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Aspisviper

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Aspisviper
Aspisviper (Vipera aspis)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Ordo: Schuppenkriechtiere (Squamata)
Vorlage:Subordo: Schlangen (Serpentes)
Vorlage:Familia: Vipern (Viperidae)
Vorlage:Subfamilia: Echte Vipern (Viperinae)
Vorlage:Genus: Echte Ottern (Vipera)
Vorlage:Species: Aspisviper
Wissenschaftlicher Name
Vipera aspis
Linnaeus 1758

Die Aspisviper (Vipera aspis) gehört zur Familie der Vipern (Viperidae) und zur Gattung Vipera innerhalb der Schlangen. Sie erreicht eine Länge von bis zu 90 Zentimetern und ist neben der Kreuzotter die zweite in Deutschland vorkommende Giftschlangenart, wobei sie hier nur im südlichen Schwarzwald beheimatet ist. Ihr weiteres Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Spanien über Frankreich, die Schweiz und Italien.

Merkmale

Die Gesamtlänge der Aspisviper beträgt bis 90 Zentimeter, meist jedoch 60 bis 85 Zentimeter, wobei die Männchen größer werden als die Weibchen. Die Aspisviper wirkt gedrungen und plump mit einem kurzen, dünnen Schwanz und mit dreieckigem, gut abgesetztem Kopf. Die Schnauzenspitze ist mehr oder weniger deutlich aufgestülpt, aber ohne Schnauzenhorn wie dies etwa bei der Europäischen Hornotter (Vipera ammodytes) typisch ist. Die Pupille ist senkrecht und die Iris ist gelblich bis bräunlich. Der gesamte Kopf ist mit vielen kleinen Schuppen bedeckt, die Überaugenschilder, auch als Supraorbitalia bezeichnet, bilden eine scharfe Kante über den Augen. Zwischen dem Augenunterrand und den Oberlippenschildern liegen zwei Reihen von Unteraugenschildchen, die sogenannten Subocularia.

Die Grundfärbung kann von Hellgrau, Graugelb, Braun, Rotbraun, Orange oder Rostrot bis hin zu einem vollständigen Schwarz reichen. Die schwarze Grundfärbung ist ein seltener Melanismus, der vor allem bei in den Alpen vorkommenden Individuen auftritt. Männchen sind grundsätzlich etwas kontrastreicher als Weibchen gefärbt.

Die Zeichnung der Oberseite variiert erheblich und kann zur Individualerkennung verwendet werden. Zwei Reihen von dunklen Querbinden, in der Herpetologie auch Barren genannt, reichen am Nacken beginnend bis zum Schwanz, wobei die Barren der beiden Körperseiten versetzt voneinander sind. Die Barren können individuell auch zu einer Wellenlinie oder einem Zickzackband verschmelzen. Charakteristisch ist eine breitere dunkelbraune bis schwarze Binde, die am Hinterrand des Auges beginnt und sich bis auf den Hinterkopf oder die Halsseiten erstreckt. Sie wird auch als Schläfenband bezeichnet. Auf den Seiten kommt eine weitere Barren- oder Fleckenreihe vor. Insgesamt besitzen die Schlangen 21 bis 23 Rückenschuppenreihen, die deutlich gekielt sind. Die Unterseite kann verschiedene Grau- oder Brauntöne aufweisen und dunkel gesprenkelt sein, auf der Schwanzunterseite geht dies häufig in eine gelbliche bis orangene Färbung über.

Karyotyp

Die genetischen Merkmale, also der Karyotyp, der Aspisviper sind unter den mitteleuropäischen Schlangen einzigartig. Sowohl in der Anzahl der Chromosomen als auch in deren Gestalt gibt es dabei deutliche Unterschiede. So besitzen die Aspisvipern insgesamt einen Chromosomensatz von 21 Chromosomenpaaren (2n = 42), wovon 11 sehr groß ausgebildet sind (Makrochromosomen). Zum Vergleich: Die Kreuzotter besitzt nur 18 Chromosomenpaare mit nur 8 Makrochromosomensets. Die Geschlechtschromosomen sind unterschiedlich groß. Die Männchen besitzen ein Paar aus gleich großen und metazentrischen Chromosomen, bei den Weibchen ist das zweite Geschlechtschromosom dagegen nur halb so groß wie das erstere, Heterogametie kommt hier also bei den Weibchen vor.

Verbreitung und Lebensraum

Verbreitungsgebiet der Aspisviper

Die Aspisviper ist in Europa von Nordostspanien über Frankreich, die Schweiz, Italien und Nordwest-Slowenien verbreitet. Besonders häufig ist sie dabei in den Höhenlagen der Alpen und der Pyrenäen in Höhen bis zu 3000 m NN. In Deutschland existiert das einzige Vorkommen der Art am südöstlichen Ausläufer des Schwarzwaldes an der nördlichen Verbreitungsgrenze der Art. Das maximal acht Kilometer lange und fünf Kilometer breite Areal dort wird als Überbleibsel einer Ausbreitung in postglazialer Warmzeit interpretiert, als das Rheintal überschritten und die südlichen Vorposten des Schwarzwaldes besiedelt wurden.

