Stängellose Schlüsselblume

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Stängellose Schlüsselblume

Stängellose Schlüsselblume (Primula vulgaris)

Systematik
Asteriden
Ordnung: Heidekrautartige (Ericales)
Familie: Primelgewächse (Primulaceae)
Unterfamilie: Primuloideae
Gattung: Primeln (Primula)
Art: Stängellose Schlüsselblume
Wissenschaftlicher Name
Primula vulgaris
Huds.
Illustration von Jacob Sturm

Die Stängellose Schlüsselblume (Primula vulgaris, Syn.: Primula acaulis (L.) Hill) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Primeln (Primula). Andere Namen für die Art sind Schaftlose Schlüsselblume oder Erd-Primel. Exemplare in Parks und Gärten sind fast immer gepflanzte oder verwilderte Gartensorten und Hybriden und werden auch Garten-Primeln genannt.

Merkmale

Die Stängellose Schlüsselblume ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 5 bis 10 Zentimeter erreicht. Der Wurzelstock ist kurz. Die Chromosomenzahl ist 2n = 22.

Die blattunterseitigen Blattrippen, die Blattränder, die Blütenstiele und die Kanten des Kelches sind mit etwa 2 Millimeter langen, gegliederten Trichomen besetzt. Auf der Blattunterseite und vereinzelt auf den übrigen Pflanzenteilen finden sich kurze, helle Drüsenhaare.

Die Laubblätter sind in der Knospenlage rückwärts eingerollt. Die Spreiten sind runzlig, häutig, umgekehrt eiförmig oder länglich und an der Spitze abgerundet. Die Basis verschmälert sich langsam in den kurzen, geflügelten Blattstiel. Die Spreiten sind zur Blüte zwischen 3 und 6 Zentimeter lang und vergrößern sich zur Fruchtreife. Der Blattrand ist unregelmäßig, mit stumpfen Zähnen, gezähnt.

Die Blütezeit dauert von März bis April. Der Blütenschaft ist extrem kurz. Daher entspringen bis zu 25 Blüten grundständig, der Mitte der Blattrosette. Die Hüllblätter sind aus breitem Grund lineal, blass und viel kurzer als die 5 bis 10 Zentimeter langen Blütenstiele. Der Kelch ist walzenförmig, anliegend, kantig und zwischen 12 und 15 Millimeter lang. Er ist bis auf weniger als zur Hälfte eingeschnitten mit linealisch, dreieckigen Kelchzähnen. Die Kanten sind grün, alle anderen Kelchteile gelblich.

Die Krone ist geruchlos und häufig schwefelgelb. Trocknen die Kronblätter verfärben sie sich ins Grünliche. Die Kronröhre ist etwas länger als der Kelch, der Schlund zeigt fünf dreieckige, orange Flecken. Der Kronsaum ist flach und zwischen 2,5 und 3,5 Zentimeter breit. Die Zipfel sind umgekehrt herzförmig.

Nach der Blüte bildet sich eine ovale Kapselfrucht, die zirka zweidrittel so lang wie der Kelch ist. Die Samen messen etwa 2,5 Millimeter in der Länge, sind von brauner Farbe und die Oberfläche ist warzig.

Verbreitung

Die Stängellose Schlüsselblume gedeiht auf frischem, gutem, etwas beschattetem Boden. Sie findet sich vor allem an Bachläufen, unter Gebüschen, in Obstgärten und lichten Laubwäldern. Vereinzelt tritt sie auch auf Wiesen auf.

Die Art gilt als euatlantisch-mediterran-montaner Typus. Sie ist in Mitteleuropa sehr lückenhaft verbreitet. Typische natürliche Nachbarschaften bestehen aus 1–38 Individuen, die 0 bis 30 Quadratmeter einnehmen, größere Bestände liegen zwischen 18 und 61 m².[1] An manchen Orten ist die Stängellose Schlüsselblume sicher angepflanzt. Sie verwildert sehr leicht.

Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet umfasst das westliche Europa. Im Norden reicht es vom mittleren Norwegen, über England, Dänemark, Norddeutschland, die Niederlande, Belgien und Frankreich bis nach Südportugal im Süden. Nach Osten hin verläuft das Verbreitungsgebiet dann durch die südeuropäischen Halbinseln bis in die Krim, nach Syrien, Kleinasien und Armenien. Die Art erreicht Algerien und Marokko und ist damit eine von nur zwei in Afrika heimische Primeln (neben Primula simensis in Äthiopien).

Ökologie

Wie viele Landpflanzen lebt die Stängellose Schlüsselblume in Symbiose mit Arbuskulären Mykorrhizapilzen (Glomeromycetes). Die Pflanzen erreichen im Mittel ein Alter zwischen 10 und 30 Jahren, es wurden aber auch Exemplare beobachtet die über 48 Jahre alt wurden. Junge Individuen blühen das erste Mal im Alter von 20 Monaten.

Die meisten (91 %) Individuen sind heterostyl, die Minderheit monostyl. Die Blüten der Art werden von einer Vielzahl von Insekten, wie Schmetterlinge (Lepidoptera), Hautflüglern (Hymenoptera), Käfern (Coleoptera), Zweiflüglern (Diptera) und anderen, besucht. Welche Besucher Bestäuber sind ist nicht schlussendlich erforscht. Gute Bestäuber sollen jedoch Hummeln (Bombus) und Wollschweber der Gattung Bombylius sein. Die häufigsten Besucher der Blüten sind jedoch kleine Käfer der Gattung Meligethes – oft finden sich bis zu 12 über und über mit Pollen bedeckte Individuen in einer einzelnen Blüte. Die Käfer fliegen auch von Blüte zu Blüte und kommen zumindest theoretisch gut als Bestäuber in Frage.

