Richard Ungewitter

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Richard Ungewitter (* 18. Dezember 1869 in Artern, Provinz Sachsen; † 17. Dezember 1958 in Stuttgart) war ein Vorkämpfer der deutschen FKK-Bewegung und einer ihrer ersten Organisatoren. Ungewitter war Antisemit und stand völkischen Ideen nahe.

Leben

Ungewitter war zunächst als Gärtnereigehilfe tätig. Später lebte er zwei Jahre in Norwegen. Zurückgekehrt nach Deutschland, war er einer der Begründer der Simonsbrotfabrik. Nachdem diese in Konkurs gegangen war, arbeitete er als Handelsvertreter.

Durch Heinrich Pudor, der unter dem Pseudonym Heinrich Scham publizierte, kam er zur Freikörperkultur, die damals noch „Nacktkultur“ genannt wurde. Heute gilt er als einer ihrer frühen Pioniere.

Ungewitter errang im Jahr 1903 durch die Herausgabe einer Broschüre mit dem Titel „Wieder nacktgewordene Menschen“ einen gewissen Bekanntheitsgrad. Die Schrift erreichte innerhalb weniger Jahre eine Auflage von nahezu 100.000 Exemplaren. Sein erstes Buch „Die Nacktheit“ erschien im Januar 1906 unter dem vollständigen Titel „Die Nacktheit in entwicklungsgeschichtlicher, gesundheitlicher, moralischer und künstlerischer Sicht“. Wiederholte Versuche, juristisch gegen das Buch vorzugehen, scheiterten an den vom Gericht geladenen Gutachtern, die zu Gunsten Ungewitters aussagten. So äußerte sich Professor Theodor Lipps (Universität München) in seinem Gutachten:

Die auf Nacktkultur zielende Bewegung ist jetzt eine weit verzweigte und hat, wie solche Bewegungen in der Regel, einen wohlberechtigten Kern.

In den folgenden Jahren veröffentlichte Richard Ungewitter weitere für die Nacktkultur werbende Bücher. Das bekannteste seiner Werke ist das 1908 erschienene Buch „Nackt“.

Ebenfalls 1908 gründete Ungewitter die „Vereinigung für hygienische, ethische und ästhetische Kultur“. Diese zweite FKK-Gruppe in Deutschland (nach einem 1898 gegründeten Verein in Essen) hatte ca. 50 Mitglieder, hauptsächlich in Süddeutschland.

Sowohl sein Buch „Nackt“ als auch sein im Jahre 1910 erschienenes Buch „Nacktheit und Kultur“ waren Gegenstand mehrjähriger, gerichtlicher Auseinandersetzungen, in denen er jedoch weitgehend seine Rechtsauffassung durchsetzen konnte. So wies die Strafkammer III des Königlichen Landgerichts zu Stuttgart in der Sitzung vom 24. April 1912 den Antrag der Königlichen Staatsanwaltschaft auf Unbrauchbarmachung seines Buches „Nackt“ zurück. Dieser Rechtsauffassung des Königlichen Landgerichts, nach der naturistische, bebilderte Veröffentlichungen gestattet sind, folgten alle weiteren demokratischen Gerichtshöfe in Deutschland und anderen Ländern. In seinen Büchern zeigte sich Ungewitter auch selbst nackt, meist im Wald.[1]

Im Jahr 1911 begründete er die „Loge des aufsteigenden Lebens“, der nach seinen Angaben am 17. Juni 1912 über 800 Personen angehörten. In ihrer regelmäßig erscheinenden Schrift „Vertrauliche Mitteilungen“ setzten sich die Mitglieder für ungeniertes Nacktbaden, ungestörte Kleiderlosigkeit und zum Teil meilenweite Nacktwanderungen ein. 1914 wurde der Name der Loge in „Treubund für aufsteigendes Leben“ geändert.

Eine im Jahr 1923 von Richard Ungewitter durchgesetzte Satzungsänderung führte das Bekenntnis zur „Rassenhygiene (siehe Eugenik) ein und forderte außerdem ein Bekenntnis zu einer politischen Partei. Die eugenische Orientierung wurde von vielen Mitgliedern abgelehnt. Daher trennten sich größere Gruppen von dem überwiegend von Ungewitter beherrschten Treubund, der daraufhin an Bedeutung verlor.

Im Wesentlichen bedeutete diese Annäherung jedoch keine Änderung der ursprünglichen Theorien. Schon in Nacktheit und Kultur (1910) schrieb Ungewitter: „Würde jedes deutsche Weib öfter einen nackten germanischen Mann sehen, so würden nicht so viele exotischen fremden Rassen nachlaufen […] Aus Gründen der gesunden Zuchtwahl forde ich deshalb die Nacktkultur, damit Starke und Gesunde sich paaren, Schwächlinge aber nicht zur Vermehrung kommen.“ (Ungewitter, 1910, S.130)

Richard Ungewitter verstarb im Dezember 1958 am Vorabend seines 89. Geburtstags in Stuttgart.

Auszeichnungen und Ehrungen

Werke

  • Wieder nackt gewordene Menschen, 1903
  • Die Nacktheit, 1905
  • Diätische Ketzereien. Die Eiweißtheorie mit ihren Folgen, als Krankheitsursache, und ihre wissenschaftlich begründete Verabschiedung, 1908
  • Nackt. Eine kritische Studie, 1909
  • Kultur und Nacktheit. Eine Forderung, 1911
  • Nacktheit und Kultur. Neue Forderungen, 1913
  • Rassenverschlechterung durch Juda, 1919
  • Nacktheit und Aufstieg. Ziele zur Erneuerung des deutschen Volkes, 1920
  • Rettung oder Untergang des deutschen Volkes. Nur für Deutschgeborene!, 1921
  • Nacktheit und Moral. Wege zur Rettung des deutschen Volkes, 1925
  • Aus Entartung zur Rasse-Pflege. Ein Weckruf in zwölfter Stunde, 1934
  • Denkschrift zur Impfung, 1938
Als Herausgeber
  • Die Nacktheit in entwicklungsgeschichtlicher, gesundheitlicher, moralischer und künstlicher Beleuchtung, 1907 (Nachdr. d. Ausg. Stuttgart 1907 u. 1913, Dt. Ärzte-Verl., Köln 1979. ISBN 3-7691-1904-5)
  • Deutschlands Wiedergeburt durch Blut und Eisen, 1916

Literatur

  • Georg Schückler: Gefährliche Wurzeln der Freikörperkultur-Bewegung. Kirchenhaß und Antisemitismus bei Richard Ungewitter, dem „Vater der deutschen FKK“. Volkswartbund, Köln-Klettenberg 1953.
  • Kai Buchholz u. a. (Hg.): Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900. Band 1. Verlag Haeusser, Darmstadt 2001. ISBN 3-89552-077-2
  • Bernd Wedemeyer-Kolwe: „Der neue Mensch“. Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2004. ISBN 3-8260-2772-8
  • Andreas Schmölling: Lebensspuren eines Lichtkämpfers. Aus Schaffen und Werk von Richard Ungewitter (1868–1958), Lebensreformer und Pionier der Freikörperkultur, in: Aratora 12 (2002), S. 16-49

Einzelnachweise

  1. Arnd Krüger: There Goes This Art of Manliness: Naturism and Racial Hygiene in Germany, in: Journal of Sport History18(Spring, 1991), 1, 135 - 158. Ungewitter nackt auf S. 152. http://library.la84.org/SportsLibrary/JSH/JSH1991/JSH1801/jsh1801i.pdf

Weblinks