„Kamera-Werke Niedersedlitz“ – Versionsunterschied

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Nachdem [[Paul Guthe]] bereits seit 1915 im Bereich der Kamerafabrikation tätig war, gründete er zusammen mit [[Benno Thorsch]] 1919 die ''Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch GmbH'' („KW“) in Dresden-[[Niedersedlitz]]. Als Juden emigrierten Guthe (1937) und Thorsch (1938) in die [[Schweiz]] bzw. in die [[USA]]. Das Unternehmen wurde im Tausch gegen ein prosperierendes Fotogeschäft in [[Detroit]] abgegeben.
Nachdem [[Paul Guthe]] bereits seit 1915 im Bereich der Kamerafabrikation tätig war, gründete er zusammen mit [[Benno Thorsch]] 1919 die ''Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch GmbH'' („KW“) in Dresden-[[Niedersedlitz]]. Als Juden emigrierten Guthe (1937) und Thorsch (1938) in die [[Schweiz]] bzw. in die [[USA]]. Das Unternehmen wurde im Tausch gegen ein prosperierendes Fotogeschäft in [[Detroit]] abgegeben.


Der Dresdner Betrieb wurde so von der deuschstämmigen, US-amerikanischen Familie Noble erworben und von [[Charles A. Noble]] und dessen Sohn [[John H. Noble]] geleitet. Das Unternehmen firmierte nun als ''Kamera-Werkstaetten Charles A. Noble''. Charles A. Noble traf die strategische Entscheidung, sich geschäftlich auf einäugige Spiegelreflexkameras zu konzentrieren, und bezog 1939 größere Betriebsräume.<ref>http://www.camerapedia.org/wiki/KW</ref> Auch während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] konnten weiter Kameras produziert werden.
Der Dresdner Betrieb wurde so von der deuschstämmigen, US-amerikanischen Familie Noble erworben und von [[Charles A. Noble]] und dessen Sohn [[John H. Noble]] geleitet. Das Unternehmen firmierte nun als ''Kamera-Werkstaetten Charles A. Noble''. Charles A. Noble traf die strategische Entscheidung, sich geschäftlich auf einäugige Spiegelreflexkameras zu konzentrieren, und bezog 1939 größere Betriebsräume.<ref>http://www.camera-wiki.org/wiki/KW</ref> Auch während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] konnten weiter Kameras produziert werden.


Nach 1945 wurden Charles A. und John H. Noble von der [[Sowjetische Besatzungszone|sowjetischen Besatzungsmacht]] enteignet, in [[Innenministerium der UdSSR|NKWD-Lager]] verschleppt und der Betrieb verstaatlicht.<ref>[[Mitteldeutscher Rundfunk|MDR]]: [http://www.mdr.de/riverboat/archiv/1815080.html ''Sir John H. Noble im Porträt''], 11. Februar 2005</ref> Charles konnte 1952 in die USA zurückkehren. Dessen Sohn John wurde jedoch 1950 zu 15 Jahren Zwangsarbeit im sibirischen [[Gulag]] verurteilt. Er kam erst 1955 frei.
Nach 1945 wurden Charles A. und John H. Noble von der [[Sowjetische Besatzungszone|sowjetischen Besatzungsmacht]] enteignet, in [[Innenministerium der UdSSR|NKWD-Lager]] verschleppt und der Betrieb verstaatlicht.<ref>[[Mitteldeutscher Rundfunk|MDR]]: [http://www.mdr.de/riverboat/archiv/1815080.html ''Sir John H. Noble im Porträt''], 11. Februar 2005</ref> Charles konnte 1952 in die USA zurückkehren. Dessen Sohn John wurde jedoch 1950 zu 15 Jahren Zwangsarbeit im sibirischen [[Gulag]] verurteilt. Er kam erst 1955 frei.
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=== Patent Etui (1920-1938) ===
=== Patent Etui (1920-1938) ===


