Wohnungspolitik

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Wohnungspolitik ist im engeren Sinne die öffentliche Politik, die sich auf das Wohnungswesen richtet. Der Begriff Politik bezeichnet hierbei zum einen das konkrete eingreifende Handeln, zum anderen die Zielvorstellungen, an denen sich dieses Handeln orientiert. Die zur Zielerreichung gewählten Mittel können suboptimal sein; zwischen Zielen können Zielkonflikte bestehen; zwischen den Akteuren können Interessenkonflikte bestehen. Auch können die Informationen, auf deren Basis geplant bzw. entschieden wird, falsch (z.B. veraltet) sein.

Zielsetzung

Wohnungspolitik äußert sich also im regulierenden Eingreifen der öffentlichen Hand in den Wohnungsmarkt. Sie wendet dabei die ihr zur Verfügung stehenden wohnungspolitischen Instrumente an. Was nun die Handlungsebene staatlicher Wohnungspolitik betrifft, so sind es in Deutschland vor allem Bundesregierung und Landesregierungen, der die rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmen. Die Kommune setzt als lokaler Staat jeweils vor allem Bundes- bzw. Landesrecht um. Aus Sicht der Stadtsoziologie ist für das Verständnis längerfristiger Prozesse eine weitere Seite der Wohnungspolitik von Interesse: die dem konkreten Handeln zugrundeliegende allgemeine Handlungsstrategie.

Rolle des Staates

Der Staat hat im Bereich der Wohnungspolitik die Aufgabe, eine Mindestversorgung mit Wohnraum zu sichern, wenn der Einzelne dazu nicht in der Lage ist. Dies muss jedoch auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips beruhen. Die Wohnungspolitik hat deshalb vorrangig das Verteilungs- und das Zugangsproblem zu lösen. Das heißt, die Mietbelastung muss auch für Haushalte mit geringem Einkommen tragbar sein. Es lassen sich drei Bereiche der praktischen Wohnungspolitik in Deutschland unterscheiden:

  1. Soziale Absicherung des Wohnens: Die Umsetzung der sozialen Absicherung erfolgt über klassische Instrumente wie das Wohngeld, den Sozialen Wohnungsbau und neuerdings den Ankauf von Belegungsbindungen aus dem Wohnungsbestand.
  2. Sicherung günstiger Angebots- und Nutzungsbedingungen: Dazu zählen die Ausweisung und Erschließung von Bauland, Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsmaßnahmen, der Kündigungsschutz sowie das Steuerrecht.
  3. Wohneigentumspolitik: Die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums beruht teilweise auf vermögenspolitischen Grundsätzen. Als gesetzliche Regelung wurde hier die „Eigenheimzulage“ geschaffen.[1]

Entwicklung der Wohnungspolitik

Bereits im 19. Jahrhundert reifte die Erkenntnis, dass der Wohnungsmarkt nicht sich selbst überlassen werden dürfe. Infolge der Industrialisierung und der damit verbundenen Landflucht stieg der Wohnungsbedarf in den Städten sprunghaft an. Es kam zu Bodenspekulation, Wuchermieten und Obdachlosigkeit. Eingriffe des Staates wurden aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, aber auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes notwendig. Die nach dem Ersten Weltkrieg vorherrschende allgemeine Wohnungsnot verstärkte die staatlichen Eingriffe auf dem Wohnungsmarkt. Zahlreiche Gesetze zur Bekämpfung des Wohnungsmangels wurden erlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg – knapp ein Viertel des Wohnungsbestandes von ca. 18 Mio. Wohnungen war zerstört und mehr als zwölf Millionen Flüchtlinge mussten untergebracht werden – wurde die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zur wichtigsten Aufgabe des Staates. Ein Wohnungsbauministerium auf Bundesebene wurde eingerichtet. Weitere Marksteine waren das Erste (1950) und das Zweite Wohnungsbaugesetz (1956), mit denen die drei Segmente staatlicher Interventionen (öffentlich geförderter sozialer Wohnungsbau, steuerbegünstigter und frei finanzierter Wohnungsbau) auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurden. Das Zweite Wohnungsbaugesetz ist bis heute die Grundlage der sozialen Wohnungspolitik.[2]

In diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage, inwieweit sich seit 1980 ein Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik beobachten lässt. Zu denken wäre an den Prozess der Deregulierung, d. h. des bewussten Unterlassens staatlicher Regulierung bzw. deren Abbau. Ein solcher Trend neo-liberaler Politik wird in den meisten industrialisierten Ländern beobachtet und ist im Kontext neo-klassischer Wirtschaftstheorien zu sehen.

