„Tristanakkord (Roman)“ – Versionsunterschied

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Durch Zufall erhält Georg Zimmer den Auftrag, das Manuskript der Autobiographie eines berühmten Komponisten zu korrigieren. Er reist nach Schottland, um im Feriendomizil des Stars auf einer einsamen Insel auf den [[Hebriden]] mit der Arbeit zu beginnen. Georg begegnet einem Menschen, der unermüdlich komponiert, gleichzeitig aber auch seltsame Verhaltensweisen auslebt, trinkt, intrigiert und seine Umwelt rückhaltlos für seine Projekte einspannt. Als die Korrektur der Memoiren gelingt, lädt Bergmann Georg zur Weiterarbeit nach New York ein, wo Bergmanns jüngstes Werk uraufgeführt wird. Der unbedarfte Georg begegnet der großen Welt der High Society, bewegt sich unsicher in Hotelsuiten, Limousinen und auf Banketten und verliebt sich aussichtslos und aus der Ferne in Mary, die Tochter eines berühmten Dirigenten.
Durch Zufall erhält Georg Zimmer den Auftrag, das Manuskript der Autobiographie eines berühmten Komponisten zu korrigieren. Er reist nach Schottland, um im Feriendomizil des Stars auf einer einsamen Insel auf den [[Hebriden]] mit der Arbeit zu beginnen. Georg begegnet einem Menschen, der unermüdlich komponiert, gleichzeitig aber auch seltsame Verhaltensweisen auslebt, trinkt, intrigiert und seine Umwelt rückhaltlos für seine Projekte einspannt. Als die Korrektur der Memoiren gelingt, lädt Bergmann Georg zur Weiterarbeit nach New York ein, wo Bergmanns jüngstes Werk uraufgeführt wird. Der unbedarfte Georg begegnet der großen Welt der High Society, bewegt sich unsicher in Hotelsuiten, Limousinen und auf Banketten und verliebt sich aussichtslos und aus der Ferne in Mary, die Tochter eines berühmten Dirigenten.


Bergmann findet Gefallen an dem schüchternen Georg und als er von dessen lyrischen Versuchen hört, will er ihm zum Dichter einer Hymne für seine nächste Komposition gewinnen. In der luxuriösen Villa Bergmanns auf Sizilien sucht Georg vergeblich nach eigenen Gedanken und rettet sich in die Umkehr eines Gedichts von [[Georg Heym]] ins Gegenteil. Bergmann durchschaut den hilflosen Versuch schnell, Georgs Versuch, am Ruhm Bergmanns zu partizipieren, scheitert schnell.
Bergmann findet Gefallen an dem schüchternen Georg und als er von dessen lyrischen Versuchen hört, will er ihm als Dichter einer Hymne für seine nächste Komposition gewinnen. In der luxuriösen Villa Bergmanns auf Sizilien sucht Georg vergeblich nach eigenen Gedanken und rettet sich in die Umkehr eines Gedichts von [[Georg Heym]] ins Gegenteil. Bergmann durchschaut den hilflosen Betrug schnell, Georgs Versuch, am Ruhm Bergmanns zu partizipieren, scheitert schnell.


==Literarische Form==
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{{Zitat|Stellvertretend demonstriert es die Nacherzählung von Georgs musikalischen Vorlieben. Nach einem quälenden Beginn auf der Blockflöte entdeckte er das rebellische Potenzial der Gitarre beziehungsweise bald schon der einfacher zu spielenden »Luftgitarre«. Doch abrupt hängt er diese an den Nagel, um sich fortan mit dem Klavier abzumühen.|Beat Mazenauer|Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, Freitag 09 vom 25. Februar 2000}}
{{Zitat|Stellvertretend demonstriert es die Nacherzählung von Georgs musikalischen Vorlieben. Nach einem quälenden Beginn auf der Blockflöte entdeckte er das rebellische Potenzial der Gitarre beziehungsweise bald schon der einfacher zu spielenden »Luftgitarre«. Doch abrupt hängt er diese an den Nagel, um sich fortan mit dem Klavier abzumühen.|Beat Mazenauer|Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, Freitag 09 vom 25. Februar 2000}}


Die Folie zu diesem Scheitern sei die Perspektive des kulturell kompetenten Autors, der etwa die literaturwissenschaftlichen Bemühungen vor dem Hintergrund persifliere, dass Treichel selbst „dazu eine gescheite Arbeit abfassen würde“<ref>Beat Mazenauer, Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, a.a.O.</ref>.
Die Folie zu diesem Scheitern sei - so einige Rezensenten - die Perspektive des kulturell kompetenten Autors, der etwa die literaturwissenschaftlichen Bemühungen vor dem Hintergrund persifliere, dass Treichel selbst „dazu eine gescheite Arbeit abfassen würde“<ref>Beat Mazenauer, Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, a.a.O.</ref>.


