Frau von Oßmannstedt

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Koordinaten: 51° 0′ 37″ N, 11° 25′ 48″ O

Frauengrab von Oßmannstedt
p1
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Lage Thüringen, Deutschland
Fundort Oßmannstedt
Frauengrab von Oßmannstedt (Thüringen)
Frauengrab von Oßmannstedt (Thüringen)
Wann Zweite Hälfte 5. Jh.
Wo Oßmannstedt, Landkreis Weimarer Land/Thüringen
ausgestellt Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar
Erinnerungsstein an den Grabfund von Oßmannstedt, mit Darstellung der Adlerfibel
Erinnerungsstein an den Grabfund von Oßmannstedt, mit Darstellung der Adlerfibel

Erinnerungsstein an den Grabfund von Oßmannstedt, mit Darstellung der Adlerfibel

Das Frauengrab von Oßmannstedt wurde im Jahre 1965 bei Oßmannstedt im Landkreis Weimarer Land in Thüringen gefunden. Es lag an einer alten Furt der Ilm.

Fundumstände

1965 begannen Bauarbeiten für die Errichtung einer Stallanlage der LPG-Tierproduktion Oßmannstedt am westlichen Ortsrand, neben dem denkmalgeschützten Wielandgut. Aus der Ortsakte waren bereits Siedlungsgruben am Steilufer der Ilm bekannt, daher beaufsichtigten zwei Archäologen die Erdarbeiten. Bei der Anlage einer Jauchegrube für die Ställe war auch Handschachtung erforderlich, wobei die Arbeiter in einer Tiefe von 2,1 m auf eine Bestattung (ein Beinknochen und Teile der Goldkette) trafen. Diesem Umstand ist die fachgerechte und vollständige Bergung zu verdanken. Nachdem die enorme wissenschaftliche Bedeutung des Fundes auch in der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde[1] erhielten die beteiligten Bauarbeiter eine Fundprämie in Höhe von 2.300 Mark. [2]

Befund und Funde

Der reiche, byzantinisch beeinflußte Schmuck weist die Tote als Angehörige des ostgotischen Adels aus und ist ein Zeugnis für den zunehmenden Kunststil aus dem Südosten und frühe ostgotisch-donauländische Beziehungen zum thüringischen Gebiet.

Grundlagen und Anfänge hessisch-thüringischer Geschichte[3]

Die Frau war in einer über zwei Meter tiefen Grube in einem schmalen Holzsarg beigesetzt, von dem Reste erhalten waren.[4], ihr Reichtum macht augenscheinlich, dass sie dem Adel angehörte[5].

Unter den Beigaben befanden sich:

  • eine goldene, 7 cm lange Adlerfibel, die Vorderseite war mit 40 Almadinen in Goldzellentechnik, die Rückseite mit einer Goldplatte versehen, die einen Adler als eingearbeitetes Ziermotiv zeigt
  • eine 120 cm lange goldene Kette mit einer Bernsteinperle,
  • eine goldene Schnalle,
  • eine Tasche mit Silberbeschlägen,
  • einen Knochenkamm mit Kreuz,
  • einen goldenen Fingerring,
  • einen runden, zerbrochenen Bronzespiegel in Fragmenten, sein Durchmesser betrug 7 cm,
  • zwei schwere goldene Ohrringe. [6]

Das Grab wird zwischen 454 und 489 n. Chr., in die Zeit des Niedergangs der Hunnenherrschaft und der Übersiedlung der Ostgoten nach Italien datiert. Die Bestattung hat Bedeutung für den Nachweis germanisch-hunnischer Beziehungen in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts.

Die junge Frau hat einen künstlich deformierten Schädel.[7][8] Wahrscheinlich lebte sie in ihrer Jugend unter hunnischer Oberhoheit. Die Deformation wurde erreicht, indem man Kopf des heranwachsenden Kindes mit Binden umwickelte.[9]

Thüringen unter hunnischer Herrschaft

Die aus der ungarischen Tiefebene vorstoßenden Hunnen bezogen im 5. Jahrhundert kurzzeitig germanische Siedlungsgebiete in ihren Machtbereich ein. Der Einfluss der Hunnen auf die Thüringer ist durch schriftliche Quellen belegt. Archäologische Funde zeigen die Übernahme reiternomadischer Waffenformen:

  • Schmalsaxe (einschneidige Kurzschwerter)
  • dreiflügelige Pfeilspitzen

Das Auftreten scheibengedrehter verzierter Tongefäße und das Vorkommen deformierter Frauenschädel in thüringischen Reihengräbern aus der Mitte des 5. Jahrhunderts wird auf die engen Kontakte der Bevölkerungsgruppen zurückgeführt.

Siehe auch

Literatur

  • Sigrid Dušek: Ur- und Frühgeschichte Thüringens. Theiss, Stuttgart 1999, ISBN 3-8062-1504-9.

Einzelnachweise

  1. Die Adlerfiebel von Oßmannstedt In: Neues Deutschland vom 2. Oktober 1965
  2. Günter Behm-Blancke: Gold aus der Attilazeit. In: Urgeschichte und Heimatforschung. 3, 1965 S. 11–14.
  3. Wolfgang Timpel: Inventar eines ostgotischen Frauengrabes aus Oßmannstedt. In: Historische Kommission für Hessen (Hrsg.): Hessen und Thüringen – von den Anfängen bis zur Reformation. Eine Ausstellung des Landes Hessen. Katalog. Wiesbaden 1992, ISBN 3-89258-018-9, S. 68.
  4. Zum Problem der ethnischen Deutung völkerwanderungszeitlicher Grabbeigaben siehe: Sebastian Brather: Ethnische Interpretationen in der frühgeschichtlichen Archäologie Geschichte, Grundlagen und Alternativen. In: Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Band 42. De Gruyter, Berlin/New York 2004.
  5. zum Problem des sozialen Einstufung völkerwanderungszeitlicher Grabbeigaben siehe: Heiko Steuer: Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa. In: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge 128. Göttingen 1982.
  6. Berthold Schmidt: Theoderich der Große und die damaszierten Schwerter der Thüringer. In: Ausgrabungen und Funde. 1969 Heft 1, S. 38–40.
  7. Damit wurde der zweiundzwanzigste Belegfund dieser künstlich deformierten Schädel im mitteldeutschen Raum nachgewiesen, Liste in Ausgrabungen und Funde, 1969 Heft 1, S. 39.
  8. Ein weiterer deformierter Frauenschädel (Turmschädel) aus dem 5. Jahrhundert wurde im Jahre 2008 bei Grabungen in Burgweinting, östlich von Regensburg in Bayern gefunden. Doris Ebner: In: Archäologie in Deutschland. Heft 4 2009 S. 47 aus Österreich stammt der Hunnenschädel von Mannersdorf
  9. Doris Ebner: Schädelverlängerungen sind durch Bandagieren des Kopfes im Säuglingsalter entstanden. In: Archäologie in Deutschland. Heft 4 2009 S. 47.