Bremsflüssigkeit

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Bremsflüssigkeit bei einer Scheibenbremse eines Motorrads (Entlüftungswartungsarbeit)

Bremsflüssigkeit ist eine Hydraulikflüssigkeit, die in der hydraulischen Übertragungseinrichtung von Fahrzeugbremsen und Kupplungen verwendet wird. Insbesondere versteht man hierunter die Flüssigkeiten auf Polyglykol-Basis. Die von manchen Fahrzeugherstellern (beispielsweise bei früheren Modellen von Citroën mit Zentralhydraulik) in der Bremsanlage verwendeten Hydraulikflüssigkeiten auf Mineralölbasis werden üblicherweise nicht als Bremsflüssigkeit bezeichnet, schon allein um eine gefährliche Verwechslung zu vermeiden.

Grundlagen und Spezifikation

Bremsflüssigkeiten bestehen in der Regel hauptsächlich aus Polyglykolverbindungen (vor allem den Monomethylethern und Mono-n-butylethern des Triethylenglykols und des Pentaethylenglykols, zudem geringen Anteilen Diethylenglykol) sowie weiteren Bestandteilen (beispielsweise Korrosionsschutzmitteln) in geringerer Konzentration. Seltener und in Spezialfällen (Oldtimer, Armee, Fahrräder usw.) kommen Silikonflüssigkeiten und Mineralöle zum Einsatz.

Der Siedepunkt beschreibt die Eigenschaft der versiegelten, neuen Bremsflüssigkeit.

Der Nasssiedepunkt wird nach Zumischung von ca. 3,5 % Wasser gemessen und beschreibt die Eigenschaft der auf Polyglykolen basierenden Bremsflüssigkeiten am Ende des Lebenszyklus. Während der Benutzung wird der beschriebene Temperaturbereich vom Siedepunkt bis zum Nasssiedepunkt beschritten.

Das United States Department of Transportation (DOT) beschreibt im Standard Nummer 116 Minimalanforderungen an Bremsflüssigkeiten in drei Klassen (DOT 3, DOT 4, DOT 5).[1] DOT 5 wird weiter unterschieden in DOT 5 Silikonbasis und DOT 5.1 Nicht-Silikonbasis (Glykolbasis).[1]

Mindestwerte[1][2]
Parameter DOT 3 DOT 4 DOT 4 LV DOT 5
Siedetemperatur [°C] ≥ 205 ≥ 230 ≥ 250 ≥ 260
Nasssiedepunkt [°C] ≥ 140 ≥ 155 ≥ 165 ≥ 180
Viskosität bei 100 °C [mm²/s] ≥ 1,5 ≥ 1,5 n. b. ≥ 1,5
Kälteviskosität bei −40 °C [mm²/s] ≤ 1500 ≤ 1800 ≤ 750 ≤ 900

Schadensbilder durch Wasseraufnahme

Bremsflüssigkeitsbehälter (oben) und Hauptbremszylinder (unten) in einem Škoda Fabia I

Bremsflüssigkeit ist hygroskopisch, das heißt, sie nimmt – beispielsweise aus der Luft (Luftfeuchtigkeit) – Wasser auf. Oft wird das Wasseraufnahmevermögen als Nachteil der Bremsflüssigkeiten angegeben, doch ist dieses Verhalten der Flüssigkeit notwendig, um sicherzustellen, dass niemals Wasser in Tropfenform im Bremssystem vorliegt: Das aufgenommene Wasser wird vollständig gelöst und somit eine Tropfenbildung verhindert. Freie Wassertropfen führen zu örtlicher Korrosion. Auch würden freie Wassertropfen bei etwa 100 °C verdampfen und die so entstehenden Dampfblasen, da sie kompressibel sind, einen sofortigen Totalausfall der Bremsanlage zur Folge haben. Des Weiteren würden freie Wassertropfen bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt zu Eis erstarren und die Bremsleitungen durch die Volumenvergrößerung gegebenenfalls zusetzen.

Bremsversagen

Der Siedepunkt der Bremsflüssigkeit muss stets ausreichend hoch sein, um Blasenbildung bei Erhitzung zu vermeiden. Aufgenommenes Wasser senkt den Siedepunkt der Bremsflüssigkeit.

Ein zu hoher Wasseranteil (> 3 %) kann bei zu starker Erhitzung der Bremsflüssigkeit zum Ausfall der Bremsanlage führen. Wenn der Siedepunkt erreicht ist und das Bremspedal kurz losgelassen wird, bilden sich Dampfblasen, welche die Bremsflüssigkeit aus den Leitungen zurück in den Ausgleichsbehälter drücken. Beim nächsten Betätigen des Pedals wird dann zuerst die Dampfblase im System komprimiert, ohne Bremsdruck und damit Bremswirkung zu erzeugen, was sich in einem „Durchfallen“ des Bremspedals äußert (das Bremspedal kann teilweise bis zum Bodenblech durchgedrückt werden).

Durch wiederholtes und schnelles Nachtreten des Pedals kann die Bremswirkung zumindest teilweise wiederhergestellt werden. Ein Tandem-Hauptbremszylinder, der in sehr vielen handelsüblichen Fahrzeugen verbaut wird, ist konstruktiv so gestaltet, dass durch die Nachlaufbohrung eine Umströmung der Manschette ermöglicht wird und somit die Bremsflüssigkeit aus dem Ausgleichsbehälter nachgepumpt werden kann. Infolgedessen wird der Expansionsraum der Dampfblasen wieder verringert und die notwendige Bremskraft zur Verzögerung kann sukzessive wieder aufgebaut werden.

