Formale Semantik

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Formale Semantik beschäftigt sich mit der exakten Bedeutung von künstlichen oder natürlichen Sprachen. Dabei kann sowohl die Bedeutung bestehender Sprachen untersucht als auch die Bedeutung neu geschaffener Sprachen festgelegt werden. In Abgrenzung zur Semantik im allgemeinen Sinn, wie sie vor allem in Philosophie und Linguistik betrieben wird, arbeitet die formale Semantik mit rein formalen, logisch-mathematischen Methoden.

Formale Semantik wird in der Logik, in der Informatik und in der Linguistik betrieben. Wegen der Wichtigkeit exakter Bedeutungstheorien für die genannten drei Disziplinen und wegen unterschiedlicher Schwerpunkte und Zielsetzungen – teils auch wegen unterschiedlicher Methoden – hat jede dieser Wissenschaften heute ein eigenes Teilgebiet, das als formale Semantik bezeichnet wird. Die formale Semantik aus Logik, jene aus Informatik und die formale Semantik aus Linguistik sind jedoch in vielerlei Hinsicht miteinander verflochten und greifen häufig aufeinander bzw. auf die Ergebnisse der jeweils anderen zurück.

Die moderne formale Semantik hat ihren Ursprung in Arbeiten von Alfred Tarski, Richard Montague, Alonzo Church und anderen.

Formale Semantik in der Logik

In der formalen Logik ist die Semantik ein Teilgebiet, das unter den Begriff Modelltheorie fällt. Das Gegenstück zur formalen Semantik ist in der Logik die formale Syntax, bei der es um mechanische, das heißt inhaltlich unbestimmte Operationen mit bedeutungslosen Symbolen im Rahmen von Kalkülen geht. Erst durch eine zur Syntax passende Semantik werden die Symbole und Operationen der syntaktischen Ebene mit Bedeutungen versehen. Damit wird es möglich, im Rahmen der Modelltheorie die Zusammenhänge zwischen Syntax und Semantik eines formalen Systems zu untersuchen und Aussagen über (semantische) Vollständigkeit und Korrektheit zu beweisen. Der Pionier der modernen formalen Semantik in der Logik war Alfred Tarski.[1]

Formale Semantik in der Informatik

Die formale Semantik ist ein Teilgebiet der theoretischen Informatik, das sich damit beschäftigt, Bedeutung von Computerprogrammen und Spezifikationen zu formalisieren. Dies wird zum Beispiel für den Nachweis der Korrektheit von Computerprogrammen benötigt (Verifikation). Anders als die linguistische Semantik, die ein Teil der Linguistik ist, arbeitet die formale Semantik mit vollständig mathematischen Methoden. Sie ist eng verwandt mit der Berechenbarkeitstheorie, die sich damit beschäftigt, welche Probleme mit Computerprogrammen überhaupt gelöst werden können.

Die formale Semantik hat zum Ziel, die Bedeutung von Computerprogrammen in einer formalen Sprache auszudrücken – sie soll also die Semantik eines Computerprogramms syntaktisch ausdrücken, so dass sich über das Anwenden von Ableitungsregeln (Kalkülen) Aussagen über das Programm beweisen lassen.

In der formalen Semantik finden folgende Kalküle Verwendung:

Formale Semantik in der Linguistik

In der allgemeinen Linguistik ist die formale Semantik eine Semantik, die mit Hilfe der Logik und Mathematik betrieben wird. Die Bedeutung von Sätzen in einer natürlichen Sprache wird mit Hilfe einer formalen Metasprache erfasst. Aufbauend auf dem Kompositionalitätsprinzip von Gottlob Frege wird erforscht, was die einzelnen Teile eines Satzes zu dessen Gesamtbedeutung beitragen. Das Zusammenwirken der einzelnen Bestandteile des Satzes wird durch eine Formalisierung der natürlichen Sprache mit Hilfe von Montaguegrammatiken und ähnlichen Methoden erreicht.

Die formale Semantik ist mit verschiedenen syntaktischen Modellen wie dem minimalistischen Programm, der Kategorialgrammatik oder der Functional Grammar kompatibel.

In der formalen Semantik dient die Lambda-Abstraktion dazu, "aus einer Formel Prädikate zu erzeugen, Individuen als generalisierte Quantoren darzustellen und die Semantik von Quantoren und Determinanten [zu] formalisieren."[2] Das Gegenteil der Lambda-Abstraktion ist die Lambda-Konversion.

Siehe auch

Literatur

Linguistik

  • Johannes Heinrichs: Sprache, Bd. 2: Die Bedeutungsdimension (Semantik) (Philosophische Semiotik; Bd. 2). Edition Steno, München 2008. ISBN 978-954-449-351-6.
  • Irene Heim und Angelika Kratzer: Semantics in Generative Grammar (Blackwells Textbooks in Linguistics; Bd. 13). Blackwell, Oxford 1998, ISBN 0-631-19713-3.
  • Horst Lohnstein: Formale Semantik und natürliche Sprache. Einführendes Lehrbuch. Westdeutscher Verlag, Opladen 1996. ISBN 3-531-12818-3.
  • Monika Schwarz, Jeanette Chur: Einführung, Seite 115–191. In: Diess.: Semantik. Ein Arbeitsbuch (Narr-Studienbücher). 5. Aufl. Gunter Narr, Tübingen 2007. ISBN 978-3-8233-6296-8.

Informatik

  • Joseph E. Stoy: Denotational Semantics. The Scott-Strachey Approach to Programming Language Semantics (The MIT Press Series in Computer Sciences; Bd. 1). 5. Aufl. MIT Press, Cambridge, Mass. 1989, ISBN 0-87630-751-9 (EA Cambridge 1977).
  • Jan van Leeuwen (Hrsg.): Handbook of Theoretical Computer Science, Bd. B: Formal models and semantics. Elsevier MIT Press, Cambridge, Mass. 1990, ISBN 0-262-22039-3.
  • Michael Main (Hrsg.): Mathematical Foundations of Programming Language Semantics (Lecture Notes in Computer Science; Bd. 298). Springer, Berlin 1988, ISBN 3-540-19020-1.
  • Austin Melton (Hrsg.): Mathematical Foundations of Programming Semantics (Lecture Notes in Computer Science; Bd. 239). Springer, Berlin 1986, ISBN 3-540-16816-8.
  • Manfred Droste, Yuri Gurevich (Hrsg.): Semantics of Programming Languages and Model Theory (Algebra, Logic, and Application; Bd. 5). CRC Press, Langhorne, Pa. 1993, ISBN 2-88124-935-3.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alfred Tarski (Autor), John Corcoran (Hrsg.): Logic, Semantics, Metamathematics. Papers from 1923 to 1938. Hackett Publ., Indianapolis, Ind. 1983, ISBN 0915144-75-1.
  2. Monika Schwarz, Jeanette Chur: Semantik. Ein Arbeitsbuch, S. 156.