Dorcadion

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Dorcadion

Dorcadion scopolii

Systematik
Ordnung: Käfer (Coleoptera)
Unterordnung: Polyphaga
Familie: Bockkäfer (Cerambycidae)
Unterfamilie: Weberböcke (Lamiinae)
Tribus: Dorcadionini
Gattung: Dorcadion
Wissenschaftlicher Name
Dorcadion
Dalman, 1817

Dorcadion ist eine Gattung der Bockkäfer aus der Unterfamilie der Weberböcke (Lamiinae). Untypisch für Bockkäfer, entwickeln sich die Larven nicht in lebendem oder totem Holz, sondern im Erdboden, wo sie an Wurzeln fressen. Sie werden daher, gemeinsam mit einer Reihe verwandter Gattungen der Tribus Dorcadionini[1] (alternativ Dorcadiini[2] genannt) als „Erdböcke“ oder „Grasböcke“ bezeichnet. Dorcadion gehört zu den artenreichsten Gattungen der Bockkäfer.

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dorcadion-Arten sind mittelgroße, gedrungen gebaute Bockkäfer, mit kräftigen Beinen und Antennen.[3] Der Kopf ist relativ groß und etwas nach vorn geneigt, mit keiner deutlichen Membran zwischen Labrum und Clypeus (Unterscheidungsmerkmal zu Neodorcadion). Die Fühler sind im Verhältnis zu anderen Bockkäfern eher kurz, aber kräftig, ihr erstes Glied meist länger als das dritte, ausnahmsweise aber manchmal auch kürzer, das dritte bis fünfte Glied vorn (apikal) oft etwas verdickt. Das erste Glied besitzt keinen Querkiel und nicht die dadurch abgegrenzte, halbmondförmige Fläche zahlreicher anderer Weberböcke. Die Komplexaugen sind relativ schmal, stark nierenförmig ausgerandet, mit kleinen Facetten. Das Pronotum ist quadratisch oder breiter als lang, es trägt auf jeder Seite einen markanten spitzen Höcker oder Tuberkel. Die Flügeldecken (Elytren) sind an der Flügeldeckennaht miteinander verwachsen, Hinterflügel sind zu schuppenförmigen Rudimenten verkürzt, die Käfer sind daher nicht flugfähig. Die Elytren sind an den Seiten mehr oder weniger abgerundet (nicht wie bei vielen anderen Weberböcken nach hinten gerade verschmälert), ihre Basis bedeckt nicht die Basis des Pronotum und ist nur wenig breiter als diese. Die Elytren sind bei fast allen Arten teilweise bedeckt von einer feinen, dichten Pubeszenz (tomentiert) und dadurch teilweise matt, oft mit glänzenden Längsstreifen, außerdem tragen sie zahlreiche aufrechte Haarborsten.[2][4]

Dorcadion ist sehr ähnlich zu den anderen Vertretern der Dorcadiini, deren Gattungen größtenteils früher als Untergattungen aufgefasst worden waren (Neodorcadion Ganglbauer, 1884, Iberodorcadion Breuning, 1943, Eodorcadion Breuning, 1947, Politodorcadion Danilevsky, 1996).

Verbreitung und Lebensraum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gattung Dorcadion ist paläarktisch verbreitet. Alle Arten leben in steppenartigen Habitaten, von Südosteuropa über Kleinasien, West und Zentral- bis Ostasien, wenige Arten nach Mitteleuropa und das westlichere Südeuropa ausstrahlend. Die meisten der zahlreichen Arten besitzen nur ein kleines Verbreitungsgebiet, sie sind oft Lokal-Endemiten einzelner Gebirge oder Landschaften, bei den häufigeren Arten lassen sich zudem oft mehrere lokal verbreitete Unterarten unterscheiden. Das Verbreitungszentrum der Gattung liegt in der Türkei, wo allein 192 Arten leben.[5] Nach Mitteleuropa dringen nur wenige Arten vor, die hier selten in besonders warmtrockenen (xerothermen) Habitaten leben.[6]