Den ersten geschäftlichen Erfolg feierten die Kamera-Werkstätten mit der ''Patent Etui'', einer sehr kleinen Faltkamera für Filme der Größen 9×12 cm und 6,5×9 cm. Die Patent Etui wurde von 1920 bis 1938 hergestellt.<ref>http://www.camerapedia.org/wiki/Patent_Etui</ref>
Den ersten geschäftlichen Erfolg feierten die Kamera-Werkstätten mit der ''Patent Etui'', einer sehr kleinen Faltkamera für Filme der Größen 9×12 cm und 6,5×9 cm. Die Patent Etui wurde von 1920 bis 1938 hergestellt.<ref>http://www.camera-wiki.org/wiki/Patent_Etui</ref>


=== Pilot (ab 1931) ===
=== Pilot (ab 1931) ===


KW brachte 1931 mit der ''Pilot'' die erste zweiäugige Spiegelreflexkamera für 3x4-cm-Negative heraus. Es folgten 1932 die ''Pilot Box'' für 6x9 cm [[Mittelformatkamera|Mittelformat]]-Rollfilm und 1939 die ''Pilot 6'' für 6x6-cm-Negative. Die ab 1938 angebotene ''Pilot Super'' hatte austauschbare Objektive.<ref>http://www.camerapedia.org/wiki/KW</ref>
KW brachte 1931 mit der ''Pilot'' die erste zweiäugige Spiegelreflexkamera für 3x4-cm-Negative heraus. Es folgten 1932 die ''Pilot Box'' für 6x9 cm [[Mittelformatkamera|Mittelformat]]-Rollfilm und 1939 die ''Pilot 6'' für 6x6-cm-Negative. Die ab 1938 angebotene ''Pilot Super'' hatte austauschbare Objektive.<ref>http://www.camera-wiki.org/wiki/KW</ref>


=== Praktiflex/Praktica ===
=== Praktiflex/Praktica ===


Bereits 1938&nbsp;– zwei Jahre nach der [[Kine Exakta]] von [[Ihagee]]&nbsp;– stellten Guthe &&nbsp;Thorsch die ersten einäugigen [[Kleinbild]]-Spiegelreflexkameras des Modells ''[[Praktiflex]]'' her. Die Hauptarbeit der Entwicklung lag bei [[Benno Thorsch]] and [[Alois Hoheisel]].<ref>http://www.camerapedia.org/wiki/KW</ref> Die neuen Eigentümer der Familie Noble brachten 1939 die Praktiflex auf den Markt.
Bereits 1938&nbsp;– zwei Jahre nach der [[Kine Exakta]] von [[Ihagee]]&nbsp;– stellten Guthe &&nbsp;Thorsch die ersten einäugigen [[Kleinbild]]-Spiegelreflexkameras des Modells ''[[Praktiflex]]'' her. Die Hauptarbeit der Entwicklung lag bei [[Benno Thorsch]] and [[Alois Hoheisel]].<ref>http://www.camera-wiki.org/wiki/KW</ref> Die neuen Eigentümer der Familie Noble brachten 1939 die Praktiflex auf den Markt.


Die erste [[Praktica]]-Kamera wurde dann auf der Grundlage der Praktiflex von [[Siegfried Böhm (Erfinder)|Siegfried Böhm]] 1948 konstruiert und im Jahre 1949 (erneut) vorgestellt.<ref>Wolfgang Mesow, Heinz Kuhn: ''Photographie: 150 Jahre Kameras aus Dresden''. Herausgeber: VEB Pentacon Dresden, 1988.</ref>
Die erste [[Praktica]]-Kamera wurde dann auf der Grundlage der Praktiflex von [[Siegfried Böhm (Erfinder)|Siegfried Böhm]] 1948 konstruiert und im Jahre 1949 (erneut) vorgestellt.<ref>Wolfgang Mesow, Heinz Kuhn: ''Photographie: 150 Jahre Kameras aus Dresden''. Herausgeber: VEB Pentacon Dresden, 1988.</ref>