Als Lebensraum werden warme, trockene steinige Biotope, wie Geröllflächen, Steinbrüche, vegetationsfreie Schotterflächen an südexponierten Hängen sowie entlang von Flussufern bevorzugt. Daneben findet man sie jedoch auch in moorigen Wiesen oder lichten Wäldern.

Lebensweise

Aspisviper im Versteck

Die Aspisviper ist überwiegend tagaktiv, teilweise aber auch nachtaktiv und sehr standorttreu. Häufig beginnt sie ihre Tagesaktivität bereits früh morgens mit einem ersten intensiven Sonnenbad. Sie meidet Wind und starke Sonnenbestrahlung und flieht bei Störungen. Wird sie jedoch überrascht oder in die Enge getrieben, attackiert sie den Störer mit Bissen. Dabei kommt es immer zuerst zu einem Warnverhalten, bei dem die Tiere sich zusammenrollen und den Vorderkörper anheben. Dabei zischen sie meistens deutlich hörbar. Als Tagesverstecke werden vor allem Kleintierbauten, Wurzelhöhlen oder Verstecke unter Steinen und in Gebüschen genutzt.

Als Nahrung dienen hauptsächlich Kleinsäuger, es werden aber auch Eidechsen und Vögel erbeutet. Die Aspisviper ist ein „Lauerjäger“. In Reichweite befindliche Beutetiere werden gebissen und danach verfolgt. Die verendete Beute wird dann vom Kopf angefangen verschlungen. Als Fressfeinde kommen unter anderem verschiedene Marderarten in Frage (Iltis, Steinmarder, Dachs) außerdem Igel, Rabenkrähen, Kolkraben und Mäusebussarde. Auch von der Schlingnatter und einigen anderen Schlangenarten wird angenommen, dass sie vor allem Jungtiere der Aspisviper attackieren und fressen.

Über die Wintermonate, in Mitteleuropa von Mitte Oktober bis Mitte März, halten die Tiere eine Winterruhe, die meist in unterirdischen Verstecken in acht bis zehn Zentimeter Tiefe stattfindet. Die Durchschnittstemperatur in diesen Verstecken liegt bei etwa 8 °C und die Tiere überwintern meistens einzeln.

Fortpflanzung und Entwicklung

Aspisviper

Nach der Winterruhe kommt es im April bis Mai zu den Paarungen der Tiere, eine weitere kurze Paarungszeit kann im Herbst zwischen September und Oktober erfolgen. Dafür suchen die Männchen nach Duftspuren von Weibchen, die diese hinterlassen und die aufgrund spezifischer Pheromone erkannt werden. Die Aufnahme des Geruchs erfolgt dabei, wie auch bei der Beuteverfolgung, durch die Zunge und das Jacobsohnsche Organ im Gaumen der Schlange. Hat das Männchen das Weibchen gefunden, kommt es zur Paarung, wobei das männliche Tier zuerst versucht, einen Körperkontakt mit dem weiblichen herzustellen und sich in ganzer Länge daneben legt. Danach umschlingt es mit dem Hinterleib das Weibchen und führt die stachelbewehrten Hemipenes in die Kloake des Weibchens ein. Das Weibchen versucht in dieser Stellung häufig, einen Unterschlupf zu erreichen und schleift dabei das Männchen mit. Die Paarung dauert eine bis zwei Stunden, danach trennen sich die Tiere wieder.

Innerhalb der Balzzeit kommt es zu durchschnittlich sechs Paarungen bei jedem Tier, dabei können die Partner die gleichen sein oder auch gewechselt werden. Trifft das Männchen bei dem Weibchen auf ein weiteres männliches Tier, kommt es zu einem Rivalenkampf, bei dem die Einzeltiere versuchen, das Gegenüber zu Boden zu drücken und zu vertreiben.

Die Spermien des Männchens verbleiben im Körper des Weibchens bis zur Ovulation, die meistens erst vier bis sechs Wochen nach den Paarungen stattfindet, erst dann kommt es zur Befruchtung. Daran anschließend erfolgt die Tragezeit, die abhängig von der Temperatur zwei bis vier Monate dauern kann. Die Aspisviper ist ovovivipar, das Weibchen bringt entsprechend ihre Jungtiere lebend zur Welt oder diese schlüpfen direkt bei und nach der Geburt aus ihren dünnen Eihüllen.

Insgesamt bringen die Mutterschlangen zwischen zwei und 15 Jungschlangen zur Welt, selten auch mehr. Die Jungschlangen wiegen durchschnittlich vier bis sieben Gramm bei einer Länge von 14 bis 24 Zentimetern. Abhängig vom Geburtszeitraum jagen diese Tiere noch etwa einen Monat oder gehen direkt in die Winterstarre über. Die ersten Paarungen erfolgen im dritten oder vierten Lebensjahr. Das bisher älteste bekannte Tier war 14 Jahre alt, das Alter wurde dabei anhand von Knochenschliffen ermittelt.

