Eskandar Abadi

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Eskandar Abadi (persisch اسکندر آبادی, * 1959 in Bandar Mahshahr, Iran) ist ein iranisch-deutscher Journalist, Übersetzer und Musiker.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kindheit und Jugend[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abadi wurde 1959 in Bandar Mahshahr, Iran, als Sohn einer Hausfrau und eines Angestellten der Anglo-Iranian Oil Company geboren. Er war von Geburt an blind. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in Bandar Mahshahr, ehe seine Familie nach Isfahan übersiedelte, wo er und seine Schwester eine Blindenschule besuchen konnten. Abadi besuchte in Isfahan zunächst die Nur Ayin-Schule, eine Einrichtung britischer christlicher Missionare, und zog später ins Christoffel-Blindenheim, das Ernst Christoffel im Jahr 1928 gegründet hatte. Dort erlernte er die Braille-Schrift, besuchte gleichzeitig eine Regelschule und legte die reguläre Abiturprüfung für Sehende ab. Im Jahr 1979 absolvierte Abadi die landesweite Aufnahmeprüfung für die staatlichen Hochschulen und erhielt einen Studienplatz an der rechts- und politikwissenschaftlichen Fakultät. Er studierte zwei Semester lang Staatsrecht, ehe die iranischen Universitäten im Zuge der Kulturrevolution geschlossen wurden. Nach einem erfolglosen Versuch, nach England auszuwandern, der mit der Zurückweisung an der Grenze endete, verließ Abadi den Iran und ging nach Deutschland.

Islamische Revolution[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den späten 1970er Jahren war Abadi zunächst als Schüler, dann als Student in Tätigkeiten linker Oppositioneller gegen das Schah-Regime involviert. Er verteilte Flugblätter, organisierte geheime Treffen, bei denen verbotene Bücher gelesen und diskutiert wurden und profitierte dabei davon, dass Sicherheitskräfte und Geheimdienstler ihn wegen seiner Blindheit nicht als potentiellen Subversiven ins Visier nahmen. Nach der islamischen Revolution weitete er seine politischen Aktivitäten aus und trat für die linke Opposition bei Vorträgen und Demonstrationen musikalisch auf. In diesem Zusammenhang war er nach eigenem Bekunden Repressalien ausgesetzt.

Auswanderung nach Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1980 reiste Abadi mit Hilfe eines deutschen Freundes aus dem Christoffelheim auf dem Landweg nach Deutschland ein. Dort besuchte er zunächst Deutschkurse in Frankfurt und legte nach sechs Monaten die externe Prüfung zur Hochschulreife ab.

Studium in Marburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1981 nahm er das Studium der Politikwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg auf, welches er im Jahr 1985 mit dem Diplom abschloss. Anschließend begann er eine Promotion im Fach Germanistik bei dem Sprachwissenschaftler Rudolf Freudenberg und wurde mit einer Arbeit zu „Erzählerprofil und Erzähltechnik im Roman ‚Der Zauberberg‘“ promoviert. Seine Dissertation wurde in der Reihe „Marburger Studien zur Linguistik“ beim Lit-Verlag in Münster veröffentlicht. Abadi unterrichtete anschließend als Tutor und Dozent Deutsch als Fremdsprache sowie Sozialkunde am Studienkolleg Marburg, das der Philipps-Universität angegliedert war. Im Jahr 2002 zog er mit seiner Familie nach Köln und arbeitet seither als Redakteur beim persischen Programm der Deutschen Welle „DW Farsi“.

Privatleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abadi ist verheiratet und hat eine Tochter. Im Jahr 2001 erhielt er die deutsche Staatsangehörigkeit.

Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der blinde Musiker Eskandar Abadi an der Geige
Der blinde Musiker Eskandar Abadi an der Geige

Bereits als kleines Kind trat Abadi als Sänger bei öffentlichen Veranstaltungen in seinem Heimatort auf, mit zwölf Jahren fing er an, Geige zu lernen, und mit 14 bestand er eine Aufnahmeprüfung für den lokalen Radiosender „Radio Esfahan“ im Zentral-Iran. Dort wirkte er fünf Jahre lang im Rundfunkorchester als Violinist mit und trat mit dem Ensemble bei offiziellen Anlässen und regelmäßigen Radiokonzerten auf. Außer Geige spielt Abadi die persische Kelchtrommel Tombak und tritt mit Eigenkompositionen und Arrangements bekannter persischer Stücke regelmäßig öffentlich auf.[1]

