Bühnen, so zuletzt Kap der Unruhe mit Premiere am 26. September 2008 am Thalia Theater (Halle) in Regie von Katka Schroth.

Veröffentlichungen

Von Matusche

  • A. M., Dramen, Berlin: Henschelverlag 1971
  • A. M., Welche, von den Frauen?, Berlin: Henschelverlag 1979
  • Alfred Matusche, Dramen [Werkausgabe], Hrsg. von Gottfried Fischborn, Mainz: VAT Verlag Andre Thiele 2009, ISBN 978-3-940884-08-4

Zu Matusche

  • Sowohl "Dramen" (1971) als auch "Dramen" (2009) enthalten Texte zu Matusche.
  • Christoph Trilse, Alfred Matusche, in: Literatur der DDR. Einzeldarstellungen, Bd. 2, Berlin/DDR 1979
  • Jürgen Serke: Zuhause im Exil. Dichter, die eigenmächtig blieben in der DDR. München u.a.: Piper 1998, S. 69 ff.
  • Werner Liersch, Dichterland Brandenburg. Literarische Streifzüge zwischen Havel und Oder, Düsseldorf u.a.: 2004
  • Peter Sodann, Keine halben Sachen. Erinnerungen, Berlin: Ullstein 2008, S. 157 ff.
  • Gottfried Fischborn (Hrsg.), Das Lied seines Weges. Festschrift für den Dichter Alfred Matusche, Mainz: VAT Verlag Andre Thiele 2009, ISBN 978-3-940884-07-7
  • Kurzbiografie zu: Matusche, Alfred. In: Wer war wer in der DDR? 5. AusgabeBand 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Gottfried Fischborn, Der Dramendichter Alfred Matusche. In: Fischborn, Politische Kultur und Theatralität. Aufsätze, Essays, Publizistik; Frankfurt am Main/Berlin/Bern/Bruxelles/New York/Oxford/Wien: Peter Lang 2012, ISBN 978-3-631-63251-2

Zitate

Von Matusche

  • Weißt Du, solange die Häuser höher gebaut werden, als die Bäume wachsen, wird das mit der Menschheit nichts. Und mit dieser Gesellschaft wird das auch nichts, weil die Menschen vergessen haben, zu beten. Kommunismus ist eine schöne Sache. Aber wenn man vergessen hat, zu beten, sollte man Kommunismus nicht als Ziel ansteuern. (A. M., 1973 - laut Peter Sodann)
  • Nicht Wohlstand nur, nicht Reichtum ganzer Welten; / Häuf nicht Waren; häuf von Tag zu Tag / die eigene Lebenssumme zu aller Maß, / reich selbst dich dem Reichtum hin. (A. M., 1971 - aus "Prognose")
  • Gestalten schaffen mit der einfachsten Sprache. Die größte Einfachheit des Geschehens. Klarheit gegen die Widersprüche. (A. M., aus dem Nachlass)

Zu Matusche

  • Bei Ihnen ist jede Zeile, die Sie schreiben, wahr. (Bertolt Brecht zu Matusche)
  • Hartnäckig, provokativ und empfindsam, bar jeder Vernunft, wenn es um Vernunft im Alltagssinne geht. (Armin Stolper)
  • Ein anerkannt spröder Volksdichter. (Neues Deutschland, 10. Mai 1995)
  • Karl Gerold, der legendäre Gründer der „Frankfurter Rundschau“, rückt da neben den DDR-Dramatiker Alfred Matusche, dem, dass Brecht ihm auf die Schulter klopfte, mehr geschadet als geholfen haben dürfte: „Bei Ihnen ist jede Zeile, die Sie schreiben, wahr.“ Von Wolfgang Langhoff und Heiner Kipphardt gefördert, von Peter Hacks und Heiner Müller bewundert, hat ihn das DDR-Theater zeitlebens als Außenseiter geächtet. Seine Stücke wurden als heiße Eisen gehandelt, die nur mit feuerfesten Regiehandschuhen oder besser erst gar nicht angefasst wurden. Dabei wären sie es wert, gegen die Ostalgie, die sie 2009, zum hundertsten Geburtstag, auf die Bühne holen könnte, verteidigt zu werden. (Andreas Rossmann, "Verfolgte Künstler"; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16. April 2008)
  • Alfred Matusche, Dichter und Vagabund, wäre in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden, gestorben ist er schon 1973, ausgezehrt vom unsteten Leben, lebenslangen materiellen Sorgen und dem Gefühl, nicht wirklich erwünscht zu sein. […] Was andererseits kein Theater, keine Dramaturgie, die etwas auf sich hält, daran hindern sollte, das dramatische CEuvre Alfred Matusches zwecks Revitalisierung sorgsam zu prüfen. Interessante Entdeckungen dabei verspricht Martin Linzer. ("Linzers Eck", Theater der Zeit, März 2009, S. 73)
  • Matusche war etwas wie der Wittgenstein der DDR; sehr eigen, sehr privat, aber offenkundig geleitet von einem unverstellbaren moralischen Kompaß, den er mit äußerster Konsequenz verfolgt, so konsequent, daß es der Außenwelt schon wieder als Asozialität erscheinen muß, obgleich es doch im Kern zutiefst sozial gedacht und gefühlt ist. (Felix Bartels, junge Welt v. 8. Oktober 2009)
  • Alfred Matusche ist vielleicht der einzige Stückeschreiber unseres Landes, der geschrieben hat, als habe Brecht nie gelebt. (Gottfried Fischborn, in: Das Lied seines Weges, Mainz 2009)

Weblinks