Alkäische Strophe
Die alkäische Strophe ist in der antiken Metrik eine nach dem griechischen Dichter Alkaios benannte Strophenform. Es ist eine vierzeilige Odenstrophe, deren ersten beiden Verse 11, der dritte 9 und der vierte 10 Silben haben, wobei die ersten beiden Verse eine Zäsur nach der fünften Silbe haben. Das Schema der Strophe ist in metrischer Notation:
×—◡—× ‖ —◡◡—◡×
×—◡—× ‖ —◡◡—◡×
×—◡—×—◡—×
—◡◡—◡◡—◡—×
Es werden also drei unterschiedliche Versmaße verwendet, die man nach der Strophe alkäische Versmaße nennt, im Einzelnen:
- alkäischer Hendekasyllabus (abgekürzt alc11)
- alkäischer Enneasyllabus (alc9)
- alkäischer Dekasyllabus (alc10)
Die Odenstrophe wurde in der griechischen Dichtung von Alkaios und Sappho verwendet, in der lateinischen Dichtung von Horaz aufgenommen, bei dem es die häufigste Odenform ist. Ein Beispiel[1]:
- A̱nteha̱c nefa̱s, de̱ | pro̱mere Ca̱ecubu̱m
- ce̱lli̱s avi̱ti̱s, | du̱m Capito̱lio̱
- Re̱gi̱na de̱me̱nti̱s rui̱na̱s
- fu̱nus et I̱mperio̱ para̱ba̱t.
Die alkäische Strophe wurde im Deutschen erstmals von Harsdörffer 1644 verwendet und nach ihm von Klopstock (An meine Freunde, An Fanny), Hölty, Platen und vor allem von Friedrich Hölderlin (An die Parzen, Der Main) nachgebildet, hier ein Beispiel aus Hölderlins Abendphantasie[2]:
- Vor se̱iner Hü̱tte ru̱hig im Scha̱tten si̱tzt
- Der Pflü̱ger, de̱m Genü̱gsamen ra̱ucht sein He̱rd.
- Gastfre̱undlich tö̱nt dem Wa̱ndere̱r im
- Fri̱edlichen Do̱rfe die A̱bendglo̱cke.
Im 20. Jahrhundert wurde die Strophenform unter anderen von Rudolf Alexander Schröder, Josef Weinheber und Friedrich Georg Jünger gewählt[3]:
- Es i̱st, als o̱b ein Wo̱rt noch, ein E̱cho hi̱er
- mir fo̱lgt, als o̱b der schwe̱igende Wa̱ld den Kla̱ng
- der Sti̱mme hi̱elte, di̱e doch la̱ng schon,
- la̱ng schon im flü̱sternden Wi̱nd verga̱ngen.
In der italienischen Dichtung wurde die alkäische Strophe von Gabriello Chiabrera (1552–1638) erneuert und nach ihm von Paolo Antonio Rolli (1687–1765), Giovanni Fantoni (1755–1807) und anderen verwendet. In England gab es Versuche von Tennyson (O mighty-mouth’d inventor of harmonies) und von Swinburne.
Literatur
- Sandro Boldrini: Prosodie und Metrik der Römer. Teubner, Stuttgart & Leipzig 1999, ISBN 3-519-07443-5, S. 156.
- Ivo Braak: Poetik in Stichworten. 8. Aufl. Bornträger, Stuttgart 2001, ISBN 3-443-03109-9, S. 140.
- Emil Brocks: Das Fortleben der alkäische Strophe im lateinischen Kirchenlied des Mittelalters und in der neueren deutschen Dichtung. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 13 (1925), S. 363–382.
- Orazio Francabandera: Contributo alla storia dell'alcaica. Bari 1928.
- Otto Knörrich: Lexikon lyrischer Formen. 2. Aufl. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-47902-8, S. 6f.
- Dieter Schaller: Der alkäische Hendekasyllabus im frühen Mittelalter. In: Mittellateinisches Jahrbuch Bd. 19 (1984), S. 73–90.
- R. A. Swanson, J. W. Halporn, T.V.F. Brogan: Alcaic. In: Roland Greene, Stephen Cushman et al. (Hrsg.): The Princeton Encyclopedia of Poetry and Poetics. 4. Auflage. Princeton University Press, Princeton 2012, ISBN 978-0-691-13334-8, S. 31 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. 8. Auflage. Kröner, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-520-84601-3, S. 10.