St.-Aegidien-Kirche (Oschatz)
Die St.-Aegidien-Kirche ist eine neugotische Stadtkirche in Oschatz in Sachsen, die als tiefgreifender Umbau einer mittelalterlichen Kirche in den Jahren von 1846 bis 1849 durch Carl Alexander Heideloff entstand.
Sie gehört der Stadtgemeinde Oschatz in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens und wird außer für die Gemeinde auch als Stätte der Begegnung bei übergemeindlichen Veranstaltungen und Konzerten genutzt. Sie ist das weitaus größte Gotteshaus im Kirchenbezirk und prägt mit ihren beiden Türmen das Stadtbild von Oschatz.
Geschichte
Der Ursprung der Kirche, die dem heiligen Aegidius geweiht wurde, liegt wahrscheinlich im 11. Jahrhundert (Kapelle/Holzkirche).[1]
Die ältesten Bauteile, Umfassungsmauern, Pfeiler und einige andere architektonische Elemente der heutigen Kirche, stammen von einem frühen steinernen Kirchenbau des 14. Jahrhunderts. Diese ältere Kirche wurde 1429 beim Hussiteneinfall völlig zerstört.[1]
Der Neubau erfolgte ab 1443 im gotischen Stil, mit zwei Türmen.[1] 1464 entstand unter dem Altarchor die gotische Krypta. Sie hat die Form eines Achtecks und wölbt sich sternförmig über einer gedrungenen Mittelsäule. Sie war von außen zugänglich, wurde aber nie zu gottesdienstlichen Feiern benutzt.
Nach dem Stadtbrand von 1842 entstand der heutige stattliche Bau in den Jahren 1846 bis 1849 als weitgehender Neubau im neogotischen Stil mit seinen zwei 75,73 Meter hohen Türmen unter Leitung des Nürnberger Baumeisters Prof. Carl Alexander Heideloff.[1] Kunstvolle meißener Glasmalereien (Altarbild) zieren das Innere der Kirche. Altar und Kanzel wurden ebenfalls von Heideloff entworfen.
Die Türmerwohnung war bis 1970 bewohnt und kann besichtigt werden.1912 fanden größere Ausbesserungsarbeiten an der Kirche statt. 1987 befand sich die Kirche baulich in einem sehr schlechten Zustand. Aus Sicherheitsgründen wurden lose Sandsteine von den Türmen abgetragen. Mangels geeigneter Gerüste für die Abbrucharbeiten übernahmen die Bergsteiger der BSG Medizin Wermsdorf diese Arbeiten. Bernd Voigtländer aus Oschatz und Alfons Rosenberger aus Wermsdorf führten die Seilschaft an den Türmen.
1990 wurden von beiden Turmspitzen 5 Meter abgetragen und erneuert. 1991 wurde der Verein Rettet St. Aegidien e.V. Oschatz gegründet. Der Verein übernimmt die Beschaffung der finanziellen Mittel für grundlegende Sanierung der Kirche. 1998 wurde die Türmerwohnung wiedereröffnet und wird als Museum vom Verein Rettet St. Aegidien e.V. Oschatz betrieben.
Am 8. Mai 2005 wurde nach umfangreichen Baumaßnahmen die Aegidien-Kirche wiedereröffnet. Zu diesem Zeitpunkt war unter anderem das Dach gedeckt und der Innenraum der Kirche instand gesetzt. Die Baumaßnahmen am Gesamtbauwerk liefen weiter. 2008 wurden Außenfassade der Apsis und die Krypta unter der Apsis fertiggestellt. 2008 bis Sommer 2009 mussten die beiden Turmspitzen erneut saniert werden. Dabei wurde der Sandstein mit speziellen Konservierungsmitteln bis zu 8 Zentimeter tief imprägniert. Gleichzeitig wurden als Abschluss der Bauarbeiten, die acht Fialen (je Turm 4 Fialen) neu gegossen. Hierbei musste nicht nur auf die originäre Formgebung von Heideloff geachtet werden, sondern ebenfalls auf den originären Farbton. Hinzu kamen erhöhte Anforderungen an die Standsicherheit in über 40 Meter Höhe. Auch diese Arbeiten konnten als die letzten nach 22 Jahren Bauzeit zum 3. Oktober 2009 abgeschlossen werden.
