Gustav Frenssen

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Gustav Frenssen (* 19. Oktober 1863 in Barlt, Dithmarschen; † 11. April 1945 in Barlt) war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein erfolgreicher Schriftsteller. Seine Bücher, die nach 1933 herauskamen, gelten fast alle als „übelste nationalsozialistische Propaganda“.[1]

Gustav Frenssen

Leben

Frenssen wurde in Barlt als Sohn des Tischlermeisters Hermann Frenssen (1829–1919) und dessen Frau Amalie geb. Hansen (1827–1897) geboren. Er besuchte nach der Volksschule zunächst das Gymnasium in Meldorf, gemeinsam mit dem späteren antisemitischen Literaturhistoriker Adolf Bartels, und auf Grund schlechter schulischer Leistungen danach das in Husum. Nach abgelegter Reifeprüfung 1886 nahm er das Studium der Theologie an den Universitäten Tübingen, Berlin und Kiel auf, um 1890 Zweiter Pastor in Hennstedt zu werden und 1892 schließlich Pastor in Hemme. 1890 heiratete er Anna Walter, die Tochter eines Lehrers. Aus nächster Nähe erlebte er die zahlreichen Umbrüche mit, die die Industrialisierung im ländlichen Holstein mit sich brachte.

Literarische Anfänge und Erfolge

1896 veröffentlichte er sein erstes größeres Werk, „Die Sandgräfin“. 1901 erschien sein Entwicklungsroman „Jörn Uhl“, der zum großen Überraschungserfolg avancierte. Die Millionenauflage dieses Werkes, das bis heute sein bekanntestes geblieben ist, erlaubte es Frenssen, seine Pastorenstelle 1902 aufzugeben und fernerhin als freier Schriftsteller zu leben. 1903 bekam er von der Universität Heidelberg den Ehrendoktor für Theologie verliehen. Weitere Bücher folgten: 1905 „Hilligenlei“, ein weiterer großer Verkaufserfolg; 1906 „Peter Moors Fahrt nach Südwest“ über den Vernichtungskrieg gegen die Herero im damaligen Deutsch-Südwestafrika. Der ausgesprochen rassistische Roman entwickelte sich zu einem weiteren Bestseller, Frenssen wurde zu einem der beliebten „Kolonialautoren“. Vor 1914 wurde er mehrfach als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt. Seine Werke erreichten eine Gesamtauflage von rund drei Millionen Exemplaren. Sein ehemaliger Mitschüler Adolf Bartels hingegen blieb einer seiner schärfsten Kritiker, der sein frühes Schaffen als von der Gartenlaube her beeinflusst betrachtete und seine religiösen Vorstellungen für gefährlich hielt.

Nationalliberal und NSDAP

Gustav Frenssen zwischen 1925 und 1930 auf einer Fotografie von Nicola Perscheid.

Frenssens politische Haltung während des Kaiserreichs wird mit dem Begriff Nationalprotestantismus gekennzeichnet. Er wurde 1896 Mitglied in Friedrich Naumanns Nationalsozialem Verein und blieb es bis zu seiner Auflösung 1903. Genau wie Naumann sprach er sich für die Notwendigkeit deutscher Kolonien aus, und schon vor Hans Grimm und Adolf Bartels prägte er in seinem Roman Die drei Getreuen (1898) die Parole vom Volk ohne Raum. Er beschäftigte sich mit zeitgenössischen rassebiologischen Schriften. Gustav Frenssen lebte von 1902 bis 1906 in Meldorf und danach bis 1919 in Blankenese. 1919 zog er zurück an seinen Geburtsort Barlt. Wie die meisten Dithmarscher seiner Zeit war er nationalliberal gesinnt und stand der Weimarer Republik zunächst aufgeschlossen gegenüber. Walther Rathenau bezeichnete er als „vornehmsten Kopf Europas“, wandte sich aber bald von ihm ab. Ab 1923 sind in Frenssens Werken Anzeichen für einen verstärkten Antisemitismus festzustellen.[2] 1926 erschien sein umfangreiches Werk „Otto Babendiek“, in dem er u.a. seine Jugenderinnerungen und seine Schulzeit verarbeitet. Bei der Reichspräsidentenwahl 1932 entschied er sich für Adolf Hitler. Nach der Machtübernahme unterstützte er offen die NSDAP, 1933 unterschrieb er das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Hitler, bejahte ab 1938 die Ausgrenzung der Juden und trat für die Euthanasie ein.[2]

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten machte sich Frenssen im deutschen Literaturbetrieb schnell sehr beliebt und wurde zum Ehrensenator des Reichsverbands Deutscher Schriftsteller ernannt. Er war Vorstandsmitglied des 1936 gegründeten Eutiner Dichterkreises, einer der bedeutendsten Autorengruppen in Nazi-Deutschland.[3] 1936 erschien sein Buch „Der Glaube der Nordmark“, das seine endgültige Abwendung von der christlichen Religion markierte. Das christliche Menschenbild stand in radikalem Konflikt zu Frenssens völkisch-rassistischen Ansichten, so dass er stattdessen nun eine Art nordisches Neuheidentum propagierte. Dieses spiegelte auch seine Ablehnung der bürgerlich-konservativen Sexualmoral wider. 1937 wurde „Vorland. Grübeleien“ veröffentlicht, in dem er sich für die nationalsozialistische „Euthanasie“-Politik aussprach. 1938 wurde er von Hitler ausgezeichnet und veröffentlichte „Der Weg unseres Volkes“.

