Nichiren-shū

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Nichiren Hakii Portrait, 15. Jahrhundert, ausgestellt in Minobu-san Kuon-ji

Die Nichiren-shū (jap. 日蓮宗) ist die älteste und größte der traditionellen Schulen des Nichiren-Buddhismus, ihre Lehren beziehen sich auf den Mönch Nichiren (1222–1282), der im Japan des 13. Jahrhunderts lebte. Es handelt sich bei dieser Schule um eine Konföderation von etwa 5000 buddhistischen Tempeln, sowohl innerhalb als auch außerhalb Japans, die sich der Nichiren-shū zugehörig fühlen. Eigenen Angaben zufolge hatte die Nichiren-shu 2010 weltweit etwa 3,8 Millionen Mitglieder.[1]

Dem Lotos-Sutra wird in dieser buddhistischen Schule höchster Stellenwert eingeräumt. Die sogenannten Goibun (御遺文) oder Gosho (御書)[2][3] sind Briefe und Abhandlungen des Glaubensstifters Nichiren und werden zum Studium des Buddhismus herangezogen. Die jeweilige Authentizität dieser Schriften wird in den verschiedenen Nichiren-Schulen unterschiedlich interpretiert.[4] Kritisch steht man vor allem den so genannten Ongi Kuden,[5] den mündlich überlieferten Lehren Nichirens gegenüber. Deren Authentizität wird in weiten Teilen der Nichiren-shū bezweifelt, das Studium solcher Schriften jedoch nicht kategorisch abgelehnt. Durchaus ermutigt wird auch das Studium anderer buddhistischer Schriften. Somit ist der interreligiöse Dialog (auch mit anderen buddhistischen Traditionen) ein Anliegen, dem sich einige Tempel der Nichiren-shū besonders verpflichtet fühlen. Mit zu den heiligsten Orten des Buddhismus der Nichiren-shū gehört der Tempel Kuon-ji am Berg Minobu, welcher von Nichiren begründet wurde und auf dessen Gelände sich auch sein Grab befindet.

Religiöse Ausübung

Shutei Gohonzon der Nichiren Shū, Kopie eines Nichiren-Gohonzon

Im Mittelpunkt der religiösen Verehrung steht ein Mandala, genannt Gohonzon. Der Gohonzon kann jedoch auch eine Statue sein, gängige Formen des Gohonzon sind in der Nichiren-shū:

  • Eine Statue des Shakyamuni Buddha.
  • Eine Statue des Shakyamuni Buddha, flankiert von den sog. Vier Bodhisattvas aus der Erde (dies sind: Jōgyō, Muhengyō, Jyōgyō und Anryūgyō)
  • Eine Stupa mit der Inschrift Namu-myōhō-renge-kyō, flankiert von den sog. Vier Bodhisattvas aus der Erde.
  • Eine Kalligrafie des Odaimoku (Ippen Shudai).
  • Die Kopie eines von Nichiren selbst gefertigten Gohonzons den sog. Shutei Gohonzon[6] oder eine durch einen Priester gefertigte Abschrift dessen.

Neben der Verehrung dieses Mandalas, sind vor allem das Rezitieren des Odaimoku (御題目) „Namu Myōhō Renge Kyō“ und das Rezitieren von Teilen des Lotos-Sutra Kernpunkte der Ausübung. Das Rezitieren des Odaimoku wird als Zeremonie auch als Shodaigyo bezeichnet. Das Rezitieren von Teilen des Lotos-Sutra wird Gongyō (勤行) oder auch Shōjin (精進) genannt und erfolgt meist am Morgen und am Abend. In der Art des Ablaufs gibt es keine generellen Vorschriften. Üblicherweise wird jedoch folgender Verlauf eingehalten[7]:

  • Kurze stille Meditation
  • Verneigung vor den drei Schätzen (Drei Juwelen), gemäß Interpretation der Nichiren-Shū sind dies:
  • Anrufung (Kanjo: Einladung an den Buddha, das Dharma und den Sangha der Zeremonie beizuwohnen)
  • Eröffnungsvers zum Lotos-Sutra (Kaikyoge)
  • Shindoku:
    • Rezitieren des zweiten Kapitels des Lotos-Sutra (Hoben-pon)
    • Rezitieren des 16. Kapitels des Lostos-Sutra (Juryo-hon/Jiga-ge)
  • Nichirens Unterweisung (Shoho Jisso Sho)
  • Das Chanten (mehrmalige Rezitieren) des Odaimoku (Namu-Myoho-Renge-Kyo)
  • Rezitieren des 11. Kapitels des Lotos-Sutra (Hoto-ge)
  • Gebet (Eko)
  • Shiguseigan:

