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Raubfliegen

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Raubfliegen
Raubfliege mit Beute
Systematik
Überordnung: Neuflügler (Neoptera)
Ordnung: Zweiflügler (Diptera)
Unterordnung: Fliegen (Brachycera)
Teilordnung: Spaltschlüpfer (Orthorapha)
Überfamilie: Raubfliegenartige (Asiloidea)
Familie: Raubfliegen (Asilidae)
Unterfamilien
  • Apocleinae
  • Asilinae
  • Dasypogoninae
  • Dioctriinae
  • Laphystiinae
  • Laphriinae
  • Leptograstrinae
  • Ommatiinae
  • Stenopogoninae
  • Stichopogoninae
  • Trigonomiminae

Die Raubfliegen oder Jagdfliegen (Asilidae) sind eine Familie der Zweiflügler (Diptera) und werden innerhalb der Fliegen (Brachycera) zu den Spaltschlüpfern (Orthorapha) gezählt. Weltweit sind über 7000 Arten bekannt, aufgeteilt in 530 Gattungen. Damit stellen die Raubfliegen eine der größten Insektenfamilien überhaupt dar. Durch ihre räuberischen Lebensweise haben die Tiere einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Regulierung in Ökosystemen, vor allem da sie vornehmlich pflanzenfressende Insekten jagen. Es handelt sich um mittelgroße bis große Fliegen, die Mordfliegen (Laphria) werden z. B. bis 30 Millimeter groß.

Merkmale der Raubfliegen

Aufgrund ihrer Größe sind einige Arten dieser Gruppe sehr auffällig, so etwa die Mordfliegen, welche häufig auf Lichtungen und alten Kahlschlägen vorkommen oder die Hornissenraubfliege Asilus crabroniformis mit ihrem schwarzgelben Hinterleib und brauner Brust. Die Leptogaster-Arten sind dagegen libellenartig schlank. Die meisten Raubfliegen sind außerdem stark behaart. Bei vielen Arten ist der Hinterleib gegenüber dem Thorax sehr schmal, bei anderen entspricht er in seiner Breite dem Brustbereich. Die Beine dienen als Fangbeine, aus diesem Grund besitzen sie besonders an der Spitze kurze und verdickte Borsten und sind hakenartig gekrümmt.

Typisch sind bei allen Raubfliegen einige Merkmale des Kopfes, etwa die Stirnfurche zwischen den Facettenaugen und dem dazwischen liegenden Höcker mit den drei Punktaugen. Die Facettenaugen selbst sind sehr groß, wobei die Größe der Einzelfacetten zum Zentrum hin zunimmt. Die Mundwerkzeuge sind etwa kopflang und als Stech- und Saugrüssel ausgebildet, wobei sie allerdings anders als die der Stechmücken oder Bremsen zugleich auch die Beute festhalten müssen. Bei einigen Arten ist ein regelrechter Bart aus Borsten ausgebildet.

Lebensweise der Raubfliegen

Raubfliegen besiedeln vor allem offene Lichtungen und Flächen und jagen vornehmlich bei höheren Temperaturen. Nach verschiedenen Untersuchungen sind die optimalen Temperaturen für die meisten Arten höher als 20 Grad Celsius, mit zunehmender Kälte werden sie inaktiver. Als Augenjäger bevorzugen sie gut beleuchtete und wenig strukturierte Jagdgebiete, wobei sie häufig Baumstämme oder andere höher gelegene Abflugpunkte wählen.

Raubfliegen ernähren sich vor allem von anderen Insekten. Sie besitzen sehr harte Stechborsten, gebildet aus dem Hypopharynx und den Galeae, mit dem beispielsweise die Mordfliegen sogar den Panzer verschiedener Käfer durchstechen können. Zu ihren Beutetieren gehören entsprechend die Pracht- und die Rüsselkäfer. Es wird angenommen, dass der Speichel der Fliegen ein Insekten tötendes Gift enthält, außerdem sind in ihm Verdauungssekrete enthalten, welche die Beute vorverdauen. Die Beute wird meist im Flug gejagt und in einem Stoßflug mit den Vorderbeinen gepackt. Dabei erfolgt der Abflug meist von leicht erhöhten Positionen, etwa einem Baumstubben, die Beute wird wahrscheinlich optisch wahrgenommen und mit Kopfbewegungen fixiert. Eine Beutespezialisierung der Fliegen ist weitgehend unbekannt. Die Wolfsfliegen oder Steifbärte der Gattung Dasypogon erbeuten nicht selten Honigbienen und erhielten deshalb den englischen Beinamen "bee-catcher". Einige Arten erbeuten auch Spinnen, wobei die Beute nicht selten größer als der Jäger ist.

Verbreitung

Raubfliegen leben auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis, vor allem nördlich der Tropen. Viele der Arten oder Gattungen sind dabei regional typisch. Interessanterweise sind von der Inselgruppe Hawaii weder eingeschleppte noch heimische Arten bekannt, auf vielen anderen Inselgruppen gehören die Tiere jedoch zur lokalen Fauna. So findet man auf beinahe allen Inselgruppen Süostasiens Raubfliegen, außerdem immer einige Arten auf den Fidschi-Inseln, Samoa und Neuseeland. Selbst von den Weihnachtsinseln ist eine Art bekannt.

