Peter Göring

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Großformatiges Propagandafoto auf der Titelseite der SED-Zentralorgans Neues Deutschland zu Peter Görings Tod: „Mordüberfall der Frontstadt-OAS“. Der auf dem Gesicht liegende Tote wurde für das Foto umgedreht

Peter Göring (* 28. Dezember 1940 in Dresden; † 23. Mai 1962 in Berlin) war ein Todesopfer an der Berliner Mauer. Als Gefreiter der Grenztruppen der DDR wurde er in einem Schusswechsel mit West-Berliner Polizisten tödlich getroffen, als er versuchte, mit anderen Mauerschützen einen DDR-Flüchtling zu töten. Die Propaganda der DDR stellte Göring als unschuldiges Mordopfer dar und ehrte ihn als Helden.

Todesumstände

Der gelernte Gussputzer Göring war 1960 mit 19 Jahren in die damals noch zur Volkspolizei gehörende Deutsche Grenzpolizei eingetreten. Am 23. Mai 1962 hatte er gemeinsam mit einem weiteren Grenzsoldaten, der die Funktion des Postenführers innehatte, in Berlin in der Nähe des Invalidenfriedhofes Dienst am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, dessen gegenüberliegendes Ufer hier die Grenze bildete. Gegen 17:35 Uhr wurde der flüchtende 14-jährige Schüler Wilfried Tews bemerkt, als er nach Überwindung zweier Mauern zwischen dem am Invalidenfriedhof angrenzenden Grundstück und dem Kanal bereits im Wasser des hier etwa 22 Meter breiten Kanals schwamm. Dabei befand er sich in Sicht von zwei Streifen, einem Posten auf einem etwa 200 Meter entfernten Beobachtungsturm sowie dem Posten auf der etwa 300 Meter entfernten Sandkrugbrücke. Nach Abgabe von Warnschüssen schossen bis zu acht der DDR-Grenzsoldaten gezielt auf den im Wasser schwimmenden Jungen.

Als er daraufhin leblos im Wasser Richtung Westufer trieb, beschossen sie ihn ein weiteres Mal, da sie „nicht feststellen konnten, ob er täuschte“. Unter Verschluss gehaltene Militär- und Justizakten der DDR belegen, dass Göring trotz eines ausdrücklichen Befehls seines Postenführers seinen Wachturm verlassen hatte, um in eine günstige Schussposition zu kommen, und dann zweifach gegen gültige Schusswaffengebrauchsbestimmungen verstieß, indem er seine Waffe gegen ein Kind einsetzte und in westliche Richtung schoss. Aus der Kalaschnikow Görings, der dem Flüchtenden am Nächsten war und sich am Ufer auf gleicher Höhe mit ihm zwischen den beiden Mauern befand, stammten 44 der insgesamt mindestens 121 von den DDR-Grenzsoldaten abgegebenen Schüsse.

Ein Teil der Schüsse des zweiten Beschusses traf West-Berliner Gebiet und bedrohte dort eine Streife der West-Berliner Polizei, die den flüchtenden Jugendlichen aus dem Wasser ziehen wollte. Dieser hatte den einzigen Treppenaufgang in der senkrechten Kanalmauer im Umkreis von 100 Metern angesteuert. Die West-Berliner Polizisten erwiderten das Feuer. Der ihnen direkt gegenüber befindliche Göring wurde von drei Projektilen getroffen: Durchschüsse im rechten Zeigefinger und der linken Schulter von vorn und von hinten ein tödlicher Steckschuss in der linken Nierengegend. Wie kriminaltechnische Untersuchungen in Ost-Berlin ergaben, hatte die tödliche Verletzung ein Querschläger verursacht, der zuvor von einer der Mauern abgeprallt war. Göring starb am Ort des Geschehens. Ein anderer erlitt einen Oberschenkeldurchschuss. Der von acht Schüssen getroffene Tews wurde am Treppenaufgang von West-Berliner Polizisten geborgen und überlebte mit schweren Verletzungen, die ihn zum Invaliden machten.

Propaganda der DDR

Göring war der erste Grenzer der DDR, der an der Berliner Mauer durch Schüsse der West-Berliner Polizei starb. In der Propaganda der DDR wurde sein Tod als Mord bezeichnet und ein Zusammenhang mit der französischen Terrororganisation Organisation de l’armée secrète (OAS) erfunden. Göring wurde nachträglich zum Unteroffizier befördert und zum Helden verklärt. Für ihn wurde eine Gedenkplatte[1] aus Bronze errichtet, die nach 1993 wieder demontiert wurde. In der DDR wurden Schulen, Straßen, die Radsportabteilung der SG Dynamo Frankfurt (Oder) und Pioniergruppen nach ihm benannt. Seine Grabstätte auf dem Friedhof in Glashütte war in der DDR ein Ort feierlicher Zeremonien.

Der Fall Peter Göring nach der Wende

Im zwölften Jahr nach der Wende wurde vom 28. Mai bis 14. Juni 2002 vor dem Berliner Landgericht gegen drei der beteiligten ehemaligen Grenzsoldaten wegen versuchten Totschlags verhandelt.[2] Das Gericht sprach die Angeklagten frei, da ihnen weder Tötungsabsicht noch die Abgabe genau der Schüsse, die Tews getroffen hatten, nachgewiesen werden konnte. Es stellte ferner fest, dass möglicherweise Göring sämtliche Treffer verursacht hatte.[3]

Die brandenburgische Stadt Strausberg, in der sich das Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR befand, hatte Peter Göring durch die Benennung einer Straße geehrt. Wiederholte Umbenennungsversuche scheiterten an den Mehrheitsverhältnissen in der Stadtverordnetenversammlung.[4]

Weblinks

Commons: Peter Göring – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kunst am Wege
  2. Kerstin Gehrke: DDR-Grenzsoldaten vor Gericht. In: Der Tagesspiegel, 29. Mai 2002
  3. Kerstin Gehrke: Schüsse auf DDR-Schüler bleiben ungesühnt: Richter hatten „letzte Zweifel“an der Schuld. In: Der Tagesspiegel, 15. Juni 2002
  4. Information der Märkischen Oderzeitung (MOZ) vom 3. Dezember 2014