Senatus consultum

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. Juni 2016 um 08:16 Uhr durch Stephan Klage (Diskussion | Beiträge) (lf-Korrektur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Senatus consultum (SC, Plural: senatus consulta, deutsch auch „Senatskonsult“) war im römischen Reich der übergeordnete, staatsrechtliche Begriff für das Ergebnis eines förmlichen Beschlussverfahrens, das eine Entscheidungsfindung des Römischen Senats zum Ziel hatte. Nach einer erwägenden Sitzung der Senatoren (consilium) wurden auf der Grundlage einer Mehrheitsfindung durch namentliche Abstimmung der Wille und die Überzeugung des Senats in einem Beschluss – dem senatus consultum – zusammengefasst. Das Ergebnis bestand darin, dass zu einem regelungsbedürftigen Fall, so auch bei der Mitwirkung des Gremiums im Rahmen der Volksgesetzgebung, ein empfehlendes Gutachten erstellt wurde. Die Anträge einzelner Personen, im Regelfall von Magistraten, konnten zum einen privat- und zum anderen staatsrechtliche Obliegenheiten betreffen. In der Römischen Republik zählten neben innenpolitischen Angelegenheiten auch die außenpolitischen Anliegen und Interessen regelmäßig zu den Gegenständen eines Beschlussverfahrens. In der Kaiserzeit, nach dem Ende der Volksgesetzgebung, ersetzten die senatus consulta dann gänzlich die durch früheren Volksbeschluss entstandenen leges, indem diese an ihre Stelle traten.

Römische Republik

SPQR senatus populusque romanus

Bevor ein Bewerber sich mit einem Wahlantrag oder ein Magistrat sich wegen der Ratifizierung eines Gesetzes an die Volksversammlung wenden konnte, wurde der Senat einberufen, um über die Sache als beratendes Gremium (consilium) zu befinden. Der Antragsteller erhielt nach der durch Mehrheitsbeschluss gefundenen Entscheidung einen Vorschlag des Senats, der für ihn zwar keine rechtsverbindliche, durch die hervorgehobene Stellung des Ältestenrats in der Römischen Republik jedoch eine zwingende, im mos maiorum gründende Bindung hatte. Das für eine Wahlaufstellung oder für Gesetzeseingaben eingeholte notwendige Einverständnis zeichnete den folgenden Antrag an das Volk als vom Römischen Senat gutgeheißen aus (auctoritas patrum). Die anfängliche Fassung des beantragten Anliegens konnte durch den Senatsbeschluss in einigen Punkten abgeändert sein. Die ursprünglichen Antragspunkte des Magistraten, die im Senatsbeschluss gänzlich berücksichtigt wurden, bezeichnete man inoffiziell als senatus decretum.

Beschlussverfahren

Darstellung einer Senatssitzung, die nicht in der Curia Hostilia, sondern in einem Tempel stattfand: Cicero greift den rechts isoliert sitzenden Catilina an (Fresko Cesare Maccaris aus dem Jahr 1888)

Die Senatoren konnten durch die obersten Magistrate, wie die Konsuln, Prätoren und Volkstribune, einberufen werden. Die förmliche Einbestellung benannte das Datum, das Tagungsgebäude in Rom – die Curia Hostilia oder einen Tempel – und die Geschäftsordnung der Sitzung. Die Beschlussfähigkeit wurde anfangs überprüft, indem auf Zuruf die notwendige Mindestanzahl an Senatoren ermittelt wurde. Einzelfallabhängig war für eine Beschlussfähigkeit die Anwesenheit des halben Ältestenrats oder ein Drittel der Senatoren erforderlich gewesen.

Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit wurde durch den Initiator das Anliegen vorgestellt und die Debatte eröffnet. Das Wort wurde jedem durch die einzelne namentliche Befragung (interrogatio) erteilt. Die Reihenfolge war dabei absteigend nach Ansehen, Rang und Alter der Senatoren ausgerichtet. Der hoch angesehene Princeps senatus äußerte zuerst seine Meinung und sprach dann seinen Standpunkt aus. Es folgten die höheren Amtsträger, die Censoren, Konsuln, Prätoren, und danach die kurulischen und die plebejischen Ädilen sowie die Volkstribune. Anschließend wurden die übrigen Senatsmitglieder, ebenso nach Stand und Alter geordnet, zur Sache angehört und nach ihrem Votum befragt. Die Form der Stimmabgabe (sententiae) konnte vom Vorsitzenden durch das Auseinandergehen (discessio) nach links oder nach rechts bestimmt werden.

