Bayerischer Senat

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Senatsglocke, gestiftet 1972 von Gustav Haydn[1] im Präsidentenflur des Maximilianeums
Gedenktafel im Präsidentenflur des Maximilianeums

Der Bayerische Senat war nach der Bayerischen Verfassung von 1946 bis 1999 eine zweite Kammer neben dem Bayerischen Landtag als der Volksvertretung.

Struktur und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 60 Mitglieder des Bayerischen Senats, die mindestens 40 Jahre alt sein mussten, wurden von sozialen, wirtschaftlichen, gemeindlichen und kulturellen Körperschaften für sechs Jahre gewählt bzw. im Fall der Religionsgemeinschaften ernannt. Jeder der Gruppen stand eine festgelegte Anzahl von Sitzen zu. Da der Senat ein ständiges Organ war, wurde alle zwei Jahre ein Drittel der Sitze neu bzw. wieder besetzt. Senatsmitglieder durften nicht zugleich Landtagsabgeordnete sein und genossen ähnliche Rechte wie diese. Der Senat wirkte in gewissem Umfang an der Landesgesetzgebung mit, hatte aber im Wesentlichen beratende und gutachterliche Aufgaben. Ein Einspruch des Senats konnte vom Landtag mit einfacher Mehrheit überstimmt werden.

1977/78 gab es Bestrebungen zur Vergrößerung des Senats, Neuordnung der Zusammensetzung und Berücksichtigung weiterer Körperschaften; die entsprechende Mehrheit zur Änderung der Bayerischen Verfassung kam nicht zustande.[2][3]

Der Senat kam im Zuge der allgemeinen Bürokratiediskussion in den 1990er-Jahren in die Kritik. Das im Juni 1997 abgehaltene Volksbegehren „Schlanker Staat ohne Senat“, das von der ÖDP initiiert wurde, verlangte schließlich die Abschaffung des Bayerischen Senats. Es wurde durch 927.047 Eintragungen (= 10,5 % des bayerischen Stimmvolks) unterstützt. An dem danach notwendigen Volksentscheid vom 8. Februar 1998 beteiligten sich 39,9 % der Stimmberechtigten. Von den gültigen Stimmen votierten 2.412.944 (69,2 %) für die Abschaffung des Senats. Für den von der CSU getragenen Gegenentwurf des Landtages, der eine veränderte Zusammensetzung des Senats vorsah, stimmten 23,6 %. Im September 1999 erklärte der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Regelungen des Volksentscheids für verfassungskonform. Damit trat zum 1. Januar 2000 das Gesetz zur Abschaffung des Senats in Kraft.

Zusammensetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Senat setzte sich aus Vertretern folgender Gruppen zusammen:

Präsidenten und Vizepräsidenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Präsidenten
Name Gruppe Partei Amtszeit (Beginn) Amtszeit (Ende)
Josef Singer Genossenschaften 4. Dezember 1947 9. Januar 1968
Hippolyt Freiherr Poschinger von Frauenau Land- und Forstwirtschaft CSU 9. Januar 1968 14. Januar 1982
Hans Weiß Gemeinden und Gemeindeverbände CSU 14. Januar 1982 31. Dezember 1993
Walter Schmitt Glaeser Hochschulen und Akademien CSU 11. Januar 1994 28. November 1996
Heribert Thallmair Gemeinden und Gemeindeverbände CSU 28. November 1996 31. Dezember 1999
Erste Vizepräsidenten
Name Gruppe Partei Amtszeit (Beginn) Amtszeit (Ende)
Gustav Schiefer Gewerkschaften SPD 4. Dezember 1947 8. Januar 1954
Hans Hörner Gewerkschaften 8. Januar 1954 22. Dezember 1960
Theo Eppig Wohltätigkeitsorganisationen 22. Februar 1961 12. Mai 1964
Hippolyt Poschinger von Frauenau Land- und Forstwirtschaft CSU 8. Juli 1964 10. Januar 1968
Josef Listl Gemeinden und Gemeindeverbände CSU 10. Januar 1968 31. Dezember 1969
Robert Sauer Hochschulen und Akademien 8. Januar 1970 22. August 1970
Audomar Scheuermann Religionsgemeinschaften 1. Oktober 1970 31. Dezember 1987
Ernst Wrede Industrie und Handel 12. Januar 1988 31. Dezember 1993
Ekkehard Schumann Hochschulen und Akademien 11. Januar 1994 11. Januar 1996
Heribert Thallmair Gemeinden und Gemeindeverbände CSU 11. Januar 1996 28. November 1996
Hans Haibel Industrie und Handel 28. November 1996 31. Dezember 1999
Zweite Vizepräsidenten
Name Gruppe Partei Amtszeit (Beginn) Amtszeit (Ende)
Alexander Rodenstock Industrie und Handel 4. Dezember 1947 30. August 1953
Konrad Pöhner Industrie und Handel CSU 25. September 1953 29. November 1958
Hans Bornkessel Gemeinden und Gemeindeverbände SPD 29. Dezember 1958 10. Januar 1968
Ludwig Linsert Gewerkschaften SPD 10. Januar 1968 8. Januar 1970
Walter Roth Gewerkschaften 8. Januar 1970 31. Dezember 1985
Ernst Wrede Industrie und Handel 9. Januar 1986 12. Januar 1988
Ekkehard Schumann Hochschulen und Akademien 12. Januar 1988 11. Januar 1994
Christel Beslmeisl Gewerkschaften SPD 11. Januar 1994 31. Dezember 1999

Vergleichbare Institutionen in anderen Ländern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zusammensetzung des Bayerischen Senats kann international mit dem irischen Seanad Éireann oder dem französischen Conseil économique, social et environnemental verglichen werden.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hansjürgen Jendral: Der Bayerische Senat: Sonderfall im Föderalismus – und parlamentarisches Modell für Korporatismus? Ein Theorie-Ansatz zur verfassungsrechtlichen Institutionalisierung von organisierten Interessen. Haag und Herchen, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-86137-089-1 (Zugleich: Hagen, Fernuniversität, Diss., 1993).
  • Helga Schmöger: Der Bayerische Senat. Biographisch-statistisches Handbuch 1947–1997 (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. 10). Droste, Düsseldorf 1998, ISBN 3-7700-5207-2.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Bayerischer Senat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Andreas Nigl: Passauer Senatsglocke bekommt einen Ehrenplatz im Präsidentenflur (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kmz.de.
  2. Die Zeit vom 16. September 1977, abgerufen am 28. Mai 2018.
  3. Hans F. Zacher: Verfassungsrechtliche Bedingungen der Veränderung der Zusammensetzung des Bayerischen Senats abgerufen am 28. Mai 2018.