Alkylglycerole

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Allgemeine Strukturformel eines Alkylglycerols.

Alkylglycerole gehören chemisch betrachtet zur Gruppe der Etherlipide. Das Grundgerüst dieser Substanzen bildet Glycerin. Im Unterschied zu Glycerin bildet eine der Hydroxygruppen mit einer Kohlenwasserstoffkette einen Ether. Die drei häufigsten Alkylglycerole sind Chimylalkohol, Batylalkohol und Selachylalkohol.[1][2]

Historisch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Alkylglycerole wurden 1922 von den japanischen Wissenschaftlern Tsujimoto und Toyama entdeckt und erstmals 1930 von dem Nobelpreisträger Sir Robert Robertson synthetisiert.[2]

Im Jahre 1962 wurde das natürliche Vorkommen der Alkylglycerole in Säugetieren durch Bo Hallgren und Sven Larsson mittels Chromatographie und Massenspektrometrie nachgewiesen.[3]

Astrid Brohult, Leiterin der Abteilung für Strahlentherapie am renommierten Karolinska-Institut in Solna bei Stockholm, hat gemeinsam mit ihrem Mann Sven Brohult die Bedeutung der Alkylglycerole für das Immunsystem erforscht und mehrere Studien durchgeführt (1954–1986).[4][5][6][7]

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alkylglycerole sind natürliche Substanzen. Die höchste Konzentration findet man in der Leber von Kaltwasserhaien, wie dem Grönlandhai (Somniosus mikrocephalus).[8] Alkylglycerole kommen in blutbildenden Organen, wie der Leber, der Milz und dem Knochenmark vor. Darüber hinaus findet man relativ hohe Konzentrationen in der menschlichen Muttermilch.[9]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der chemischen Struktur handelt es sich bei Alkylglycerolen um lipophile Verbindungen. Alkylglycerole sind farb- und geruchlos. Durch die lipophile Struktur sind sie in der Lage, Membranen zu durchdringen und deren Fluidität zu verbessern.[1]

Biologische Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alkylglycerole modulieren das Immunsystem. Die unspezifische Abwehr wird gestärkt, indem vermehrt immunkompetente Zellen gebildet werden. Darüber hinaus wird die Zellaktivität gesteigert. Die Immunfunktion des Knochenmarks wird stimuliert, dabei kommt es allerdings nicht zu einer Überstimulation.[10]

Alkylglycerole fördern das Wachstum der nützlichen Darmbakterien Lactobacillus acidophilus und hemmen das Wachstum schädlicher Pilze und Bakterien.[11] Der antibiotische Effekt ist mit dem von Nitrofurantoin vergleichbar.

Des Weiteren hemmen Alkylglycerole im Tierversuch die Angiogenese in Tumoren[12] und sie mindern die Nebenwirkungen einer Strahlentherapie. Die strahleninduzierte Reduzierung von weißen Blutkörperchen und Thrombozyten wird vermindert.[4] Strahleninduzierte Läsionen von Haut und Schleimhaut werden durch Alkylglycerole reduziert und die Wundheilung gefördert.[5]

In Zellkulturen konnte ein zytotoxischer Effekt auf Tumorzellen nachgewiesen werden.[13][14] Dieser Effekt wurde durch Studien an Ratten und Meerschweinchen bestätigt.[15] Darüber hinaus wurde in mehreren Tierstudien nachgewiesen, dass Alkylglycerole die Ausbreitung und das Wachstum von Tumoren hemmen können.[6][16]

Eine Studie im Radiumhemmet, der Abteilung für Strahlentherapie am Karolinska-Institut in Stockholm, zeigte einen positiven Effekt auf die Überlebensrate von Patientinnen mit Zervixkarzinom. An dieser Studie hatten 4000 Patientinnen teilgenommen.[7] Es gibt bisher kein zugelassenes Arzneimittel auf der Basis von Alkylglycerolen.

Alkylglycerole haben physiologische Funktionen bei der Entwicklung des Fettgewebes: sie stimulieren Makrophagen im sich entwickelnden Fettgewebe und schützen das Neugeborene vor der Entwicklung von Fettleibigkeit[17].

Anwendungsgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nahrungsergänzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alkylglycerole sind in der Muttermilch enthalten und fehlen in der Kuhmilch[17]. Fischleberöl wurde vor allem von nordischen Volksgruppen, wie den Eskimos und skandinavische Fischern, wegen des hohen Gehalts an verschiedenen Vitaminen zur Nahrungsergänzung eingesetzt.[18][19]

1922 fanden Tsujimoto und Toyama Alkylglycerole in Haifischleberöl und 1930 synthetisierte Sir Robert Robinson erstmals solche Verbindungen. In natürlichen Quellen kommen sie immer mit Fettsäuren verestert vor.[20] In den 1950er bis 1960er Jahren wurden umfangreiche Untersuchungen von Astrid Brohult am Karolinska-Institut Stockholm zur Wirkung von Alkylglycerolen zur Reduzierung von Nebenwirkungen von Krebstherapien ausgeführt.[21]

Alkylglycerole werden heute als Nahrungsergänzungsmittel zur Infektprophylaxe oder bei bestehenden Infekten vermarktet. Weitere mögliche Einsatzgebiete sind im Bereich der komplementären Onkologie, wo es zum Beispiel darum geht, Nebenwirkungen der Krebstherapie zu reduzieren.

