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Die 5. Legislaturperiode des Parlaments der Republik Estland, der 5. Riigikogu (estnisch V Riigikogu), dauerte vom 15. Juni 1932 bis zum 2. Oktober 1934 (de facto) bzw. 31. Dezember 1937 (de iure).[1] Sie war geprägt vom unblutigen Staatsstreich durch Staats- und Regierungschef Konstantin Päts und das estnische Militär vom 14. März 1934.

Parlamentswahl 1932[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vom 21. bis zum 23. Mai 1932 fanden die Wahlen zur fünften Legislaturperiode des Parlaments statt. Die Amtszeit des Parlaments betrug nach der Verfassung von 1920 eigentlich drei Jahre.

Die 100 Abgeordneten wurden nach dem Verhältniswahl gewählt. Die Parteien stellten für die Wahl Listen für die zehn Wahlkreise auf. Dieselben Kandidaten konnten in mehreren Wahlkreisen kandidieren. Die Sitzzuteilung erfolgte nach dem D’Hondt-Verfahren.

Insgesamt konnten sechs Parteien bzw. Wahlbündnisse ins Parlament einziehen.

Im Parlament vertretene Parteien bzw. Wahlbündnisse 1932 bis 1934[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Amtliches Endergebnis der Parlamentswahl 1932 (100 Sitze)
Partei deutscher Name politische Orientierung %
(Wahl 1932)
Sitze V. Riigikogu
(Wahl 1932)
%
(Wahl 1929)
Sitze IV. Riigikogu
(Wahl 1929)
  Ühinenud Põllumeeste Erakond Partei der vereinigten Landwirte konservativ-agrarisch 39,8 % 42 36,8 %[2] 38
  Rahvuslik Keskerakond Nationale Zentrumspartei Mitte-rechts 22,1 % 23 26,1 %[3] 26
  Eesti Sotsialistlik Tööliste Partei Estnische Sozialistische Arbeiterpartei sozialdemokratisch 21,0 % 22 24,0 % 25
  Pahempoolsed töölised ja kehvikud Linksgerichtete Arbeiter und Kleinbauern kommunistisch 5,2 % 5 6,2 %[4] 6
  Vene Rahvuslik Liit Eestis; Vene Pahempoolsete Sotsialistide ja Talupidajate Koondus Russischer Nationalverband in Estland; Russische Vereinigung linksgerichteter Sozialisten und Bauern russischsprachige Minderheit 7,5 % 8 2,5 %[5] 2
  Saksa-Rootsi valimisblokk Deutsch-Schwedischer Wahlblock Deutschbaltische und estlandschwedische Minderheit 3,1 % 3 3,2 % 3

Konstituierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das neu gewählte Parlament trat zur konstituierenden Sitzung der 5. Legislaturperiode am 20. Juni 1932 im Tallinner Schloss zusammen.[6]

Parlamentspräsident der 5. Legislaturperiode[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl Einbund (später Kaarel Eenpalu) wurde 1932 in seinem Amt als Parlamentspräsidenten bestätigt

Der seit 1929 amtierende Parlamentspräsident Kaarel Eenpalu (ab Mitte der 1930er Jahre estnisiert in Kaarel Eenpalu) vom konservativ-agrarischen Bund der Landwirte (Põllumeeste Kogud – PK) wurde in der konstituierenden Sitzung als Parlamentspräsident wiedergewählt.

Zum ersten stellvertretenden Parlamentspräsidenten wurde Tõnis Kalbus von der Nationalen Zentrumspartei (Rahvuslik Keskerakond) gewählt. Zweiter stellvertretender Parlamentspräsident war der Sozialdemokrat Mihkel Martna von der Estnischen Sozialistischen Arbeiterpartei (Eesti Sotsialistlik Tööliste Partei).

