Friedrich Joseph Haass

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 19. September 2016 um 20:13 Uhr durch HBonnenberg (Diskussion | Beiträge) (→‎Nachruhm). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Friedrich Joseph Haass (1780–1853)
Ehrenplakette am ehemaligen Gebäude des Dreikönigsgymnasiums in Köln

Friedrich Joseph Laurentius Haass (russisch Фёдор Петрович Гааз/Fjodor Petrowitsch Gaas; * 10. August 1780 in Münstereifel, Herzogtum Jülich; † 16. Augustjul. / 28. August 1853greg. in Moskau) war ein deutsch-russischer Mediziner, genannt der „heilige Doktor von Moskau“. Insbesondere betreute er dort über 25 Jahre lang Strafgefangene seelsorgerisch, sozial und medizinisch. Dabei trat er praktisch für eine Humanisierung des Strafvollzugs ein.

Leben

Haass, Sohn des Apothekers Peter Haass und Enkel des „Chirurgus auf dem Thurnmarkte“ zu Köln Wilhelm Anton Haass, studierte nach Abschluss der Schule an der unter Napoleon begründeten Ecole Centrale in Köln und an den Universitäten in Jena und Göttingen Germanistik, Philosophie und Medizin. In Göttingen erfolgte seine Promotion zum Doktor der Medizin und Chirurgie. In Wien ließ er sich zum Augenarzt ausbilden. Einer seiner ersten Patienten als Hausarzt der russischen Fürstin Varvara Alekseevna Repnin war deren Vater, der unter einer schweren Augenkrankheit litt.[1] Dieser erkannte Haass' Begabung und bat den jungen Arzt nach Russland. Dieser erschien 1806 als Fjodor Petrowitsch Gaas in Moskau. Bereits 1807 wurde er zum Chefarzt der renommierten Pawlowskaja Klinik (Pauls-Krankenhaus) ernannt.

Während des Krieges 1812 gegen Napoleon I. arbeitete er als Chirurg in der Russischen Armee. Nach dem Krieg kehrte Haass nach Moskau zurück, wo er als Betreiber einer Privatpraxis von 1814 bis 1829 zum Hausarzt der Oberschicht avancierte. Außerdem lehrte und arbeitete er freiwillig in Altersheimen. Sein Amt als Stadtphysikus legte er 1826[2] nieder.

Ab 1828 widmete er sich als Mitglied des Moskauer Gefängnisschutzkomitees 25 Jahre lang der Fürsorge um die Gefangenen, die nach Sibirien verbannt worden waren[3]. Er war fest davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus gut sei, weil Gott ihn nach seinem Abbild schuf. Daher sei ein Mensch, der vom rechten Wege abgekommen sei, nichts weiter als ein unglücklicher, kranker Mensch, der nur durch Humanität zu heilen sei. Dieses positive Menschenbild lernte er vor allem durch Franz von Assisi und Franz von Sales kennen, dessen Schriften er zu seinen Lieblingsbüchern zählte, vor allem dessen theologisches Hauptwerk „Abhandlung über die Gottesliebe“. In einem Brief an den Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling vom 31. Dezember 1843 empfiehlt er diesem dringend, die Werke des heiligen Franz von Sales zu lesen. Schelling nennt er darin „meinen geliebten deutschen Lehrer“ und Franz von Sales „meinen geliebten Mentor und Erzieher“. Aus seinem Testament geht hervor, dass Haass im Besitz von Reliquien des heiligen Franz von Sales war, die er einer katholischen Kirche in Irkutsk vermachte.

1836 setzte er eine Verordnung durch, die schweren Eisenfesseln der Gefangenen durch leichtere, innen mit Leder ausgelegte zu ersetzen, die nicht mehr die Füße der Gefangenen bis auf das Blut durchscheuerten. Die Fesseln tragen den Namen Haass'sche Fesseln. Daran erinnern die überdimensionalen Metallfesseln an seinem Grab. 1841 verfasst er ein ABC der christlichen Sittsamkeit [...], das er drucken ließ und an deportierte Straftäter verteilte. 1843 wurde ein später „Alexander-Krankenhaus“ genanntes Polizei-Häftlingskrankenhaus für Obdachlose eröffnet, das durch Haass' komplettes Privatvermögen und private Spenden finanziert wurde. Bis zu seinem Lebensende lebte und arbeitete Haass in diesem vom Volksmund auch als „Haass'sches Krankenhaus“ oder „Haassovka“ bezeichnetem Krankenhaus.[4] Ende Juli 1853 erkrankte Haass und verfasste ein ausführliches Testament. Nachdem er am 16. August desselben Jahr verstorben war, wurde er am 19. August zu Grabe getragen.[5] Zu seiner Beerdigung auf dem Moskauer Wwedenskoje-Friedhof kamen 20.000 Menschen.

