German Doctors

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German Doctors
Rechtsform eingetragener Verein
Gründung 1983
Sitz Bonn
Umsatz 11.566.874 Euro (2022)
Beschäftigte 40 (2022)
Freiwillige 226 (2021)
Mitglieder 17 (2022)
Website www.german-doctors.de

German Doctors e.V. ist eine humanitäre Hilfsorganisation, die in medizinischen Notstandsgebieten von Entwicklungsländern, zumeist in Slums von Großstädten oder in abgelegenen ländlichen Regionen, tätig ist. Jährlich gehen mehr als 300 Ärzte nach Indien, Bangladesch, Kenia, Sierra Leone und auf die Philippinen ehrenamtlich in den Einsatz, um dort schwer kranke Menschen zu behandeln, die sich ansonsten keinen Arztbesuch leisten könnten. Die eingesetzten Mediziner arbeiten in ihrem Jahresurlaub oder im Ruhestand für einen Zeitraum von 6 Wochen und verzichten dabei auf jegliche Vergütung. Tagtäglich behandeln sie fernab der Heimat unzählige Patienten und kümmern sich um deren Gesundheitsvorsorge, eine ausreichende Ernährung und die Ausbildung lokaler Mitarbeiter. Die German Doctors sind ausgezeichnet mit dem Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen DZI.

Geschichte

German Doctors wurde 1983 als Ärzte für die Dritte Welt in Frankfurt vom inzwischen suspendierten Jesuitenpater Bernhard Ehlen gegründet. Er hatte 1981 bei seiner Arbeit mit hungernden Flüchtlingen in Somalia erlebt, wie Ärzte häufig schon mit bescheidenen Mitteln sinnvoll helfen und sogar Leben retten können. Er wollte deshalb eine Hilfsorganisation mit deutschen Ärzten aufbauen, die in Notstands- und Armutsgebieten unentgeltlich Hilfe leistet. Um eine möglichst große Zahl von Mitarbeitern zu gewinnen, war die Idee, bereits Einsätze mit einer Mindestdauer von anderthalb Monaten zu akzeptieren. So können Ärzte ihren Jahresurlaub nutzen, ohne zu „Aussteigern“ werden zu müssen. Seit Juni 2013 hat die Organisation ihren Sitz in Bonn und wurde in German Doctors umbenannt.[1]

Finanzierung

Die Ärzte arbeiten unentgeltlich und tragen zudem mindestens die Hälfte der Flugkosten selbst. Spesen und Aufwandsentschädigungen gibt es nicht. Finanziert werden die acht Arztprojekte in fünf Ländern vor allem aus Spenden.[2] 2015 betrugen die Einnahmen laut Website 8,3 Mio. € (davon Spenden 5,8 Mio. € und BMZ-Mittel 1,4 Mio. €). Sitz der Organisation ist Bonn. Kuratoriumspräsidentin ist die Ärztin und Schauspielerin Maria Furtwängler.

Arbeitsweise

Innerhalb fester Langzeitprojekte bieten die German Doctors in allgemeinen Gesundheitszentren, aber auch in Ambulanzen und mobilen Krankenstationen kostenlose Behandlung für Arme. Um eine Kontinuität zu garantieren, folgen die Einsätze lückenlos aufeinander. Dabei sind ständig mehrere Ärzte vor Ort tätig. Sie arbeiten grundsätzlich mit einheimischen Schwestern und Healthworkern zusammen, um die Anpassung an Kultur, Mentalität und Religion der Patienten sicherzustellen.

Insgesamt waren seit 1983 mehr als 3.100 Ärzte an über 6.700 Einsätzen beteiligt. Während die meisten Mediziner die üblichen sechs Wochen in einem Projekt tätig sind, gibt es pro Einsatzort auch einen so genannten Langzeitarzt, der die Kontinuität der Arbeit gewährleistet. Eine große Rolle spielt auch der Einsatz von Senioren. Jeder fünfte Einsatz wird mittlerweile von einem Arzt über 62 Jahre geleistet.