Korrosion

In der Bremsflüssigkeit gelöstes Wasser fördert die Korrosion innerhalb der Bremsanlage, ganz besonders zwischen Bremskolben und Bremszylindern. Durch Lochfraß wird die Oberfläche des Bremszylinders beschädigt, so dass die Dichtmanschetten der Bremskolben nicht mehr 100 % abdichten können. Austretende Bremsflüssigkeit gelangt so auf die Bremsbeläge und führt zu einem drastischen Verlust der Bremswirkung. Im Endstadium klemmen die betroffenen Bremskolben in den Zylindern und die Bremse geht fest.

Bremsflüssigkeit ist gesundheitsschädlich und reizt Haut und Augen (meist mit den H-Sätzen H302 und H319 gekennzeichnet). Beim Umgang mit ihr sind Schutzhandschuhe und Schutzbrille zu tragen. Weiterhin kann Bremsflüssigkeit verschiedene Materialien angreifen, und deshalb sollten Flecken auf Lack, Stoßstange, Kunststoffteilen und Reifen sofort mit reichlich Wasser entfernt werden. Verbrauchte Bremsflüssigkeit gehört in den Sondermüll.

Bremsflüssigkeiten enthalten den Normen entsprechend einen Anteil an Korrosionsschutzmittel, das jedoch bei einem Wasseranteil von über 3 % ebenso schlecht wirkt wie die Bremsflüssigkeit selbst.

Wartung

Die Siedetemperatur von Bremsflüssigkeiten kann in Werkstätten gemessen werden. Da der Wasseranteil aufgrund der Hygroskopie mit der Zeit steigt, sehen viele Wartungspläne aus Sicherheitsgründen alle zwei Jahre den kompletten Austausch der Bremsflüssigkeit vor, unabhängig von der Benutzung des Fahrzeugs und dem tatsächlichen Wasseranteil.

Mischen von Bremsflüssigkeit

Das Mischen von DOT-3- und DOT-4-Bremsflüssigkeit ist möglich, aber generell sollte die Bremsflüssigkeit in das Bremssystem eingefüllt werden, welche auf dem Deckel des Ausgleichsbehälters spezifiziert ist oder für die eine Freigabe des Fahrzeugherstellers vorliegt.

Um eine zu DOT 3 und DOT 4 kompatible Bremsflüssigkeit mit DOT-5-Spezifikationen zu erhalten, wurde die Bremsflüssigkeit DOT 5.1 auf Glykolbasis entwickelt. DOT-5-Bremsflüssigkeit (Silikonbasis) darf mit keiner Bremsflüssigkeit eines anderen Typs gemischt werden. Jedoch ist es kein Problem, DOT 3 bzw. DOT 4 mit DOT 5.1 zu mischen, allerdings verändern sich dadurch die Siedepunkte, was berücksichtigt werden muss.

Die DOT-5.1-Bremsflüssigkeit zeichnet sich einerseits dadurch aus, dass der Siedepunkt mit der Wasseraufnahme weniger stark sinkt (d. h. der Nass-Siedepunkt liegt höher, dadurch werden längere Wartungsintervalle ermöglicht). Andererseits weist diese Bremsflüssigkeit bei tiefen Temperaturen eine niedrigere Viskosität auf, was Performancevorteile bei aktiven Druckaufbauten in Fahrdynamikregelsystemen bietet, wodurch sie auch eher Verwendung in Fahrzeugen mit ABS, ASR, ESP und DTC findet.

Ferner sollte beachtet werden, dass beim Vermischen der Bremsflüssigkeit für die Aufrechterhaltung der Betriebssicherheit schnellstens ein Bremsflüssigkeitswechsel folgt. Hierbei sollte dann wieder die vom Fahrzeughersteller freigegebene Bremsflüssigkeit verwendet werden. Oftmals werden auch Bremsflüssigkeiten aus dem Motorsport verwendet, die jedoch unter den rennsportlichen Bedingungen nach jedem Einsatz gewechselt werden sollten. Weiterhin wird die zu verwendende Spezifikation der Bremsflüssigkeit oft nur unzureichend im Serviceheft oder auf dem Behälterdeckel aufgeführt.

Speziell bei der Mischung von Bremsflüssigkeiten mit Bremsflüssigkeiten auf Mineralölbasis können Dichtungen im Bremssystem beschädigt werden.

Spezielle Bremsflüssigkeiten im Motorsport

Für den Einsatzbereich im Motorrennsport bieten einige Hersteller Flüssigkeiten mit einem Siedepunkt von über 300 °C an, so beispielsweise die Firmen AP und Ferodo (unter der Verkaufsbezeichnung Ferodo Super Formula Bremsflüssigkeit). Diese sind jedoch nicht für den öffentlichen Straßenverkehr vorgesehen, da sie stark hygroskopisch sind und die Flüssigkeiten teils nach jedem Renneinsatz getauscht werden müssen.

Literatur

  • Hans-Hermann Braess, Ulrich Seiffert: Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. 2. Auflage, Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden 2001, ISBN 3-528-13114-4.
  • Karl-Heinz Dietsche, Thomas Jäger, Robert Bosch GmbH: Kraftfahrtechnisches Taschenbuch. 25. Auflage, Friedr. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3528238763.

Einzelnachweise

  1. a b c Part 571.116: Standard No. 116; Motor vehicle brake fluids.
  2. Erhältliche Produkte überschreiten diese Mindestanforderungen teilweise deutlich.