Nachruhm

Literatur

(chronologisch, neueste zuerst)

  • Florian Müller: Der Arzt Friedrich Joseph Haass in Russland (1806-1853). Haass zwischen Naturphilosophie und Naturwissenschaft. BA-Abschlussarbeit (2013) am 'Lehrstuhl für Neuere und Osteuropäische Geschichte' der Universität Freiburg.
  • Maria Klassen (Redaktion und Übersetzung): Friedrich Joseph Haass: Der ”heilige Doktor” von Moskau. Herausgegeben von Alexander Neshnyi und der Friedrich Joseph Haass Gesellschaft, Bad Münstereifel 2007, ISBN 978-3-00-023156-8.
  • Dietrich M. Mathias (Übersetzung): Meine Reise zu den Alexanderquellen in den Jahren 1809 und 1810 - Dr. F. J. Haass als Arzt und Naturforscher im nördlichen Kaukasus. Shaker Verlag 2005, ISBN 383223893X.
  • Dietrich M. Mathias: Friedrich Joseph Haass als Naturforscher im Kaukasus und seine medizinisch-philosophischen Erörterungen in seinem Buch "Ma visite aux eaux d'Alexandre en 1809 et 1810" In: Ingrid Kästner, Regine Pfrepper (Hrsg.): Deutsche im Zarenreich und Russen in Deutschland: Naturforscher, Gelehrte, Ärzte und Wissenschaftler im 18. und 19. Jahrhundert. Vorträge des Symposiums vom 26. und 27. August 2004 am Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften Medizinische Fakultät Leipzig. Shaker Verlag 2005, ISBN 3-8322-4343-7, S. 115-136 (Deutsch-russische Beziehungen in Medizin und Naturwissenschaften. Band 12).
  • G. Wollensak: Friedrich Joseph Haas - der heilige Doktor von Moskau. Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde 222 (2005), S. 513-515.
  • Ingrid Kästner: Friedrich Joseph Haass (1780–1853) - ein deutscher Arzt im Russischen Zarenreich. (Festvortrag aus Anlass der Feierlichkeiten zum 150. Todestag von Friedrich Joseph Haass in dessen Geburtsstadt Bad Münstereifel, 15. November 2003) In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 23, 2004, S. 376–384.
  • Anton Hamm, Gerd Teschke: Ein deutscher Arzt als "Heiliger" in Moskau. Westkreuz-Verlag 2000, ISBN 3-922131-26-3.
  • Ekkart Sauser: HAASS, Friedrich Joseph. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 14, Bautz, Herzberg 1998, ISBN 3-88309-073-5, Sp. 1075–1076.
  • Lew Kopelew: Der heilige Doktor Fjodor Petrowitsch, Die Geschichte des Friedrich Joseph Haass, Bad Münstereifel 1780 - Moskau 1853. Hoffmann & Campe, Hamburg 1984.
  • Anton Hamm: Dr. med. Friedrich Joseph Haass aus Münstereifel - Der Heilige Doktor von Moskau - Der Mensch, Sein Leben, Sein Werk. Westkreuz-Verlag, Berlin und Bonn-Bad Godesberg 1979.
  • Margarete Passon-Darge: Friedrich Joseph Haass, Bildnis eines Christen. Verlag J. P. Peter, Gebrüder Holstein, Rothenburg ob der Tauber 1951.
  • Hans Harder: Der deutsche Doktor von Moskau, der Lebensroman des Dr. Friedrich Joseph Haass. 4. Auflage. Verlag J. F. Steinkopf, Stuttgart 1942 (1. Auflage: 1940).
  • Anatolij Fedor Koni: Dr. Friedrich Haass, Lebensskizze eines deutschen Philanthropen in Rußland in: Geschichte des russischen Gefängniswesens im 19. Jahrhundert. Verlag Duncker & Humblot, Leipzig 1899.
  • Der Heilige Doktor von Moskau Friedrich Joseph Haass. In: Drei Deutsche in Russland. OstermannCancrin – Haass (Alois Mertes, Hans Dietrich Mittorp und Dieter Wellenkamp). Turris-Verlag, Darmstadt 1983, ISBN 3-87830-016-6

Weblinks

Commons: Friedrich Joseph Haass – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ingrid Kästner: Friedrich Joseph Haass (1780–1853) - ein deutscher Arzt im Russischen Zarenreich. (Festvortrag aus Anlass der Feierlichkeiten zum 150. Todestag von Friedrich Joseph Haass in dessen Geburtsstadt Bad Münstereifel, 15. November 2003) In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 23, 2004, S. 376–384; hier: S. 378 f.
  2. Ingrid Kästner (2004), S. 380.
  3. Über Tradition, Umfang und Wesen des russischen Verbannungswesens und Haass' Rolle dabei informiert immer noch umfassend Semjonow, Jurij Nikolajewitsch: Die Eroberung Sibiriens. Berlin : Ullstein 1954, v.a. S.268-275.
  4. Ingrid Käster (2004), S. 382.
  5. Ingrid Kästner (2004), S. 383.
  6. http://www.helikon.ru/en