Projekte

Kalkutta/Indien

Ambulanz in Kalkutta, Indien

In Kalkutta fand im Gründungsjahr 1983 der erste Einsatz statt - seitdem sind über 1.300 weitere Arzteinsätze hinzugekommen. Mittlerweile betreiben die German Doctors verschiedene Ambulanzen und Krankenhäuser in den Slums der Schwesternstädte Kalkutta und Howrah. Neben der basismedizinischen Versorgung steht in Kalkutta der Kampf gegen die Tuberkulose im Mittelpunkt der Arbeit, die in den Slums der Stadt grassiert. Sechs Ärzte sind hier ständig anwesend und können so pro Jahr durchschnittlich 60.000 Behandlungen durchführen.

Cebu/Philippinen

In Cebu auf der gleichnamigen philippinischen Insel sind die German Doctors seit 2004 tätig und haben seitdem über 120 Arzteinsätze durchgeführt. In sogenannten Slumambulanzen, die durchgängig mit zwei deutschen Ärztinnen/Ärzten besetzt sind, werden Menschen kostenlos behandelt, die sich ansonsten keinen Arztbesuch leisten können. Neben der basismedizinischen Versorgung der Slumbewohner steht in Cebu die Diagnostik und Betreuung von Tuberkulosekranken im Vordergrund der Arbeit. Pro Jahr können hier dank dem unentgeltlichen Einsatz deutscher Ärzte über 20.000 Behandlungen vorgenommen werden.

Mindanao/Philippinen

Auf der philippinischen Insel Mindanao sind die German Doctors seit 1985 tätig und haben seitdem über 1.900 Arzteinsätze durchgeführt. In drei Armenhospitälern in Buda, Cagayan de Oro und Valencia City sind durchgängig sechs deutsche Mediziner eingesetzt, die sich um die medizinische Versorgung armer Bevölkerungsschichten kümmern. Vier weitere Ärzte machen sich mit der so genannten Rolling Clinic in die abgelegenen Gebiete der Insel auf, um auch diejenigen Patienten zu erreichen, die fernab der Zivilisation leben. Jährlich erhalten auf diesem Wege über 130.000 Menschen medizinische Hilfe.

Mindoro/Philippinen

Begonnen wurde die Arbeit der German Doctors 1983 an den „Smokey Mountains“, den Müllbergen von Manila, und in den riesigen Slums von Tondo. 1992 wurde dann in Bagong Silang, einem mit 300.000 Menschen bevölkerten Aussiedlungsgebiet, ein großes Gesundheitszentrum eröffnet. Seit Sommer 2002 fährt zudem regelmäßig ein Ärzteteam zu den Ureinwohnern auf der Nachbarinsel Mindoro, die fernab der Zivilisation leben und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Mittlerweile hat sich der Schwerpunkt des Projekts komplett von Manila nach Mindoro verschoben. Dort wurden seit 2002 bereits über 470 Arzteinsätze durchgeführt.

Chittagong/Bangladesch

In Chittagong, der zweitgrößten Stadt Bangladeschs, sind die German Doctors seit 2000 tätig und haben seitdem über 270 Arzteinsätze durchgeführt. Im dortigen Gesundheitszentrum steht die Tür der mit zwei Ärzten besetzten Ambulanz für die Slumbewohner jederzeit offen. Regelmäßig gibt es auch Hausbesuche in den Slums. Neben dieser basismedizinischen Versorgung werden in Chittagong Ernährungsprogramme für mangel- und unterernährte Kinder betrieben sowie Gesundheitsschulungen für Schwangere und Mütter angeboten.

Dhaka/Bangladesch

In Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, sind die German Doctors seit 1989 tätig und haben seitdem über 480 Arzteinsätze durchgeführt. Das dortige Gesundheitszentrum ist durchgehend mit zwei deutschen Ärzten besetzt; zusätzlich sind die Mediziner mit einer mobilen Ambulanz sind an verschiedenen Orten in den Großstadtslums im Einsatz. Flankiert wird diese basismedizinische Versorgung mit einem Ernährungsprogramm für mangel- und unterernährte Kinder sowie verschiedene Slumschulen, um den Kindern und Jugendlichen eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Nairobi/Kenia

In Nairobi, der Hauptstadt Kenias, sind die German Doctors seit 1997 tätig. Sechs Ärzte arbeiten ständig im „Mathare Valley“-Slum, wo sich über 400.000 Menschen auf engstem Raum ballen, zumeist ohne Trinkwasser, Strom und Abfallentsorgung. Gemeinsam mit einheimischen Helfern werden hier täglich bis zu 600 Patienten basismedizinisch versorgt. Ein weiterer Schwerpunkt des Nairobi-Projekts liegt in der Betreuung AIDS-kranker Patienten. Da Unterernährung wesentlich zur Kindersterblichkeit beiträgt, stellt das Ernährungsprogramm eine weitere wichtige Komponente dar. Seit Projektbeginn konnten in Nairobi bereits über 760 ehrenamtliche Arzteinsätze durchgeführt werden.