Architektur und Ausstattung
Der gesamte Altarraum ist der älteste erhaltene Teil der Kirche,[1] das beweist die Zahl 1464 an einem Strebepfeiler der Kirche. Das Langhaus ist eine dreischiffige, fünfjochige Hallenkirche und besitzt profilierte Pfeiler. Die Gewölbe des Langhauses wurden von Heideloff ergänzt, während im langgestreckten Hauptchor und in den beiden Nebenchören die Stern- und Kreuzrippengewölbe erhalten blieben.[2]
Der Altar zeigt in der Predella das Abendmahl Jesu, darüber erhebt sich als außergewöhnliche Lösung statt eines Mittelschreines ein großes Bleiglasfenster.[1] Es stellt das Geschehen des Karfreitags dar. Die Morgensonne verleiht der kunstvollen biblischen Darstellung besondere Symbolkraft. Das Kreuz stammt aus der Friedhofskirche. Die Kanzel mit reichgeschnitzter Maßwerkornamentik geht ebenfalls auf einen Entwurf von Heideloff zurück. Das Gemälde über dem Triumphbogen von Carl Heinrich Hermann aus Berlin stellt Christus lehrend dar.[2]
Der Taufstein der St.-Aegidien-Kirche hat die Form eines Kelches, dessen acht Seiten mit gekreuzten Kielbogenornamenten geschmückt sind. Beachtenswert ist gleichfalls die Orgelempore mit reichen Maßwerkbrüstungen.
Orgel
Die Orgel ist ein Werk des sächsischen Orgelbaumeisters Carl Gottlieb Jehmlich aus Zwickau. Sie wurde im Jahr 1851 eingeweiht. Erweitert wurde sie im Jahr 1933 durch die Firma Jehmlich Orgelbau Dresden. Sie besitzt seitdem drei Manuale und Pedal mit 57 Registern und 3.772 Pfeifen auf Schleifladen und Kegelladen mit elektrischer Traktur.[3][4]
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- Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
- Spielhilfen: Generalkoppel für Hand- und Fußbetätigung, 3 freie Kombinationen, Schwelltritt, Crescendowalze mit Absteller, Druckregister ab, Zungenregister ab, Tutti-Pedal, Piano-Pedal, Manual 16′ ab.
Eine nicht mehr existierende Orgel wurde 1627 von Heinrich Compenius dem Jüngeren erbaut.[4] Zwischen 1802 und 1811 war der Komponist Carl Gottlieb Hering der Organist an der St.-Aegidien-Kirche.
Geläut
Das Geläut besteht aus vier Bronzeglocken und einer abgestellten Glocke, der Glockenstuhl ist aus Eichenholz wie auch die Glockenjoche.[5] Im Folgenden eine Datenübersicht des Geläutes:[5]
Nr. | Gussdatum | Gießer | Material | Durchmesser | Masse | Schlagton |
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1 | 1952 | Glockengießerei Schilling, Apolda | Bronze | 1222 mm | 980 kg | d′ |
2 | 1848 | Glockengießerei F. Gruhl | Bronze | 1071 mm | 643 kg | f′ |
3 | 1952 | Glockengießerei Schilling, Apolda | Bronze | 894 mm | 450 kg | g′ |
4 | 1952 | Glockengießerei Schilling, Apolda | Bronze | 789 mm | 275 kg | b′ |
5 | 1849, derzeit abgestellt | Glockengießerei F. Gruhl | Bronze | 453 mm | 50 kg | g″ |
Pfarrer seit 1539
Pfarrer / Geistliche
- 1539: Johannes Buchner
- 1564: Bartholomäus Friedel
- 1577: Paul Matthesius
- 1584: David Kleeblatt
- 1590: Georg Placke
- 1592: Peter Scheiner
- 1603: Hellwig Garth
- 1610: Egidius Strauch
- 1611: Michael Schumler
- 1617: Georg Kademann
- 1635: Gottfried Kundisch
- 1638: Johann Jentzsch
- 1662: Elias Rehebold
- 1706: Johann Moritz Haumbaum
- 1712: Johann Bosseck
- 1720: Georg Richter
- 1737: Johann David Strohbach