==Rezeption==
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* Katharina Iskandar, Die tiefe Sehnsucht nach Erfolg, Hans-Ulrich Treichels Hommage an die Würde des Menschen, literaturkritik.de, Nr. 6, Juni 2000 (2. Jahrgang)[http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=4675]
* Katharina Iskandar, Die tiefe Sehnsucht nach Erfolg, Hans-Ulrich Treichels Hommage an die Würde des Menschen, literaturkritik.de, Nr. 6, Juni 2000 (2. Jahrgang)[http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=4675]
* Hans-Rainer John, Irrfahrten eines schüchternen Doktoranden, Berliner LeseZeichen, Ausgabe 12/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000[http://www.luise-berlin.de/Lesezei/Blz00_12/text29.htm]
* Hans-Rainer John, Irrfahrten eines schüchternen Doktoranden, Berliner LeseZeichen, Ausgabe 12/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000[http://www.luise-berlin.de/Lesezei/Blz00_12/text29.htm]
* Beat Mazenauer, Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, Freitag 09 vom 25. Februar 2000
* Beat Mazenauer, Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, Freitag 09 vom 25. Februar 2000[http://www.freitag.de/2000/09/00090129.htm]
* Stephan Ramming, Tristanakkord, Wochenzeitung, Zürich, 17.2. 2000
* Stephan Ramming, Tristanakkord, Wochenzeitung, Zürich, 17.2. 2000
* Stefan Wieczorrek, Das Schlucken im Hals heißt Emsfelde, wortlaut.de, 2000[http://www.hainholz.de/wortlaut/treichel1.htm]
* Stefan Wieczorrek, Das Schlucken im Hals heißt Emsfelde, wortlaut.de, 2000[http://www.hainholz.de/wortlaut/treichel1.htm]

Version vom 2. November 2007, 12:05 Uhr

Edmund Blair Leighton, Tristan und Isolde, 1902

Der Roman Tristanakkord von Hans-Ulrich Treichel schildert Begegnungen des jungen Literaturwissenschaftlers Georg Zimmer mit dem berühmten Komponisten Bergmann, der ihn - wie seine gesamte Umwelt - immer stärker auszunutzen beginnt. Der Roman ist eine Parodie auf die Götzen des klassischen Kulturbetriebs und ihre substanzlosen Bewunderer.

Inhalt

Sizilien, Luftaufnahme

Durch Zufall erhält Georg Zimmer den Auftrag, das Manuskript der Autobiographie eines berühmten Komponisten zu korrigieren. Er reist nach Schottland, um im Feriendomizil des Stars auf einer einsamen Insel auf den Hebriden mit der Arbeit zu beginnen. Georg begegnet einem Menschen, der unermüdlich komponiert, gleichzeitig aber auch seltsame Verhaltensweisen auslebt, trinkt, intrigiert und seine Umwelt rückhaltlos für seine Projekte einspannt. Als die Korrektur der Memoiren gelingt, lädt Bergmann Georg zur Weiterarbeit nach New York ein, wo Bergmanns jüngstes Werk uraufgeführt wird. Der unbedarfte Georg begegnet der großen Welt der High Society, bewegt sich unsicher in Hotelsuiten, Limousinen und auf Banketten und verliebt sich aussichtslos und aus der Ferne in Mary, die Tochter eines berühmten Dirigenten.

Bergmann findet Gefallen an dem schüchternen Georg und als er von dessen lyrischen Versuchen hört, will er ihm als Dichter einer Hymne für seine nächste Komposition gewinnen. In der luxuriösen Villa Bergmanns auf Sizilien sucht Georg vergeblich nach eigenen Gedanken und rettet sich in die Umkehr eines Gedichts von Georg Heym ins Gegenteil. Bergmann durchschaut den hilflosen Betrug schnell, Georgs Versuch, am Ruhm Bergmanns zu partizipieren, scheitert schnell.

Literarische Form

Das Emsland, Lage in Niedersachsen
Washington Square, New York
Joseph Albert: Ludwig und Malwine Schnorr von Carolsfeld als »Tristan und Isolde« der Münchner Uraufführung, 1865

Hans-Ulrich Treichel erzählt personal aus der Perspektive des Antihelden Georg Zimmer, eines unbedarften Literaturwissenschaftlers aus dem fiktiven Ort Emsfelde im Emsland, der sich nach Anerkennung in Wissenschaft und Kunst sehnt, aber nicht viel mehr zu bieten hat als Fleiß und Phrasen.

Leitmotiv des Romans ist in diesem Zusammenhang der Tristan-Akkord Richard Wagners. Selbstkritisch schildert Georg Zimmer seine Versuche, beim Hören klassischer Musik in unregelmäßigen Abständen „der Tristanakkord“ zu hauchen und dadurch Kennerschaft zu mimen, bis er, frisch verliebt, an eine musikalisch beschlagene Kommilitonin geraten sei, die ihn darauf mit den Worten „so geht das nicht“ verlassen habe. Der gescheiterte Versuch, mit einer Phrase und entsprechendem Gestus Kennerschaft im kulturellen Feld vorzutäuschen, ist paradigmatisch für Zimmers Verhalten sowohl im Bereich der Literaturwissenschaft, als auch in den Bereichen der Dichtung und der Musik.

