Rundbogen (Streichinstrument)

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Als Rundbogen wird ein Streichbogen für Streichinstrumente bezeichnet, dessen Bogenstange in Spielposition nach oben gebogen ist, d. h. Bogen und Bogenhaare bilden quasi ein Kreissegment. Der Rundbogen hat zudem einen Hebel am Griff, mit dem die Bogenhaare während des Spieles gespannt und gelockert werden können. Damit wird ein kontrolliertes Spiel auf ein, zwei, drei und vier Saiten möglich. Da die vier Saiten eines Streichinstruments auf einem gewölbten Steg angeordnet sind, müssen die Bogenhaare gelockert werden, damit sie alle drei oder vier Saiten erreichen. Heute gebräuchliche Streichbögen sind in der anderen Richtung gebogen, d. h. man kann in der Regel maximal zwei Saiten, auf dem Violoncello auch drei Saiten, je nach Druck, gleichzeitig anspielen.

Geschichte

Im 20. Jahrhundert eröffnete der Musikwissenschaftler Arnold Schering 1904 die Diskussion um den angeblich historischen Rundbogen. Schering berief sich auf die Vorrede zu Georg Muffats Florilegium Secundum, wonach Violinisten der Barockzeit den Daumen der rechten Hand auf die Bogenhaare legten, um so die Spannung zu verändern. Falsch war Scherings Schlussfolgerung, man habe mehrstimmige Akkorde aushalten können, indem man durch Nachlassen des Daumendrucks die Bogenspannung verringerte, damit sich die Haare über alle vier Saiten legen konnten,[1] ein grundlegender Fehler, den Albert Schweitzer in seinem Buch über Johann Sebastian Bach (1905) populär machte. Noch 1950 schrieb er in Lambarene einen Text zum Bach-Jahr mit dem Titel: Der für Bachs Werke für Violine solo erforderte Geigenbogen. Schweitzer stand mit Geigern, die auf eigene Initiative sich unterschiedliche Rundbogenmodelle hatten bauen lassen, in regem Kontakt. Rolph Schröder aus Kassel entwarf seine ersten Rundbogenmodelle in den 1930er Jahren. Schweitzer berichtete umgehend in der »Schweizerischen Musikzeitung« von einem Konzert Schröders in Straßburg 1933. 1951 nahm Schröder im Beisein von Albert Schweitzer die Werke Bachs auf (veröffentlicht bei Columbia Records). David Dodge Boyden und andere Musik-Forscher legten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine zwingende Argumentation gegen die Authentizität des Bach-Bogens vor. Demnach fehlen historische Hinweise auf die starke Wölbung des Bogens im 18. Jahrhundert, ebenso habe der Rundbogen einen Mangel an dynamischer Entfaltungsmöglichkeit. Ikonografische Vorbilder für den Rundbogen gibt es zwar aus dem Mittelalter, diese Bögen weisen jedoch eine straffe Spannung auf.[1]

Klaus der Geiger nutzt einen Rundbogen, Bardentreffen 2014

Als weiterer Geiger ist Emil Telmányi zu erwähnen, der ein anderes Rundbogenmodell des dänischen Geigenbauers Vestergaard (den Vega-Bogen) spielte, wovon Schallplatteneinspielungen aus dem Jahr 1953 zeugen. Klaus der Geiger verwendet einen selbstgefertigten Rundbogen, um „die Geige auch als Harmonieinstrument“ in der Straßenmusik einzusetzen.[2]

Der Geiger Rudolf Gähler, welcher das Rundbogenspiel von seinem Lehrer Rolph Schröder übernommen hat, spielte die Sonaten und Partiten von Johann Sebastian Bach mit dem Rundbogen 1998 bei ARTE NOVA ein. Gähler veröffentlichte 1997 das Buch Der Rundbogen für die Violine – ein Phantom?, in dem er alle bislang bekannten Texte zum Rundbogen zusammenfasste. Hier wird deutlich, dass Kritik am Rundbogenspiel sich im Wesentlichen an der unrichtigen Behauptung entfachte, es habe diese Art von Rundbögen zur Bach-Zeit gegeben. Der von Schweitzer gewählte Terminus „Bach-Bogen“ war insofern nicht zutreffend und wenig hilfreich. Rudolf Gähler setzt den Rundbogen bewusst als ein modernes, aktualisierendes Mittel der Stimmführungsanalyse von Bachs Solosonaten und Partiten ein.[1]

In den 1990er Jahren begann der Cellist Michael Bach, der zunächst keine Kenntnis von den vorherigen Bestrebungen der oben genannten Geiger hatte, sich mit dem mehrstimmigen Spiel am Cello auseinanderzusetzen. Dabei stand die zeitgenössische Komposition im Vordergrund. Er gründete das Atelier „BACH.Bogen“ in Stuttgart und Wissembourg, wobei die Bezeichnung „BACH“ auf seinen eigenen Namen verweist und nicht auf Johann Sebastian Bach. In der Folgezeit wurden Rundbögen für alle Streichinstrumente entworfen, wobei Rudolf Gähler und Mstislaw Rostropowitsch in den Jahren 1997–2001 involviert waren. Anlässlich des Concours Rostropovitch wurde der BACH.Bogen für Cello 2001 in Paris vorgestellt. Michael Bachs mehrstimmige und obertönige Spieltechniken am Cello sowie seine spezifischen Notationen sind Grundlage für die Werke für Cello mit Rundbogen, zu denen er John Cage, Dieter Schnebel und Hans Zender anregte. Ein flaches Modell des BACH.Bogen erlaubt es darüber hinaus, die Suiten von J.S. Bach zu interpretieren, wobei ein Kompromiss zwischen dem melodischen und akkordischen Spiel angestrebt wird. Der BACH.Bogen erhielt im Jahr 2012 den 1. Preis des Ausstellungsprojekts "BACHLÄUFE" in Arnstadt, Deutschland.

Zwei BACH.Bögen in der Ausstellung BACHLÄUFE 2012, Arnstadt, Deutschland

Literatur

  • Albert Schweitzer: Der für Bachs Werke für Violine solo erforderte Geigenbogen. In: Bach-Gedenkschrift. Zürich 1950, S. 75–83.
  • Tossy Spivakovsky: Die Polyphonie in Bachs Werken für Solovioline. In: Music Review, 1967, S. 277–288.
  • Michael Bach: Fingerboards & Overtones, Bilder, Grundlagen und Entwürfe eines neuen Cellospiels. edition spangenberg, München 1991, ISBN 3-89409-063-4.
  • Rudolf Gähler: Der Rundbogen für die Violine – ein Phantom? (= ConBrio-Fachbuch, Band 5). ConBrio, Regensburg 1997, ISBN 3-930079-58-5.
  • Michael Bach: Die Suiten für Violoncello von Johann Sebastian Bach. In: Das Orchester, 7–8/1997.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Artikel Bach-Bogen. In: Stefan Drees (Hrsg.): Lexikon der Violine. Laaber-Verlag, Laaber 2004, ISBN 3-89007-544-4, S. 60.
  2. Vgl. Günter Noll: Straßenmusik in Köln. In: Günther Noll, Wilhelm Schepping (Hrsg.): Musikalische Volkskultur in der Stadt der Gegenwart. Tagungsbericht Köln 1988 der Kommission für Lied-, Musik- und Tanzforschung in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e.V. (= Musikalische Volkskunde – Materialien und Analysen. Bd. X). Metzler, Hannover 1992, ISBN 3-8156-3358-3, S. 96–126.