Version vom 9. März 2011, 21:21 Uhr

Der VEB Kamerawerke Niedersedlitz und dessen private Vorgängerunternehmen (Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch GmbH und Kamera-Werkstätten Charles A. Noble) gehörten zu den technisch innovativsten Unternehmen der sächsischen Kameraindustrie der 1930er bis 1950er Jahre. Nach dreißigjähriger Zugehörigkeit zu den Kombinaten der optischen Industrie der DDR existiert seit 1992 wieder ein privates Nachfolgeunternehmen (Kamera Werk Dresden).

Geschichte

Nachdem Paul Guthe bereits seit 1915 im Bereich der Kamerafabrikation tätig war, gründete er zusammen mit Benno Thorsch 1919 die Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch GmbH („KW“) in Dresden-Niedersedlitz. Als Juden emigrierten Guthe (1937) und Thorsch (1938) in die Schweiz bzw. in die USA. Das Unternehmen wurde im Tausch gegen ein prosperierendes Fotogeschäft in Detroit abgegeben.

Der Dresdner Betrieb wurde so von der deuschstämmigen, US-amerikanischen Familie Noble erworben und von Charles A. Noble und dessen Sohn John H. Noble geleitet. Das Unternehmen firmierte nun als Kamera-Werkstaetten Charles A. Noble. Charles A. Noble traf die strategische Entscheidung, sich geschäftlich auf einäugige Spiegelreflexkameras zu konzentrieren, und bezog 1939 größere Betriebsräume.[1] Auch während des Zweiten Weltkriegs konnten weiter Kameras produziert werden.

Nach 1945 wurden Charles A. und John H. Noble von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet, in NKWD-Lager verschleppt und der Betrieb verstaatlicht.[2] Charles konnte 1952 in die USA zurückkehren. Dessen Sohn John wurde jedoch 1950 zu 15 Jahren Zwangsarbeit im sibirischen Gulag verurteilt. Er kam erst 1955 frei.

Zusammen mit einer Reihe anderer Dresdner Kamerabetriebe wurden die Niedersedlitzer Mechanik Kamera Werkstätten VEB 1959 in den neu gegründeten VEB Kamera- und Kinowerke Dresden eingegliedert. Ab 1964 gehörten die Kamerawerke damit zum VEB Pentacon, Dresden, wie sich die VEB Kamera- und Kinowerke Dresden dann nannten.

Im Jahr 1990 kehrte John H. Noble nach Dresden zurück, wo er sich erfolglos bei der Treuhandanstalt um Restitution seiner früheren Kamerafabrik und der Namensrechte bemühte. Schließlich kaufte er 1991 das Familienunternehmen zurück, allerdings ohne die Marken „Pentacon“ und „Praktica“. Stattdessen entwickelte das Unternehmen die Panoramakameras der Marke „Noblex“. Das Unternehmen wurde 1997 verkauft und firmiert heute als Kamera Werk Dresden.[3]

Produkte

Patent Etui (1920-1938)

Den ersten geschäftlichen Erfolg feierten die Kamera-Werkstätten mit der Patent Etui, einer sehr kleinen Faltkamera für Filme der Größen 9×12 cm und 6,5×9 cm. Die Patent Etui wurde von 1920 bis 1938 hergestellt.[4]

Pilot (ab 1931)

KW brachte 1931 mit der Pilot die erste zweiäugige Spiegelreflexkamera für 3x4-cm-Negative heraus. Es folgten 1932 die Pilot Box für 6x9 cm Mittelformat-Rollfilm und 1939 die Pilot 6 für 6x6-cm-Negative. Die ab 1938 angebotene Pilot Super hatte austauschbare Objektive.[5]

Praktiflex/Praktica

Bereits 1938 – zwei Jahre nach der Kine Exakta von Ihagee – stellten Guthe & Thorsch die ersten einäugigen Kleinbild-Spiegelreflexkameras des Modells Praktiflex her. Die Hauptarbeit der Entwicklung lag bei Benno Thorsch and Alois Hoheisel.[6] Die neuen Eigentümer der Familie Noble brachten 1939 die Praktiflex auf den Markt.