Name Amtszeit Partei
Kaarel Eeenpalu 20.06.1932 – 19.07.1932    Põllumeeste Kogud
Jaan Tõnisson 19.07.1932 – 18.05.1933 Rahvuslik Keskerakond
Kaarel Eeenpalu 18.05.1933 – 29.08.1934 Põllumeeste Kogud
Rudolf Penno 28.09.1934 – 31.12.1937 Asunikkude, Väikepõllupidajate ja Riigirentnikkude Koondus

Abgeordnete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gesetzliche Mitgliederzahl des Riigikogu betrug 100 Abgeordnetenmandate. Insgesamt hatten im Laufe der 5. Legislaturperiode 115 Personen ein Abgeordnetenmandat inne.

Gesetzgebung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seiner 5. Legislaturperiode nahm der Riigikogu insgesamt 160 Gesetze an. Er verabschiede elf Entscheidungen und acht Haushaltsbeschlüsse.[7]

Krisenjahre der Republik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rasch wechselnde Regierungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Laufe der Legislaturperiode verschärften sich die tiefgreifenden politischen Krisen des Landes und erodierten die innenpolitische Stabilität.

Ein Grund war vor allem die schlechte Wirtschaftslage in Estland, die vor allem eine Folge der Weltwirtschaftskrise 1929 war. Im Streit um die Wirtschaftspolitik des Landes lösten sich in immer schnellerer Folge wechselnde Regierungen und Koalitionen ab:

Am 19. Juli 1932 berief der Riigikogu die Regierung unter Karl Einbund in Amt (Kabinett Einbund I). Sie wurde schon am 1. November 1932 von einer Regierung unter Konstantin Päts (Kabinett Päts IV) abgelöst. Am 18. Mai 1933 kam eine neue Regierung unter Jaan Tõnisson ins Amt (Kabinett Tõnisson IV). Am 21. Oktober 1933 wählte der Riigikogu Konstantin Päts erneut zum Staats- und Regierungschef (Kabinett Päts V).

Erstarkten der rechtspopulistischen außerparlamentarischen Bewegung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die raschen Regierungswechsel und die Streitigkeiten unter den demokratischen Parteien führten zu einem Vertrauensverlust des politischen Systems in der estnischen Bevölkerung. Der Zulauf zur außerpolitischen rechtspopulistischen Bewegung des „Zentralverband der estnischen Freiheitskämpfer“ (Eesti Vabadussõjalaste Keskliit – EVKL), die im Volksmund Vapsid genannt wurden, wurde immer größer. Ihre charismatischen Führer Andres Larka und Artur Sirk traten offen für die Abschaffung der parlamentarischen Parteiendemokratie und einen autoritären Führerstaat ein. Mit den zunehmenden innenpolitischen Spannungen und der Bildung gewaltbereiter Ordnertruppen schien der innere Frieden in Estland bedroht. Am 11. August 1933 erklärte die Koalitionsregierung unter Staats- und Regierungschef Jaan Tõnisson den Ausnahmezustand über das ganze Land, der seit Juni bereits für die Stadt und den Landkreis Tartu galt. Sie schränkte zahlreiche bürgerliche Rechte ein, führte die Vorzensur ein und erließ ein Verbot bestimmter Gruppierungen, das auch den EVKL betraf. Am 11. August 1933 wurde der EVKL aufgelöst.

Die Regierung konnte so zwar die Ruhe einigermaßen gewährleisten, wurde aber in der Bevölkerung immer unbeliebter. Die Auflösung der Vapsid blieb nicht von langer Dauer. Die Organisation gründete sich im Oktober 1933 neu unter dem Namen „Estnischer Bund der Freiheitskämpfer“ (Eesti Vabadussõjalaste Liit – EVL). Gleichzeitig wurde aus taktischen Gründen ein parteipolitischer Arm ins Leben gerufen, die „Volksbewegung der Freiheitskämpfer“ (Vabadussõjalaste Rahvaliikumine). Die Mitgliederzahl des EVL übertraf bis Ende 1933 die der politischen Parteien zusammengenommen.

Gescheiterte Verfassungsreferenden vom August 1932 und Juni 1933[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die demokratischen Parteien versuchten, durch eine Änderung der Verfassung dem politischen System zu mehr Stabilität zu verhelfen.

Am 22./23. März 1932 nahm der Riigikogu eine tiefgreifende Verfassungsreform ein, die von einem interfraktionellen Unterausschuss vorbereitet worden war. Sie sollte durch die Einführung eines semi-präsidentiellen Regierungssystem für mehr Stabilität sorgen.