Serabu/Sierra Leone

Im Serabu Community Hospital, das in einer abgelegenen Region im Südosten von Sierra Leone liegt, sind die German Doctors seit 2010 tätig und haben seitdem über 130 Arzteinsätze durchgeführt. Fünf deutsche Fachärzte aus den Bereichen Chirurgie, Geburtshilfe, Kinderheilkunde und Public Health sind permanent vor Ort unterstützen die einheimischen Mitarbeiter. Ein besonderes Augenmerk liegt in Serabu auf der Schwangerenbetreuung und der Geburtshilfe, um der nach wie vor sehr hohen Kindersterblichkeit in Sierra Leone entgegenzuwirken. Auch nach dem Ausbruch des Ebolafiebers sind die German Doctors weiterhin vor Ort und halten die Gesundheitsversorgung in ihrem Krankenhaus aufrecht.

Der Verein

„German Doctors e.V.“ ist ein beim Amtsgericht in Bonn eingetragener gemeinnütziger und mildtätiger Verein. 23 Jahre war sein Gründer Bernhard Ehlen Geschäftsführer. Im Jahr 2006 trat Dr. Harald Kischlat seine Nachfolge an. Finanziert wird der Verein aus Spenden, Bundesmitteln der Entwicklungshilfe und Zuweisung von Bußgeldeinnahmen. Die Ausgaben für die acht Projekte mit den über 30 ständig anwesenden Ärztinnen und Ärzten aus Deutschland sowie weiteren einheimischen Ärzten und mehr als 300 Krankenschwestern, Übersetzern, Fahrern sowie ergänzende Programme beliefen sich im Jahr 2015 auf 4,7 Millionen Euro. Die Kosten für Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit lagen in diesem Zeitraum bei 14,1 %. Neben den acht Langzeitprojekten unterstützt German Doctors weltweit 66 Partnerprojekte in 23 Ländern.[3]

Anfang 2010 geriet Ärzte für die Dritte Welt in die Schlagzeilen, weil Gründer Bernhard Ehlen im Laufe des Skandals um das Canisius-Kolleg Berlin einen Fall sexuellen Missbrauchs an einem Schüler eingestand.[4] Es stellte sich heraus, dass Ehlens 2006 erfolgter Rücktritt als Geschäftsführer auf diesen Fall zurückzuführen war. Ein inzwischen ausgeschiedenes Vorstandsmitglied der Organisation war damals informiert gewesen, hatte darüber jedoch Stillschweigen bewahrt. Ehlen trat nach Bekanntwerden der Vorwürfe umgehend von seinem Vorstandsamt zurück und verließ auch den Verein. Die Organisation berief daraufhin ein externes Expertengremium ein, um zu klären, ob es im Rahmen von Ehlens Tätigkeit für den Verein zu Übergriffen gekommen ist. Der entsprechende Bericht liegt inzwischen vor[5][6], die darin empfohlenen Richtlinien zum Kindesschutz wurden von der Organisation bereits umgesetzt.[7]

Als Kontrollgremium fungiert ein Kuratorium. Dessen Präsidentin ist die Ärztin und Schauspielerin Maria Furtwängler. Ihr zur Seite steht neben einem Arzt noch der ehemalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer.

German Doctors ist Mitglied bei oder unterstützt folgende Organisationen: Bündnis Entwicklung hilft, Initiative Transparente Zivilgesellschaft, VENRO, Aktionsbündnis gegen AIDS.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bericht des General Anzeigers vom 13. Juni 2013
  2. Überblick über die Spendenmöglichkeiten
  3. Überblick über die Partnerprojekte
  4. Bericht der Frankfurter Rundschau vom 5. Februar 2010
  5. Bericht der Kommission (Mai 2012) (PDF; 394 kB)
  6. Stellungnahme zum Kommissionsbericht (Mai 2012) (PDF; 189 kB)
  7. Richtlinien zum Kindesschutz