Die Samen haben ein Elaiosom und werden von Ameisen (Formicidae) verbreitet (Myrmekochorie).

Die Larven vieler Schmetterlinge leben von den Laubblättern, dies sind vor allem Arten aus den Gattungen Xestia, Noctua, Diarsia und Idaea und andere.

Systematik

Neben dem nominotypisches Taxon Primula vulgaris subsp. vulgaris existieren mehrere Unterarten, Varietäten oder Formen:

  • Primula vulgaris subsp. balearica (Willk.) W.W.Smith et Forrest. mit duftenden Blüten und fast kahlen Blättern, in den Bergen Mallorcas
  • Primula vulgaris subsp. atlantica (Maire et Wilczek) Greuter et Burdet. wie subsp. balearica aber mit kurzeren Blütenstielen, in den Bergen Algeriens und Marokkos
  • Primula vulgaris subsp. rubra (Sm.) Arcangeli mit purpurnen oder roten Blüten, vor allem im Osten des Verbreitungsgebiets
  • Primula vulgaris subsp. heterochroma (Stapf) W.W.Smith et Forrest mit blau-violetten Blüten, am Kaspischen Meer
  • Primula vulgaris var. caulescens (Koch) Schniz et Thellung. mit verlängerten, mehrblütigen Blütenstielen.[2]
  • Primula vulgaris f. albiflora Evers. mit gelblich-weißer bis reinweißer Blüte

Wahrscheinlich hat sich Primula vulgaris durch wiederholte Mutation aus der Hohen Schlüsselblume (Primula elatior) entwickelt, wobei vor allem die lebenswichtige Entwicklung des Elaiosoms und damit der Myrmekochorie einen evolutionären Vorteil darstellte.

Hybride

Hybriden von Primula vulgaris in breiter Farbauswahl

Die Stängellose Schlüsselblume ist ein wichtige Kulturpflanze und die wichtigste Kulturprimel. Hybriden existiert nunmehr in allen möglichen Farbenspielarten, wie weiß, gelb und rot, oder braun und rot in allen Abstufungen, ferner dunkelrot, rosarot, lila, purpurn, schwarzbraun, dunkelblau. Der Schlund ist dabei in der Regel sattgelb gefärbt.

Durch Kreuzung mit der Echten Schlüsselblume (Primula veris) entstehen Hybride, welche Primula × polyantha Mill. genannt werden und sowohl in den morphologischen als auch in den ökologischen Merkmalen zwischen den Elternarten stehen. Auch Kreuzungen mit der Hohen Schlüsselblume (Primula elatior) sind möglich und erzeugen schafttragende, fertile Hybriden, die Primula × diginea A.Kern heißen.[3] Auch die Hybride Primula vulgaris × P. veris × P. elatior existiert, wenngleich sie selten ist und wird Primula × murbeckii Lindq. genannt.

Viele Hybriden sind auch wild verbreitet, weil sie natürlich entstehen oder ausgewildert sind. Sie finden sich häufig in Gemeinschaft mit den Stammarten, dies macht eine Bestimmung schwierig.

Nutzung

In der Vergangenheit wurde die Stängellose Schlüsselblume auch als Heilpflanze genutzt. Sie enthält geringe Mengen an Saponinen, aber deutlich weniger als die Echte Schlüsselblume und wurde bei Erkältungserkrankungen verabreicht.

Heute steht die Nutzung als Zierpflanze sehr im Vordergrund. Hybriden der Stängellosen Schlüsselblume haben in Deutschland einen Marktanteil von 6 % der verkauften Beetpflanzen, was einem Marktvolumen von 120 Millionen Euro (2008) entspricht.[4] Weltweit betrug die Anbaufläche 1.841.724 Hektar.[5]

Quellen

Literatur

  • Hans Jacquemyn, Patrick Endels, Rein Brys, Martin Hermy, Stanley R. J. Woodell: Biological Flora of the British Isles:Primula vulgaris Huds. (P acaulis (L.) Hill). In: Journal of Ecology. Band 97, Nr. 254, 2009, S. 812–833, doi:10.1111/j.1365-2745.2009.01513.x.
  • Gustav Hegi: Primula vulgaris. In: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 5, 3. Teil. J. F. Lehmanns Verlag, München 1926, S. 1743–1746.
Commons: Stängellose Schlüsselblume – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Stängellose Schlüsselblume. auf FloraWeb.de

Einzelnachweise

  1. C. M. Cahalan, C. Gliddon: Genetic neighbourhood sizes in Primula vulgaris. In: The Genetical Society of Great Britain (Hrsg.): Heredity. Band 54, Nr. 1, Februar 1985, ISSN 0018-067X, S. 65–70, doi:10.1038/hdy.1985.9.
  2. Miller Christy: Primula vulgaris var. Caulescens. In: New Phytologist. Band 22, Nr. 5, Dezember 1923, S. 233–239 (abstract).
  3. S. R. J. Woodell: Natural Hybridization in Britain between Pimula vulgaris Huds. (the Primrose) and P. elatior (L.) Hill (The Oxlip). In: Watsonia. Band 7, Nr. 3, 1969, S. 115–127 (pdf).
  4. Richard Niehues: Die wichtigsten Pflanzen im grünen Einzelhandel. In: DEGA Produktion & Handel. 2009 (pdf).
  5. International Trade Centre UNCTAD/WTO (Hrsg.): Overview of World Production and Marketing of Organic Wild Collected Products. MDS-07-139.E. Geneva 2007 (pdf).
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