Wildkraut

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Schüssel mit essbaren Wildkräutern

Der Begriff Wildkräuter bezeichnet krautige Wildpflanzen (im Gegensatz zu den züchterisch beeinflussten Kulturpflanzen), vor allem in der direkten Umgebung des Menschen, in Gärten, Ackerland und Saumbiotopen. Der Begriff wird vor allem, ähnlich wie der weniger verbreitete Ausdruck „Beikraut“, als Synonym für den Ausdruck Unkraut verwendet, um den sehr negativ besetzten Beiklang von „Un“kraut zu vermeiden.[1] Wildkraut wird also vor allem dann verwendet, wenn in positiv besetztem Zusammenhang von „Unkräutern“ die Rede ist, vor allem im Rahmen des Naturschutzes, wo sich insbesondere der Ausdruck Ackerwildkraut durchgesetzt hat, und bei der Nutzung von wild wachsenden Kräutern als Nahrungspflanzen des Menschen. Neben „Wildkraut“, das im Zusammenhang mit Ernährung mit anderen als Kräuter bezeichneten Pflanzen (Küchenkraut, Heilkraut) assoziiert wird, ist auch der Ausdruck Wildgemüse[2] gängig. Wild gesammelte Früchte und Beeren oder Pilze sind damit aber nie gemeint.

Wildkräuter in der Ernährung

Unter dem Begriff Wildkräuter werden in der Küche und in Rezeptsammlungen die Pflanzen zusammengefasst, die zum Verzehr geeignet und nicht züchterisch bearbeitet sind, sondern im jeweiligen Land heimisch sind, also auf Wiesen und Äckern oder in Flussauen und Wäldern gedeihen. Auch wenn solche Pflanzen gefördert oder gärtnerisch angebaut werden, ist es noch üblich, von Wildkräutern zu reden, solange sie nicht züchterisch verändert sind. Beispielsweise können die Blüten des Gänseblümchens oder die Blätter des Gewöhnlichen Löwenzahns für Salate verwendet werden, Bärlauch ist als Würzbeigabe geeignet, Brennnesseln können wie Spinat verarbeitet werden.

Die Nutzung von Wildkräutern ist seit vorgeschichtlichen Zeiten üblich gewesen, meist aber schlecht historisch dokumentiert, da sie nur selten in Urkunden erwähnt worden ist. Die traditionelle Nutzung erfolgte im Rahmen der Subsistenzwirtschaft, meist durch die arme, bäuerliche Landbevölkerung. In jüngerer Zeit war sie vor allem in Kriegs- und Notzeiten üblich und wurde etwa in Deutschland von staatlicher Seite in beiden Weltkriegen im Rahmen der Autarkiebestrebungen propagiert. Seit den 1980er Jahren erlebt die Nutzung von Wildkräutern eine Renaissance im Rahmen der Umweltbewegung, nun vor allem durch reichere, gut ausgebildete Städter. Hintergrund ist die Sehnsucht nach einfachem, naturbestimmtem Leben. Schwerpunkte sind, neben Vegetariern, Anhänger der „Slow Food“-Bewegung. Da die Kenntnis und Nutzung von Kräutern kulturell eher als weiblich konnotiert ist, überwiegen Frauen gegenüber den Männern.[3] Auch im Rahmen der sogenannten Steinzeitküche[4] oder bei Survival-Anhängern wird die Kenntnis von Wildpkräutern naturgemäß besonders hoch geschätzt. Zahlreiche Seminare und Fortbildungen vermitteln, neben Rezepten, auch die notwendige Artenkenntnis.[5] Obwohl Wildkräuter ein gesundes Image haben, kann es bei unsachgemäßer Nutzung zu Gesundheitsschäden kommen. So warnt der Nahrungsmittel-Aktivist Udo Pollmer vor „grünen Smoothies“ aus Wildkräutern.[6]

Obwohl Wildkräuter auf Wochenmärkten gehandelt werden, ist in der Regel das Angebot im Handel gering. Probleme bereit hier die Standardisierung und Qualitätskontrolle. Ein Anbau findet allenfalls als Nischenprodukt in geringem Umfang statt.[7] Ein kleinerer deutscher Anbieter, der sich zwischenzeitlich am Markt etabliert hatte, hat dieses Geschäftsfeld inzwischen aufgegeben.