Die Reform sah vor allem die Schaffung eines Amts des Staatspräsidenten vor. Er oder sie sollte ein Vetorecht gegen Gesetze des Riigikogu besitzen, Notverordnungen erlassen dürfen und die Befugnis zur vorzeitigen Auflösung des Parlaments haben. Außerdem sah der Verfassungsentwurf eine Verkleinerung des Parlaments von 100 auf 80 Abgeordnete und eine Verlängerung der Legislaturperiode von drei auf vier Jahren vor.

Das Verfassungsprojekt scheiterte mit 49,2% Ja-Stimmen knapp in einer Volksabstimmung, die vom 13. bis 15. August 1932 stattfand.

Trotz der Niederlage in der Volksabstimmung blieb der Riigikogu im Amt. Seine Autorität war allerdings durch das gescheiterte Referendum stark angeschlagen.

Verfassungsreferendum vom Oktober 1933[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jetzt sah der Bund der Freiheitskämpfer seine Chance gekommen. Vor allem auf Druck der rechten Parteien gab jetzt das Parlament nach. Es stellte den Verfassungsentwurf der EVL zur Volksabstimmung, der nunmehr auch vom konservativ-agrarischen Bund der Landwirte (Põllumeeste Kogud) um Konstantin Päts unterstützt wurde. Der Verfassungsentwurf wurde in einer Volksabstimmung vom 14. bis 16. Oktober 1933 mit einer deutlichen Mehrheit von 73 % angenommen.

Die neue Verfassung sah den Umbau zu einem semi-präsidentiellen System vor. Neugeschaffen wurde das Amt eines „Staatsältesten“ (d. h. Staatspräsidenten), der auf fünf Jahre direkt vom Volk gewählt wurde. Im zweiten Wahlgang genügte die einfach Mehrheit. Dem Staatsältesten kam eine zentrale Stellung im politischen System zu. Der Staatälteste erhielt ein Verordnungsrecht, das der parlamentarischen Gesetzgebung gleichgestellt war. Er konnte sein Veto gegen Parlamentsgesetze einlegen und das Parlament vorzeitig auflösen. Die Zahl der Abgeordneten wurde auf fünfzig halbiert. Eine schwache Stellung sollte die Regierung erhalten, die sowohl vom Vertrauen des Präsidenten als auch des Parlaments abhängig war. Der Grundrechtekatalog der Verfassung von 1920 und das unabhängige Justizsystem blieb allerdings weitgehend unangetastet.

Nach ihrer Niederlage in der Volksabstimmung erklärte die Regierung Tõnisson am 17. Oktober 1933 ihren Rücktritt und hob den Ausnahmezustand auf. Konstantin Päts vom „Bund der Landwirte“ bildete mit Rückendeckung des Parlaments am 21. Oktober 1933 eine Übergangsregierung, die bis zu den Wahlen zum Staatspräsidenten und Parlament geschäftsführend im Amt bleiben sollte. Der Bund der Freiheitskämpfer erhielt immer mehr Zulauf. Er konnte in den Kommunalwahlen Ende 1933 große Erfolge verzeichnen.

Am 24. Januar 1934 trat die neue Verfassung in Kraft. Hundert Tage nach ihrem Inkrafttreten sollten Wahlen zum Staatsältesten und zum Parlament stattfinden. Konstantin Päts blieb bis dahin in Personalunion geschäftsführender Staats- und Regierungschef.

Staatsstreich vom 12. März 1934[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 29. und 30. April 1934 sollten unter der neuen Verfassung Wahlen zum 6. Riigikogu stattfinden. Dazu kam es nicht. Am 12. März 1934 riss Staats- und Regierungschef Päts mit Hilfe von Johan Laidoner in einem unblutigen Putsch die Macht an sich und errichtete eine Diktatur. Er nutzte dabei vordergründig die weitgehenden Vollmachten, die ihm nach der neuen Präsidialverfassung zustanden, um dem Putsch einen legalen Anstrich zu verleihen.

