Benutzer:DKrieger/V2-Werk

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Heeresabnahmestelle Oberraderach[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

A4 beim einem Start, Peenemünde

Im Nordwesten von Friedrichshafen wurde während des 2. Weltkriegs die Heeresabnahmestelle Oberraderach errichtet. Die Anlage erstreckte sich über die Gemarkungen Friedrichshafen, Kluftern und Raderach, das bis zur Eingemeindung 1971 noch zu Markdorf gehörte. Die Lage war zwischen den Drumlins Weiherberg, Balkenrain, Herrenstöcke und Mittelberg so gewählt, dass das Werk von außen nicht eingesehen werden konnte. Es unterlag einer strengen Geheimhaltung. Der Deckname für die Heeresabnahmestelle war Werk Porzellan[1] und/oder Observatorium Raderach[2].

Die in der Umgebung nach den Krieg als V2–Werk bekannte Anlage diente der Prüfung und Abnahme von Raketentriebwerken. Im Laufe des Kriegers wurden hier auch Raketenteile produziert.

Auf dem Gelände des Entsorgungszentrums Weiherberg und in dessen Umgebung sind noch heute Reste der ehemaligen Heeresabnahmestelle zu finden.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

47° 41′ 57,7″ N, 9° 26′ 8,7″ O
47° 41′ 58,3″ N, 9° 26′ 11,1″ O

Auf dem Gelände der Heeresabnahmestelle Oberraderach wurden von der Luftschiffbau Zeppelin während des 2. Weltkriegs Triebwerke für die Rakete A4 (Aggregat 4), von der nationalsozialistischen Propaganda V 2 (Vergeltungswaffe 2) bezeichnet, eingestellt, getestet und abgenommen[1]. Die ehemalige Hauptzufahrt erfolgte von Osten im Bereich der Verwaltung. Teile der aus Betonplatten gefertigten Zufahrt sind noch heute gut ab dem Bereich der Kreisstraße K 7742 erhalten.

Am Dienstag nach Ostern 1942 wurde begonnen, das Gelände im Bereich der Drumlins Weiherberg, Balkenrain und Mittelberg einzuzäunen[3], die Besitzer der betroffenen Grundstücke waren im Vorfeld zum Verkauf gezwungen worden[4].

Dann wurden auf dem Gelände ein omegaförmiges Messhaus wie in Peenemünde, Prüfstände für die Triebwerke, Kühlanlagen, Pumpwerk, Wasserspeicher, Lager, Heizwerk, Werkstätten, Unterkünfte, Luftschutzstollen usw. errichtet.

In Werkstätten, deren Lage heute nicht mehr sicher angegeben werden kann, wurden Teile für die A4 und Feststoffraketen der Kaliber 15 und 21 Zentimeter für die Wehrmacht gefertigt.

Die Heeresabnahmestelle war direkt an die Teuringertal-Bahn angeschlossen. Teile der Bahntrasse sind heute noch im Gelände zu erkennen.

Die Prüfeinrichtungen wurde von Mitte November 1943 bis Mitte Januar 1944 betrieben[1]. Nach allierten Bombenangriffen wurde Teile der Anlage nach Saalfeld (Thüringen) und nach Attnang-Puchheim (Österreich) verlagert[1].

Umspannwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

47° 41′ 53,1″ N, 9° 26′ 3,5″ O Die Anlagen wurden über ein 60 KV-Umspannwerk mit Strom versorgt.[5] Ruinen des Umspannwerks, also Fundamente, Wandreste und Kabelkanäle sind noch heute gut im Gelände zu erkennen. Da Umspannwerk selbst wurde über eine eigens errichtete Hochspannungsleitung, die südwestlich an Oberraderach (heute Raderach) vorbei lief, versorgt.

Sauerstoffwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

47° 42′ 0,1″ N, 9° 25′ 53,4″ O

Reste des Sauerstoffwerks

Da die Triebwerke mit Sauerstoff und Alkohol betrieben wurden, wurde ein Sauerstoffwerk errichtet, das etwa 50 Tonnen flüssigen Sauerstoff pro Tag erzeugen konnte. Vermutlich wurde die Anlage aber nicht mit voller Leistung betrieben. Die Erzeugung von flüssigem Sauerstoff lief auch nach Einstellung des Prüfbetriebs und den Bombenangriffen weiter. Der Flüssigsauerstoff wurde dann in isolierten Waggons nach Stettin (vermutlich für Peenemünde), nach Linz (für Attnang-Puchheim) und nach Halle (für Saalfeld) geliefert. Pro Waggon konnten 31 Tonnen Sauerstoff geladen werden[1]. Reste des Sauerstoffwerks sind noch heute an der alten Bahntrasse der Teuringertal-Bahn nördlich des Entsorgungszentrums Weiherberg zu sehen.

Der Alkohol wurde in eingegrabenen Tanks, wahrscheinlich im Bereich des Mittelbergs, gelagert[6]

Prüfstände[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

47° 41′ 36,2″ N, 9° 25′ 57,8″ O
47° 41′ 40,7″ N, 9° 26′ 2,9″ O

Durch Sprengung verlagerte Reste eines Prüfstandes

Auf Versuchstürmen wurden die Triebwerke einer sogenannten heißen Prüfung unterzogen. Von Türmen wurden nur Prüfstand 1 komplett fertiggestellt. Auf Grund des Kreigsverlaufs wurde die Produktion der Raketen in bombensichere Fabriken verlagert und in der Folge Teile der technischen Ausrüstung demontiert. Die verbleibenden Teile wurden nach dem Krieg untersucht und dann gesprengt.[1][2]Von zwei Prüfständen sind noch Trümmerreste zu finden, welche durch die Sprengung verlagert wurden. Die Überreste des dritten heißen Prüfstandes wurden beim Bau der Deponie Weiherberg entfernt. Die Prüfstände waren dafür vorgesehen, komplett montierte Raketen zu testen. Dazu ist es aber nie gekommen. Ein vierter Prüfstand ohne Verbrennung wurde offenbar nur zeitweise betrieben und aufgegeben, da die Ergebnisse ohne den Gegendruck der Verbrennung nicht verwertbar waren[1]. Auf dem Prüffeld befanden sich auch weitere Prüfeinrichtungen für Pumpen und ähnliche Aggregate.

