Siegfried Kabus

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Siegfried Kabus (* 1923 in Pforzheim) verübte im Jahr 1946 mit einer Gruppe Gleichgesinnter Anschläge auf amerikanische Besatzungskräfte und auf die mit der Entnazifizierung betraute Spruchkammern in Stuttgart, Backnang und Eßlingen am Neckar. In den Jahren zuvor hatte das ehemalige Mitglied der Waffen-SS sich eine falsche Identität als angeblicher SS-Führer erschaffen. Er wurde im sogenannten Spruchkammer bombing trial zunächst zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde später in lebenslange Haft umgewandelt.

Leben

Jugend, Ausbildung

Siegfried Kabus wurde 1923 in Pforzheim geboren.[1] Ab seinem 14. Lebensjahr (1937) wohnte er in Vaihingen bei Stuttgart. Er brach die Oberrealschule ab, ebenfalls eine Lehre zum technischen Zeichner.

NS-Zeit

1941 meldete sich Kabus freiwillig zur Waffen-SS. Wegen einer Granatsplitterverletzung musste er unfreiwillig von der Front zurückkehren und die erhoffte Karriere als Soldat aufgeben. Er übernahm die Leitung eines HJ-Wohnheims in Böhmen. Unzufrieden mit seiner Situation, begann er ein Doppelleben als angeblicher SS-Führer. Dafür führte er ein zweites Sold- und Tagebuch, worin er seine angeblichen Taten festhielt. Nach Kriegsende kam Kabus nicht mit der Rückkehr in das bürgerliche Dasein zurecht und setzte sein Leben als Hochstapler fort.

Anschläge im Jahr 1946, Verhaftung

Ab August 1946 versammelte Kabus junge Leute um sich, die noch dem nationalsozialistischen Gedankengut anhingen, darunter frühere Schüler der nationalpolitischen Erziehungsanstalt Backnang. Im September 1946 beging die Gruppe einen Anschlag auf das Fahrzeug eines amerikanischen Offiziers. Unter dem Eindruck der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse begannen die Mitglieder, im Stuttgarter Stadtgebiet Plakate gegen die Prozesse zu verbreiten.

Am 19. Oktober 1946 um 20:30 Uhr ließ die Gruppierung um Kabus vor der Geschäftsstelle der Spruchkammer in der Stuttgarter Stafflenbergstraße eine Bombe detonieren. Zehn Minuten später detonierte ein weiterer Sprengsatz vor dem Sitz der amerikanischen Militärpolizei (Stafflenbergstraße Stuttgart) und der Spruchkammer in Backnang. Die Sprengsätze waren aus Artillerie-Geschossen konstruiert, an denen ein Zeitzünder angebracht war. Bei den Anschlägen wurden niemand verletzt, auch die Akten der Spruchkammern blieben unversehrt.

Gemeinsam mit der deutschen Kriminalpolizei führte die amerikanische Militärpolizei groß angelegte Razzien durch, bei denen mehrere Personen verhaftet wurden. Für die Ergreifung der Täter schrieb der Stuttgarter Oberbürgermeister Arnulf Klett eine Belohnung von 25.000 Reichsmark aus. Obwohl die Gerichtsgebäude danach von Wachtposten gesichert wurden, kam es am 27. Oktober um 20:28 Uhr zu einem erneuten Anschlag. Er richtete sich gegen die Spruchkammer in Eßlingen am Neckar. Wieder verursachten die Sprengsätze keine nennenswerten Schäden.

Hinweise aus der Bevölkerung lenkten den Verdacht auf den angeblichen SS-Major Siegfried Kabus. Kabus wurde am 19. November in Stuttgart festgenommen und legte ein umfassendes Geständnis ab. Noch in derselben Nacht fasste man in den Stadtteilen Möhringen und Vaihingen zehn Komplizen im Alter von 17 bis 23 Jahren. Diese stammten aus Stuttgart oder der näheren Umgebung und waren ehemalige Mitglieder der Hitlerjugend bzw. Waffen-SS.[2]

Prozess und Verurteilung

Am 3. Januar 1947 begann in Stuttgart der Prozess gegen die Attentäter. Neben Kabus waren zwei 17-Jährige, drei 18-Jährige, drei 19-Jährige und ein 57-Jähriger angeklagt. Alle Angeklagten bekannten sich als nicht schuldig. Die Mitangeklagten erfuhren erst im Laufe des Prozesses von Kabus' Hochstapelei.[3]

Siegfried Kabus wurde zum Tod durch den Strang verurteilt. Die Vollstreckung wurde allerdings immer wieder verschoben. Auf Befehl von General Clay wurde die Strafe im April 1948 in lebenslange Haft umgewandelt. Am 1. August 1953 wurde Kabus nach etwa sieben Jahre auf Bewährung entlassen.

Einzelnachweise

  1. Werke von und über Siegfried Kabus in der Deutschen Digitalen Bibliothek
  2. leowbw: „Terroranschläge gegen Spruchkammern in Stuttgart und Umgebung: der Fall Kabus“
  3. DER SPIEGEL 2/1947: „Bomben auf Spruchkammern/ Kabus war nur Schreibstubenhengst“

Literatur

  • Volker Koop: Himmlers letztes Aufgebot : die NS-Organisation "Werwolf". Böhlau, Köln [u.a.] 2008, ISBN 978-3-412-20191-3, S. 261–264.
  • Albrecht Ernst: Terroranschläge gegen Spruchkammern in Stuttgart und Umgebung : der Fall Kabus. In: Archivnachrichten 36, 2008, 36, S. 10-11.