Orgel von St. Laurentius (Dedesdorf)

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Orgel von St. Laurentius (Dedesdorf)
Allgemeines
Ort St.-Laurentius-Kirche
Orgelerbauer Arp Schnitger
Baujahr 1697–1698
Letzte(r) Umbau/Restaurierung 1998–1999 Heiko Lorenz
Epoche Barock
Orgellandschaft Oldenburg
Technische Daten
Anzahl der Register 18
Anzahl der Pfeifenreihen 22
Anzahl der Manuale 2
Tontraktur Mechanisch
Registertraktur Mechanisch

Die Orgel von St. Laurentius ist eine Orgel in der St.-Laurentius-Kirche in Dedesdorf in der Einheitsgemeinde Loxstedt (Niedersachsen) und wurde von Arp Schnitger gebaut. Sie entstand 1698 mit zwölf Registern auf zwei Manualen und verfügt nach der Ergänzung eines Pedalwerks heute über 18 Register. Das Manualgehäuse und zehn Register samt Windladen und Klaviaturen sind original erhalten. Eine Besonderheit stellt die Zwillingslade dar, die Schnitger zwar mehrfach baute, aber nur bei der Dedesdorfer Orgel erhalten blieb.[1]

Baugeschichte

Neubau durch Schnitger 1697/98

Der Vertrag zwischen der Kirchengemeinde und Schnitger wurde von beiden Seiten am 15. August 1697 unterzeichnet. Als Kosten wurden 320 Taler vereinbart, von denen der Meister 120 Taler als Anzahlung erhielt. Im Gegensatz zu vielen anderen Orgelneubauten bezog Schnitger in Dedesdorf kein älteres Material ein. Für St. Laurentius war die Schnitger-Orgel allerdings auch die erste Orgel.[2] Die Gemeinde übernahm die Kosten für die Abholung der Orgel und die Unterkunft und Verpflegung von Schnitger und seinen Gesellen, die über den Sommer im Pastorat wohnten. Als das Konsistorium den hohen Bier- und Branntweinverbrauch rügte, entgegnete Pastor Petrus Dreas: „Der Orgelmacher ist ein reputierlicher Mann, imgleichen waren die Gesellen feine, hübsche Leute, welche man kein schlecht Fusel Bier präsentieren durfte“.[3] Am 3. Juli 1698 erklang die Orgel zum ersten Mal im Gottesdienst.[4]

Der Prospektaufbau ähnelt Schnitgers Instrument in Moreira (Maia), ist aber in der Bassoktave mit Fis und Gis ausgebaut, während das portugiesische Instrument eine kurze Oktave aufweist. Das Manualwerk ist in acht Register auf dem unteren Manual und vier auf dem oberen Manual aufgeteilt. Dies entspricht der barocken Orchesteraufteilung in Ripieno und Concertino.[5] Die vier Register des Obermanuals sind direkt aufgehängt. Das Pedal war ursprünglich lediglich angehängt. Im Jahr 1698 lautete die Disposition wie folgt:[6]

I Unter-Clavier CDE–d3
Quintaden 8′
Gedackt 4′
Quinta 3′
Octav 2′
Sesquialter II 2/3
Siffloit 11/2
Mixtur IV B/D 1/2
Trompet B/D 8′
II Ober-Clavier CDE–d3
Gedackt 8′
Principal 4′
Floit 2′
Quinta 11/2

Der Prospekt weist die klassische Fünfteilung mit polygonalem Mittelturm und zwei flankierenden Spitztürmen auf, die alle drei mit je neun Pfeifen bestückt sind. Die Türme werden durch zweigeschossige Flachfelder mit je 13 Pfeifen und insgesamt 52 Pfeifen verbunden, von denen 20 klingend sind. Das Gehäuse wird an beiden Seiten durch neues, geschnitztes Akanthuswerk mit Voluten verziert, das sich als oberer und unterer Abschluss aller Pfeifenfelder und den Gehäuseaufbauten findet.[7]

Zwillingsladen setzte Schnitger beispielsweise bei seinen Werken in Sittensen (1694/1695), Oldenbrok (1697), Strückhausen (1697) und Rastede (1709) ein, die alle auf einem Principal 4′ basieren.[8]

Umbauten im 18. und 19. Jahrhundert

In den Jahren 1742 bis 1745 führte Eilert Köhler Reparaturen durch und ergänzte das Instrument um ein selbstständiges Pedalwerk mit sechs Stimmen, das er hinterständig aufstellte. Köhler änderte die Disposition leicht und stellte die Octav 2′ ins obere Manual. Unter Beibehaltung der Bassoktave schuf er eine neue Floit 2′, indem er die Siffloit 11/2′ tiefersetzte. Auf die freigewordene Schleife stellte er ein neues Gemshorn 2′. Die Quintadena wurde umintoniert. Statt der mitteltönigen Temperatur legte Köhler eine wohltemperierte Stimmung an. Die Balganlage wurde auf den Dachboden verlegt, um Platz für das neue Pedalwerk zu schaffen.[5]

Eine kleine Reparatur wurde 1775 von Johann Hinrich Klapmeyer durchgeführt, der wahrscheinlich auch für die Reparatur von 1789 verantwortlich war.[9] Im Jahr 1805 folgte eine Reparatur durch den Oldenburger Orgelbauer Krämershof, 1815 eine weitere. Gerhard Janssen Schmid ersetzte im Jahr 1838 Köhlers Pedalmixtur durch einen Subbaß 16′ und stimmte die Orgel gleichstufig. Johann Claussen Schmid fertigte 1860 vier neue Bälge an.