Letzte Lebensjahre

1940 erschien seine Autobiographie „Lebensbericht“, die von Großstadtfeindlichkeit, Antiintellektualismus und Antisemitismus geprägt ist und Recht oder Unrecht – mein Land!, in dem er die deutsche Politik verteidigte. Sein letztes Buch „Lebenskunde“ erschien 1942 und beschäftigt sich wiederholt mit dem Thema der Menschenzucht. In den letzten Kriegsjahren arbeitete er vorwiegend für den Rundfunk und die Reichspressestelle der NSDAP.

Nach seinem Tod 1945 geriet Frenssen weitgehend in Vergessenheit. In der Sowjetischen Besatzungszone und der Deutschen Demokratischen Republik wurden viele seiner Werke auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt,[4][5] wo sich auch Erläuterungen zu Gustav Frenssen: "Der Glaube der Nordmark" (1939) von Albert Meerkatz und Gustav Frenssen. Entfaltung eines Lebens (1938) von Numme Numsen finden.[6][7]

Von den modernen Autoren ist vor allem Arno Schmidts Abhandlung über Frenssen in seiner szenische Beschreibung Ein unerledigter Fall – Zum Hundertjährigen Geburtstag von Gustav Frenssen[8] erwähnenswert. Er sah Frenssen als einen Vertreter exemplarischer literarischer und gesellschaftlicher Anti-Moderne an.[9] Neben der Hochschulgermanistik beschäftigten sich vorwiegend Lokalpolitiker mit ihm, die sich unsicher darüber waren, wie mit Gustav-Frenssen-Straßen umzugehen sei.

Werke (in Auswahl)

  • Die Sandgräfin. Berlin 1896
  • Die drei Getreuen. Berlin 1898
  • Eine Handvoll Gold. Leipzig 1901
  • Jörn Uhl. Berlin 1901
  • Hilligenlei. Berlin 1905
  • Peter Moors Fahrt nach Südwest. Berlin 1906
  • Das Leben des Heilandes. Berlin 1907
  • Klaus Hinrich Baas. Berlin 1909
  • Der Untergang der Anna Hollmann. Berlin 1911
  • "Bismarck" Berlin 1914
  • Grübeleien. Berlin 1920
  • Der Pastor von Poggsee. Berlin 1921
  • Briefe aus Amerika. Berlin 1923
  • "Lütte Witt." Berlin 1924
  • Otto Babendiek. Berlin 1926
  • Die Chronik von Barlete. Kulturgeschichte eines niedersächsischen Dorfes. Berlin 1928
  • Dummhans. Berlin 1929
  • Der brennende Baum. Berlin 1931
  • Meino der Prahler. Berlin 1933
  • Der Glaube der Nordmark. Stuttgart 1936
  • "Vorland" Berlin 1937
  • Lebensbericht. Berlin 1940
  • Der Landvogt von Sylt. Berlin 1943

Literatur

  • Andreas Crystall: Gustav Frenssen. Sein Weg vom Kulturprotestantismus zum Nationalsozialismus. Gütersloh: Kaiser, Gütersloher Verlags-Haus 2002. ISBN 3-579-02609-7
  • Kay Dohnke (Hrsg.): Gustav Frenssen in seiner Zeit. Von der Massenliteratur im Kaiserreich zur Massenideologie im NS-Staat. Heide: Boyens 1997. ISBN 3-8042-0750-2
  • Otto Jordan (Bearb.): Gustav-Frenssen-Bibliographie. Bohmstedt. 1978.
  • Norbert Mecklenburg: Erzählte Provinz. Regionalismus und Moderne im Roman. Königstein/Taunus: Athenäum 1982. ISBN 3-7610-8248-7
  • Arno Schmidt: Ein unerledigter Fall. Zum 100. Geburtstage von Gustav Frenssen. In: derselbe: Die Ritter vom Geist. Von vergessenen Kollegen. Karlsruhe: Stahlberg 1965. S. 90-165.
  • Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biographisches Lexikon. Hamburg/Wien: Europa Verlag, (Erw. Neuauflage) 2002 ISBN 3-203-82030-7
  • Jan Süselbeck: "Arse=tillery + Säcksualität". Arno Schmidts Auseinandersetzung mit Gustav Frenssen. Bielefeld: Aisthesis 2001. ISBN 3-89528-337-1
  • Klaus Uhde: Gustav Frenssens literarischer Werdegang bis zum Ersten Weltkrieg. Eine kritisch-monographische Studie zur Entstehung völkischer Literatur. München: Univ. Diss. 1983.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biographisches Lexikon. Hamburg 2002, S. 170 f.
  2. a b Ulrich Pfeil: Vom Kaiserreich ins "Dritte Reich", Heide 1997.
  3. Uwe Danker, Astrid Schwabe: Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus, Neumünster 2005, Seite 88.
  4. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-f.html
  5. http://www.polunbi.de/bibliothek/1953-nslit-f.html
  6. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-n.html
  7. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-m.html
  8. Die Ritter Vom Geist - Von vergessenen Kollegen, Karlsruhe 1965, S. 90 bis S. 166.
  9. Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biographisches Lexikon. Hamburg 2002, S. 171.