Kühlwasserspeicher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um die Prüfstände während der "heißen Prüfung" zu kühlen, wurde eine Wasserleitung vom Bodensee bei Manzell auf den Mittelberg gezogen[5]. Auf dem Mittelberg wurde das Kühlwasser in zwei Speichern vorgehalten. Für einen heißen Test wurden etwa 400 Kubikmeter Wasser benötigt. Von den Speichern sind keine Reste mehr erhalten. Der Standort lässt sich aber noch im Wald erkennen. Der zugehörige hölzerne Kühlturm ist nicht erhalten. Sein ehemaliger Standort wurde bei Errichtung der Deponie überbaut.

Luftschutzstollen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

47° 42′ 1″ N, 9° 26′ 10,1″ O
47° 42′ 2,8″ N, 9° 26′ 3″ O Reste von drei aus Halbschalen zusammengesetzten Luftschutzstollen finden sich auf und im Drumlin Balkenrain. Die Stollen trafen sich in einem unterirdischen Raum unweit der heutigen Kreisstraße K 7742. Von diesem Raum führt ein Luftschacht nach oben, der heute noch mannshoch aus dem Waldboden ragt. Der Luftschacht hat auf etwa halber Höhe einen horizontalen Versatz. Durch den Versatz war es nicht möglich Sprengmittel bis auf das Niveau des Raumes und der Stollen zu werfen. Grabenförmige Vertiefungen im Gelände zeigen an, wo die Sprengung der Stollen erfolgreich war.

KZ-Außenlager[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

47° 41′ 53,7″ N, 9° 26′ 11,6″ O
Für den Bau und den Betrieb der Abnahmestelle wurden auch Zwangsarbeiter aus dem KZ Dachau eingesetzt[7]. Sie waren im KZ-Außenlager Friedrichshafen untergebracht. Bis zu 300  Häftlinge waren zur Arbeit in der Heeresabnahmestelle abgeordnet. Ihre Unterkünfte befanden sich im Bereich der Wiesen und des Biotops nördlich der Raderacher Schrebergartenanlage lag. Teile des ehemaligen Lagers liegen wahrscheinlich unter der Kreisstraße K 7742. Reste sind nicht mehr zu erkennen.

Bombardierung 1944[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bombentrichter

Am 16. August 1944 wurde das Werk bombardiert und teilweise beschädigt, war aber - zumindest in Teilen - bis September in Betrieb. Im Januar 1945 wurde es aufgegeben und im Mai 1945 von französischen Truppen besetzt.

Nach den Krieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vom 9. bis zum 17. Mai 1945 kam der französische Professor Henri Moureu mit Oberingenier H.P. Chovin nach Oberraderach. Moreau war Leiter des Pariser Polizeilabors und wurde im Auftrag des Kriegsministers geschickt, um die Anlage zu erkunden. Die Ergebnisse des Besuchs, die auf eigenen Beobachtungen und den Aussagen zweier Kriegsgefangener beruht, wurden im Bericht Über die Versuchsstation Oberraderach zur Prüfung und Abnahme der "V2", Bericht von H. H. Moreau und H. P. Chovin, 25. Mai 1945 zusammengefasst. Bei den Kriegsgefangenen handelte es sich um einen ehemaligen Direktor der Station (sic) und um einen Regierungsbaurat, der an der Errichtung der Anlage mitgewirkt hatte.

In der Folge wurden die brauchbaren Anlagenteile demontiert und nach Frankreich, bzw. später nach Algerien, geschafft und bildeten einen Grundstock der französischen Raketenforschung. Unterlagen aus dieser Zeit lässt sich entnehmen, dass die Franzosen, wie von Moreau empfohlen, auch ehemals in der Anlage beschäftigte Wehrmachtsangehörige angeworben haben. Die Delegation bewertete die Anlagenteile und empfahl Teile der Anlage abzubauen und in Frankreich neu zu errichten[1].

Nach dem Krieg nutzte die französische Armee das Gelände als Truppenübungsplatz. Reste, beispielsweise abfefeuerte Platzpatronen und Verpackungen, finden sich noch heute im Gelände.

Quellen und Verweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Heeresabnahmestelle Oberraderach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Private Dokumentation zum V2-Werk

  1. a b c d e f g h Über die Versuchsstation Oberraderach zur Prüfung und Abnahme der "V2", Polizeipräsidium Stadtisches Labor Paris, Bericht von H. H. Moreau und H. P. Chovin, 25. Mai 1945
  2. a b Die Heeres Prüf– und Abnahmestelle Oberraderach 1942-45, Thomas Kliebenschedel, Druckversion 2.2, 2005
  3. Aussage des Zeitzeugen S. Nüssle, Raderach
  4. [1] Informationstafel zum V2–Werk, Stadt Friedrichshafen
  5. a b Besuchsbericht Raderach Oktober 1946, Goertz, Lang, Hüttenberger
  6. Vertiefte Historische Erkundung des ehemaligen V2–Geländes in Friedrichshafen-Raderach, Institut für Hydrogeologie und Umweltgeologie, 15. Oktober 1997
  7. [2] Informationstafel zur V2 Fertigung und den Zwangsarbeitern, Stadt Friedrichshafen