Waqf

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Haseki Hürrem Sultan Vakfiyesi, 1. Textseite der Stiftungsurkunde (waqfiyya) des Takiyyat-Haseki-Hürrem-Sultan-Komplexes in Jerusalem von AH 964 / AD 1556–7

Die Waqf (arabisch وقف ‚fromme Stiftung‘, Plural Auqāf / أوقاف, türkisch Vakıf, bulgarisch вакъф/Vakuf, bosnisch Vakuf, albanisch Vakëf oder Vakfi, im Maghreb Habūs) ist ein der Stiftung vergleichbares Institut des islamischen Rechts, im Deutschen auch als fromme Stiftung bezeichnet.

Rechtliche Grundlagen

Fromme Stiftungen werden unterschieden in gemeinnützige Stiftungen und Familienstiftungen, die mindestens einen gemeinnützigen Endzweck nach Aussterben der Begünstigen haben müssen. Der Stifter errichtet die Stiftung dadurch, dass er einen vom Islam anerkannten Zweck bestimmt, erklärt, die Stiftung für alle Zeiten gründen zu wollen, sie bei einem Qādī registrieren lässt und das Stiftungsgut einem Verwalter übergibt, der er auch selbst sein kann. Als Eigentümer des Stiftungsgutes wird Gott gedacht, für dessen Geschöpfe es verwaltet wird, es ist daher unveräußerliches Gut der toten Hand.

Stiftungszweck können Moscheen, Madrasa-Schulen, Sufi-Konvente (Tekken), Krankenhäuser oder Einrichtungen zur Armenspeisung sein, aber auch Mühlen, Wasserräder, Bewässerungskanäle und öffentliche Brunnen sowie der Unterhalt der Armen an den heiligen Stätten von Mekka und Medina. Über die Stiftung wird eine spezielle Urkunde hergestellt, die als Waqfīya bezeichnet wird. Sie wurde in vormoderner Zeit von einem Qādī registriert, der auch die Einhaltung der Stiftungsbedingungen überwachte.

Geschichte

Ein frühes Beispiel für Auqāf sind die Stiftungen, die Mardschān, die Favoritin des umaiyadischen Kalifen ʿAbd ar-Rahmān III. im frühen 10. Jahrhundert in Córdoba errichtete.[1] Auqāf spielten dann besonders vom 11. bis 19. Jahrhundert unter den Seldschuken und im Osmanischen Reich eine bedeutende Rolle. Das Stiftungsgut wurde von Privatleuten gestiftet, um wohltätigen Einrichtungen zu dienen oder solche zu finanzieren. Davon zu unterscheiden sind Stiftungen des Sultans, bei denen bestimmte Steuern statt in die allgemeine Kasse zu gehen, zweckgebunden waren: zum Unterhalt einer Moschee, zur Finanzierung der Pilgerfahrt usw. Eine besondere Waqf-Form waren die Stiftungen zugunsten der Armen von Mekka und Medina. Derartige Stiftungen gab es während osmanischer Zeit in Ägypten, Anatolien und Rumelien[2] sowie zwischen 1850 und 1940 in Sansibar.[3] Der Transfer der Stiftungserträge erfolgte entweder mit der Pilgerkarawane oder, wie im Fall Sansibars, über Gelehrtennetzwerke.

Nach der Zurückdrängung der osmanischen Herrschaft auf dem Balkan blieben die Vakufs als Rechtsform erhalten. Dies gilt auch für Bosnien in der Zeit nach der österreichischen Okkupation. Desgleichen existierten Vakufs bis zum Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien und Albanien. Erst die Kommunisten enteigneten und zerschlugen die Stiftungen nach 1945. Das Institut der Familienstiftung wurde im 20. Jahrhundert in vielen islamischen Staaten abgeschafft oder die Familienstiftungen staatlicher Kontrolle unterstellt.

In Ägypten wurde 1952 ein eigenes Ministerium für religiöse Stiftungen geschaffen. Andere arabische Staaten folgten diesem Beispiel. In Jerusalem verwaltet bis heute eine Waqf-Behörde, die dem Ministerium für Waqf und religiöse Angelegenheiten (Ramallah) unterordnet ist, die islamischen Bauten auf dem Tempelberg und in Hebron die Gräber der Patriarchen.

