Rotschlamm

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Rotschlammdeponie bei Bützflethermoor

Rotschlamm ist ein Abfallprodukt, das bei der Gewinnung von Aluminiumoxid, einem Zwischenprodukt bei der Aluminium-Herstellung, aus aluminiumhaltigen Erzen, insbesondere Bauxit, anfällt. Die charakteristische rote Farbe stammt von festen Partikeln aus Eisen(III)-Verbindungen (beispielsweise Eisen(III)-hydroxid und Eisen(III)-oxid) die in Natronlauge suspendiert sind.

Entstehung

Zur großtechnischen Gewinnung von metallischem Aluminium wird Bauxit verwendet, ein Erz, das hauptsächlich aus Aluminiumoxid und -hydroxid sowie Eisenoxid und -hydroxid besteht. Nebenbestandteile sind vor allem Titanoxid, Silicate und Spuren von Schwermetallen. Das Gemisch wird zunächst mit Natronlauge aufgeschlossen (Bayer-Verfahren), wobei die enthaltenen Aluminiumverbindungen in wasserlösliches Natriumaluminat Na[Al(OH)4] überführt und mittels Extraktion vom wasserunlöslichen Rest abgetrennt werden. Aus der Natriumaluminatlösung wird durch Verdünnen und Abkühlen Aluminiumhydroxid (Al(OH)3) ausgefällt. Dieses wird anschließend in Wirbelschichtanlagen oder in Drehrohröfen zu Aluminiumoxid (Al2O3) gebrannt und durch Schmelzflusselektrolyse (Hall-Héroult-Prozess) zum Metall reduziert.

Die Eisen- und Schwermetallverbindungen bleiben als Suspension oder Dispersion in stark alkalischer Lösung zurück und werden aufgrund der rötlichen Färbung als Rotschlamm bezeichnet.

Wie viel Rotschlamm je produzierter Tonne Aluminium anfällt, hängt von der je nach Herkunft variablen Zusammensetzung des verwendeten Bauxits ab: Bei tropischem Bauxit ist von etwa 1,6 t, bei europäischem Bauxit von etwa 3,2–3,7 t feuchtem Rotschlamm auszugehen.[1]

Zusammensetzung

Grundsätzlich enthält Rotschlamm die im Bauxit-Erz enthaltenen Fremdstoffe. Dies sind hauptsächlich Eisen- und Titanoxide und verschiedene Kieselsäureverbindungen.[2] Die charakteristische rote Farbe erhält Rotschlamm aufgrund seines Hauptbestandteils Eisen(III)-oxid. Die in geringerem Umfang enthaltenen Nebenbestandteile variieren mit der Herkunft des Erzes. Hier wurden zahlreiche Schwermetalle wie Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Vanadium oder Quecksilber nachgewiesen. Rotschlamm aus der Aluminiumhütte MAL AG (Magyar Alumínium) in Ajka, Westungarn, enthielt nach einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Analyse pro Kilogramm Trockenmasse 110 Milligramm Arsen, 1,3 Milligramm Quecksilber sowie 660 Milligramm Chrom.[3]

Eine Elementaranalyse des österreichischen Umweltbundesamtes ergab, dass sich der Rotschlamm aus diesem Aluminiumwerk aus insgesamt 38 chemischen Elementen zusammensetzt, darunter auch Cadmium (7 mg/kg), Nickel (270 mg/kg) und Antimon (40 mg/kg).[4][5][6]

Verbleib

Weltweit wird Rotschlamm in teilweise offenen Deponien gelagert oder in Flüsse geleitet.

In Deutschland wird der Schlamm heute in abgedichteten Deponien eingelagert, bis sich die als Dispersion vorliegenden Hydroxide und Silikate abgesetzt haben. Die austretende Natronlauge wird wiederverwertet. Anschließend wird die Deponie mit Sand und Erde abgedeckt und rekultiviert. Eine der größten Rotschlammdeponien Deutschlands befindet sich in der Nähe von Stade in Niedersachsen zwischen Bützflethermoor und Stadermoor, 10 km nordwestlich von Stade. Bei ihr wurde von der Aluminium Oxid Stade vor der Deponierung die Natronlauge aus dem Rotschlamm gewaschen.[7]

In jüngerer Zeit wird gereinigter Rotschlamm auch als Füllstoff im Straßenbau verwendet sowie als Ausgangsmaterial für Keramik genutzt. Weitere Einsatzmöglichkeiten von Rotschlamm als Rohstoff wurden erörtert, erwiesen sich bisher aber als zu aufwändig und nicht gewinnbringend.[8]

Gefahren

Die kurzfristige Gefährlichkeit des Rotschlammes beruht in erster Linie auf dem Gehalt an ätzender Natronlauge.