Die Wildkräuter schmecken in der Regel intensiver als die gezüchteten Sorten. Es gibt auch einige Geschmacksvarianten, für die es derzeit keine Entsprechung bei Kulturpflanzen gibt, wie die von Sauerampfer, da dieser bisher nicht in Kultur genommen wurde (die im Handel als „Sauerampfer“ angebotene kultivierte Pflanze ist der Garten-Ampfer). Man kann ohne großen Aufwand im Garten eine entsprechende Wiese mit den bevorzugten Wildgemüsesorten einsäen. Der Pflegeaufwand beschränkt sich auf die Ernte und eine Mahd im Spätsommer. Allerdings werden immer nur die Wildkräuter gut gedeihen, deren Standortansprüche durch die individuell dort vorhandenen Standortbedingungen wie Bodenbeschaffenheit, Wärme, Feuchte, Lichtverhältnisse usw. ausreichend befriedigt werden.

Neben den Wildkräutern, die den Speiseplan bereichern können, gibt es auch zahlreiche Heilkräuter, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist. Dazu zählen unter anderem die Kamille, das Johanniskraut und die Schafgarbe, die man auf Magerwiesen finden oder ebenfalls im Garten selbst anbauen kann.

Wildkräuter als Unkräuter

eingesäter Blühstreifen mit verschiedenen Mohnarten in England

Traditionell als Konkurrenten der Nutzpflanzen von den Landwirten erbittert bekämpft, sind heute selten gewordene Ackerwildkräuter zum Schutzobjekt des Naturschutzes geworden.[8] Zu ihrer Förderung werden spezielle Feldflorareservate[9] eingerichtet, sogenannte Buntbrachen[10] und Blühstreifen, die auf Äckern in die Bewirtschaftung eingeschaltet werden, sollen sie besonders fördern. Neben dem allgemeinen Ziel der Erhaltung der Biodiversität der Agrarlandschaft sollen damit auch Nützlinge, wie zum Beispiel Wildbienen[11] gefördert werden.

Durchgesetzt hat sich der Begriff Wildkräuter, anstelle von Unkräutern, für die Spontanvegetation auf befestigten Flächen, zum Beispiel in Mauerfugen und Pflasterritzen.[12][13] Im Agrarbereich bevorzugen auch einige eher ökologisch ausgerichtete Autoren den Begriff Unkräuter.[14][15] In Gärten sind beide Ausdrücke je nach Kontext gängig,[16] der Ausdruck Wildkraut wird inzwischen auch von Institutionen wie dem Industrieverband Agrar[17] und dem Verband Wohneigentum[18] akzeptiert.

Literatur

  • Birgit Auerswald: Nahrhafte Spontanvegetation. In: Land und Lüge; Notizbuch der Kasseler Schule. Bd. 42; Kassel 1996.
  • Birgit Klose, A. Wegmann-Klose: Nahrhafte Landschaften. Diplomarbeit am FB Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung der Universität Kassel; archiviertes Manuskript; Infosystem Planung; Kassel 1990.
  • Michael Machatschek: Nahrhafte Landschaft. Böhlau, Wien 1999, ISBN 3-205-99005-6 (Teil 1), ISBN 3-205-77198-2 (Teil 2).
  • Ralf Hiener, Olaf Schnelle, Anne Freidanck: Wildkräuter. Essbare Landschaften. Natur & Küche. Hädecke; Auflage: 2., Aufl. (Juli 2005), ISBN 3-7750-0452-1.
  • Brigitte Klemme, Dirk Holtermann: Un-Kräuter zum Genießen. Rau, Düsseldorf 2002, ISBN 3-925691-25-1.
  • Jean-Marie Dumaine: Meine Wildpflanzenküche, 100 Rezepte für Feinschmecker. AT Verlag, 2005, ISBN 3-85502-823-0.
  • Steffen Guido Fleischhauer: Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen. AT Verlag, 2005, ISBN 3-85502-889-3.
  • Steffen Guido Fleischhauer: Wildpflanzen-Salate AT Verlag, 2006, ISBN 3-03800-260-7.
  • Eva-Maria und Wolfgang Dreyer: Wildkräuter, Beeren und Pilze erkennen sammeln und genießen. Kosmos Verlag, Stuttgart, ISBN 3-440-10148-7.
  • Gertrud Scherf: Wildkräuter & Wildfrüchte. Blv Verlagsgesellschaft, 2011, ISBN 978-3-8354-0718-3.

