Leo Ansbacher

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. August 2016 um 17:49 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (Tippfehler entfernt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Leo Ansbacher (* 3. Dezember 1907 in Frankfurt am Main; † 1998 in Tel Aviv; vollständiger Name: Leo Jehuda Ansbacher) war ein deutsch-israelischer Rabbiner.[1]

Leben

Ansbacher wurde als Sohn von Recha Ansbacher (geb. Rosenbaum, 1882–1956) und Josef Ansbacher (1876–1951) in Frankfurt geboren. Er studierte zuerst an der Universität Frankfurt Geschichte, Deutsch und Philosophie, brach das Doktoratsstudium jedoch 1932 angesichts des Erstarkens des nationalsozialistischen Antisemitismus ab. Er emigrierte nach Belgien, wo er in weiterer Folge die Rabbinerprüfung ablegte. 1940 wurde er nach dem Überfall Deutschlands auf Belgien von den dortigen Behörden wie viele andere als mögliche deutsche Spione verdächtigte Ausländer zwangsweise nach Frankreich verschickt und dort erst im Internierungslager Saint-Cyprien und dann im größten französischen Internierungslager Camp de Gurs festgesetzt. Dort übernahm er die Aufgabe und Stellung des Lager-Rabbiners und erwarb sich große Verdienste um das spirituelle Leben und den Lebensmut der Internierten.

In seiner Zeit als Lager-Rabbiner entstand für das Pessach-Fest 1941 eine spezielle handgeschriebene Haggada, die unter dem Namen Haggada von Gurs bekannt ist (Hagadah šel pesaḥ mimaḥane Giyrs). Sie wurde von Ansbacher mit Hilfe des Lagerhäftlings Aryeh Ludwig Zuckerman aus dem Gedächtnis niedergeschrieben und mit einer Schablonenmaschine vervielfältigt. Der nichtjüdische Häftling Fritz Schliefer illustrierte sie (zur Strafe wurde er ins Camp de Drancy verlegt und dann in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert).[2] Die Leitung der Yad Vashem reproduzierte diese Haggada später nach einem geretteten Exemplar und veröffentlichte sie mit Fotografien und Hintergrundmaterial. Sie endet mit dem Wunsch "Nächstes Jahr in Jerusalem".[3]

Nach dem Beginn der Deportationen von Lagerhäftlingen in die Konzentrationslager setzte sich Ansbacher mutig für bedrohte Mithäftlinge ein. Dokumentiert ist die so genannte "Affäre Ansbacher", nachdem er am 20. Oktober 1942 denunziert worden war, einen zur Deportation bestimmten Häftling versteckt und ihm zur Flucht verholfen zu haben.[4] Ansbacher entschloss sich daraufhin, selbst mit seiner Frau Betty Ansbacher aus dem Lager zu fliehen. Die Flucht gelang und führte die Ansbachers nach Spanien, von wo sie 1944 schließlich nach Palästina emigrieren konnten. Dort war er zuerst als Lehrer tätig, bevor er wieder als Rabbiner arbeiten konnte.[5] Ab 1957 war er Rabbiner der Synagogen-Gemeinde Ichud-Zion in Tel Aviv und schließlich auch Mitglied des religiösen Zentralrates von Tel Aviv-Jaffa.[6]

Werke und Literatur

  • Oskar Althausen; Jehuda L Ansbacher; Gerhard Brändle; Louis Dreyfuss; Eugen Fried; Gertrud Friedberg; Eckhardt Friedrich; Berty Friesländer-Bloch; Erhard R Wiehn: Oktoberdeportation 1940. Die sogenannte 'Abschiebung' der badischen und saarpfälzischen Juden in das französische Internierungslager Gurs und andere Vorstationen von Auschwitz. ISBN 9783891913321
  • Interview mit Leo Ansbacher in: Anne Betten (Hrsg., 1995), Sprachbewahrung nach der Emigration, Tübingen: Niemeyer, S. 176ff.
  • Belah Guṭerman, Naomi Morgensṭern: The Gurs Haggadah: Passover in Perdition. Devora Publishing, 2003. ISBN 978-1930143333

Einzelnachweise

  1. Center for Jewish History: Portraitfoto von Leo Ansbacher
  2. vgl. dazu die Quellenangaben in der französischen Wiki Léo Ansbacher
  3. Siehe dazu: Belah Guṭerman, Naomi Morgensṭern: The Gurs Haggadah: Passover in Perdition. Devora Publishing, 2003.
  4. siehe: Courageuse intervention de l’abbé Lopez en faveur du rabbin Ansbacher, interné à Gurs.
  5. vgl. dazu das Transkript des Interviews mit L.A. in: Anne Betten (Hrsg., 1995), Sprachbewahrung nach der Emigration, Tübingen: Niemeyer, S. 176ff.
  6. Ansbacher, Jehuda. Hessische Biografie. (Stand: 30. September 2010). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).