Ein weites Feld

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Ein weites Feld ist ein Roman von Günter Grass, der 1995 bei Steidl erschien. Der Roman spielt in Berlin zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung, zeichnet aber ein Panorama deutscher Geschichte von der Revolution 1848 bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990. Das Buch versucht, die deutsche Wiedervereinigung auf literarische Weise zu verarbeiten.

Der Titel des Grass-Romans geht auf den Schlusssatz des Romans Effi Briest von Theodor Fontane zurück. Effis Vater äußert darin die Worte: „Ach Luise, laß … das ist ein zu weites Feld.“

Für dieses heftig umstrittene, politisch orientierte Buch verlieh man Grass 1996 den Hans-Fallada-Preis. Das Buch wurde in der Öffentlichkeit stark diskutiert, was unter anderem dazu führte, dass bereits nach acht Wochen die fünfte Auflage in Druck ging.

Inhalt

Der Protagonist des Romans ist der Aktenbote Theo Wuttke, lässt sich aber lieber Fonty nennen und identifiziert sich mit Theodor Fontane. Der zweite Protagonist ist der „ewige“ Spitzel Hoftaller, der an die Figur aus dem Roman Tallhover von Hans Joachim Schädlich angelehnt ist. Beide identifizieren sich mit ihrem jeweiligen Vorbild und zitieren auf Schritt und Tritt und setzen die Geschehnisse des 20. Jahrhunderts in Beziehung zu den Ereignissen im 19. Jahrhundert. Die Biographien der Personen, Vorbild und Abbild, sind eng verwoben und ihre Geschichte ist gespickt mit Querverweisen durch die ganze deutsche Geschichte.[1]

Hoftaller übt auf den Protagonisten immer mehr oder weniger Druck aus mit seinem Satz „Wir können auch anders“ und behält damit auch nach dem Fall der Mauer Macht über Fonty, der sich bereits frei geglaubt hatte.

Das Buch selbst ist in der Ich-Perspektive eines namenlos bleibenden Potsdamer Archivars geschrieben, der die Geschehnisse unkommentiert wiedergibt und dem Leser die Beurteilung überlässt.

Kritik und Wirkung

Im August 1995 erschien von Marcel Reich-Ranicki ein Verriss im Magazin Der Spiegel, auf dessen Titelbild der Literaturkritiker das Buch buchstäblich zerriss.[2] Der Verriss begründete eine lange Feindschaft zwischen Grass und Reich-Ranicki.[3]

Die auf die DDR bezogene Äußerung Fontys im Gespräch mit seiner Frau: „Wir lebten in einer kommoden[4] Diktatur“ wurde in Diskursen über das Wesen der DDR zum geflügelten Wort. Günter Grass stellt in einem Interview[5] fest: „Es ist nicht der Autor, der aus der einzelnen Person heraus spricht, und diese Dinge sind von einem Teil der Kritik vordergründig nur politisch beim Wort genommen worden.“ Im Anschluss an diese Aussage verteidigt Grass allerdings die Äußerung seiner Romanfigur mit den Worten: „Wenn man sich mit mir über diesen Satz auseinandersetzen will, wenn ich die DDR-Verhältnisse in Vergleich bringe zu den Verhältnissen, wie sie in der Sowjetunion die längste Zeit herrschten, oder in Rumänien bis zum Schluß herrschten, oder in Chile herrschten, oder im Obristen-Griechenland, dann ist die DDR eine relativ kommode Diktatur gewesen. Sie blieb eine Diktatur dadurch, aber das reicht nicht, es gibt eine Mentalität, die sich in einem Teil dieser Kritiken ausgesprochen hat, die den Sieg, den man meint errungen zu haben, noch größer sehen möchte. Also muß der am Boden liegende Gegner, der zum Teil schon verschwundene Gegner, nachträglich noch gefährlicher gemacht werden, um den eigenen Sieg zu vergrößern.“

Ausgaben

Einzelnachweise

  1. Vgl. Michael Ewert: Spaziergänge durch die deutsche Geschichte. „Ein weites Feld“ von Günter Grass. In: Sprache im technischen Zeitalter. Jg. 37 (1999), H. 152, S. 402–417.
  2. Reich-Ranicki an Grass: „Ich muss Sie noch einmal belehren“. auf: Spiegel online. 10. Oktober 2002.
  3. Thomas Steinfeld: Der Deutsche. Günter Grass war Pathetiker, Protestierer und als Erzähler ein Solitär. In: Süddeutsche Zeitung vom 14. April 2015, S. 3.
  4. kommode: zu französisch commode, „bequem“
  5. Walter Famler, Günter Kaindlstorfer: Günter Grass über Botho Strauß, das Böse am Kapitalismus und seine „Vernunftbeziehung“ zur SPD. In: Wespennest. 102/1996. (online auf: kaindlstorfer.at)