Einzelnachweise

  1. Anmerkung: Bei dem ähnlichen Begriff Schädling hat sich kein entsprechender Euphemismus etabliert: Bernd Herrmann: Zur Historisierung der Schädlingsbekämpfung. In Bernd Herrmann (Herausgeber): „ … mein Acker ist die Zeit“, Aufsätze zur Umweltgeschichte. Universitätsverlag Göttingen, 2011, ISBN 978-3-941875-99-9.
  2. Wildgemüse. Definition – bekannte Vertreter website der ÖGE Österreichische Gesellschaft für Ernährung, abgerufen am 18. April 2016.
  3. eine Übersicht in: Ingeborg Nitschke: Sammeln und Nutzen von Wildpflanzen. Alltagskost – Notnahrung – Luxusspeise, aus volkskundlich-kulturwissenschaftlicher Sicht. Dissertation, Wien, 2008.
  4. Achim Werner, Jens Dummer: Steinzeit – Mahlzeit. Von den ersten Bauern bis Ötzi. Mit 55 neuen Rezepten vom 5-Steine-Koch. Theiss Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-8062-2580-8.
  5. vgl. Wildkräuter in der Stadt: Essen vom Grünstreifen von Bettina Levecke. Spiegel online, vom 25. September 2015.
  6. Gefährlicher Küchentrend: Grüne Smoothies – Nierensteine inklusive auf Deutschlandradio Kultur, Beitrag vom 10. Mai 2014.
  7. Conradin Bollinger: Unkraut zum Essen – Trend oder Irrsinn? In: Bio aktuell (Zeitschrift der Plattform der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern) Ausgabe 3/2005: S. 12–15.
  8. Stefan Meyer, Werner Hilbig, Kristina Steffen, Sebastian Schuch: Ackerwildkrautschutz – Eine Bibliographie. BfN-Skripten 351, 2013. herausgegeben vom BfN Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg.
  9. Thomas van Elsen & Dorothee Braband: Ackerwildkrautschutz – eine honorierbare ökologische Leistung? Perspektiven vor dem Hintergrund des Scheiterns klassischer Schutzkonzepte. In Ulrich Hampicke und Arbeitsgruppe Landschaftsökonomie Greifswald (Projektleitung): Anreiz Ökonomie der Honorierung ökologischer Leistungen. BfN-Skripten 179, 2006. herausgegeben vom BfN Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg
  10. Yvonne Reisner, Lukas Pfiffner, Bernhard Freyer: Buntbrachen. In: Bruno Baur, Andreas Erhardt, Klaus C. Ewald, Bernhard Freyer (Hrsg.): Ökologischer Ausgleich und Biodiversität. Springer-Verlag 1997, ISBN 3-7643-5802-5.
  11. Christian Schmid-Egger, Rolf Witt: Ackerblühstreifen für Wildbienen – Was bringen sie wirklich? In: Ampulex 6/2014: S. 13–22.
  12. Rolf König: Wildkrautbeseitigung. In: BULA Fachmagazin für das Beschaffungsmanagement im öffentlichen Bereich, August 2011: S. 40–41.
  13. Unkräuter auf Wegen und Plätzen. Wasser- und Pflanzenschutz auf öffentlichen und gewerblichen Flächen. Fachtagung des Julius-Kühn-Instituts, September 2011 in Braunschweig. Tagungsband, zusammengestellt von Arnd Verschwele.
  14. A. Kästner, Eckehart J. Jäger, R. Schubert: Handbuch der Segetalpflanzen Mitteleuropas. Springer-Verlag, 2013.
  15. Joachim Hüppe: Die Ackerunkrautgesellschaften in der Westfälischen Bucht (= Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde. 49 (1)).
  16. vgl. Unkraut ist nicht gleich Unkraut auf gartenfreunde.de vom 27. Juli 2015.
  17. Unkraut oder „Wildkraut“? in Profil online, IVA-Magazin, Ausgabe vom 12. Mai 2011.
  18. Unkraut oder Wildkraut? auf gartenberatung.de, herausgegeben vom Verband Wohneigentum e.V., abgerufen am 18. April 2016.