Die meisten Artengruppen lassen sich direkt Regionen zuteilen. So kommen etwa die Vertreter der Megapodinae nur in der Neotropis (tropische Region Amerikas) vor, hier konzentrieren sich auch die Vertreter der Atomosiini und bestimmter Gattungen der Damalini (Holcocephala-Gruppe) sowie die Gattungen Diogmites (Dasypogoninae) und Nerax (Asilinae). Die beiden letztgenannten Gattungen kommen wahrscheinlich aus Mexiko, sind heute jedoch auch über weite Teile der USA verbreitet. Vertreter der Gattungen Laphria, Cyrtopogon, Lasiopogon und Asilus finden sich vornehmlich in der nördlichen Hemisphäre, also in Eurasien und Nordamerika. Die Neolophonotus-Gruppe (Asilinae) und die Gattung Microstylum (Dasypogoninae) kommt vor allem in Südamerika vor. In Südasien und der Süostasiatischen Inselwelt finden sich die metallisch glänzenden Maira-Arten.

Die weitaus größte Anzahl der Raubfliegen lebt in sandigen und weitgehend trockenen Gebieten; vor allem in Wüsten und Halbwüsten finden sich eine Reihe von Arten, obwohl sie sich auch hier eher in der Nähe von kleinen Wasserläufen oder Vegetationsinseln aufhalten, da sich dort für die Fliegen die meiste Vegetation und auch die höchste Anzahl an Beuteorganismen findet. In den gemäßigten Klimabereichen finden sich die Tiere häufig in Waldgebieten, einige Arten können auch in Sümpfen oder feuchten Wäldern leben. Innerhalb der Wälder halten sich die Fliegen dabei wiederum vornehmlich in den Bereichen von Lichtungen auf, selbst im tropischen Regenwald findet man sie meist im Übergangsbereich zum Grasland. Entsprechend gibt es auch viele Arten in den Steppen und Savannen, die vermutlich nach den Halbwüsten die meisten Arten beherbergen. Allein in Kalifornien sind aufgrund der sehr unterschiedlichen Lebensräume und der langgezogenen Form des Landes etwa 500 Arten bekannt. In die Kälteregionen der Tundra dringen offensichtlich nur die Lasiopogon-Arten vor, die dort entlang der Flussläufe leben, während Cyrtopogon in den Gebirgen bis in Höhen von 4500 Meter NN vorkommt.

Fortpflanzung

Die Begattung der Raubfliegen erfolgt artspezifisch in der Luft oder am Boden. Bei einigen Arten wird sie durch Verfolgungsjagden der Partner eingeleitet, bei Heteropogon lautus und Pycnopogon fasciculatus ist eine Flugbalz des Männchens vor dem sitzenden Weibchen bekannt. Auch die Paarung selbst unterscheidet sich bei den Arten. Einige Arten sitzen dabei aufeinander, andere bilden einen Winkel oder schauen komplett in entgegengesetzte Richtungen.

Die Eiablage kann sehr unterschiedlich sein, so lassen die Leptogaster- und die Habichtsfliegen (Dioctria) ihre Eier im Flug fallen ("Random egg-dropping"), Laphria-Arten legen die Eier in Holz- und Rindenritzen, Philonicus-Arten graben sie mit einer speziellen Legeröhre in den Sand ein. An Moosen oder an Grasähren legen die Dysmachus-Arten ihre Eier ab und Eutolmus-Arten legen sie hinter die Blattscheiden von Gräsern.

Die Eier sind langoval und bis zu dreimal so lang wie breit, manchmal jedoch auch nur 1,5mal so lang. Die Hülle ist weich und bei den meisten Arten nicht ornamentiert. Die Farbe variiert von weiß über gelblich bis hellbraun.

Larvalentwicklung

Die Larven sind teilweise schlank, teilweise mehr gedrungen und besitzen charakteristische Borsten am letzten und den drei ersten Segmenten sowie Kriechwarzen an der Unterseite. Die Kopfkapsel ist in der Regel schmaler als der Brustbereich und nach unten gerichtet. Sie ist durch eine leichte Sklerotisierung meist hellbraun und besitzt sehr kräftige Mandibeln an der Unterseite. Die Larven besitzen neun Hinterleibssegmente, wobei die beiden letzten teilweise verschmolzen sind, das größte Hinterleibssegment ist das siebente.

Die Larven leben im Boden, unter Rinde und auch in Larvengängen anderer Insekten und ernähren sich von anderen Insektenlarven, vor allem pflanzenfressenden Käferlarven. Möglicherweise fressen einige Arten auch zerfallendes Pflanzenmaterial. Die Larven von Nerax femoratus ernähren sich vermutlich von Heuschreckeneiern. Die Entwicklung der Larven kann mehrere Jahre dauern, im Winter kommt es zu einer Diapause.

