Benutzer:WolfgangRieger/Antike Götter im europäischen Mittelalter und in der Neuzeit

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Rezeption der antiken Götter im europäischen Mittelalter und in der Neuzeit

Die Auffassung, dass die antiken Götter im Mittelalter völlig an den Rand gedrängt waren und erst die Renaissance eine Auferstehung mit einem direkten Rückgriff auf die antike Überlieferung bedeutete, wird von der Forschung inzwischen abgelehnt. Vielmehr wird die Kontinuität der Überlieferung über die Spätantike und durch das gesamte Mittelalter hindurch betont. Auch wird betont, dass vieles, was speziell in der Kunst der Renaissance uns als völlig neu erscheint, tatsächlich unter der Oberfläche sich stark auf die mittelalterliche Rezeption bezieht. Nur die Unkenntnis der mittelalterlichen Bildsprache lässt die Bilder der Renaissance dem oberflächliche als etwas ganz Neues erscsheinen. (Seznec 5f)

Vorbereitung in der Antike[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der römische Staatsgott Iuppiter, jene Götter, denen die Christen unter Decius zu opfern gezwungen werden sollte, diese Götter hatten im christlichen Mittelalter selbstverständlich keine Platz. Wie konnte es aber sein, dass sie dennoch fortlebten?

Die Voraussetzung dafür wurden bereits in der Antike geschaffen, indem die antiken Mythographen die Götter und den Mythos in unterschiedlicher Weise neu interpretierten. Cicero fasste die drei wichtigsten Interpretationen in seiner Schrift De natura deorum etwa folgendermaßen zusammen:

  • Mythen als entstellte Berichte von historischen Ereignissen bzw. Personen
  • Götter sind Personifikationen von Naturkräften
  • Mythen sind allegorische Geschichten zur Darstellung philosophischer oder moralische Konzepte

Für die erste Form der Uminterpretation war ein zu Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr. erschienener utopischer Reiseroman des Euhemeros sehr einflussreich. In seiner Erzählung „Heilige Schrift“ (Hiera anagraphe) findet der Reisende auf der fiktiven Insel Panchaia heraus, dass Uranos, Kronos und Zeus tatsächlich tugendhafte Könige einer sagenhaften Vorzeit waren, und wegen ihrer besonders weisen und wohltätigen Regierung schließlich göttliche Verehrung fanden.

Als zeitgenössische Beispiele solcher Vergöttlichung hatte der antike Mensch Alexander den Großen, dessen Nachfolger, die in die Rolle göttlicher Pharaonen geschlüpften Könige der Ptolemäer und selbstverständlich die vergöttlichten römischen Kaiser (divus Caesar) vor Augen. Dementsprechend fragt Cicero schließlich rhetorisch „Ist nicht fast der ganze Himmel […] vom menschlichen Geschlecht erfüllt?“ [1]

Diese Sicht wurde von den christlichen Apologeten gerne aufgegriffen und zur Waffe gegen die Heiden gewendet. Clemens von Alexandria sagt zum Beispiel: „Die, vor denen ihr euch niederwerft, waren einst nur Menschen wie ihr.“ [2] Und diese aus dem Kampf gegen das Heidentum stammende euhemeristische Uminterpretation bleibt das ganze Mittelalter hindurch lebendig und schützt die antike Götter, die durch ihren jetzt menschlichen Ursprung für den Christen nicht mehr bedenklich sein müssen.[3]

In der Folge wandelt sich der Euhemerismus und wird zur chronologischen Forschung, die sich vor allem darum bemüht, die Chronologie der biblischen Ereignisse mit den Eckdaten der heidnischen Mythologie in Beziehung zu setzen. So Eusebius von Caesarea in seiner Chronik, Paulus Orosius' Historiarum adversum paganos und schließlich Isidor von Sevilla im Kapitel De diis gentium seiner Etymologiae [4], in dem er die Götter und Helden der Antike in seine sechs Weltalter einsortiert. Die Götter sind nun keine heidnischen Götzen mehr, sondern verdienstvolle Menschen der Vorzeit. „Und mit einem Platz in der Geschichte gewinnen die Götter zugleich ein neues Prestige,“ schreibt Seznec.[5]


  • Warum konnten die heidnischen Götter in einer christlichen Welt (Mittelalter) unangefochten fortexistieren?
  • Existierten sie fort? Oder war der Jupiter des Mittelalters etwas völlig anderes als der Iuppiter der Antike?
  • Was war das Neue in der Renaissance? Darstellung sinnenfroher Szenen (Bsp: Corregio: Antiope, Tizian: Ariadne; s. Seznec 5)

Wissenschaftliche Bearbeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Warburg Institute (Erwin Panofsky, Fritz Saxl, Jean Seznec)

Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich von Bezold: Das Fortleben der antiken Götter im mittelalterlichen Humanismus. Schroeder, Bonn 1922. Neudruck: Zeller, Aalen 1962
  • Alma Frey-Sallmann: Aus dem Nachleben antiker Göttergestalten. Die antiken Gottheiten in der Bildbeschreibung des Mittelalters und der italienischen Frührenaissance. Das Erbe der Alten, 2. Reihe, Bd. 19. Dieterich, Leipzig 1931
  • Erwin Panofsky, Fritz Saxl: Classical Mythology in Mediaeval Art. In: Metropolitan Museum Studies Bd. 4, Nr. 2 (März 1933), S. 228-280
  • Jean Seznec: La survivance des dieux antiques. Essai sur le rôle de la tradition mythologique dans l’humanisme et dans l’art de la Renaissance. Studies of the Warburg Institute, 11. The Warburg Institute, London 1940. Deutsche Ausgabe: Das Fortleben der antiken Götter. Die mythologische Tradition im Humanismus und in der Kunst der Renaissance. Fink, München 1990, ISBN 3-7705-2632-5

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Cicero Tusculanen 1,12-13
  2. Clemens von Alexandria Cohortatio ad gentes in: Patrologia graeca VII, col. 152
  3. Seznec 15
  4. Isidor von Sevilla Etymologiae VII,2
  5. Seznec 16

Kategorie:Mythologie