Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. Oktober 2016 um 09:19 Uhr durch Prinzenblume (Diskussion | Beiträge) (→‎Geschichte). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Fraunhofer-Institut für
Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB
Kategorie: Forschungseinrichtung
Träger: Fraunhofer-Gesellschaft
Rechtsform des Trägers: Eingetragener Verein
Sitz des Trägers: München
Standort der Einrichtung: Stuttgart
Außenstellen: Institutsteil BioCat in Straubing, Translationszentrum "Regenerative Therapien für Krebs- und Muskuloskelettale Erkrankungen" in Würzburg, Fraunhofer CBP in Leuna
Art der Forschung: Angewandte Forschung
Fächer: Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften
Fachgebiete: Biologie, Biowissenschaften, Chemie, Physik, Verfahrenstechnik, Materialwissenschaft, Grenzflächenverfahrenstechnik
Grundfinanzierung: Bund (90 %), Länder (10 %)
Leitung: Katja Schenke-Layland, Christian Oehr (kommissarisch)
Mitarbeiter: ca. 390
Homepage: www.igb.fraunhofer.de

Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, in der Kurzbezeichnung„Fraunhofer IGB“ genannt, ist eine Einrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. Das Institut hat seinen Sitz in Stuttgart und Institutsteile in Leuna, Straubing und Würzburg. Seine Aktivitäten sind der angewandten Forschung und Entwicklung in den Fächern Ingenieurwissenschaften und Naturwissenschaften zuzuordnen.

Geschichte

Das heutige Fraunhofer IGB wurde 1953 in Kirchheimbolanden (Pfalz) als privates "Institut für Physik und Chemie der Grenzflächen" gegründet. 1962 übernahm die Fraunhofer-Gesellschaft die Einrichtung als Fraunhofer-Institut für Physik und Chemie der Grenzflächen IGf, 1969 zog es an den Hochschulstandort Stuttgart.

Im Jahr 1976 erhielt das Institut infolge der thematischen Erweiterung um die Bioverfahrenstechnik seinen heutigen Namen Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. 1994 wurde Herwig Brunner zum Institutsleiter berufen. Er entwickelte das Fraunhofer IGB zu einem der ersten Life-Sciences-Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, indem er die Kompetenzen in der molekularen Biotechnologie und dem Tissue Engineering ausbaute und interdisziplinär mit der Grenzflächenverfahrenstechnik verknüpfte.

2007 folgte Thomas Hirth in die Institutsleitung. Mit dem Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna, das am 2. Oktober 2012 in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeweiht wurde, schuf er eine Einrichtung, um die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe schneller in die industrielle Anwendung zu überführen und stärkte damit die deutsche und europäische Bioökonomie-Forschung. Seit Hirths Wechsel in das Präsidium des Karlsruher Instituts für Technologie KIT 2016 leiten Katja Schenke-Layland und Christian Oehr das Institut kommissarisch.

Forschung und Entwicklung

Das Fraunhofer IGB befasst sich mit Fragestellungen in den Kompetenzfeldern Grenzflächentechnologie und Materialwissenschaft, Molekulare Biotechnologie, Physikalische Prozesstechnik, Umweltbiotechnologie und Bioverfahrenstechnik, Zell- und Tissue Engieering sowie Bio-, Elektro- und Chemokatalyse. Auf dieser Grundlage entwickelt und optimiert das Institut Verfahren und Produkte für die Geschäftsfelder Gesundheit, Chemie und Prozessindustrie sowie Umwelt und Energie. Begleitend zur Auftragsforschung führt das Institut auch akkreditierte Analysen und Prüfungen durch.

Abteilungen

Grenzflächentechnologie und Materialwissenschaft

Ein Schwerpunkt der Arbeiten der Abteilung ist die Abscheidung dünner und ultradünner Schichten, vor allem mithilfe der Plasmatechnik, beispielsweise zur Verbesserung der Haftung oder der Verklebbarkeit, zur Verminderung von Abrieb oder Korrosion oder zur gezielten Einstellung von Barriereeigenschaften. Zudem entwickelt die Abteilung Materialsysteme mit großer Oberfläche – Partikel, poröse Membranen, Vliese und Schäume. Für die Kontrolle der Prozessschritte und die Charakterisierung der Materialoberflächen steht eine Vielzahl analytischer Verfahren zur Verfügung.