- 1754: Carl Christoph Zandt
- 1769: Johann Carl Friedrich von Brause
- 1792: Heinrich Christian Gehe
- 1808: Johann Gottlob Steinert
- 1823: Christian Abraham Wahl
- 1835: Victorin Gottfried Facilides
- 1842: Friedrich Leberecht Liebe
- 1874: Christian Friedrich Schöncke
- 1895: Karl August Kalich
- 1901: Armin Ottokar Colditz
- 1914: Paul Samuel Moritz Flade
- 1922: Gotthelf Immanuel Michael
- 1928: Rietschel, Johannes Ernst
- 1938: Friedrich *Kurt Koppe
- 1938: Johannes Heinrich August Ernst Ludwig
- 1940: Werner Seydewitz
- 1947: *Johannes Wilhelm Rißmann
- 1947: *Hans Martin Scheibner
- 1954: Hans Kubbutat
- 1954: Johannes Gerhard Eckert
- 1973: Hans-Christoph Schumann
- 1986: Martin Kupke
- 2020: Christof Jochem (Pfarramtsleitung)[6]
Literatur
- Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde St. Aegidien Oschatz (Hrsg.): 150 Jahre Haupt- und Pfarrkirche St.-Aegidien nach Brand und Zerstörung – Oschatz Oktober 1849–1999. Festschrift. Oschatz 1999.
- Festschrift anlässlich der Wiedereröffnung der St.-Aegidien-Kirche zu Oschatz am Sonntag Exaudi 2005. Hrsg. vom Kirchenvorstand der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Oschatz und vom Verein „Rettet St. Aegidien“. Oschatz 2005.
- Paul Flade, Friedrich Wilhelm Mogk, Friedrich Seyfert, Ludwig Siegel: Wie Oschatz evangelisch wurde und die Reformation feierte – ein Beitrag zum 500. Reformationsjubiläum. Oschatzer Geschichts- und Heimatverein e. V. (Hrsg.). Oschatz 2017
- Zeitungsbericht
- Kristin Engel: Ein Leben über den Dächern der Stadt. Ganzseitiger Bericht über das Türmer-Ehepaar Paul und Anna Quietzsch (sie lebte von 1899 bis 1960 in der Türmerwohnung und brachte dort neun Kinder zur Welt). In: Leipziger Volkszeitung, Ausgabe Muldental. 11. Dezember 2020, S. 31.
- Orgel
- Die Orgel in der St.-Aegidien-Kirche zu Oschatz. Hrsg.: Ev.-Luth. Kirchgemeinde St. Aegidien Oschatz. Oschatz 2005.
- Geläut
- Rainer Thümmel: Glocken in Sachsen. Klang zwischen Himmel und Erde. Mit Geleitwort von Jochen Bohl und Fotografien von Klaus-Peter Meißner. Hrsg.: Evangelischen Landeskirchenamt Sachsens. 2., aktualisierte und ergänzte Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2015, ISBN 978-3-374-02871-9, S. 341.
Weblinks
- Website des Fördervereins „Rettet St. Aegidien“, abgerufen am 3. Februar 2022
- Website der Evang.-luth. Kirchgemeinde Oschatzer Land, abgerufen am 3. Februar 2022
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f Geschichte der Kirche auf www.neu-reich.de, abgerufen am 20. April 2016
- ↑ a b Fritz Löffler: Die Stadtkirchen in Sachsen. 4. Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1973, S. 228.
- ↑ Informationen zur Orgel. Orgelwerkstatt Christian Scheffler GmbH, abgerufen am 20. April 2016.
- ↑ a b Oschatz, St. Aegidien. In: Organ index. Abgerufen am 22. Januar 2022.
- ↑ a b Rainer Thümmel: Glocken in Sachsen. Klang zwischen Himmel und Erde. Hrsg.: Evangelischen Landeskirchenamt Sachsens. 2., aktualisierte und ergänzte Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2015, ISBN 978-3-374-02871-9, S. 287 (Mit einem Geleitwort von Jochen Bohl und Fotografien von Klaus-Peter Meißner).
- ↑ Kontakt. Abgerufen am 23. Juli 2021 (deutsch).
Koordinaten: 51° 17′ 51,5″ N, 13° 6′ 28,4″ O