Toxizität

Aspisviper mit der typischen „kantigen“ Nasenform
Infizierter Biss 3. Tag ohne Behandlung

Das Gift der Aspisviper ähnelt dem der Kreuzotter (Vipera berus), jedoch ist das Gift der Aspisviper in seiner Wirkung etwas stärker und kann im Extremfall für den Menschen auch tödlich sein. Eine Behandlung im Krankenhaus mit Antiserum ist meistens angezeigt. Die Giftzähne sind als Röhrengiftzähne mit zentralem Hohlraum ausgebildet.

Nach einem Biss ist die betroffene Person unverzüglich in das nächstgelegene Krankenhaus zu bringen. Das Aussaugen, Ausschneiden oder Abbinden der Bissstelle ist nicht zu empfehlen. Da die Aspisviper das giftige Sekret, welches sie zum Jagen von Mäusen, Fröschen, Blindschleichen oder anderem Getier benötigt, nicht einfach verschwendet, wird bei einem Großteil der Bisse kein oder nur sehr wenig Gift injiziert. Die Symptome des Bisses äußern sich so: Rund um die Bissstelle sollte etwa eine Stunde später eine gewaltige Schwellung entstehen, es kann auf Grund von Nervengiften (Neurotoxinen) zu Atemnot und Herzbeschwerden kommen,wegen des blutzersetzenden (hämolytischen) Teils des Sekretes ist es möglich, dass die Zone nahe der Bissstelle bläulich aussieht. Normalerweise treten die Symptome jedoch nicht auf und auch die Schmerzen des Bisses halten sich in Grenzen, sodass manche Leute überhaupt nichts davon merken, wenn sie gebissen werden.

Systematik

Die wissenschaftliche Erstbeschreibung der Aspisviper erfolgte 1758 durch Carl von Linné, der sie als Coluber aspis beschrieb. 1768 ordnete Josephus Nicolaus Laurenti sie der Gattung Vipera als Vipera aspis zu.

Von der Aspisviper werden in ihrem Verbreitungsgebiet fünf Unterarten unterschieden. Die Nominatform Vipera aspis aspis lebt dabei in Nord- und Zentralfrankreich und auch die in Deutschland heimischen Tiere gehören ihr an. In den spanischen und französischen Pyrenäen lebt Vipera aspis zinnikeri und in Südostfrankreich, der Schweiz sowie Nordwestitalien Vipera aspis atra. Vipera aspis francisciredi lebt in Nord- und Zentralitalien und Vipera aspis hugyi stellt eine Inselform auf Sizilien dar.

Verwechslungsmöglichkeiten

Europäische Hornotter mit deutlichem Schnauzenhorn - bei der Aspisviper fehlt dieses dagegen

Vier in Europa vorkommende Arten ähneln der Aspisviper, so dass sie bei Freilandbeobachtungen mit dieser Art verwechselt werden können. Die Kreuzotter und die Wiesenotter haben im Gegensatz zur Aspisviper keine aufgewölbte Schnauzenregion. Die Europäische Hornotter und die Stülpnasenotter haben im Gegensatz zur Aspisviper ein deutliches Schnauzenhorn.

Gefährdung und Schutz

Die Aspisviper lebt in einem recht großen Verbreitungsgebiet und kommt dabei in sehr unterschiedlichen Habitaten vor, sie ist also kein Tier mit sehr speziellen Lebensraumansprüchen. Aus dem Grund besteht eine direkte Gefährdung für die Art nicht. Anders sieht dies in einigen isolierten Populationen aus, zu denen auch die in Deutschland lebenden Tiere gehören. Diese sind davon abhängig, dass die Habitate weitgehend in ihrem jetzigen Strukturreichtum erhalten bleiben. In Deutschland wird sie entsprechend des sehr begrenzten Lebensraumes in der Roten Liste in die Kategorie 1 – vom Aussterben bedroht – eingeordnet.

Als Hauptgefährdungsursachen werden Straßen angegeben, auf denen die Tiere relativ häufig überfahren werden. Eine weitere Gefahr für die Populationen stellen Raritätensammler dar, die Aspisvipern für ihr heimisches Terrarium fangen. Wie alle europäischen Schlangen steht die Art allerdings unter Schutz.

Schutzstatus

Rote Liste-Einstufungen

  • Rote Liste der Bundesrepublik Deutschland: 1 – vom Aussterben bedroht
    • Rote Liste Baden-Württemberg: 1 – vom Aussterben bedroht
  • Rote Liste Österreichs: (diese Art kommt hier nicht vor)
  • Rote Liste der Schweiz: Nominatform "Juraviper" (Vipera aspis aspis): CR (entspricht: vom Aussterben bedroht)
Unterart "Alpenviper" (Vipera aspis atra): VU (entspricht: gefährdet)
Unterart "Rediviper" (Vipera aspis francisciredi): EN (entspricht: stark gefährdet)

Literatur

  • Ulrich Gruber: Die Schlangen Europas und rund ums Mittelmeer. Franck'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1989, ISBN 3-440-05753-4
  • Axel Kwet: Reptilien und Amphibien Europas. Franck'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 2005, ISBN 3-440-10237-8
  • Rainer Günther (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Gustav Fischer Verlag, Jena 1996, ISBN 3-437-35016-1

Weblinks

Commons: Aspisviper – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien