Funkhaus Springerstraße

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. Juni 2016 um 11:41 Uhr durch Hs-berlin (Diskussion | Beiträge) (Weblink mdr.de auf Archiv umgelegt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Das ehemalige Funkhaus Springerstraße, 2014
Das Haus der Barmenia-Versicherung, 1930
Der 1946 errichtete Haupteingang
Teil der Fassade nach dem Umbau zum Wohnhaus

Das Funkhaus Springerstraße ist ein Gebäude im Norden Leipzigs, das über 50 Jahre für den Hörfunk genutzt wurde. Danach wurde es in eine Wohnanlage umgewandelt.

Lage und Baubeschreibung

Das Gebäude befindet sich an der Kreuzung Springerstraße/Richterstraße im Leipziger Ortsteil Zentrum-Nord. Der Haupteingang hat die Adresse Springerstraße 24. Der Grundriss des Hauses ist U-förmig, wobei der gestreckte untere Teil des U mit 17 Fensterachsen entlang der Richterstraße verläuft.

Das Gebäude ist dreistöckig. Über einer weit auskragenden Traufkante erhebt sich ein Mansarddach mit einer der Reihe von Flachdachgauben. Das Dachbodengeschoss weist große Dachfenster auf. Die Fenster in den ersten drei Stockwerken besitzen nur waagerechte Teilungen.

Das Charakteristikum des Hauses ist die Fassade mit dem aus Klinkern gemauerten Rautenmuster. In den Rauten befinden sich anthrazitfarbene steinerne Kreuze auf einem grünlich-grauen Rauputz. Diese Art der Gestaltung nennt der Dehio „spätexpressionistisch“, andere sprechen von Art déco.[1] Das Bauwerk steht unter Denkmalschutz.[2]

Geschichte

Das Haus wurde 1929/1930 nach Plänen des Leipziger Architekten Emil Franz Hänsel (1870–1943) als Bürohaus für die Versicherungsgesellschaft Barmenia erbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Barmenia-Versicherungsgesellschaft durch die Sowjetische Militäradministration enteignet und das unzerstörte Gebäude in der Springerstraße als Sitz einer Rundfunkstation vorgesehen, da die bis 1943 in Barthels Hof genutzten Anlagen zerstört waren.

1946 startete der Betrieb des Mitteldeutschen Rundfunks in der Springerstraße. Gleichzeitig wurde mit dem Bau eines Sendesaals im Hof des Gebäudekomplexes begonnen, der bereits im September 1947 eingeweiht werden konnte. Es war der erste Gesellschaftsbau nach dem Krieg in der Sowjetischen Besatzungszone und zugleich der erste Rundfunk-Neubau im Nachkriegsdeutschland. Architekt war Gero Schilde, der Schwiegersohn von Emil Franz Hänsel. Auch innerhalb des Gebäudes waren Umbauten beim Übergang vom Bürohaus zum Sendehaus notwendig. Der ursprünglich frei stehende Schenkel des Bürohauses in der Springerstraße wurde mit dem benachbarten Wohnhaus (Nr. 22) verbunden, nunmehr ohne Rautenmuster, und zum Haupteingang des Senders ausgebaut.

In dieser zweiten Ära eines eigenständigen Mitteldeutschen Rundfunks konnte die traditionsreiche Leipziger Hörspielproduktion mit Ursendungen wie Der brave Soldat Schwejk von Jaroslav Hašek, Regie: Carl Nagel, mit Karl Hellmer, Wolf Kaiser, Maximilian Larsen, 7. Juni 1950, oder Herhören, hier spricht Jesus Hackenberger von Walter Karl Schweikert, Komposition: Curt Beilschmidt, Regie: Werner Wieland, mit Willy A. Kleinau, Robert Aßmann, 13. Juli 1951, deutschlandweit beachtete Spielplan-Akzente setzen.

1952 wurde der Rundfunk der DDR in Berlin konzentriert, und das Funkhaus in der Springerstraße verlor an Bedeutung. Die Rundfunk-Orchester, die Rundfunk-Chöre und der Großteil der Hörspielproduktion blieben die Leipziger Markenzeichen. Zu den prägenden Persönlichkeiten des Klangkörper-Bereichs gehören Hermann Abendroth, Herbert Kegel, Wolf-Dieter Hauschild, Max Pommer, Jörg-Peter Weigle, Gert Frischmuth, Kurt Henkels, Gerhard Kneifel, Fips Fleischer, Walter Eichenberg, Eberhard Weise und Hans Sandig – in der Hörspiel-, Feature und Lesungsproduktion waren Günter Bormann, Martin Flörchinger, Walter Niklaus, Werner Wieland, Hans Robert Wille und Klaus Zippel als Regisseure wie als auch Sprecher künstlerisch produktiv.

Seit den Oktobertagen des Jahres 1989 und vor allem mit dem Sendebeginn von Sachsen Radio im Juli 1990 erfuhr das Haus eine breite Aktivierung, die die Basis für die Neugründung des Mitteldeutschen Rundfunks bildete, dessen zentrale Hörfunkprogramme mit dem 1. Januar 1992 von hier aus auf Sendung gingen: MDR Kultur, MDR info und MDR Life.

Der Rundfunkstaatsvertrag der Dreiländeranstalt (Freistaat Sachsen, Freistaat Thüringen und Sachsen-Anhalt) verpflichtete den MDR 25 % seiner zentralen Programmkapazitäten ins Bundesland Sachsen-Anhalt zu verlegen. Thüringen erhielt die Werbe-Tochter GmbH des MDR als Standort-Äquivalent.

Obwohl Leipzig als zweiter Hörfunk-Standort nach Berlin in der deutschen Radio-Geschichte eine große Tradition zu verteidigen hatte, bestimmte die damalige Leitung des MDR, die zentralen Hörfunkprogramme für diese Ausgleichs-Leistung zu verlagern, und so musste der Hörfunk des MDR 1999 nach Halle (Saale) in ein vom MDR geleastes Gebäude umziehen. MDR-Sinfonieorchester und Rundfunk-Chöre erhielten ein neues Domizil am Leipziger Augustusplatz neben dem Neuen Gewandhaus.

Nach einigen Jahren des Leerstands entschloss sich ein Investor ab 2008 zum Umbau des Gebäudes Springerstraße in ein Wohnhaus mit rund vierzig Eigentums- und Mietwohnungen. Der Sendesaal wurde abgerissen und an dessen Stelle eine Tiefgarage mit einem Kinderspielplatz auf deren Dach errichtet. Für zwei neue Treppenhäuser musste die Fassade in der Richterstraße durch zwei Zugangstüren unterbrochen werden.

Literatur

  • Hansdieter Hoyer: Geblieben ist das Rautenmuster. Wohnen im alten Funkhaus Springerstraße, Leipziger Blätter Nr. 57 (2010), ISSN 0232-7244, S. 53–55

Weblinks

Commons: Funkhaus Springerstraße – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Das Funkhaus in der Leipziger Springerstraße, bei MDR Figaro (Memento vom 10. März 2014 im Internet Archive)
  • Das Funkhaus Springerstraße im Wandel der Zeiten, Bildergalerie

Einzelnachweise

  1. Leipziger Blätter Nr. 57 S. 53
  2. Liste der Kulturdenkmale in Leipzig-Zentrum-Nord

Koordinaten: 51° 21′ 19″ N, 12° 22′ 25″ O