Sein Dissertationsprojekt zum Vergessen in der Literatur beruht weder auf echtem Interesse, noch auf Fachwissen. Es ist ein bloßes Konstrukt, der Versuch, dem abgegrasten Motiv der Erinnerung aus dem Wege zu gehen und doch das Interesse an diesem Thema wirksam zu nutzen. Er nähert sich seinem Thema durch reine Fleißarbeit, indem er Texte nach dem Begriff „Vergessen“ durchsucht. Analog zum Tristanakkord versucht er bei der ersten Begegnung, Bergmann durch Kenntnis der griechischen Mythologie zu beeindrucken: Um Lethe gehe es in seiner Dissertation, nicht um Mnemosyne, ein Bonmot seines Doktorvaters. Als Bergmann kenntnisreich auf der mythologischen Ebene antwortet, versteht der verwirrte Georg kein Wort.

Der Roman entwickelt seine Spannung aus einigen zentralen Gegensätzen: Georgs Welt der Mittelmäßigkeit und der Anpassung steht die Welt des Klassikstars Bergmann gegenüber, das Emsland trifft auf England, New York, Sizilien. Zwischen diesen Welten findet Kommunikation nur als Missverständnis statt. Der Abstand ist zu groß, als dass Georg aus der Erfahrung der Gegensätze eine Entwicklung generieren könnte.

Die ironische Spannung des Werks entsteht zum Teil daraus, dass aus der Perspektive Georgs berichtet und wahrgenommen wird, diese Figur zugleich aber immer wieder bloßgestellt wird.

„Stellvertretend demonstriert es die Nacherzählung von Georgs musikalischen Vorlieben. Nach einem quälenden Beginn auf der Blockflöte entdeckte er das rebellische Potenzial der Gitarre beziehungsweise bald schon der einfacher zu spielenden »Luftgitarre«. Doch abrupt hängt er diese an den Nagel, um sich fortan mit dem Klavier abzumühen.“

Beat Mazenauer: Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, Freitag 09 vom 25. Februar 2000

Die Folie zu diesem Scheitern sei - so einige Rezensenten - die Perspektive des kulturell kompetenten Autors, der etwa die literaturwissenschaftlichen Bemühungen vor dem Hintergrund persifliere, dass Treichel selbst „dazu eine gescheite Arbeit abfassen würde“[1].

Rezeption

Der Mehrzahl der Rezensenten erscheint der Roman schwächer als sein Vorgänger „Der Verlorene“, dessen Brillanz ihm abgehe[2], als „solide, aber nicht aufregend“[3]. Der Kritik fehlen anscheinend emotionale Intensität und große Ereignisse.

Dennoch gibt es auch positive Würdigungen. So lobt Katharina Iskandar den Roman in ihrer Rezension „Die tiefe Sehnsucht nach Erfolg“[4] als „Blick in die menschliche Psyche“, als „Hommage an die Würde des Menschen“. Der Blick „in die Abgründe einer gescheiterten Existenz“ demonstriere die Folgen einer Überanpassung an die Normen der Gesellschaft.

Kontrovers diskutiert wird die Figur des Komponisten Bergmann. Während Beat Matzenauer im Freitag die Kombination aus Eitelkeit ung Genie interessant finden, halten andere die Figur für unglaubwürdig. Sie erinnere eher an einen der Dirigentenstars, der Weg der Komponisten moderner E-Musik sei nicht in diesem Maße mit Ruhm und Geld gepflastert.

Stephan Ramming erinnert Hans-Ulrich Treichels Roman an Thomas Bernhard.

Sekundäres

  • G. Henschel, Emsfelde regiert, Der Erzähler Hans-Ulrich Treichel, Merkur 2003, Vol. 57, Teil 4, Ausgabe 648, Seite 344-347
  • Katharina Iskandar, Die tiefe Sehnsucht nach Erfolg, Hans-Ulrich Treichels Hommage an die Würde des Menschen, literaturkritik.de, Nr. 6, Juni 2000 (2. Jahrgang)[1]
  • Hans-Rainer John, Irrfahrten eines schüchternen Doktoranden, Berliner LeseZeichen, Ausgabe 12/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000[2]
  • Beat Mazenauer, Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, Freitag 09 vom 25. Februar 2000[3]
  • Stephan Ramming, Tristanakkord, Wochenzeitung, Zürich, 17.2. 2000
  • Stefan Wieczorrek, Das Schlucken im Hals heißt Emsfelde, wortlaut.de, 2000[4]

Quellen

  1. Beat Mazenauer, Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, a.a.O.
  2. Stephan Ramming, Tristanakkord, Wochenzeitung, Zürich, 17.2. 2000
  3. Beat Mazenauer, Gebändigt Unerfüllt, Bleibt Schwebend, Freitag 09 vom 25. Februar 2000
  4. literaturkritik.de, Nr. 6, Juni 2000 (2. Jahrgang)

Text

  • Hans-Ulrich Treichel, Tristanakkord, Roman, Frankfurt/M. (Suhrkamp Verlag) 2000, ISBN 3-518-41127-6