Nicht unüblich ist es auch, über mehrere Tage verteilt, das gesamte Lotos Sutra zu rezitieren. Das Rezitieren des Sutras erfolgt meist gemäß Japanischer Aussprache oder auch in der jeweils üblichen Landessprache. Auch das kalligraphische Kopieren des Odaimoku (写経, ) findet eine Anwendung. Diese Ausübungen sind in der Nichiren-shū Teil der Ausübungen, die ein Lehrer des Dharma praktizieren sollte. Zusammen sind dies:

  • Das Lotos-Sutra mit Körper und Geist zu empfangen und beizubehalten
  • Das Lotos-Sutra mit den Augen zu lesen
  • Das Lotos-Sutra zu rezitieren
  • Das Lotos-Sutra anderen zu erklären
  • Das Lotos-Sutra zu kopieren (shakyō)

Buddhistische Konzepte wie das Zuflucht suchen und die vier edlen Wahrheiten werden im Gegensatz zu anderen Schulen des Nichiren Buddhismus somit als unterstützend erachtet und angewendet.

Besondere Feiertage

Eine Auflistung der wichtigsten Feiertage:[8]

  • 15. Februar: Nirvana-Tag: Todestag Shakyamuni Buddhas
  • 16. Februar: Geburt Nichirens.
  • 21. März: Higan, Gedenken an die Verstorbenen
  • 8. April: Geburt Shakyamunis
  • 28. April: Nichiren rezitiert zum ersten Mal das Odaimoku
  • 13.-15. Juli (oder 13-15 August): Urabon, Gedenken an Maudgalyayana der dem Mythos nach seine Mutter vor den "hungrigen Geistern" rettete. Zu dieser Gelegenheit gedenkt man besonders verstorbenen Familienmitgliedern. Dieser Tag wird zusammen mit dem sog. Segaki zelebriert, zur Erinnerung daran, dass alle Wesen miteinander verbunden sind.
  • 13. Oktober: Oeshiki, Todestag Nichirens
  • 8. Dezember: Bodhi-Tag, Gedenken an die Erleuchtung Shakyamunis. Wird in der Nichiren-shū mit einer Zeremonie bei Kerzenlicht zelebriert.

Wichtige historische Tempel der Nichiren-shū

  • Hōtō-ji,
  • Ikegami Honmon-ji, bezeichnet den Ort an dem Nichiren verstarb und auch eingeäschert wurde.
  • Kuon-ji, gegründet durch Nichiren.
  • Kyōnin-ji, gegründet an einer Stelle an der Nichiren im Jahre 1281 angegriffen worden sein soll.
  • Ryūkō-ji, gegründet an dem Ort an dem Nichiren beinahe hingerichtet wurde.
  • Seichō-ji, ursprünglich ein Tempel der Tendai-shū, da der Tempel eine wichtige Rolle im Nichiren-Buddhismus spielt seit 1949 ein Tempel der Nichiren-shū.
  • Tanjō-ji, bezeichnet den Ort an dem Nichirens Elternhaus stand.

Die Nichiren-shū außerhalb Japans

Außerhalb Japans zeigt sich, dass die Nichiren-shu eines langsamen aber dennoch stetigen Wachstums unterliegt. Ein Grund hierfür ist, dass im Vergleich zu anderen Nichiren-Schulen keine verstärkte Missionierung betrieben wurde, die mitunter anderen Nichiren-Schulen in der Vergangenheit vorgeworfen wurde und von denen sich die Nichiren-shū bewusst abzugrenzen versucht.

Zum anderen war die Verbreitung außerhalb Japans eng an Auswanderungswellen wie zum Beispiel nach den USA geknüpft. So verwundert es nicht zu erfahren, dass der erste Tempel der Nichiren-shū in Nordamerika bereits 1914 in Los Angeles gegründet wurde.[9]

In den letzten Jahren werden somit auch zunehmend Nicht-Japaner zu Priestern ordiniert zu denen auch, gerade im Westen, eine wachsende Zahl von Frauen gehört. Eine wichtige Funktion in der Ausbildung zum Priester der Nichiren-shū hat hier auch die in Tokyo ansässige Risshō-Universität. An dieser Stelle sei bemerkt, dass Priester der Nichiren-shū heiraten dürfen.

