Carrageen

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Carrageen (englisch Carrageenan) ist die Sammelbezeichnung einer Gruppe langkettiger Kohlenhydrate, die in Rotalgenzellen vorkommen.

Es handelt sich um lineare, anionische Hydrokolloide, die sich nach chemischer Struktur unterscheiden lassen und unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Diese verschiedenen Typen unterscheiden sich durch den Anteil an Galactose und 3,6-Anhydrogalactose sowie über die Anzahl an Sulfatgruppen. Von kommerzieller Bedeutung sind κ-, ι- und λ-Carrageen.

Herstellung

Knorpeltang (Chondrus crispus), Algenart zur Carrageenherstellung

Zur Herstellung von Carrageen aus Rotalgen werden die Algen gewaschen und in alkalischer Lösung gekocht. Dieser Prozess kann bis zu 48 Stunden dauern, da dadurch noch gewisse Vorstufen des Carrageens (μ- und ν-Carrageen) in κ- und ι-Carrageen umgewandelt werden und so die funktionelle Wirkung verstärken. Dann wird die Lösung filtriert, um die restlichen Algenbestandteile zu entfernen. Zur Gewinnung des Carrageens aus der Lösung wird das Carrageen entweder mittels Alkohol ausgefällt oder mittels Kaliumchlorid geliert und dann abgepresst. Das gewonnene Carrageen wird anschließend getrocknet und vermahlen. Als Algenquellen finden vor allem Chondrus-, Eucheuma- und Gigartinaspezies Verwendung. Ein Großteil der Algen wird mittlerweile in Algenfarmen auf den Philippinen gewonnen, hier finden vor allem die Arten Eucheuma spinosum und Eucheuma cottonii Verwendung, da aus diesen Arten besonders reine Carrageentypen gewonnen werden können.

Typen

Struktur verschiedener Carrageentypen

Auch wenn hauptsächlich κ-, ι- und λ-Carrageen von kommerziellem Interesse sind, kommen in den Algen auch andere Typen vor. Zwei Typen sind μ- und ν-Carrageen, die Vorstufen zu κ- und ι-Carrageen sind und bei der Extraktion in diese umgewandelt werden. Der Anteil der Carrageentypen im fertigen Carrageen ist von der verwendeten Algenart und von dem Herstellungsprozess abhängig. Bei kommerziellen Carrageenen handelt es sich nie um reine einzelne Typen.

κ-Carrageen

κ-Carrageen geliert mit Kalium-Ionen zu einem festen und spröden und mit Calcium-Ionen zu einem festen, elastischen und synäresearmen Gel. Es ist nur als Natriumsalz in kaltem Wasser löslich. Als Calcium- oder Kaliumsalz werden deutlich höhere Temperaturen benötigt, um das Carrageen vollständig zu lösen. Bei der Abkühlung geht das Carrageen von der Knäuelform in eine Helixstruktur über. Bei weiterer Abkühlung kommt es unter Wechselwirkung mit den Calcium- oder Kaliumionen zur Zusammenlagerung der Helices und dadurch zur Ausbildung eines Netzwerkes.

κ-Carrageen besitzt zudem eine hohe Milchreaktivität. Aus diesem Grund reichen bereits geringe Mengen Carrageen aus, um Schokoladen- / Kakaogetränke zu stabilisieren und einen Absatz der Kakaopartikel zu verhindern. Diese Milchreaktivität ist auf Wechselwirkungen des negativ geladenen Hydrokolloids mit bestimmten Teilen des Casein zurückzuführen.

Unterhalb des isoelektrischen Punktes des Proteins verändert sich dessen Ladung, und das Carrageen wird von dem Protein ausgefällt.

Aus diesem Grund finden sich so gut wie keine sauren Milchprodukte, die mit Carrageen stabilisiert sind. Neben den Wechselwirkungen mit Milchprotein zeigt κ-Carrageen Synergismen mit Tara Gum, Johannisbrotkernmehl und Konjac Gum. Dabei kommt es im Allgemeinen zu einer Verstärkung der Gelstruktur und zu Schmelz- und Gelpunkten, die zu höheren Temperaturen verschoben sind.

ι-Carrageen

ι-Carrageen geliert mit Calcium und wird vielfach für Dressings oder weichere Gele eingesetzt. Auch ι-Carrageen ist nur als Natriumsalz kaltlöslich und benötigt als Calcium- oder Kaliumform ebenfalls höhere Temperaturen. Bei der Abkühlung der heißen Carrageenlösung kommt es (ähnlich wie beim κ-Carrageen) zur Helixbildung, wobei diese Helices über Calciumbrücken ein Netzwerk ausbilden.