Die Regierung verhängte über das Land den Ausnahmezustand („Verteidigungszustand“) für sechs Monate. Sie ließ etwa vierhundert politische Gegner verhaften, zum allergrößten Teil Mitglieder des „Bundes der Freiheitskämpfer“. Am 7. September 1934 wurde der Ausnahmezustand um ein weiteres Jahr verlängert (dann jeweils in den Septembermonaten der Jahre 1935, 1936 und 1937 um weitere zwölf Monate).

September 1934: Ende des Parlamentarismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 28. September 1934 wurde Penno zum Parlamentspräsidenten der Republik Estland gewählt. Er hatte das Amt de jure bis zum 31. Dezember 1937 inne. Pennos Wahl 1934 war eine Reaktion auf den unblutigen Staatsstreich vom 12. März 1934, mit dem der amtierende Staats- und Regierungschef Konstantin Päts mit Hilfe des estnischen Militärs die Macht übernommen hatte. Im September 1934 weigerte sich das Parlament aus Protest gegen den von der Regierung verlängerten Ausnahmezustand, den von der Regierung Päts vorgeschlagenen pensionierten General Jaan Soots zum Parlamentspräsidenten zu wählen. Es bestimmte stattdessen Penno zum Parlamentspräsidenten; Parteienvertreter kritisierten im Plenum die Maßnahmen der Regierung, insbesondere die Beschneidung der Parlamentsrechte, scharf. Daraufhin ließ Innenminister Karl Einbund am 2. Oktober 1934 die Plenarsitzung des Riigikogu beenden und bewaffnete Truppen am Sitz des Parlaments aufmarschieren. Das Parlament kam daraufhin bis 1938 nicht mehr zusammen. Päts regierte ohne Legislative mit Hilfe von Präsidialverordnungen.

Das Parlament trat nach dem 2. Oktober 1934 auf Druck der Regierung nicht mehr zusammen. Estland blieb damit de facto ohne Legislative. Regierungschef Päts regierte mit Erlassen, die Gesetzeskraft hatten. Am 5. März 1935 erließ Innenminister Einbund ein Verbot der politischen Betätigung der Parteien.

Neue Verfassung vom 1. Januar 1938[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine von Päts initiierte Volksabstimmung über die Einberufung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung (Rahvuskogu) fand vom 23. bis 25. Februar 1936 statt. Der bikamerale Rahvuskogu tagte von Februar bis August 1937. Nach sechs Monaten Arbeit legte der Rahvuskogu im Juli 1937 eine neue Verfassung vor. Die neue Verfassung war damit ganz auf Konstantin Päts und die Festigung seiner Herrschaft zugeschnitten. Eine Rückkehr zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fand nicht statt. Das neue Grundgesetz wurde am 17. August 1937 von Päts unterzeichnet. Die Verfassung trat am 1. Januar 1938 in Kraft. Am 24. und 25. Februar 1938 fand unter die neuen Verfassung die Wahl zur Abgeordnetenkammer (Riigivolikogu) statt. Kurze Zeit später wurden die Mitglieder der zweiten Parlamentskammer, des Staatsrats (Riiginõukogu), ernannt.

Mit seiner Verordnung vom 27. Dezember 1937 beendete Staats- und Regierungschef (Riigihoidja) Konstantin Päts de iure die Vollmachten des 5. Riigikogu zum 1. Januar 1938 (Riigi Teataja, 103, 841).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. https://www.riigikogu.ee/tutvustus-ja-ajalugu/riigikogu-ajalugu/v-riigikogu-koosseis/
  2. Kumuliert aus Põllumeeste Kogud und Asunikkude, Väikepõllupidajate ja Riigirentnikkude Koondus
  3. Kumuliert aus Eesti Tööerakond, Eesti Rahvaerakond, Kristlik Rahvaerakond und Majaomanikud, kaupmehed, töösturid ja teised eraomandust pooldajad
  4. Verglichen mit der Eesti Tööliste Partei
  5. Verglichen mit dem Vene Rahvuslik Liit Eestis
  6. https://meieparlamentjaaeg.nlib.ee/1918-1940/1932/
  7. https://meieparlamentjaaeg.nlib.ee/1918-1940/1934

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