Nach erfolgter Mehrheitsfindung wurde die Willensbildung des Senats durch den Beschluss (senatus consultum) verkörpert und für wirksam erklärt. Die Interzession eines Amtsträgers durch sein Veto während der Abstimmung konnte den trotzdem gefassten Beschluss (auctoritas senatus) nicht verhindern, jedoch wurde die Rechtswirkung in Teilen gehemmt oder gänzlich nicht in Kraft gesetzt.

Beschlussaufzeichnung und Archivierung

Bronzetafel aus Tiriolo mit dem Text des Senatus consultum de Bacchanalibus
Der Tempel des Saturn auf dem Forum Romanum, in dem sich neben der Staatskasse auch das Staatsarchiv befunden hatte

Die in indirekter Rede gehaltene, schriftliche Aufzeichnung der Sitzung, die während oder nach der Beschlussfassung erfolgte, war in vier Abschnitte unterteilt.

  1. Die Präambel beinhaltete namentlich, neben den Zeit- und Ortsangaben, den Vorsitzenden mit seiner Amtsbezeichnung sowie die bei der Niederschrift anwesenden Zeugen.
  2. Der dem Beschluss zugrunde liegende Verhandlungsgegenstand.
  3. Die Einleitung zur Beschlussfassung.
  4. Der gefasste Beschluss, entweder senatus consultum oder auctoritas senatus, mit dem Abstimmungszeichen C für censuere (sie haben geschätzt oder sie haben gestimmt).

Die Senatsbeschlüsse konnten auf verschiedenen Materialien wie Holz, Bronze oder Papyrusrollen aufgezeichnet werden. Sie wurden entweder im Staatsarchiv innerhalb des Saturntempels oder im Tempel der Ceres nach einer systematischen Registrierung, in Jahresbänden abgelegt, aufbewahrt. Bei Bedarf konnten Abschriften für den öffentlichen Aushang angefertigt werden.

Senatus consultum ultimum

An der Vorgehensweise orientierten sich nicht nur die patrizischen Amtsträger, sondern auch die plebejischen Beamten. In der späten und in der ausgehenden Republik wurde von den populares das vorherige Einholen der senatorischen auctoritas senatus bewusst ausgelassen, um die machtpolitischen Interessen gegen die optimates einfacher durchsetzen zu können.

Als Konsequenz dieser politischen Entwicklung konterte der Senat mit dem neu geschaffenen senatus consultum ultimum. Damit sollte einer drohenden Umwälzung der bestehenden Machtverhältnisse entgegengetreten werden. Der senatorische Adel beanspruchte damit für sich, den staatlichen Notstand ausrufen zu können, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch geeignete Mittel wiederherzustellen. Die Konsuln wurden mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet, damit sie effektiv und rechtlich autark gegen die Ursachen des Staatsnotstands und gegen die Verantwortlichen vorgehen konnten. So war es auch möglich, neben dem Verbot von Vereinen und großangelegten Freiheitsentziehungen, die beim Bacchanalienskandal im Jahr 186 v. Chr. zur Anwendung kamen, Hinrichtungen durchzuführen, wie sie anlässlich der catilinarischen Verschwörung 63 v. Chr. ohne vorhergehendes Gerichtsverfahren vollstreckt wurden. Das Provokationsrecht, die Anrufung des Volks um Beistand, das jedem römischen Bürger als Rechtsschutz zustand, der ohne Richterspruch durch einen amtlichen Akt an Leib und Leben bedroht wurde, war durch das senatus consultum ultimum ausgeschaltet. Die Maßnahmen, die nach Auffassung der anordnenden Konsuln im Rahmen der Staatsnotwehr geeignet sowie erforderlich erschienen, konnten erst nach Beendigung ihrer Amtszeit juristisch auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft und bei Verstößen strafrechtlich verfolgt werden. Dem Konsular Cicero, der die Hinrichtung von Staatsverschwörern zu verantworten hatte, drohte ein solches Verfahren.