Abgeleitete Namen

Literatur

  • John Robert Barnes: An introduction to religious foundations in the Ottoman Empire. 2nd imprint. Brill, Leiden u. a. 1987 ISBN 90-04-08652-8.
  • Doris Behrens-Abouseif: Egypt's adjustment to Ottoman rule. Institutions, waqf and architecture in Cairo (16th and 17th centuries) (= Islamic history and civilization 7). Brill, Leiden u. a. 1994, ISBN 90-04-09927-1 (Zugleich: Freiburg (Breisgau), Univ., Habil.-Schr.).
  • Faruk Bilici (Hrsg.): Le Waqf dans le monde musulman contemporain (XIXe – XXe siècles). fonctions sociales, économiques et politiques (= Varia Turcica 26). Actes de la Table Ronde d'Istanbul, 13 – 14 novembre 1992. Institut Français d'Études Anatoliennes, Istanbul 1994, ISBN 2-906053-36-8.
  • Murat Çizakça: A history of philanthropic foundations. The Islamic world from the seventh century to the present. Boğaziçi University Press, Istanbul 2000, ISBN 975-518-151-2.
  • Jan-Peter Hartung: Die fromme Stiftung (waqf). Eine islamische Analogie zur Körperschaft? In: Hans G. Kippenberg, Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.): Die verrechtlichte Religion. Der Öffentlichkeitsstatus von Religionsgemeinschaften. Mohr Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148432-0, S. 287–313.
  • Birgitt Hoffmann: Waqf im mongolischen Iran. Rašīduddīns Sorge um Nachruhm und Seelenheil (= Freiburger Islamstudien 20). Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-06896-1 (Zugleich: Bamberg, Univ., Habil.-Schrift, 1995).
  • Esad Hrvačič: Vakuf – trajno dobro. (Sa posebnim osvrtom na vakufe u Bosni i Hercegovini). El-Kalem u. a., Sarajevo 2001, ISBN 9958-23-079-8.
  • Annette Kaiser: Islamische Stiftungen in Wirtschaft und Gesellschaft Syriens vom 16. bis 18. Jahrhundert (= Islamwissenschaftliche Quellen und Texte aus deutschen Bibliotheken 8). Schwarz, Berlin 1999, ISBN 3-87997-107-2.
  • Hasan Kalesi: Najstariji vakufski dokumenti u Jugoslaviji na arapskom jeziku. = Dokumentat më të vjetra të vakufevet në Jugosllavi në gjuhën arabe. = Die ältesten Waqf-Urkunden in Jugoslawien in arabischer Sprache (= Zajednica naucnih ustanova Kosova. Studije 23). s. n., Pristina 1972, (Quellensammlung).
  • Andreas H. E. Kemke: Stiftungen im muslimischen Rechtsleben des neuzeitlichen Ägypten. Die schariatrechtlichen Gutachten (Fatwas) von Muḥammad ʿAbduh (st. 1905) zum Wakf (= Heidelberger orientalistische Studien 19). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1991, ISBN 3-631-43563-0.
  • Arif Ali Khan (Hrsg.): Encyclopaedia of Islamic law. Band 7: Law of Waqf in Islam. Pentagon Press, New Delhi 2006, ISBN 81-8274-197-1.
  • Franz Kogelmann: Islamische fromme Stiftungen und Staat. Der Wandel in den Beziehungen zwischen einer religiösen Institution und dem marokkanischen Staat seit dem 19. Jahrhundert bis 1937 (= Mitteilungen zur Sozial- und Kulturgeschichte der islamischen Welt 4). Ergon-Verlag, Würzburg 1999, ISBN 3-933563-25-9 (Zugleich: Bayreuth, Univ., Diss., 1997).
  • Safet Krkić: Uloga vakufa u razvoju gradova BiH. = The role of Waqfs in the development of cities in Bosnia and Herzegovina (= Vijeće Kongresa Bošnjačkih Intelektualaca. Biblioteka Posebna izdanja 44). Vijeće Kongresa Bošnjačkih Intelektualaca, Sarajevo 1999, ISBN 9958-47-040-3.
  • Richard van Leeuwen: Waqfs and urban structures. The case of Ottoman Damascus (= Studies in Islamic law and society 11). Brill, Leiden u. a. 1999, ISBN 90-04-11299-5.
  • Yaacov Lev: Charity, endowments, and charitable institutions in medieval Islam. University Press of Florida, Gainesville FL 2005, ISBN 0-8130-2869-8.
  • Alejandro García Sanjuán: Till God Inherits the Earth. Islamic Pious Endowments in al-Andalus (9-15th Centuries). Leiden: Brill 2007.

Weblinks

Commons: Waqf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Belege

  1. Vgl. Sanjuán: Till God Inherits the Earth. 2007, S. 95.
  2. Vgl. Suraiya Faroqhi: Herrscher über Mekka. Die Geschichte der Pilgerfahrt. Artemis, München-Zürich, 1990. S. 111-117.
  3. Vgl. Vgl. Anne K. Bang: Islamic Sufi Networks in the Wester Indian Ocean (c. 1880-1940). Ripples of Reform. Brill, Leiden-Bosten, 2014. S. 164-175.

Siehe auch