Übersetzer und Dolmetscher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abadi ist staatlich geprüfter und ermächtigter Übersetzer des OLG Köln und allgemein beeidigter Dolmetscher des LG Köln für die persische Sprache.[2] Er ist mit Persisch als Muttersprache aufgewachsen und spricht fließend Deutsch und Englisch.[3] Neben seiner Tätigkeit als Gerichtsdolmetscher und beeidigter Übersetzer hat Abadi zahlreiche literarische Werke aus dem Deutschen ins Persische übertragen. Zuletzt ist von ihm „Durch die Augen der Blinden“ (Az chashm-e nabinayan) erschienen (Nashr-e Mahi, Teheran 2017), eine Sammlung von Texten über Blindheit und Blinde („Brief über die Blinden zum Gebrauch für die Sehenden“ von Denis Diderot, „Pastoralsymphonie“ von André Gide und „Blindensturz“ von Gert Hofmann).

Journalismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2002 begann Abadi seine Tätigkeit als Radioredakteur im persischsprachigen Programm der Deutschen Welle (DW Farsi). Dort produzierte und moderierte er verschiedene politische und kulturelle Formate wie „Europamagazin“, „Deutschlandmagazin“, „Klangpunkte“ und „Aphorismen und Satire der Woche“. Nach der Einstellung des linearen Radioprogramms von DW Farsi im Jahr 2011 widmete sich Abadi zunehmend der Produktion von Webinhalten und Podcasts. Eines der beliebtesten von ihm moderierten Formate ist die Sendung „Seltene Klänge von gestern bis heute“ (Ava-ha-ye kam-shenide az diruz ta emruz, gemeinsam mit Mitra Khalatbari).

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Zur Stellung der Frau im Ur-Islam, Seminararbeit, 1983, Grin-Verlag, 2012[4]
  • Erzählerprofil und Erzähltechnik im Roman ‚Der Zauberberg‘: eine Untersuchung zu Auktorialität und Perspektive bei Thomas Mann, Lit-Verlag Münster, 1997
  • Durch die Augen der Blinden (Az chashm-e nabinayan), Nashr-e Mahi, Teheran, 2017[5][6]
  • Aus dem Leben eines Blindgängers : Roman. 1. Auflage. Katapult-Verlag, Greifswald 2022, ISBN 978-3-948923-36-5.

Musikalben (CD und Kassette)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • „Chashman-e to“ (Deine Augen): traditionelle iranische Musik
  • „Yad-ha“ (Erinnerungen): iranische Popmusik und Klassik[7]
  • „Baharaneh 1“ und „Baharaneh 2“ (Spring songs)
  • „Peykar-tarash“ (Bildhauer): iranische klassische Musik
  • „Eydi-ye Amou Norouz“ (Das Geschenk von Onkel Neujahr): Kinder-CD mit Roxana

Filmographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abadi hat als Schauspieler im Historienfilm „Komitas“ (1988) des armenisch-aserbaidschanischen Regisseurs Don Askarian mitgewirkt.[8]

Preise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

LVR-Auszeichnung „Arbeit – echt stark!“ 2013 für gelungene Teilhabe am Arbeitsleben[9]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eskandar Abadi: اجرای ترانه "بارون می‌باره" توسط اسکندر آبادی baroun mibareh auf YouTube, 1. April 2015, abgerufen am 15. Juli 2018.
  2. Gerichtliche Dolmetscher/innen und Übersetzer/innen suchen. Abgerufen am 24. März 2019.
  3. DW English: Believing is seeing - Eskandar Abadi auf YouTube, 29. November 2017, abgerufen am 15. Juli 2018.
  4. Zur Stellung der Frau im Ur-Islam. In: GRIN. Abgerufen am 15. Juli 2018.
  5. از چشم نابینایان | نشر ماهی. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. April 2019; abgerufen am 15. März 2020 (persisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/nashremahi.com
  6. از چشم نابینایان. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 15. Juli 2018 (persisch).@1@2Vorlage:Toter Link/opac.nlai.ir (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  7. Eskandar Abadi: Yadha (Album). In: WikiSeda. Abgerufen am 22. Juli 2018 (persisch).
  8. Komitas (TV Movie 1989). Abgerufen am 15. Juli 2018.
  9. https://www.lvr.de/de/nav_main/derlvr/presse_1/pressemeldungen/presse_archiv/pressemeldung_10214.jsp. Abgerufen am 15. Juli 2018.