Alle Arten gelten als wurzelfressend im Larvenstadium. Über Spezialisierungen, etwa auf bestimmte Pflanzenarten, ist nichts bekannt. Wenige Arten wurden bei der Eiablage an Gräsern beobachtet oder, es wurden Larven an Graswurzeln fressend gefunden.[7] Die Imagines fressen an verschiedenen Pflanzen, meist Gräsern. Sie sollen angeblich sogar früher an Zuckerrübenfeldern Schäden verursacht haben.[8] Die Larven leben frei im Boden, in etwa 5 bis 15 Zentimeter Tiefe. Die Entwicklung ist zweijährig. Die Käfer metamorphisieren im Herbst und überwintern in den Puppenwiegen.[9]

Phylogenie, Taxonomie, Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit etwa 400 Arten gehört Dorcadion zu den fünf artenreichsten Gattungen der Bockkäfer (etwas mehr als ein Prozent von deren Gesamtartenzahl).[10] Dabei ist allerdings zu beachten, dass einige Käfersystematiker die Untergattungen von Dorcadion nun als eigenständige Gattungen auffassen, wodurch sich die Artenzahl stark vermindern würde.

Die Taxonomie der Gattung war lange Zeit verworren. Es wurden zahlreiche Arten und Unterarten beschrieben, in einigen Fällen wohl von Sammlern und Händlern, die ihre neu beschriebenen Formen gleich anderen Sammlern zum Kauf anboten.[11] Eine erste Revision durch den österreichischen Coleopterologen und Lamiinae-Experten Stefan von Breuning 1962[4] genügt den heutigen Anforderungen nicht mehr. Der russische Forscher Mikhail L. Danilevsky hat, gestützt auf die Struktur des Endophallus des Aedeagus 2004 eine Revision der Untergattungen vorgelegt[1], die weithin akzeptiert worden ist. Geringfügige Modifikationen wurden daran durch Özdikmen und Kaya 2015 vorgenommen.

Untergattungen:

  • Dorcadion Dalman, 1817 s. str.
  • Anatolodorcadion Özdikmen and Kaya, 2015
  • Carinatodorcadion Breuning, 1943
  • Cribridorcadion Pic 1901
  • Fusodorcadion Özdikmen and Kaya, 2015
  • Maculatodorcadion Breuning, 1942
  • Megalodorcadion Pesarini and Sabbadini, 1998

Nach einer genetischen Untersuchung ist die Gattung Dorcadion näher mit der Gattung Lamia (mit dem Weberbock Lamia textor) verwandt als mit Neodorcadion.[12]

Arten in Mitteleuropa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dorcadion (Carinatodorcadion) aethiops
Dorcadion (Cribridorcadion) holosericeum

Die Gattung fehlt in Deutschland und in der Schweiz. In Mitteleuropa kommen die folgenden Arten vor:

Untergattung Carinatodorcadion (syn. Dorcadodium)

  • Dorcadion aethiops (Scopoli, 1763). In Mitteleuropa Ungarn, Tschechien, Slowakei, Österreich (Niederösterreich, Burgenland, Steiermark). Außerdem Ost- und Südosteuropa.
  • Dorcadion fulvum (Scopoli, 1763) Braunroter Erdbock. In Mitteleuropa von Österreich (Burgenland und Niederösterreich[3]) über Tschechien bis Polen. Außerdem auf dem Balkan und in Osteuropa bis zum Dnjepr. Es werden vier Unterarten unterschieden[13], darunter die subsp. cervae Frivaldsky, 1892, die einige Autoren als eigenständige Art aufgefasst haben.