Römische Kaiserzeit

Durch den Prinzipat verlor der römische Senat seine politische Unabhängigkeit, da das immer noch in hohem Ansehen stehende Gremium zwar weiterhin für verschiedene Aufgaben und Bereiche zuständig war, sich jedoch letztlich immer dem Willen der römischen Kaiser unterordnen musste.

Die verdeckte Ohnmacht offenbarte sich insbesondere bei der Gesetzgebung, bei der der Senat scheinbar seine Position nach der Republik verstärken konnte. Durch das anfängliche Abklingen und später gänzliche Verschwinden der Volksgesetzgebung kamen den Senatsgutachten (senatus consulta) zu den Rechtsanfragen der Magistrate nicht nur beratende, sondern bis in das 2. Jahrhundert auch indirekt gesetzesgleiche Wirkungen zu. Die Anträge und Anfragen der Prätoren wurden einer fachkundigen juristischen Prüfung unterzogen und leisteten damit zeitweise einen Anteil an der Weiterentwicklung des römischen Rechtswesens.

Die späteren direkten Eingaben der Kaiser (oratio principis) – insbesondere in der Periode der Antoninen –, die im Senat ein Quästor vorlas, wurden jedoch ausnahmslos, ohne ernsthafte rechtskundige Erörterung durch das senatus consultum, als rechtsgültig beschlossen. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts verloren die senatus consulta völlig an Bedeutung. Sie wurden durch die sich immer weiter entwickelnden, absoluten Kaiserkonstitutionen (constitutiones principum) ersetzt.

Aber selbst die früheren selbständigen Eingaben der Magistrate waren faktisch immer von der finalen Befürwortung des Kaisers abhängig gewesen.

Im Wesentlichen wurde das Verfahren – wie es schon in der Republik gehandhabt wurde – beibehalten. Die Beschlussaufzeichnung wurde um den Antragsteller, die Anzahl der abstimmenden Senatoren und um deren Abstimmungsverhalten erweitert.

Senatus consulta

Im Bereich des Privatrechts finden sich – beispielhaft aufgeführt – mehrere Senatsgutachten (senatus consulta), die von den Juristen nach den initiierenden Magistraten benannt wurden, wie das des Rechtsgelehrten Pegasus aus den Jahren 69–79, der unter Vespasian als praefectus urbi in Rom diente. Nach ihm wurde das Senatus Consultum Pegasianum benannt, das – neben einem SC Trebellianum aus dem Jahr 62 – die allgemeine Anwendung des Universalfideikommisses im römischen Recht regelte. Weitere bekannte erbrechtliche SC waren

  • SC Iuventianum (129); regelte die Haftung des Erbschaftsbesitzers gegen den Fiskus.
  • SC Orfitianum (um 178) und
  • SC Tertullianum (zwischen 117 und 138); beide SC regelten die gesetzliche Erbfolge zwischen Mutter und Kind, wobei die erbrechtlichen Benachteiligungen der Töchter verbessert wurden.

Aus dem Schuld- und Darlehensrecht waren es die

  • SC Macedonianum (zwischen 69 und 79); Untersagung von Darlehensgeschäften mit gewaltunterworfenen, nicht eigenberechtigten Haussöhnen, die unter der patria potestas standen.
  • SC Vellaeanum (46); zum Schutz der Frauen durften diese nicht in die Haftung aus Bürgschaft, Verpfändung und Darlehensgeschäften im Interesse Dritter herangezogen werden.

Mit den Edikten der Prätoren, den kaiserlichen Darstellungen (orationes Augusti) und den Kaiserkonstitutionen (Reden des Kaisers, Edikten des Kaisers, Reskripten, Dekreten und juristische Briefe des Kaisers) fanden die Senatsgutachten ihren Eingang in die juristischen Rechtsquellen.

Juristische Quellen

Literatur