Rotmaulseuche

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Rotmaulseuche (engl. Enteric Redmouth Disease oder ERM, Salmonid Blood Spot) ist eine durch das Bakterium Yersinia ruckeri verursachte generalisierte, akut oder chronisch verlaufende Infektionskrankheit, für die vor allem Salmoniden, insbesondere Regenbogenforellen empfänglich sind.[1] Sie gehört zu den Yersiniosen.

Erstmals diagnostiziert wurde die Krankheit von R. Rucker in den frühen 1950er Jahren im Hagerman Valley, Idaho, USA bei Regenbogenforellen. Viele Fische tragen den Erreger Yersinia ruckeri als symptomlose Träger in sich, bis dieser unter Stress, ausgelöst durch schlechte Haltungs- oder Wasserbedingungen zu hohen Verlusten führt.[2] Aus den Nieren erkrankter Tiere wurden gramnegative, begeißelte, leicht gebogene Stäbchenbakterien isoliert, die erst 1978 der Gattung Yersinia zugeordnet wurden.[3]

Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Größe der Fische spielt für den Ausbruch der Krankheit eine entscheidende Rolle[4] Fische mit einer Größe bis 10 cm sind besonders empfänglich gegenüber dem Bakterium. Bei größeren Tieren nimmt die Erkrankung einen eher chronischen Verlauf bis hin zu seuchenhaften Ausbrüchen, die bei Tieren von 17 bis 20 cm[5] und 29,5 cm[6] Länge beschrieben sind. Vor diesem Hintergrund sind aber, wie bei den meisten Fischkrankheiten, Stressfaktoren der maßgebliche Faktor, die dann zum Ausbruch der Krankheit führen. Dies sind, neben der eigentlichen Empfänglichkeit des Wirtes und der Virulenz des Erregers, eine zu hohe Besatzdichte, Futterwechsel, schlechte Wasserqualität mit hohem Ammonium- und/oder niedrigem Sauerstoffgehalt oder Transport der Tiere.[4][5][7]

Unter Zugabe von Kupfer, in nicht tödlichen Dosen, ist die Anfälligkeit der Fische für ERM höher als bei den Kontrolltieren[8]. Laut Untersuchungen existiert keine saisonale Abhängigkeit zum Ausbruch der Krankheit. Ein seuchenhafter ERM-Ausbruch beginnt meist allmählich, die Inkubationszeit beträgt ca. eine Woche, ist jedoch abhängig von den Haltungsbedingungen. Die Mortalität ist anfangs gering, steigert sich jedoch im Verlauf, und es kann zu großen Verlusten kommen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.[9]

Infektion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Yersinia ruckeri befällt den Fisch über die Kiemen und die Haut durch direkten Kontakt von Fisch zu Fisch, aber auch über kontaminiertes Wasser, Geräte und Transportbehälter.[10] Vögel können das Bakterium ebenfalls übertragen. Yersinia wurde im Darminhalt von Greifvögeln[11] und Möwen[12] nachgewiesen. Fische die diese Krankheit überleben, können zu Trägern werden und bilden so ein permanentes Erregerreservoir. Über den Kot der Fische wird das Bakterium ausgeschieden und dient so als erneute Infektionsquelle für nicht infizierte Fische. In den letzten Jahren wurden weitergehende Untersuchungen durchgeführt, bei denen sich herausstellte, dass Yersinia ruckeri sogar Brackwasser (Salzgehalt 0-20 ppt) mindestens vier Monate überleben kann.[13] In Fluss- und Seewasser sowie Sediment ist der Keim mehr als 100 Tage lang überlebensfähig.[14]

Es wurde außerdem festgestellt, dass einige Yersinia-ruckeri-Stämme die Fähigkeit besitzen, einen Biofilm zu bilden. Dies ermöglicht ihnen, an festen Oberflächen im Wasser anzuhaften und zu wachsen, eine Eigenschaft, die im Zusammenhang mit der Fähigkeit zur Beweglichkeit des Bakteriums mittels Flagellen steht. Sie erhöht die Resistenz und Überlebensfähigkeit des Bakteriums im Wasser.[15]

Krankheitsverlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Symptome der Infektion sind identisch wie bei anderen durch gramnegative Bakterien verursachte Septikämien. Fressunlust, Dunkelfärbung der Haut und Abgeschlagenheit sind fast immer krankheitsbegleitend, außer bei junger Brut, bei der Todesfälle ohne sichtbare Krankheitsanzeichen auftreten können.[16]