In Deutschland betrug die Grunderwerbsteuer (GrESt) viele Jahre 2 %. Mit dem Jahressteuergesetz 1997 wurde der Steuersatz der Grunderwerbsteuer von 2 % auf 3,5 % erhöht (= + 75 %). Seit dem 1. September 2006 haben die Bundesländer gemäß Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG die Befugnis, die Höhe des Steuersatzes selbst zu bestimmen. Berlin erhöhte auf 4,5 %. Hamburg erhöhte zum 1. Januar 2009 ebenfalls auf 4,5 %.[3] In Rheinland-Pfalz beschloss die 2011 gewählte rot-grüne Koalition, die Grunderwerbsteuer zum 1. März 2012 um anderthalb Prozentpunkte (= über 42 %) anzuheben. Nordrhein-Westfalen erhöht die Grunderwerbsteuer zum 1. Oktober 2011 auf 5 %.[4]

Wohnungspolitik in der DDR

Die Wohnungspolitik der DDR offenbarte eine starke staatliche Regulierung der Bautätigkeit und der Mietpreise. Aus politischen und wirtschaftlichen Motiven wurde der Neubau in industriell gefertigter Plattenbauweise favorisiert und zugleich die Erhaltung der Altbausubstanz vernachlässigt. Selbstgenutztes Wohneigentum konnte nur in sehr begrenztem Maße angeeignet werden. Die Mieten wurden aus sozialpolitischen Gründen niedrig gehalten. Für Altbauten galten die auf dem Niveau von 1936 eingefrorenen Mieten. Die Mieten für Neubauten wurden im Jahr 1981 zentral festgelegt und lagen im Durchschnitt bei 0,45 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Die Mieten waren somit weder wohnwertorientiert noch kostendeckend. Der Kostendeckungsgrad durch die Mieteinnahmen betrug nur zehn bis 15 Prozent. Dies hatte zur Folge, dass viele Häuser aufgrund unterlassener Reparaturen vernachlässigt wurden und die Altstadtgebiete sich entvölkerten.[5]

Einzelnachweise

  1. Johann Eekhoff, Wohnungspolitik (Tübingen: Mohr, 1993).
  2. Winfried Michels, "Wohnungspolitik West", in: Lexikon Soziale Marktwirtschaft (Paderborn: UTB, 2002), S. 473 f.
  3. www.siedlerbund.de
  4. nrw.de
  5. J. Behrendt, Die Transformation einer zentralverwalteten Wirtschaftsordnung in eine Soziale Marktwirtschaft am Beispiel der Wohnungswirtschaft, Dissertation an der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln (1992).

Literatur

  • Dorothea Berger-Thimme: Wohnungsfrage und Sozialstaat. Untersuchungen zu den Anfängen staatlicher Wohnungspolitik in Deutschland (1873–1918). Peter Lang u. a., Frankfurt am Main u. a. 1976, ISBN 3-261-01986-7 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 68).
  • Stefan Krätke, Fritz Schmoll: The local state and social restructuring in: International Journal of Urban and Regional Research 15(4). 1991, 542-552
  • Jürgen Mümken: Kapitalismus und Wohnen. Ein Beitrag zur Geschichte der Wohnungspolitik im Spiegel kapitalistischer Entwicklungsdynamik und sozialer Kämpfe. Edition AV, Lich/Hessen 2006, ISBN 3-936049-64-5.
  • Eric H. Monkkonen: The Local State. Public Money and American Cities, Stanford University Press, 1996, ISBN 0-8047-2412-1.
  • Rainer Praetorius (Hrsg.): Wachsam und kooperativ? Der lokale Staat als Sicherheitsproduzent, Nomos-Verl.-Ges., Baden-Baden 2002, ISBN 3-7890-7793-3.
  • Björn Egner, Nikolaos Georgakis, Hubert Heinelt, Reinhart C. Bartholomäi: Wohnungspolitik in Deutschland. Positionen - Akteure - Instrumente. Darmstadt 2004, ISBN 3-932736-12-5.