Neben dem Renkoji in Italien ist der Daiseion-ji in Wipperfürth einer von drei Tempeln der Nichiren-shū in Europa.

Unterschiede zu anderen Nichiren-Schulen

Abgesehen von Fragen der religiösen Ausübung, bestehen in den verschiedenen Nichiren-Schulen vor allem auch Unterschiede welche Rolle Nichiren als Person zuerkannt werden soll. Sowohl die Nichiren-Shōshū als auch die aus ihr hervorgegangene Sōka Gakkai sehen Nichiren als einen Buddha an. Die Nichiren-Shū hingegen, verehrt Nichiren als eine Verkörperung des Bodhisattva Jōgyō (Sanskrit: Viśistacāritra). Daher spricht man in der Literatur der Nichiren-shū auch von Nichiren Shonin, wobei Shonin eine Art Titel darstellt und mit Heiliger oder Weiser übersetzt werden könnte. Nichiren wird zudem als Reformator des Buddhismus angesehen, darum bemüht den Kern der Lehren Shakyamuni Buddhas wieder in den Vordergrund zu rücken. Der einzige Buddha unseres Zeitalters ist nach dem Glauben der Nichiren-Shū Shakyamuni selbst.

Ein weiterer Unterschied ist, dass die Nichiren-shū zwar das Priesteramt kennt, dies jedoch weniger hierarchisch auslegt wird als beispielsweise in der Nichiren-Shōshū. Einen Hohen Priester, ausgestattet mit einem Status der Unfehlbarkeit, wie in der Nichiren-Shōshū gibt es somit in der Nichiren-shū nicht. Dieses Amt führt die Nichiren-Shōshū auf den Priester Nikkō zurück, den Nichiren als Nachfolger bestimmt haben soll. Dass solch eine Regelung der Nachfolge durch Nichiren je veranlasst wurde, wird jedoch von der Nichiren-shū bestritten. [10]

Literatur

  • Margareta von Borsig (Übs.): Lotos-Sutra - Das große Erleuchtungsbuch des Buddhismus. Verlag Herder, Neuausgabe 2009. ISBN 978-3-451-30156-8.
  • J. A. Christensen: "Nichiren: Leader of Buddhist Reformation in Japan", Jain Pub (April 2001), ISBN 0-87573-086-8.
  • Jacqueline I. Stone: "Original Enlightenment and the Transformation of Medieval Japanese Buddhism", University of Hawai'i Press (30 Jun 2003), ISBN 0-8248-2771-6.
  • Daniel B. Montgomery: "Fire in the Lotus, The Dynamic Buddhism of Nichiren", Mandala 1991, ISBN 1-85274-091-4.
  • Sakashita, Jay (ed.): "Writings of Nichiren Shonin, Doctrines", Vol. I-IV, University of Hawai'i Press
  • Lotus Seeds, The Essence of Nichiren Shu Buddhism, Nichiren Buddhist Temple of San Jose, 2000, ISBN 0-9705920-0-0.

Einzelnachweise

  1. Rev. Chishin Hirai, History of Nichiren Shū, Nichiren Buddhist International Center, The Bridge 53, p.1 (2010) PDF (Memento vom 1. Dezember 2013 im Internet Archive)
  2. Sakashita, Jay (ed.): Writings of Nichiren Shonin, Doctrine 1-6, University of Hawai'i Press, 2002-2010.
  3. The Gosho Translation Committee: "The Writings of Nichiren Daishonin", Vol. I and II, Soka Gakkai, 2006. Vol.1
  4. Jacqueline I. Stone, Some disputed writings in the Nichiren corpus: Textual, hermeneutical and historical problems, dissertation, University of California, Los Angeles, 1990. Digitalisat (PDF, 21 MB) aufgerufen am 26. Juli 2013
  5. Burton Watson, (trans.): "The Record of the Orally Transmitted Teachings", Soka Gakkai, 2005. ISBN 4-412-01286-7
  6. ShuteiMandala
  7. Dharma, Nichiren-Shu Service Book, Nichiren Buddhist International Center, ISBN 0-9719645-3-X.
  8. Lotus Seeds, The Essence of Nichiren Shu Buddhism, Nichiren Buddhist Temple of San Jose, 2000, S. 92, ISBN 0-9705920-0-0
  9. Geschichte der Nichiren-shū Los Angeles
  10. Fire in The Lotus, Daniel B. Montgomery, Mandala 1991, 1991, S. 147-151, S. 169, ISBN 1-85274-091-4

Weblinks