Die Rötung des Mauls und des Rachens wird durch subkutane Einblutungen verursacht und ist üblicherweise, aber nicht immer vorhanden. Beim atypischen Verlauf der Infektion wird nur die Haut zunehmend dunkel und die Fische schwimmen nahe der Wasseroberfläche.[7] Wenn die Krankheit unbehandelt fortschreitet, können Erosionen an Kiefer und Gaumen auftreten[2]. Blutungen treten auf der Körperoberfläche, den Kiemenspitzen, den Flossenbasen und entlang der Seitenlinie auf. In späteren Stadien der Infektion können oft ein- oder beidseitiger Exophthalmus und Blutungen in die Augenhöhle und die Iris, manchmal bis zur völligen Trübung des gesamten Auges, beobachtet werden.[6][5]

Die Tiere leiden an mangelnder Bewegungsintensität und Gleichgewichtsstörungen.[17] Die Blutgefäße im gesamten Peritoneum sind gestaut und es treten Blutungen in Leber, Bauchspeicheldrüse, Schwimmblase, Muskulatur und im Fettgewebe auf.[18] Niere und Milz sind häufig geschwollen, und es können Flüssigkeitsansammlungen in Magen und Darm beobachtet werden[19]. Aszites und Enteritis sind weitere regelmäßige Befunde bei der Sektion.[5][17]

Krankheiten die im Krankheitsbild ähnlich sind[20]:

Diagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bakterium lässt sich aus zahlreichen Geweben, insbesondere aus Milz, Niere und Herz, aber auch aus Leber, Kiemen, Augen, Herzblut und veränderten Bezirken der Maulhöhle isolieren und auf Nährböden anzüchten. Mittels einer Nierenbiopsie ist es möglich, das benötigte Probengewebe von lebenden Fischen zu entnehmen.[21]

Es wurden in den letzten Jahren einige Methoden entwickelt und verbessert, um Yersinia ruckeri mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) in sehr geringer Anzahl nachzuweisen.[15] Es ist mittlerweile nicht nur möglich, den Erreger in verschiedenen Organen nachzuweisen, sondern auch im Blut infizierter Fische. Dies bietet die Möglichkeit, die Krankheit zu diagnostizieren, ohne den Fisch töten zu müssen.[22]

Behandlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um einem Ausbruch von Rotmaulseuche vorzubeugen, sollten krankheitsbegünstigende Faktoren, wie hohe Besatzdichte und schlechte Wasserqualität, möglichst vermieden werden. Durch Spuren von Chemikalien oder durch im Wasser gelöstes organisches Material in Verbindung mit hohen Wassertemperaturen und infolgedessen niedrigem Sauerstoffgehalt können Krankheitsausbrüche auch bei normaler Besatzdichte provoziert werden.

Bei Ausbruch der Erkrankung kann eine Behandlung mit Antibiotika wie Oxytetracyclin, Erythromycin, Chinolon-Antibiotika und potenzierten Sulfonamiden mit guten Erfolgen durchgeführt werden.[23]

Die Rotmaulseuche ist eine der ersten Fischkrankheiten, für die ein wirksamer kommerzieller Impfstoff entwickelt wurde.[24] Die Impfung stellt eine effektive Methode zur Eindämmung der Krankheit dar. Die durch die Krankheit verursachten Verluste und die Verwendung von Antibiotika zur Behandlung können so verringert werden. Wenn die Fische allerdings unter schlechten Hygienebedingungen gehalten werden, kann die Krankheit auch bei geimpften Tieren ausbrechen.[25]

Meldepflicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rotmaulseuche der Salmoniden gehört wie alle tierischen Yersiniosen in Deutschland zu den meldepflichtigen Fischseuchen und Fischkrankheiten. In Österreich ist eine Überwachungspflicht vorgeschrieben (siehe Tierseuche).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • E. Amlacher (1992). Taschenbuch der Fischkrankheiten. Grundlagen der Fischpathologie. 6. überarbeitete Auflage, Gustav Fischer, Jena, Stuttgart, S. 149–177. ISBN 3-334-00350-7