Die Anti-Krebs-Effekte werden in erster Linie auf die Aktivierung von Makrophagen und die Steigerung der Produktion von Zytokinen wie Interleukin IL-12 und IFN-gamma zurückgeführt. Obwohl weitere randomisierte klinische Studien erforderlich sind um die Eigenschaften dieser Moleküle zu bestätigen und mögliche Nebenwirkungen auszuschließen, sind die Aussichten als Nahrungsergänzungsmittel bei Erkrankungen vielversprechend.[20][22]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b F. L. Snyder (Hrsg.); H. K. Mangold: In Ether Lipids: Chemistry and Biology. Academic Press, New York 1972, S. 157–176.
  2. a b G. G. Davies, I. M. Heilbron, W. M. Owens: the unsaponifiable matter from the oils of elasmobranch fish. The synthesis of a-glycerol ethers and its bearing of the structure of batyl, selachyl and chimyl alkohols. In: J. Chem. Soc. 2542, 1930.
  3. B. Hallgren, S. Larsson: The glycerol ethers in man and cow. In: Lipid Res. 3, 1962, S. 39–43.
  4. a b A. Brohult, J. Holmberg: Alkoxyglycerols in the treatment of Leucopenia caused by irradiation. In: Nature. 174, 1954, S. 1102.
  5. a b A. Brohult, J. Brohult, S. Brohult, I. Joelsson: Effect of alkylglycerols on the frequency of injuries followin radiation therapy for carcinoma of the uterine cervix. In: Acta Obstet Gynecol Scasnd. 56(4), 1977, S. 441–448.
  6. a b A. Brohult, J. Brohult, S. Brohult: Regression of tumour growth after administration of alkoxyglycerols. In: Acta Obstet Gynecol Scand. 57, 1978, S. 79–83.
  7. a b A. Brohult, J. Brohult, S. Brohult, I. Joelsson: Reduced mortality in cancer patients after administration of alkoxyglycerols. In: Acta Obstet Gynecol Scand. 65, 1986, S. 779–785.
  8. B. Hallgren, S. Larsson: The glyceryl ethers in the liver oils of elasmobranch fish. (Memento des Originals vom 22. November 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jlr.org In: Journal of Lipid Research. Vol. 3, No. 1, 1962, S. 31–38.
  9. B. Hallgren, S. Larsson: The glycerol ethers in man and cow. In: Lipid Res. 3, 1962, S. 39–43.
  10. H. Blomberg: Influence of Ecomer/Alkymer alkylglycerols on different parameters in blood of healthy subjects. (Statistical evaluation of Juri Reznikov's study in Moscow, ref no 33.)
  11. M. P. Haynes, H. R. Buckley, M. L. Higgins, R. A. Pieringer: Synergism between the antifungal agents amphotericin B and alkylglycerol ethers Antimicrob. In: Agents Chemotherapy. 38(7), July 1994, S. 1523–1529.
  12. E. Skopinska-Rozewska, M. Krotkiewski, E. Sommer, E. Rogala, M. Filewska, B. Bialas-Chromiec, K. Pastewka, H. Skurzak: Inhibitory effect of shark liver oil on cutaneous angiogenesis induced in Balb/c mice by syngeneic sarcoma L-1, human urinary bladder and human kidney tumour cells. In: Oncol Rep. 6(6), 1999, S. 1341–1344.
  13. R. Firshein, J. Brohult, R. Rothstein-Rubin: Effects of Alkylglycerols on Cellular Growth and Sensitivity to Chemotherapeutic Agents in Tumor Cultures. Thirty-fifth Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology. May 15 – 18 1999. Atlanta, Georgia.
  14. M. Krotkiewski u. a.: Cytostatic and cytotoxic effects of alkylglycerols (Ecomer). In: Med Sci Monit. 9(11), 2003, S. 131–135. PMID 14586289.
  15. B. Boeryd, T. Nilsson, L. Lindholm, S. Lange, B. Hallgren, G. Ställberg: Stimulation of immune reactivity by methoxysubstituted glycerol ethers incorporated into feed. In: European Journal of Immunology. Vol. 8, 1978, S. 678–680.
  16. M. Petersson, I. Näslund: Alkylglycerols (Ecomer/Alkymer) to mice with tumor burden. Microbiology and Tumor Biology Center (MTC), Karolinska Institute, Stockholm Sweden.
  17. a b H. Yu, S. Dilbaz, J. Coßmann, A. C. Hoang, V. Diedrich, A. Herwig, A. Harauma, Y. Hoshi, T. Moriguchi, K. Landgraf, A. Körner, C. Lucas, S. Brodesser, L. Balogh, J. Thuróczy, G. Karemore, M. S. Kuefner, E. A. Park, C. Rapp, J. B. Travers, T. Röszer: Breast milk alkylglycerols sustain beige adipocytes through adipose tissue macrophages. In: The Journal of Clinical Investigation. Vol. 129, 2019, 2485–2499.
  18. Lee McDowell: Vitamin History, the Early Years. First Edition Design Pub., 2013, ISBN 978-1-62287-252-7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  19. Health Risks Related to High Intake of Preformed Retinol (vitamin A) in the Nordic Countries. Nordic Council of Ministers, 2003, ISBN 92-893-0860-5, S. 86 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  20. a b Tommaso Iannitti, Beniamino Palmieri: An Update on the Therapeutic Role of Alkylglycerols. In: Marine Drugs. 8, 2010, S. 2267, doi:10.3390/md8082267.
  21. Joseph E. Pizzorno, Michael T. Murray: Textbook of Natural Medicine. Elsevier Health Sciences, 2013, ISBN 978-1-4377-2333-5, S. 563 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  22. Karsten Münstedt: Ratgeber unkonventionelle Krebstherapien. ecomed-Storck GmbH, 2005, ISBN 3-609-16329-1, S. 264 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • P. T. Pugliese, K. Jordan, H. Cederberg, J. Brohult: Some biological actions of Alkylglycerols from Shark Liver Oil. In: The Journal of alternative and complementary medicine. Volume 4, Number 1, 1998, S. 87–99. PMID 9553838.