Die Puppen sind beweglich und können sich mit Hilfe von Haken und Dornenkränzen aus dem Substrat arbeiten.

Evolution

Die Evolution der meisten Fliegenfamilien ist nur sehr vage bekannt und stützt sich mehr auf Vermutungen als auf fossile Belege. Häufig wird zu diesem Zweck (wie bei anderen Tiergruppen auch) die sehr umstrittene Molekulare Uhr angewendet, die auf einer Errechnung von Artspaltungsprozessen aufgrund von genetischen Unterschieden basiert. Allgemein geht man heute offensichtlich von einer Bildung der meisten Familien der Zweiflügler im Mesozoikum aus, nach Papavero (1973) sollen auch die Raubfliegen dort entstanden sein.

Der Fossilbefund reicht bis in das frühe Eozän (bis vor 65 Millionen Jahren), wobei auch für die folgenden Zeitalter Fossilien bekannt sind. Dabei handelt es sich beinahe ausschließlich um Einschlüsse in Bernstein. Hull (1962) nimmt auf der Basis dieses Fossilbefundes eine Spaltung innerhalb der Raubfliegen bereits zu Beginn des Eozäns an, da die drei zu seiner Zeit bekannten Fossilien unterschiedlichen Gattungen angehörten (davon zwei heute ausgestorben).

Systematik

Die Raubfliegen werden gemeinsam mit einigen anderen Fliegentaxa der Überfamilie der Raubfliegenartigen (Asiloidea) zuordnet, die genauen systematischen Verhältnisse innerhalb dieser Gruppe sind bislang nicht vollständig geklärt, die Raubfliegen bilden hier entweder die Schwestergruppe eines gemeinsamen Taxons aus Fensterfliegen (Scenopinidae) und Luchsfliegen (Therevidae) oder einem Taxon bestehend aus Mydidae und Apioceridae, alle fünf Familien gemeinsam stehen den Wollschwebern (Bombyliidae) gegenüber (Quelle: [1]).

---- Raubfliegenartige (Asiloidea)
     |-- Wollschweber (Bombyliidae)
     |-- N.N.
         |? -- Fensterfliegen  (Scenopinidae) und Luchsfliegen (Therevidae)
         |? -- Mydidae und Apioceridae
         |? -- Raubfliegen (Asilidae)

Die phylogenenetische Systematik innerhalb der Raubfliegen ist wie bei vielen anderen Insekten weitgehend unbekannt. Unstrittig ist die Monophylie der Raubfliegen als solche, innerhalb des Taxon wurden jedoch auf unterschiedlichen Wegen verschiedene Gruppierungen erreicht.

Klassischerweise werden die Raubfliegen in vier Unterfamilien aufgeteilt: die Asilinae, die Dasypogoninae, die Laphriinae und die Leptogastrinae. Diese Unterteilung basiert auf verschiedenen morphologischen Merkmalen, vor allem auf der Beborstung am Körper, der Flügeläderung und der Ausstattung der Mundwerkzeuge. Neuere Untersuchungen, unter anderem auf molekularer Basis, unterscheiden dem gegenüber bis zu elf Taxa (Details zur Systematik).

Literatur

  • Haupt J, Haupt H (1998): Fliegen und Mücken - Beobachtung, Lebensweise, Augsburg
  • Honomichl K, Bellmann H (1994): Biologie und Ökologie der Insekten; CD-Rom, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart.
  • Beling T (1982): Beitrag zur Metamorphose zweiflügliger Insekten aus den Familien Tabanidae, Leptidae, Asilidae, Empididae, Dolichopodidae und Syrphidae, Arch. Naturg 48, Bd 1: 187-240
  • Geller-Grimm F (2003): Fotoatlas und Bestimmungsschlüssel der Raubfliegen Deutschlands (Diptera: Asilidae), CD-ROM, Amphx-Verlag Halle (Saale)
  • Hull FM (1962): Robber flies of the world., Bulletin of the United States National Museum 224 (1, 2): 1-907; Washington.
  • Lavigne RJ (2003): Evolution of courtship behaviour among the Asilidae (Diptera), with a review of courtship and mating. Studia dipterologica 9(2)(2002): 703-742
  • Musso JJ (1983): Nutritive and ecological requirements of robber flies (Diptera; Brachycera; Asilidae), Entomol. Gener. 9: 35-50
  • Oldroyd H (1969): Tanbanoidea and Asiloidea, Handb Ident British Insects 9(4). London
  • Papavero N (1973): Studies of Asilidae (Diptera) systematics and evolution. I. A preliminary classification in subfamilies., Arquivos de Zoologia do Estado de Sao Paulo 23: 217-274; Sao Paulo.
  • Wood GC (1981): Asilidae, In: McAlpine JF, Peterson BV, Shewell GE, Teskey HJ, Vockeroth JR, Wood DM,(Hrsg.): Manual of Nearctic Diptera. Volume 1., Research Branch, Agriculture Canada, Monographs 27: : 549-573; Ottawa.

Eine umfangreiche Bibliografie findet sich in dieser Datenbank (aktuell ca. 3700 Titel)

Weblinks