Untergattung Cribridorcadion (syn. Pedestredorcadion)

  • Dorcadion arenarium (Scopoli, 1763). Südosteuropa bis Österreich, Italien, Südfrankreich.[3] elf Unterarten.
  • Dorcadion decipiens Germar, 1824. Von Südosteuropa bis zur Slowakei
  • Dorcadion equestre (Laxmann, 1770). Osteuropa, westlich bis Polen
  • Dorcadion holosericeum Krynicki, 1832. Süd-Russland, Ukraine, Polen, Slowakei und Ungarn (hier fraglich)
  • Dorcadion pedestre (Poda, 1761), Rotbeiniger Erdbock. östliches Österreich (Steiermark, Burgenland, Niederösterreich), Tschechien, Slowakei.[3]
  • Dorcadion scopolii (Herbst, 1784) Südosteuropa, Ungarn, Polen, Tschechien (ausgestorben), Slowakei, Österreich

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Dorcadion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b M.L. Danilevsky, D.G. Kasatkin, A.A. Rubenyan (2004): Revision of the taxonomic structure of the tribe Dorcadionini (Coleoptera: Cerambycidae) on the base of endophallic morphology. Russian Entomological Journal 13 (3): 127-149.
  2. a b Hüseyin Özdikmen (2010): The Turkish Dorcadiini with zoogeographical remarks (Coleoptera: Cerambycidae: Lamiinae). Munis Entomology & Zoology 5 (2): 380-498.
  3. a b c d Bernhard Klausnitzer, Ulrich Klausnitzer, Ekkehard Wachmann, Zdeněk Hromádko: Die Bockkäfer Mitteleuropas. Die Neue Brehm-Bücherei 499, Band 2, 4. Auflage. VerlagsKG Wolf, Magdeburg 2018, ISBN 978-389432-864-1; S. 563.
  4. a b Stefan von Breuning (1962): Revision der Dorcadionini (Coleoptera Cerambycidae): Entomologische Abhandlungen und Berichte aus dem staatlichen Museum für Tierkunde Dreseden 27. 665 Seiten.
  5. Hüseyin Özdikmen (2016): Dorcadionini of Turkey (Coleoptera: Cerambycidae). Journal of Natural History 50 (37/38): 2399-2475. doi:10.1080/00222933.2016.1193653
  6. K.W. Harde: Cerambycidae. In H. Freude, K. W. Harde, G. A. Lohse: Die Käfer Mitteleuropas. Band 9. Goecke & Evers, Krefeld 1966 (Nachdruck Spektrum Akademischer Verlag, 1966, ISBN 3-8274-0683-8).
  7. Qiao Wang: Cerambycidae of the World: Biology and Pest Management. CRC Press, Boca Raton etc. 2017. ISBN 978 1 315313245. S. 90, 106.
  8. Herwig Teppner: Bestimmungstabelle mitteleuropäischer Lamiinae-Larven (Coleoplera, Cerambycidae) mit Bemerkungen zu deren Biologie. PDF
  9. C. von Demmelt (1978): Bestimmungstabelle für die Larven der Cerambycidae (partim). In B. Klausnitzer und S. Bilý: Ordnung Coleoptera. Larven. Bestimmungsbücher zur Bodenfauna Europas (Lieferung 10), Berlin 1978.
  10. R. Rossa & J. Goczał (2021): Global diversity and distribution of longhorn beetles (Coleoptera: Cerambycidae). European Zoological Journal 88 (1): 289-302. doi:10.1080/24750263.2021.1883129
  11. Siegfried Steiner (2003): Vorbereitende Untersuchungen zu einer Revision der Tribus Dorcadionini (Coleoptera: Cerambycidae: Lamiinae) in Griechenland : Teil 1. Acta entomologica slovenica 11 (2): 137-158.
  12. Themis Giannoulis, Anne-Marie Dutrillaux, Constantina Sarri, Zissis Mamuris, Bernard Dutrillaux (2020): Phylogenetic relationships between genera Dorcadion, Lamia, Morimus, Herophila and some other Lamiinae (Coleoptera: Cerambycidae) based on chromosome and CO1 gene sequence comparison. Bulletin of Entomological Research 110(3): 321-327. doi:10.1017/S0007485319000737
  13. Andrew M. Zamoroka (2019): A new subspecies of Dorcadion fulvum (SCOPOLI, 1763) (Coleoptera: Cerambycidae) from western Ukraine. Polish Journal of Entomology 88 (4): 363–378. doi:10.2478/pjen-2019-0024