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. A. J. Ross et al.: Description of a bacterium associated with redmouth disease of rainbow trout (Salmo gairdneri). Can. J. Microbiol. (1966) 12(4): S. 763–770 PMID 6007992
  2. a b M.T. Horne und A.C. Barnes: Enteric redmouth disease (Yersinia ruckeri). In P.T.K. Woo and D.W. Bruno (Hrsg.) Fish Diseases and Disorders, Band 3: Viral, Bacterial and Fungal Infections. CAB International, 1999, S. 455–477.
  3. W. H. Ewing et al.: Yersinia ruckeri sp. nov., the Redmouth (RM) Bacterium. In: Int J Syst Bacteriol 28 (1978), Nr. 1, S. 37–44.
  4. a b M.P. Dulin et al.: 1976. Enteric redmouth disease. Univ. of Idaho, College of Forestry, Wildl. and Range Sci., Bull. No. 8 (1976)
  5. a b c d S. Rübsamen und J. Weis: Nachweis von Enteric Redmouth Disease bei Regenbogenforellen, Salmo gairdneri Richardson, in Südbaden. In: Tierärztl. Umschau 40 (1985), S. 995–998.
  6. a b H. Fuhrmann et al.: An outbreak of enteric redmouth disease in West Germany. In: Journal of Fish Diseases Band 6, 1983, Nummer 3, S. 309–311.
  7. a b G. N. Frerichs et al.: Atypical infection of rainbow trout, Salmo gairdneri Richardson, with Yersinia ruckeri. In: Journal of Fish Diseases 8 (1985), S. 383–387.
  8. M.D. Knittel: Susceptibility of steelhead trout, Salmo gairdneri Richardson to redmouth infection (Yersinia ruckeri) following exposure to copper. In: Journal of Fish Diseases 4 (1981), S. 33–40.
  9. J. W. Warren: Enteric redmouth disease In: F.P. Meyeret al.: A guide to integrated fish health management in the great lakes basin. Great Lakes Fishery Commission, Ann Arbor, Michigan 1983
  10. A.J. Ross et al.: Description of a bacterium associated with redmouth disease of rainbow trout (Salmo gairdneri). In: Canadian Journal of Microbiology 12 (1966), S. 763–770.
  11. R.L. Bangert et al.: A survey of the aerobic bacteria in the faeces of captive raptors. In: Avian Diseases 32 (1988), S. 53–62.
  12. B. Willumsen: Birds and wild fish as potential vectors of Yersinia ruckeri. In: Journal of Fish Diseases 12 (1989), S. 275–277.
  13. B.K. Thorsen et al.: Long term starvation survival of Yersinia ruckeri at different salinities studied by microscopical and flow cytometric methods. In: Applied and Environmental Microbiology 58 (1992), S. 1624–1628.
  14. J.L. Romalde et al.: Starvation-survival processes of the bacterial fish pathogen Yersinia ruckeri. In: Systematic and Applied Microbiology 17 (1994), S. 161–618
  15. a b L. Coquet al.: Occurrence and Phenotypic Characterization of Yersinia ruckeri Strains with Biofilm-Forming Capacity in a Rainbow Trout Farm. In: Applied and Environmental Microbiology 68 (2002), S. 470–475.
  16. T.H. Kawula et al.: Using a new inbred fish model and cultured fish tissue-cells to study Aeromonas hydrophila and Yersinia ruckeri pathogenesis. In: Microbial Pathogenesis 20 (1996), S. 119–125.
  17. a b H.-J. Schlodtfeldt et al.: Rotmaulseuche/ERM (Enteric Redmouth Disease) der Forelle und anderer Nutzfische in Nordwestdeutschland – Vorkommen, Therapie und Vakzinierungsergebnisse. In: Tierärztliche Umschau 40 (1985), S. 985–995.
  18. G. Wobeser: An outbreak of redmouth disease in rainbow trout (Salmo gairdneri) in Saskatchewan. In: Journal of the Fisheries Research Board of Canada 30 (1973), S. 571–575.
  19. R. A. Busch: Enteric Redmouth disease (Yersinia ruckeri). In: D. P. Anderson et al. (Hrsg.): Antigens of Fish Pathogens. Marcel Merieux, Lyons, 1982, S. 201–223.
  20. E. Amlacher: Taschenbuch der Fischkrankheiten. 5. Auflage, Gustav Fischer, Jena 1986
  21. E. J. Noga et al.: Kidney biopsy a nonlethal method for diagnosing Yersinia ruckeri infection enteric redmouth disease in rainbow trout Salmo gairdneri. In: American Journal of Veterinary Research 49 (1988), S. 363–365.
  22. I. Altinok et al.: Detection of Yersinia ruckeri in rainbow trout blood by use of the polymerase chain reaction. In: Diseases of Aquatic Organisms 44 (2001), S. 29–34.
  23. G. Ceschia et al.: The in vitro sensitivity of Yersinia ruckeri to specific antibiotics. In: Journal of Fish Diseases 10 (1987), S. 65–67.
  24. R. A. Busch: Protective vaccines for mass immunisation of trout. In: Salmonid 1 (1978), S. 10–22.
  25. B. Austin & D. A. Austin: Methods for the microbiological examination of fish and shellfish. Chichester, Ellis Horwood 1989.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]