Javier Chocobar

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Javier Chocobar (geboren 1941 in Argentinien, gestorben am 12. Oktober 2009 in Trancas in der argentinischen Provinz Tucumán) war ein argentinischer Menschenrechtler und Kazike (Häuptling) des Indianerstammes Diaguita in der Siedlung Chuschagasta in Trancas. Er fiel einem Mord im Zusammenhang mit Grundstücksstreitigkeiten zum Opfer; das diesbezügliche Ermittlungsverfahren dauert noch an (Stand von September 2015).[1]

Hintergründe

Chocobar lebte mit seiner Familie in der Siedlung Chuschagasta bei Trancas. Er setzte sich für die Rückgabe des im Verlauf der Eroberung großer Teile Südamerikas durch die spanischen Konquistadoren enteigneten indigenen Landbesitzes ein. 2009 beanspruchte der Großgrundbesitzer Darío Amín den Grundbesitz in Chuschagasta, konnte seinen vermeintlichen Anspruch aber nicht durchsetzen, da der Boden der Siedlung gemäß der Verfassung Argentiniens den Diaguita zusteht.[2] Auch das 2006 vom argentinischen Parlament beschlossene Gesetz Ley de Emergencia N° 26.160 über das Gemeindeeigentum bestätigt den Grundbesitz des Stammes.[3]

Der Mord

Am 12. Oktober 2009, dem jährlichen nationalen Gedenktag für die Opfer der Kolonialherrschaft,[3] wurden Amín und die beiden ehemaligen Polizisten Luis Humberto Gómez und Eduardo José Valdivieso in Chuschagasta vorstellig, um Chocobar zur Aufgabe seines Grundstücks zu überreden, was dieser jedoch ablehnte. Der Streit eskalierte und Amín, Valdivieso und Gómez eröffneten das Feuer auf die anwesenden Diaguita. Chocobar wurde getötet; die Stammesmitglieder Delfín Cata sowie Andrés und Emilio Mamaní wurden schwer verletzt.[2]

Strafverfahren

Einem anwesenden Stammesmitglied war es gelungen, den Mord in einer Videodatei festzuhalten und die Kamera zu bergen. Am 4. Mai 2010 wurde das Video auf YouTube veröffentlicht, die Aufzeichnung ging als Beweismittel an die zuständige Staatsanwaltschaft in der Provinzhauptstadt San Miguel de Tucumán. Nur Valdivieso sagte bei Staatsanwalt Arnoldo Suasnábar aus. Valdivieso und Amín wurden in einer Privatklinik behandelt, da sie während der Schießerei selbst verletzt worden waren.[4]

Amín, Gómez und Valdivieso wurden daraufhin des gemeinschaftlichen Mordes, versuchten Mordes und unerlaubten Waffenbesitzes beschuldigt.[5] Der zuständige Ermittlungsrichter sah von der Verhängung der Untersuchungshaft ab und ließ die Beschuldigten frei, was – wie auch die lange Dauer des Ermittlungsverfahrens – in der argentinischen Öffentlichkeit scharf kritisiert wurde.[6] In diesem Zusammenhang wiesen Kritiker darauf hin, dass es sich beim Chef der Provinzpolizei um einen Schwager des Beschuldigten Gómez handelte.[7]

Am 6. Oktober 2014 übernahm die 4. Kammer des Strafgerichts Tucumán den Fall. Die zuständigen Richterinnen sind Wendy Adela Kassar, María Alejandra Balcázar und María del Pilar Prieto. Das Hauptverfahren sollte im April 2015 beginnen, was aber zumindest bis Mai 2016 nicht geschah.[8][9] Im Mai 2016 wurden mit Emilio Paez de la Torre und Néstor Rafael Macoritto zwei weitere Richter für das Verfahren nominiert.[10] Am 4. Juli 2016 demonstrierten Angehörige von Indianerstämmen in der Provinzhauptstadt San Miguel de Tucumán, darunter der Sohn des Häuptlings Auodolio Chocobar, für eine baldige Eröffnung des Hauptverfahrens.[11]