λ-Carrageen

λ-Carrageen bildet keine Gele und ist sowohl kalt als auch heiß sehr gut löslich. Dieses Carrageen wird vielfach im Bereich der Instantprodukte eingesetzt, bei denen keine Erhitzung stattfinden soll. λ-Carrageen bildet keine Helixstrukturen beim Abkühlen aus.

Anwendungen

In der Lebensmittelindustrie wird Carrageen als Geliermittel für Schlankheits-Produkte und in Fleischwaren (z. B. Wurst), sowie als Verdickungsmittel in Marmeladen, Babynahrung, Milchprodukten, Milchshakes, Eiscreme und Desserts eingesetzt. Mit Hilfe von Carrageen können Trübungen in Weinen beseitigt werden.

In der EU ist es als Lebensmittelzusatzstoff und Dickungsmittel mit der Nummer E 407 zugelassen. Carrageen wird in der Kosmetikindustrie (Zahnpasta) verwendet. Nach der Europäischen Öko-Verordnung ist es für Bio-Lebensmittel zugelassen.

Gesundheit

Carrageen wurde von der FAO, der Weltgesundheitsorganisation und von der amerikanischen FDA als harmlos bewertet, aber eine erlaubte Tagesdosis von 75 mg je kg Körpergewicht (entspricht 75 ppm pro Tag) festgelegt.[1]

Im Tierversuch wurden Geschwürbildungen und Veränderungen im Immunsystem mit abgebautem Carrageen festgestellt.[2] Wenn Carrageen bei hohen Temperaturen und bei niedrigem pH-Wert temperiert wird, entsteht abgebautes Carrageen. Je länger die Erhitzung dauert, desto stärker wird das Carrageen abgebaut. Als Reaktion auf die Studie hat die EU ihre Verzehrempfehlung zu Carrageen von maximal 0–75 mg je kg Körpergewicht pro Tag um den Zusatz erweitert, dass in Lebensmitteln nicht mehr als 5 % der Molekülmasse des Carrageen unter 50 kDa liegen sollte.[3]

Carrageen wird vom Körper unverändert ausgeschieden und kann die Aufnahme anderer Lebensmittelinhaltsstoffe behindern. Es steht im Verdacht bei entsprechend veranlagten Menschen allergieähnliche Effekte hervorzurufen.[1]

2006[4] zeigte eine Studie eine deutliche, bisher nicht vollständig erklärte antivirale Aktivität gegen humane Papillomviren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können.

Einige Arbeiten zeigen, dass Carrageen indirekten Einfluss auf das Immunsystem des Körpers ausübt, indem es die Aktivität von Makrophagen kontrolliert.[5][6][7]

Literatur

  • Y. Uno, T. Omoto, Y. Goto, I. Asai, M. Nakamura, T. Maitani: Molecular weight distribution of carrageenans studies by a combined gel permeation/inductively coupled plasma (GPC/ICP) method. In: Food Additives and Contaminants. 18.2001, S. 763–772. London, ISSN 0265-203X

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Carrageen. Datenbank Zusatzstoffe, abgerufen 4. August 2009.
  2. J. K. Tobacman: Review of harmful gastrointestinal effects of carrageenan in animal experiments. In: Environ Health Perspect. Research Triangle Park NC 109.2001,10,983. PMC 1242073 (freier Volltext).
  3. Opinion of the Scientific Committee on Food on Carrageenan. (PDF; 160 kB) Wissenschaftlicher Lebensmittelausschuss der Europäischen Kommission, 5. März 2003.
  4. Christopher B. Buck, Cynthia D. Thompson, Jeffrey N. Roberts, Martin Müller, Douglas R. Lowy, John T. Schiller: Carrageenan is a potent inhibitor of papillomavirus infection. In: PLoS Pathogens. 2.2006,7, S. e69, doi:10.1371/journal.ppat.0020069, San Francisco.
  5. L.J Fidler et al.: Involvement of Macrophages in the Eradication of Established Metastases following Intravenous Injection of Liposomes Containing Macrophage Activators. In: Cancer Research, 42, 1982, S. 496-501.
  6. V M Rumjanek et al.: A re-evaluation of the role of macrophages in carrageenan-induced immunosuppression. In: Immunology, 1977 September, 33(3), S. 423–432, PMC 1445637 (freier Volltext).
  7. Phillip J. Catanzaro et al.: Spectrum and Possible Mechanism of Carrageenan Cytotoxicity. In: Am J Pathol, 1971 August, 64(2), S. 387–404, PMC 2047576 (freier Volltext).