Molekulare Biotechnologie

Mit den Möglichkeiten neuer Sequenziertechnologien, Proteomanalysen, der gezielten Veränderung von Organismen und der zellfreien Biosynthese entwickelt die Abteilung neue Prozesse für die Produktion von Fein- und Grundchemikalien, aber auch für die Entwicklung von Therapeutika und setzt sie für die Entwicklung von Diagnostika in der Infektionsforschung und in der personalisierten Medizin sowie bei der Entwicklung antimikrobieller Wirkstoffe ein. Mikroorganismen und Zelllinien werden optimiert, um sie für die Produktion von Chemikalien oder Proteinen einzusetzen.

Physikalische Prozesstechnik

Die Abteilung entwickelt verfahrenstechnische Prozesse und Komponenten, die auf physikalischen oder physikalisch-chemischen Prinzipien beruhen. Themenschwerpunkte sind oxidative und elektrochemische Verfahren, etwa zur Aufbereitung von Trink- und Prozesswasser, sorptive Wärmespeicher und integrierte Aufbereitungs-, Herstellungs- und Recyclingprozesse in der industriellen Produktion. Physikalische Technologien wie Mikrowellen oder Druckwechseltechnologie werden für die Haltbarmachung von Getränken erforscht.

Umweltbiotechnologie und Bioverfahrenstechnik

Die Schwerpunkte der Abteilung liegen in der Entwicklung (bio-)verfahrenstechnischer Prozesse in den Bereichen Wassermanagement, Bioenergie, Umwelttechnik, Algentechnologie, Produktgewinnung aus organischen Roh- und Reststoffen sowie der Grenzflächenbiologie. Höchste Effizienz wird über die Integration mehrerer Schritte zur Etablierung kurzer Prozessketten erreicht. Ausgehend von den verfahrenstechnischen Prozessen werden innovative Ansätze zur Entwicklung von Systemkonzepten für das Energie-, Abfall- und Wassermanagement in Industrie und Kommunen erarbeitet.

Zell- und Tissue Engineering

Im Zentrum der Arbeiten stehen die Entwicklung und Testung von Biomaterialien und der Aufbau funktioneller humaner 2D- und 3D-Gewebemodelle aus primären Zellen oder induziert pluripotenten Stammzellen für Anwendungen als Transplantate in der regenerativen Medizin oder als Testsysteme. Verfahren zur Herstellung und Prüfung von Zelltherapeutika und Transplantaten (ATMPs) für klinische Studien der Phase I und II entwickelt die Abteilung entsprechend den Anforderungen der guten Herstellungspraxis (GMP).

Institutsteile

Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP, Leuna

Durch die Bereitstellung von Infrastruktur und Technikums-/Miniplant-Anlagen ermöglicht das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP Kooperationspartnern aus Forschung und Industrie die Entwicklung und Skalierung von biotechnologischen und chemischen Prozessen zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe bis zum industriellen Maßstab. Inhaltliche Schwerpunkte liegen auf dem Aufschluss von Lignocellulose und der stofflichen Verwertung biogener Substrate und der Entwicklung technischer Enzyme.

Bio-, Elektro- und Chemokatalyse BioCat, Institutsteil Straubing

Im Institutsteil BioCat stehen die Entwicklung neuer Bio- und chemischer Katalysatoren und deren Anwendung im Fokus. Ausgehend von Substraten wie Biomasse, CO2, organischen und anorganischen Reststoff- oder Abfallströmen wird das komplette Spektrum der Katalyse genutzt, um nachhaltig und ressourcenschonend neue chemische Produkte herzustellen. Daneben erarbeitet BioCat Verfahren, um überschüssige elektrische Energie durch Bindung und Umwandlung von CO2 in chemische Energiespeicher zu nutzen.

Translationszentrum "Regenerative Therapien für Krebs- und Muskuloskelettale Erkrankungen", Institutsteil Würzburg

Das Translationszentrum entwickelt Medizinprodukte und Implantate auf der Grundlage zellbasierter Wirkstoffe und Therapien. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Materialwissenschaftlern und Medizinern kann die komplette Wertschöpfungskette regenerativer Therapien abgedeckt werden: von der Entwicklung geeigneter Biomaterialien und Bioreaktoren, über die Etablierung von In-vitro-Testsystemen, bis hin zur therapiebegleitenden Diagnostik (Theranostik) und Zulassung zellbasierter Implantate und Medizinprodukte.