Restaurierungen im 20. Jahrhundert

Die 1917 für Rüstungszwecke abgelieferten Prospektpfeifen ersetzte die Firma P. Furtwängler & Hammer im Jahr 1934, wahrscheinlich durch Zinkpfeifen.[10] Alfred Führer baute im Jahr 1957 zinnerne Prospektpfeifen ein und erneuerte die Traktur teilweise. Führer reparierte die Trompete im Jahr 1963 und führte 1978 eine Teilrestaurierung durch und reparierte 1990 die Windanlage. 1998/1999 erfolgte eine Restaurierung durch die Firma Führer unter Leitung von Heiko Lorenz und wissenschaftlicher Beratung durch Harald Vogel, im Jahr 2000 der Einbau einer Pedalkoppel.[11] Das Instrument wurde auf den Zustand von 1745 zurückgeführt und alle später eingebauten Teile durch originalgetreue Rekonstruktionen ersetzt, einschließlich der technischen Anlage und der Prospektpfeifen aus 98 % Zinn.[12] Die Finanzierung gelang mit Hilfe des Fördervereins zur Restaurierung der Dedesdorfer Orgel.[8] Lorenz erhielt für die gelungene Restaurierung den Arp-Schnitger-Preis 2002.[13]

Disposition seit 1999

I Unter-Clavier CDE–c3
Quintaden 8′ AS
Gedackt 4′ AS
Quinta 3′ AS
Floit 2′ AS
Gemshorn 2′ K
Sesquialter II 2/3 AS
Mixtur IV B/D 1/2 AS
Trompet B/D 8′ AS
II Ober-Clavier CDE–c3
Gedackt 8′ AS
Principal 4′ F
Octav 2′ AS
Quinta 11/2 AS
Pedal CDE–d1
Subbaß 16′ GJS
Octave 8′ K
Octave 4′ K
Posaune 16′ K
Trompete 8′ K
Trompete 4′ K
  • Koppeln: II/I (Manual-Schiebekoppel), I/P
  • Tremulant (Bocktremulant auf die ganze Orgel)
Anmerkungen
AS = Schnitger (1698)
K = Köhler (1745)
GJS = Schmidt (1838)
F = Führer (1999)

Technische Daten

  • 18 Register, 22 Pfeifenreihen.
  • Windversorgung:
    • Blasbälge: 3 Sperrventile, 4 Keilbälge
    • Winddruck: 70 mmWS
  • Traktur:
    • Tontraktur: Mechanisch
    • Registertraktur: Mechanisch
  • Stimmung:
    • Wohltemperierte Stimmung nach Bach/Kellner (1/5 Komma)
    • Tonhöhe etwa einen halben Ton über normal: a1 = 457 Hz

Literatur

  • Cornelius H. Edskes, Harald Vogel: Arp Schnitger und sein Werk. Hauschild, Bremen 2009, ISBN 978-3-89757-326-0, S. 72 f., 155.
  • Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7, S. 133–135.
  • Fritz Schild: Orgelatlas der historischen und modernen Orgeln der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg. Noetzel, Wilhelmshaven 2008, ISBN 3-7959-0894-9, S. 79 f.
  • Harald Vogel, Günter Lade, Nicola Borger-Keweloh: Orgeln in Niedersachsen. Hauschild, Bremen 1997, ISBN 3-931785-50-5, S. 184 f.
  • Harald Vogel: Dedesdorf, ein unbeachtetes Modell des norddeutschen Orgelbaus. In: Ars Organi. 2000/4, S. 213–216 (online).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vogel: Orgeln in Niedersachsen. 1997, S. 185.
  2. Vogel: Orgeln in Niedersachsen. 1997, S. 184.
  3. Fock: Arp Schnitger und seine Schule. 1974, S. 133.
  4. Förderkreis Arp-Schnitger-Orgel: Geschichte, gesehen 25. Dezember 2013.
  5. a b Edskes, Vogel: Arp Schnitger und sein Werk. 2009, S. 155.
  6. Förderkreis Arp-Schnitger-Orgel: Aufbau der Orgel im Jahr 1698, gesehen 25. Dezember 2013.
  7. Edskes, Vogel: Arp Schnitger und sein Werk. 2009, S. 72.
  8. a b Harald Vogel: Dedesdorf, ein unbeachtetes Modell des norddeutschen Orgelbaus. In: Ars Organi. 2000/4, S. 213–216 (online, gesehen am 25. Dezember 2013).
  9. Fock: Arp Schnitger und seine Schule. 1974, S. 134.
  10. Seite von H.-W. Coordes, gesehen am 25. Dezember 2013.
  11. Schild: Orgelatlas der historischen und modernen Orgeln. 2008, S. 80.
  12. Förderkreis Arp-Schnitger-Orgel: Restaurierung 1998, gesehen 25. Dezember 2013.
  13. Norbert Czyz: Weich, kräftig und sehr vokal soll er sein. In: Wilhelmshavener Zeitung vom 24. Dezember 2013, S. 35.

Koordinaten: 53° 26′ 40,7″ N, 8° 30′ 5,4″ O