Die erste Praktica-Kamera wurde dann auf der Grundlage der Praktiflex von Siegfried Böhm 1948 konstruiert und im Jahre 1949 (erneut) vorgestellt.[7]

Praktina

Eine für den professionellen Einsatz vorgesehene, ebenfalls von Böhm für das Kamerawerk Niedersedlitz entwickelte Kamera war die Praktina. Sie wurde zur photokina 1952 herausgebracht und in den Folgejahren kontinuierlich weiterentwickelt (zum Beispiel Praktina FX, Serienproduktion ab 1953; Praktina IIa: 1958–1960).[8] Die Praktina benutzt ein eigenes Praktina-Bajonett und nicht den für die frühe Praktica-Reihe typischen M42-Anschluss.

Praktisix/Pentacon Six

Die Praktisix und ihre Nachfolgemodelle der Pentacon Six-Reihe waren 6x6-cm-Mittelformatkameras. Konstruktiv waren sie einäugigen Kleinbild-Spiegelreflexkameras wie der Praktina aus dem eigenen Hause ähnlicher als etwa den Konkurrenzprodukten von Rollei oder Hasselblad. An der Konstruktion war ebenfalls Siegfried Böhm beteiligt.[9]

Als erstes Modell wurde die Praktisix 1956 zur photokina vorgestellt und ab dem Folgejahr serienmäßig hergestellt. 1959 wurde das "KW"-Logo gegen den Ernemann-Turm des späteren VEB Pentacon ausgetauscht. Die Praktisix II kam 1964, die Praktisix IIa mit herausziehbaren Spulengegenlagern 1966 auf den Markt.[10] Insgesamt wurden etwa 28.000 Stück produziert.

Ebenfalls bereits 1966 erschien die mit weiteren konstruktiven Änderungen versehene Pentacon Six, ab 1969 in der Version einer Pentacon Six TL. Für die Pentacon Six TL wurde ein TTL-Prisma zur vereinfachten Belichtungsmessung angeboten (Through The Lens metering). Die Pentacon Six TL wurde bis 1990 gebaut.

Unter der Bezeichnung „Exakta 66“ brachte ein Unternehmen des späteren Pentacon-Erwerbers Heinrich Manderman ab 1984 drei aufgewertete Versionen der Pentacon Six TL auf den Markt, die teilweise aus Pentacon-Six-Originalteilen bestanden.

Panoramakamera Noblex

Die Noblex Pro, eine Panoramakamera, wurde 1992 entwickelt. Die Kleinbildversion Noblex 135 kam 1994 hinzu.

Einzelnachweise

  1. http://www.camera-wiki.org/wiki/KW
  2. MDR: Sir John H. Noble im Porträt, 11. Februar 2005
  3. http://www.kwdo.de/deutsch/historie/inhalt.htm
  4. http://www.camera-wiki.org/wiki/Patent_Etui
  5. http://www.camera-wiki.org/wiki/KW
  6. http://www.camera-wiki.org/wiki/KW
  7. Wolfgang Mesow, Heinz Kuhn: Photographie: 150 Jahre Kameras aus Dresden. Herausgeber: VEB Pentacon Dresden, 1988.
  8. http://www.dresdner-kameras.de/praktina-system/praktina-system.html
  9. W. Mesow, H. Kuhn (1988) Photographie - 150 Jahre Kameras aus Dresden. Herausgegeben vom VEB PENTACON DRESDEN. S. 27
  10. http://www.dresdner-kameras.de/pentacon_six/baureihen/entwicklung.html