Geschäftsfelder

Gesundheit

Mit neuen Beschichtungen und Biomaterialien für die Medizintechnik, einer schnellen und genauen molekularen Diagnostik, individualisierten Therapien für eine personalisierte Medizin, einer spezifischeren Wirkstoffentwicklung, mit neuen Formulierungen und Freisetzungssysteme sowie der produktschonenden Gewinnung und Haltbarmachung von Lebensmitteln und Kosmetika richtet sich das Fraunhofer IGB an Medizin und Gesundheitswesen, Pharmazie und Kosmetik sowie die Lebensmittelindustrie.

Chemie und Prozessindustrie

Die Abhängigkeit vom Import der Rohstoffe, die Begrenztheit der fossilen Ressourcen weltweit und die Notwendigkeit, Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt zu berücksichtigen, rücken in den Arbeiten des Instituts Ansätze in den Vordergrund, fossile Ressourcen besser zu nutzen oder zu substituieren. Zum Portfolio gehören daher zum Einen funktionale Oberflächen und Materialien, zum Anderen die Erschließung regenerativer Rohstoffe mit Fermentation und Biokatalyse, biobasierte Chemikalien als deren Produkte und Bioraffinerie-Konzepte zur möglichst vollständigen Rohstoffnutzung. Verfahren der (elektro-)chemischen Umwandlung und entsprechende Aufarbeitungstechnologien runden das Geschäftsfeld ab.

Umwelt und Energie

Vor dem Hintergrund von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Wasserverschmutzung verfolgt das Fraunhofer IGB das Ziel, mit neuen Technologien ressourcen- und umweltschonendes Wirtschaften zu ermöglichen. Dazu beschäftigt es sich mit nachhaltiger Wasser- und Abwassertechnik, Wasser-Überwachung, der Aufbereitung von Roh- und Reststoffen, der Energiewandlung und -speicherung sowie dem Bereich Bioenergie.


Anbindung an Hochschulen

In der Grundlagenforschung wird das Fraunhofer IGB vor allem durch das Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie IGVP der Universität Stuttgart unterstützt, dessen Lehrstuhl mit der Leitung des Fraunhofer IGB in Personalunion verknüpft ist. Weitere Kooperationen im universitären Bereich bestehen mit der Universität Tübingen, der TU München und der Universität Würzburg.

Kooperationen

Das Fraunhofer IGB ist Mitglied des Fraunhofer-Verbunds Life Sciences und Gastinstitut im Fraunhofer-Verbund Werkstoffe, Bauteile – MATERIALS. Darüber hinaus ist das Institut in zahlreichen Fraunhofer-Allianzen aktiv. Darin bündeln die Fraunhofer-Institute ihre jeweiligen Kompetenzen, um ein Geschäftsfeld gemeinsam zu bearbeiten und zu vermarkten.

Infrastruktur

Das Fraunhofer IGB verfügt über moderne Labors und Technika bis zur biologischen Sicherheitsstufe S2. Bestimmte Prüflabors und Prüfverfahren in der Analytik wurden nach der Norm DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditiert.

Dazu verfügt das Institut über eine GLP-Prüfeinrichtung der Prüfkategorie 9: Zellbasierte Testsysteme zur Bestimmung biologischer Parameter. Eine GMP-Einheit steht für die Herstellung von Zell- und Tissue-Engineering-Produkten und Medizinprodukten zur Verfügung.

Das Fraunhofer CBP stellt modular einsetzbare Prozesskapazitäten für die Bearbeitung verfahrenstechnischer Fragestellungen und kontinuierliche Anlagen sowie verschiedenste Aufbereitungs- und Aufarbeitungstechniken zur Nutzung durch Industriepartner bereit.

Finanzierung und Personal

Der Betriebshaushalt wird finanziert durch externe Erträge und institutionelle Förderung (Grundfinanzierung). Im Geschäftsjahr 2015 betrug der Betriebshaushalt 26,0 Millionen Euro. 73,4 Prozent des Betriebshaushalts stammen aus eigenen Erträgen; 29,3 Prozent der Eigenerträge aus der Auftragsforschung der Wirtschaft.

Ende 2015 waren am Fraunhofer IGB und seinen Institutsteilen in Straubing, Würzburg und Leuna insgesamt rund 390 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, davon über 90 Prozent im wissenschaftlichen und technischen Bereich. Der Frauenanteil betrug 50 Prozent.


Weblinks

Koordinaten: 48° 44′ 30,1″ N, 9° 5′ 58,2″ O