Diskussion:Berliner Lokal-Anzeiger

Fraglich:

Zitat aus dem Artikel: „Am 30. Juli 1914 schrieb der Anzeiger Geschichte, indem er fälschlich über einen deutschen Teilmobilmachungsbefehl berichtete, was das Russische Reich veranlasste eine allgemeine Mobilmachung zu erklären. Das Deutsche Kaiserreich verlangte ultimativ die Rücknahme, was nicht geschah und dann zur Kriegserklärung an Russland führte ...“

Als Quelle werden die 1921 ersch. Geschichtstabellen des exilierten Ex-Kaisers genannt, ein ohne Frage apologetisches Werk, das nicht ohne Gegenprobe in anerkannter Forschungsliteratur über den Ausbruch des 1. Weltkrieges herangezogen werden sollte.

Die Geschichtstabellen gehören zu „des Kaisers eigenen, nach 1918 erschienenen Rechtfertigungsschriften“, die (ähnlich wie die Erinnerungen des Kronprinzen und eine Vielzahl anderer, Anfang der 20er Jahre publizierte Erinnerungsbücher ehemaliger Militärs und Höflinge) „einer kritiklosen Apologie des gestürzten Monarchen das Wort redeten“ (so Frank-Lothar Kroll, Wilhelm II. In: Ders. (Hrsg.), Preußens Herrscher. S. 290) und den Kriegsausbruch natürlich ganz einseitig darstellen. Der gestürzte Kaiser selbst charakterisierte sein Buch als einen Beitrag zur Widerlegung der „Schuldlüge“, so zitiert in Der Deutsche Kronprinz (1926 von Georg Freiherr von Eppstein publizierte Biographie, in welcher der Autor solche Rechtfertigungsliteratur zusammenträgt und ausgiebig daraus zitiert), S. 368.

Ob es diese Falschmeldung des Lokal-Anzeigers gab, ob sie tats. die russische Seite zur Gesamtmobilmachung veranlasste und, selbst wenn das stimmen sollte, ob sie nicht vllt. gerade in dieser Absicht von offiziellen Stellen lanciert worden war, da die russ. Mobilmachung ja im Interesse der deutschen Kriegspartei lag, kann anhand dieses Belegs aus den Geschichtstabellen Wilhelms II. nicht objektiv nachgewiesen werden. Ich habe jetzt mal auf die Schnelle bei Jürgen Angelow (Der Weg in die Urkatastrophe, bes. S. 28) und Volker Berghahn (Der Erste Weltkrieg, bes. S. 37) nachgesehen, da ist von einem solchen Auslöser nicht die Rede. Nachtrag: Bei Annika Mombauer (Die Julikrise, S. 27) wird der Lokal-Anzeiger einmal zitiert, allerdings mit einem Bericht über das Sarajewo-Attentat vom 29. Juni; die Falschmeldung vom 30. Juli kommt hier leider auch nicht vor.-Jordi (Diskussion) 14:33, 6. Jun. 2017 (CEST) Es braucht hier also eine Überprüfung.

--Jordi (Diskussion) 12:15, 8. Jun. 2014 (CEST)

Da das noch nicht weiter belegt ist und ich nichts mehr dazu gefunden habe, gelöscht.--Jordi (Diskussion) 21:07, 6. Apr. 2016 (CEST)

Mittlerweile einen Beleg für diese Episode abseits der wilheminischen Geschichtstabellen in einem Telegramm des bayerischen Militärdiplomaten Karl von Wenninger entdeckt, das in der bayerischen Dokumentensammlung zum Kriegsausbruch (hrsgg. 1925 von P. Dirr) abgedruckt ist.[1] Auch hier ist die Bewertung unklar (Wenninger ist unsicher, ob es sich um einen Irrtum oder eine von russischer Seite bewusst inszenierte Manipulation handelt; ebenso gut könnte es wie gesagt aber auch eine deutsche Manipulation gewesen sein). Da auch dies keine Forschungsliteratur, sondern nur eine Primärquelle ist, muss das aber bei diesem komplexen Thema wohl weiter draußen bleiben, weil eine seriöse Bewertung seitens der Geschichtsforschung fehlt. Immerhin ist nun belegbar, dass es diesen Vorfall tatsächlich gab.--Jordi (Diskussion) 01:19, 6. Jun. 2017 (CEST)

Nachtrag:

• Die Funke-Mediengruppe hat den Vorfall in einem Presseartikel über "Fake News" im Januar 2017 kurz erwähnt.[2]
• Kurt Koszyk hat 1969 einen Aufsatz darüber veröffentlicht: Vorgriff auf kommendes Unheil. Das berühmte Extrablatt d. „Berliner Lokal-Anzeigers“ vom 30. Juli 1914. In: Publik (Wochenzeitung), Jg. 2 (1969), Nr. 13 v. 28. März, S. 28.
• Sven Felix Kellerhoff behandelt die Falschmeldung in einem Artikel in der WELT vom 30. Juli 2014: Eine Falschmeldung zerstört das letzte Vertrauen.

Damit lässt sich die Episode glaube ich wieder einarbeiten.--Jordi (Diskussion) 01:32, 6. Jun. 2017 (CEST)

Erl., Koszyks Artikel liegt mir vor.--Jordi (Diskussion) 10:38, 15. Jul. 2019 (CEST)

Nchtr.: Auch Holger Böning erwähnt das "mysteriöse Extrablatt" 2015 in seiner Zusammenschau der Neuerscheinungen zum Jahrestag des Kriegsausbruchs (mit dem Hinweis, dass auch da nichts Neues zu dem Vorfall steht). Dementsprechend eingebaut.--Jordi (Diskussion) 10:35, 7. Jan. 2024 (CET)