Die Angeklagten

Alle drei Angeklagten waren bereits vor dem Mord an Chocobar polizeibekannt; außer Amín sind sie rechtskräftig vorbestraft:

Darío Amín

Amín ist ein Großgrundbesitzer in der argentinischen Provinz Tucumán und liegt seit den 2000er Jahren mit Chocobars Familie im Streit. Zum Zeitpunkt des Mordes war bereits ein Strafverfahren gegen Amín wegen unerlaubter Landbesetzung zu Lasten des Diaguita-Stammes anhängig.[12] Ferner wird er beschuldigt, Morddrohungen gegen Einwohner Chuschagastas ausgesprochen zu haben.[2]

Eduardo José Valdivieso

Valdivieso ist wegen unerlaubter Bereicherung, Betrugs, Bedrohung und schwerer Körperverletzung vorbestraft. Während der argentinischen Militärdiktatur gehörte er zur Einsatzgruppe Comando Atila unter dem Kommissar Mario Ferreyra,[13] der sich am 21. November 2008 durch Suizid der Verhaftung entzogen hatte.[14][15] Dem Comando Atila werden mehrere Morde an Gefangenen während der Militärdiktatur vorgeworfen.[7]

Luis Humberto Gómez

Wie Valdivieso war auch Gómez Mitglied des Comando Atila; wie Ferreyra und Valdivieso wird er der Beteiligung an der Ermordung des Polizisten Juan Andrés Salinas am 31. Januar 1993 in Buenos Aires beschuldigt und saß in diesem Zusammenhang in Untersuchungshaft. Mit Valdivieso teilt er dessen Vorstrafen in denselben Fällen.[2][16] Bei Gómez handelt es sich um den Schwager des zum Tatzeitpunkt amtierenden Polizeichefs von Tucumán.[7]

Nachfolger Chocobars

Chocobars Nachfolger als Häuptling der Diaguita von Chuschagasta wurde Andrés Mamaní, der beim Anschlag auf Chocobar schwer und mit bleibenden Folgen verletzt worden war.[9]

Einzelnachweise

  1. A un año del asesinato de Javier Chocobar (Tucumán). Taringa!, 5. Oktober 2010
  2. a b c d Recuerdan a un cacique asesinado en Trancas. El Tribuno de Tucumán, 3. Juli 2014
  3. a b Norma Giarracca: El asesinato de Javier Chocobar. Página/12 vom 20. Oktober 2009
  4. Rubén Elsinger: Mataron a un indígena en una disputa por tierras en Tucumán. Clarín, 15. Oktober 2009
  5. Tucumán: conmoción por el video del asesinato de un cacique. LaVoz, 7. Mai 2010
  6. Asesinato de Chocobar: Imágenes contundentes de la impunidad. Red Nacional de Medios Alternativos, 6. Mai 2010
  7. a b c El asesinato de Javier Chocobar es un crimen político. Partido Obrero (Argentinien), 22. Oktober 2009
  8. La cámara cuarta juzgará la muerte de Javier Chocobar. El Siglo, 6. Oktober 2014
  9. a b Pasaron seis años del asesinato de Javier Chocobar y todavía no tenemos juicio". Tucumán Noticias vom 11. Oktober 2015
  10. Exigen la elevación a juicio de la causa por la muerte de Chocobar. Tucumán Noticias vom 24. Mai 2016
  11. A casi siete años del asesinato del cacique Javier Chocobar, exigen justicia. La Gaceta de Tucumán vom 4. Juli 2016
  12. Ramiro Rearte: Asesinado el 12 de octubre. Página/12 vom 14. Oktober 2009
  13. Roberto Delgado: Civilización y barbarie. La Gaceta, 18. Juli 2015
  14. Fernando García Soto: Suicide of Malevo Ferreyra. LiveLeak, 21. November 2008
  15. El "Malevo" Ferreyra se suicidó delante de las cámaras de televisión., Mendoza online, 21. November 2008
  16. Soledad Vallejos: El caso Salinas. Página/12, 10. März 2013

Weblinks