Eine langfristige Schädlichkeit ergibt sich aus dem Gehalt an giftigen Schwermetallen, abhängig von Herkunft und Art des Bauxits. Schwermetalloxide und Schwermetallhydroxide sind im basischen Milieu meist nur sehr schwer löslich. Deponierter Rotschlamm enthält etwa 1 % an löslichen Schwermetallhydroxiden. Als Anionen vorliegende toxische Komponenten wie Fluoride, Arsenate, Chromate und Vanadate können jedoch auch im basischen Milieu aus dem Schlamm ausgewaschen werden. Wenn das Natriumhydroxid des Rotschlamms durch starke Verdünnung oder Zutritt von Säuren neutralisiert wird, kann es auch zur Bildung von löslichen Verbindungen anderer Schwermetalle und damit zu Umweltgefährdungen kommen. Deshalb sollten Rotschlammdeponien sowohl eine Oberflächenabdeckung als auch einen Schutz gegen Kontakt mit Grundwasser besitzen.[8]

Zwischenfälle

Durch unsachgemäße Entsorgung oder das bewusste Einleiten von Rotschlamm in Flüsse und Seen kommt es zu schwerwiegenden Umweltproblemen. Auch bei der Lagerung von Rotschlamm kam es in der Vergangenheit zu Unfällen:

Datei:Hungary ajka toxicspill october9 2010 dgDetail.jpg
Luftbild des Kolontár-Dammbruchs

Am 4. Oktober 2010 traten beim Kolontár-Dammbruch in Ungarn zwischen 700.000 und 1 Million Kubikmeter Rotschlamm aus den Speichern eines Aluminiumwerks in der ungarischen Ortschaft Ajka aus.[9]

Bei einer der größten Bauxitminen Brasiliens, Porto Trombetas im Amazonasbecken, wird Rotschlamm in den Lago Batata eingeleitet. Dies hatte ein enormes Artensterben im See zur Folge, Umweltorganisationen wie Rettet den Regenwald e. V. sprechen sogar von einem kompletten Sterben des Ökosystems.[10] Außerdem kann das Wasser des Sees sowie des angrenzenden Rio Sapone nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden.[11]

Literatur

  • Frank Muster: Rotschlamm. Reststoff aus der Aluminiumoxidproduktion – Ökologischer Rucksack oder Input für Produktionsprozesse? kassel university press GmbH, Kassel 2007, ISBN 978-3-89958-359-5.

Weblinks

Commons: Rotschlamm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Manfred Sietz, Stefan Seuring: Ökobilanzierung in der betrieblichen Praxis, Eberhard Blottner Verlag, Taunusstein, 1997 Seite 103
  2. Ungarn: Falscher Umgang mit dem Rotschlamm
  3. Ergebnisse der Analysen des ungarischen Rotschlamms aus Kolontar im Auftrag von Greenpeace (Memento vom 2. Februar 2014 im Internet Archive), abgerufen am 9. Oktober 2010 (PDF; 96 kB)
  4. Giftschlamm: Laut Greenpeace erhöhte Feinstaubwerte. ORF, 12. Oktober 2010, abgerufen am 17. Oktober 2010.
  5. Prüfbericht Nr. 1010/441 „Schwermetallscreening und Bestimmung von Cr(VI) in Rotschlamm“ (Memento vom 2. Februar 2014 im Internet Archive). Auftrag A 9928 – Projekt-Nr. 2490, abgerufen am 17. Oktober 2010 (PDF; 46 kB, Erstellt durch Umweltbundesamt GmbH im Auftrag von Greenpeace).
  6. Prüfbericht Nr. 1010/431 „Bestimmung von Arsen, Quecksilber und Chrom (gesamt) in Rotschlamm“ (Memento vom 2. Februar 2014 im Internet Archive). Auftrag A 9928 – Projekt-Nr. 249, abgerufen am 17. Oktober 2010 (PDF; 42 kB, Erstellt durch Umweltbundesamt GmbH im Auftrag von Greenpeace).
  7. Unfall in Ungarn – Erste Analyse warnt vor Giften im Rotschlamm, Cordula Meyer am 12. Oktober 2010 in Spiegel-Online, abgerufen am 20. Oktober 2013.
  8. a b Frank Muster: Rotschlamm. Reststoff aus der Aluminiumoxidproduktion – Ökologischer Rucksack oder Input für Produktionsprozesse? kassel university press GmbH, Kassel 2007, ISBN 978-3-89958-359-5, S. 15.
  9. Chemie-Unglück: In Ungarn droht eine Umwelt-Katastrophe. In: DerWesten. 6. Oktober 2010, abgerufen am 6. Oktober 2010.
  10. regenwald.org: Aluminium, abgerufen am 25. Februar 2013.
  11. eco-world.de: Trinkwasser oder Treibstoff? Und das alles ist nur die Spitze des Eisbergs..., abgerufen am 25. Februar 2013.