Kionga-Dreieck

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Das Kionga-Dreieck im Nordosten von Mosambik

Das Kionga-Dreieck war ein kleines Gebiet von etwa 395 km²[1] südlich des Flusses Rovuma am Indischen Ozean, das sich bis zum Kap Delgado erstreckte.

Geschichte

Das Kionga-Dreieck, dargestellt im „Wirtschafts-Atlas“ aus der deutschen Kolonialzeit

In dem Dreieck liegt der Ort Quionga (früher „Kionga“), der 1910 rund 4000 Einwohner hatte. Nachdem sich die Portugiesen aus der Region zurückgezogen hatten, gehörte das Gebiet bis zum Kap Delgado zum Reich von Sansibar. Auf der Kongokonferenz 1885 wurden Portugal zwar die Gebiete südlich des Rovuma zugesprochen, doch dies betraf aus deutscher Sicht nur das Inland, jenseits des sansibarischen Festlandstreifens. 1890, nach dem so genannten Helgoland-Sansibar-Vertrag, übernahm Deutschland den Süden des sansibarischen Festlandes an der ostafrikanischen Küste.[2] Daher betrachtete die deutsche Seite Kionga nun als Teil Deutsch-Ostafrikas.[3] Ein deutscher Marineverband besetzte am 16. Juni 1894 das Gebiet und errichtete einen Außenposten. Damit sicherte sich das Deutsche Reich die Mündung des Rovuma, an der Grenze zwischen den Kolonien Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) und Portugiesisch-Ostafrika (heute Mosambik). Unter der deutschen Verwaltung gab es hier ein Zollamt,[4] aber nur wenig Dampfer- und einigen Dauverkehr.

Im Ersten Weltkrieg besetzten die Portugiesen 1916 das Gebiet.[5] Das Deutsche Reich hatte am 9. März Portugal den Krieg erklärt. Bereits am Ende des Monats wurde eine portugiesische Einheit in Porto Amémlia zusammengestellt, die das Kionga-Dreieck besetzten sollte. Zu ihr gehörten eine Kompanie der 21. Infanterie, eine Batterie der Gebirgsartillerie (m/82) und ein Zug der Kavallerie. Anfang April wurde ein erster Teil der Truppe mit dem Dampfer Luabo nach Palma, südlich von Quionga gebracht. Hier wurden auch einheimische Kräfte mobilisiert. Auf dem Sandpfad nach Quionga führte Major Silveira seine Truppe, zusammen mit der 20. Eingeborenenkompanie (companhia indígena) zwölf Kilometer nach Norden und besetzte den Ort am 10. April 1916. Die Deutschen hatten den Posten am Vorabend aufgegeben und sich an das Nordufer des Rovuma zurückgezogen, wo sich die Front auf eine Länge von etwa 50 Kilometern entlangzog. Am 24. April erreichten weitere portugiesische Truppen Palma an Bord der Limbo. Nur die Kavallerie fehlte, da ihre Pferde nicht auf dem Schiff untergebracht werden konnten. Das Einsetzen der Regenfälle verwandelte zudem den Pfad vom Hafen von Palma nach Quionga in eine Schlammfläche, was den Nachschub bremste. Insgesamt hatten die Portugiesen 400 Gewehre und dazu Geschütze, Maschinengewehre und schließlich auch die Kavallerie zur Verfügung. Trotz dem Wunsch des Generalgouverneurs in die Offensive entlang der Küste Richtung Norden zu gehen, wurden die portugiesischen Streitkräfte an der Grenzlinie verteilt. Die Chance zum erfolgreichen Angriff auf Deutsch-Ostafrika wurde damit vertan, obwohl die Deutschen durch britische Aktionen an der Küste stark geschwächt waren.[6]

Das ungesunde Klima verursachte neue Probleme. 545 Soldaten erkrankten. Im Ort, der zu diesem Zeitpunkt nur aus drei Geschäftshäusern und etwa hundert Hütten bestand, wurden provisorische Krankenstationen errichtet. Als Standort wählte man den Strand, an dem es zwar kein Trinkwasser gab, man sich aber eine gesündere Luft erhoffte. Am 29. Juli brachte die Zaire die Kranken aus Quionga fort. Wahrscheinlich war dafür das erste Mal so ein großes Schiff in die Baía de Quionga eingelaufen. Proportional hatten die Portugiesen weit mehr Erkrankte zu versorgen als die anderen europäischen Truppen. Grund dafür waren mangelnde Hygiene und grassierende Krankheiten, wie Syphilis und Tuberkulose. Die Soldaten weigerten sich, ihr Trinkwasser abzukochen, und Chinin wurde wegen des bitteren Geschmackes abgelehnt. Hätte die Zaire die Kranken nicht abgeholt, hätte man wohl die Hälfte von ihnen später in Quionga beerdigen müssen.[6]

Am 25. September 1919 wurde im Vertrag von Versailles der Rovuma endgültig als Grenzfluss definiert und Portugal als Entschädigung für die Kriegsschäden das Dreieck zugesprochen. Am 10. Januar 1920 wurde das Gebiet ein C-Mandat des Völkerbundes unter portugiesischer Verwaltung. Offiziell in Portugiesisch-Ostafrika eingegliedert wurde das Kionga-Dreieck mit dem Gesetz n.º 962 am 2. April 1920. Es war der letzte Gebietsgewinn des portugiesischen Kolonialreichs. Das Völkerbundmandat beziehungsweise die spätere UN-Treuhandschaft endeten endgültig am 25. Juni 1975 mit der Unabhängigkeit Mosambiks, mit der das Gebiet Teil der Provinz Cabo Delgado wurde.[7]

Briefmarken

2 ½-Centavo Briefmarke aus Kionga, abgestempelt im August 1916

Am 29. Mai 1916 wurden von der portugiesischen Verwaltung Briefmarken für Kionga herausgegeben. Verwendet wurden alte Briefmarken der Kolonie Lourenço Marques (heute Maputo) mit dem Bild von König Carlos I. und dem Stempel „REPUBLICA“ (1910 war die portugiesische Monarchie gestürzt worden). Zusätzlich wurde nun der Schriftzug „Kionga“ und ein neuer Wert aufgedruckt. Die Briefmarken gab es in Wert von ½, 1, 2 ½ und 5 Centavo. Die Briefmarken gelten als Seltenheit.

Literatur

  • H. B. Thomas: The Kionga Triangle. Tanganyika Notes and Records, Bd. 31, 1951, S. 47–50.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Encyclopaedia Britannica: Quionga
  2. Auf einer Karte der Deutschen Kolonialgesellschaft, veröffentlicht von Rochus Schmidt, aus dem Jahr 1892 ist Kionga noch als portugiesisches Gebiet markiert.
  3. Ohne Name: Der deutsch-portugiesische Grenzstreit, in: Karl Homann (Hrsg.): Neueste Mittheilungen. Berlin, 31. Juli 1894.
  4. Nach Angaben im Großen Deutschen Kolonialatlas, herausgegeben von der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, bearbeitet von Paul Sprigade und Max Moisel, Berlin 1901–1915.
  5. Karte der deutschen und portugiesischen Militäroperationen am Kionga-Dreieck, engl.
  6. a b O Portal da História: A REOCUPAÇÃO DE QUIONGA, abgerufen am 3. August 2014.
  7. Lochner: Kampf im Rufiji-Delta. Wilhelm Heyne, München 1987, S. 424, ISBN 3-453-02420-6.

Koordinaten: 10° 35′ 40″ S, 40° 30′ 25″ O